Facharbeit: Liebe zwischen Romantik und Realismus in der deutschen Lyrik inkl. Gedichtinterpretationen
Liebe zwischen Romantik und Realismus
- Liebe per Lexikon
- Liebe und Poesie
- Die Romantik-universal und individuell
- Interpretation von Joseph von Eichendorffs Der Schiffer
- Von der Romantik zum Realismus
- Interpretation von Heinrich Heines In der Fremde
- Interpretation von Conrad Ferdinat Meyers Zwei Segel
- Vergleich der Gedichte
- Zusammenfassung
- Liebe ist Lila - persönliche Stellungnahme
- Literaturverzeichnis
Liebe per Lexikon
Liebe: ein Begriff, mit dem eine Vielfalt von Gefühlen der Zuneigung charakterisiert wird, die auf die Vereinigung mit dem geliebten Objekt zielen. Man unterscheidet die personenbezogene Liebe zu einem Partner, die die Sexualität mit einschließt, oder zu Eltern, Freunden, Geschwistern und anderen Menschen, und die objektbezogene Liebe zur Natur, zur Freiheit, zum Eigentum. Philosophie und Psychologie haben eine Reihe von Erklärungsmodellen für das Phänomen Liebe geliefert.
1. starke Zuneigung, starkes Gefühl des Hingezogenseins, opferbereite Gefühlsbindung (Menschenliebe, Mutterliebe, Nächstenliebe, Tierliebe, Vaterlandsliebe); starke, geschlechtsgebundene, opferbereite Gefühlsbeziehung; Hass; heftiger Drang, heftiges Verlangen, Streben nach etwas (Freiheitsliebe, Gerechtigkeitsliebe, Wahrheitsliebe); Gefälligkeit, Freundlichkeit
2. Glaube, Hoffnung und Liebe (nach 1. Korinther 13,13); ein Kind der Liebe K. aus einer ganz bes. glücklichen Ehe bzw. Partnerschaft; uneheliches K.; Lust und Liebe zu einer Sache haben eine S. gern tun; Werke der Liebe tun der Barmherzigkeit; auf ein Wort der Liebe warten
3. alte Liebe rostet nicht Jugendliebe od. -freundschaft ist von langer Dauer; Brennende Liebe = Herzblume; brüderliche, kindliche, schwesterliche, mütterliche, väterliche Liebe; eheliche, geschlechtliche Liebe; erbarmende Liebe; göttliche Liebe; große, heiße, herzliche, innige, leidenschaftliche, treue Liebe; heimliche, stille Liebe; eine Liebe ist der anderen wert jmdm, der gefällig ist, tut man auch gern einen Gefallen
4. jmdn. aus Liebe heiraten; etwas aus Liebe zu jmdm. tun; Liebe für jmdn. empfinden, fühlen; (kein) Glück in der Liebe haben; in Liebe entbrannt sein; etwas mit viel Liebe tun mit viel Geduld u. Mühe; die Liebe zu den Eltern, zu den Kindern; Liebe zur Musik, zur Kunst, zur Natur; Liebe zur Wahrheit; Liebe zwischen Mann u. Frau, Eltern u. Kindern
Liebe und Poesie
Wenige wissen
Um das Geheimnis der Liebe
Fühlen Unersättlichkeit
Und ewigen Durst
(F. L. v. Hardenberg, Hymne)
Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein
Eins im Andern sich zu finden
Das der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein
(Karoline v. Günderode, Die eine Klage)
Du schaust mich nicht im Dunkeln
Steh ich hier unten allein;
Noch weniger kannst du schauen
In mein dunkles Herz hinein
Mein dunkles Herz liebt dich,
Es liebt dich und es bricht,
Und bricht und zuckt und verblutet,
Aber du siehst es nicht.
(H. Heine, Heimkehr LX)
Als ginge, luftgesponnen, ein Zauberfaden
Von ihr zu mir, ein ängstig Band
So zieht es, zieht mich schmachtend ihr nach!
(Eduard Mörike, Peregrina)
Die Romantik – universal und individuell
Etwa im Jahre 1800 erblühte, erst schüchtern dann wie eine Welle der Phantasie, die aufrührerische Bewegung der Romantiker in der Universitätsstadt Jena. Die Rationalität der Aufklärung hatte in Deutschland keine lebbare Wirklichkeit vorgegeben. Rebellische Gedanken fanden in den wenig hitzigen Gemütern der Deutschen kein Nachahmungsverlangen. Die Angst vor gewaltsamer Radikalisierung, der Verbannung ins Exil und die Enttäuschung gegenüber den Franzosen angesichts ihrer idealverleugnenden Annexionspolitik nach 1793 nährten die Entwicklung einer Gegenbewegung, welche in die absolute Contraideologie der Rationalität stürmte. Die Phantasie sollte alle irdischen Gegensätze vereinen, um in dieser Einheit eine neue universale Realität zu schaffen. Die Wiedervereinigung mit der Natur, das Überwinden der Grenzen zwischen zwei Menschen durch den Akt der Liebe, das Verschmelzen mit der Welt wurden zu den höchsten Zielen zu denen der Subjektivismus des schaffende Ichs den Romantiker führen sollte. Gerade diese egozentrische Dichtung machte eine unerhörte Vielfalt an lyrischen Formen möglich, die der formalen Starre der Klassik entsagte und in geistigen Fußstapfen der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang trat.
Das Ego, seinem Ziele der Vereinigung zum Trotze, war allein durch seine Definition in seiner Subjektivität alleinstehend und suchte daher eine über seine empirische Wirklichkeit hinausgehende Lösung für seine Sehnsucht – Gott. "Die Romantik war von Beginn an eine religiöse Bewegung", meinte der Professor für Literaturwissenschaften Fritz Martini (1909-1991). Der Hang der Romantiker für das Geschichtliche, das Mythische, das Religiöse entsprang der Liebe zur Suche nach der Unendlichkeit. Mit ihren zahllosen Möglichkeiten, ihrer gänzlichen Offenheit wurde die Unendlichkeit zum zentralen Thema vieler romantischer Werke.
"Romantisieren heißt, dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein zu geben." (Novalis) Die Liebesgedichte der Romantik wurden nicht nur zu Überbringern der idyllischen Idee der Auflösung aller Gegensätze zu einer universalen zeitlosen Harmonie, sondern auch zu Vermittlern des Unterbewussten und Untergründigen. Erotische - beziehungsweise sinnliche - Leidenschaft wurde transzendiert ("Auch das Sinnliche wurde ins Geistig-Romantische gehoben" Z. Fritz Martini, Deutsche Literaturgeschichte, Alfred Kröner Verlag, 1991).
Die Epoche der Romantik (ca. 1790-1850) lässt sich in zwei Einheiten unterteilen: Die in Jena entwickelte "Frühromantik" legte die lyrischen Grundbausteine für die heidelbergischen Spätromantik oder "jüngeren Romantik". Ihr volkstümlicher, kosmopolitischer und religiöser Charakter trug zu einem Identifizierungsakt des Volkes mit dem Prinzip der Romantik bei, der bis in einem romantischen Nationalgefühl, bis hin zur vaterlandsliebenden Auflehnung gegen den imperialen Druck Napoleon Bonapartes gipfelte.
In der Romantik treffen wir auf den Höhepunkt anti-realistischer Lyrik. Der Liebesbegriff erhält eine ungeheurer weite, universale Dimension. "Liebe" meint nicht nur das besondere Verhältnis zwischen den Menschen, sondern den ganzen Kosmos durchwaltende göttliche Kraft. Von daher bekommt auch die menschliche Liebe religiöse Züge. Diese lassen aber gleichzeitig den Konflikt zwischen den geistig-seelischen und sinnlichen Formen der Liebe aufs schärfste hervortreten. Eine Lösung des Konfliktes liegt in der Umformung des menschlichen Eros in eine Gottesliebe, die sich z.B. in der Verehrung der Frau erfahren lässt.
Analyse von Joseph von Eichendorffs "Der Schiffer" (1808)
Bei dem vorliegenden Gedicht handelt es sich um ein Liebesgedicht von Joseph von Eichendorff, welches 1808 veröffentlicht und in der Literaturepoche der Romantik verfasst wurde. Der Autor beschreibt die hilflose Hingabe eines lyrischen Ichs (eines Schiffers) gegenüber einer übernatürlichen, bezaubernden Gefahr in Gestalt einer wundervollen Frau. Besonders stark tritt das Merkmal einer metaphorischen und romantischen Darstellung von Emotionen hervor.
Das Gedicht folgt dem Aufbau eines Sonettes, bestehend aus zwei Abschnitten (erste und zweite Strophe) zu je vier Versen (Quartette) und zwei Abschnitten (dritte und vierte Strophe) zu je drei Versen (Terzette). Die Reimstellung ist abba abba cde cde, damit folgt es dem Reimschema des umfassenden Reimes. Das wesentliche Merkmal des Sonettes ist die Gliederung in zwei Teile, wobei die Gedanken, die in den Quartetten vorgetragen, meist gegenübergestellt werden, verdichten sich in den Terzetten zu einer allgemein gültigen Aussage.
So auch bei Eichendorff, denn in den ersten beiden Strophen bearbeitet er die übernatürliche und dadurch auch verlockende Darstellung einer Frau, wohingegen er in der dritten Strophe die Gefahr jener gegenüberstellt und in der letzten Strophe zu einer zusammenfassenden Aussage kommt.
Die ersten beiden Strophen enthalten die Darstellung der Frau durch die Metapher "schönste Wunderblume" (Zeile 1) und den Worten "blühende", "[..] laden, Fröhlich zu binden" (Zeile 2/3), "stillerblühten" (Zeile 5), "voll Vertrauen" (Zeile 4), "zaubrisch (Zeile 6) und "weißen Glanze" (Z. 7). Mit der Metapher möchte der Autor dem Betrachter deutlich machen, wie übernatürlich und außergewöhnliche diese Frau ist. Hierzu wird das Wort ´Wunder´ gebraucht. Dies unterstützt die Benutzung des Wortes ´Blume`, welches man gewöhnlich mit Schönheit assoziiert.
Der Verfasser beschreibt mit der Metapher "Munds Koralln in weißem Glanze baden" (Z. 7) auf poetische Weise die Blässe des Gesichtes, die Reinheit ihres Äußeren, das rot-rosa ihrer Lippen – die Korallen.
Weiterhin beinhaltet die zweite Strophe die Metapher "Lockennacht (Zeile 6), welche der Autor benutzt um eine Verbindung zwischen der Frau und der Schönheit der Nacht zu schaffen.. Farbsymbolisch wird hier durch den dunklen, bedrohlichen Effekt der Farbe Schwarz bereits die Gefahr dieses Angebotes abgedeutet. Zusätzlich unterstützt diese Farbe das Unbekannte, Unergründliche, das Namenlose an dem faszinierenden Subjekt. Er will deutlich machen, wie verlockend sie ist, sie lockt ihn mit "vertrauen" und Schönheit und "Glanz", ladet ein sich "zu binden". Hoffnung tragend verknüpft hier das lyrische Ich diese Bindung mit der hierfür typischen Farbe: Grün.
Anbei zu erwähnen ist, dass die Wörter (Meer, Flut, baden, Korallen, Segel), welche sich auf das Element des Wassers beziehen, das Gedicht auf seinen Titel zurückführen – der Schiffer.
Durch die Faszination des lyrischen Ichs für sie, für das Übernatürliche, das Schöne, wird es Emotionen ausgesetzt, die der Autor mit dem Gegensatz "süßer Schauer" (Z. 8) beschreibt.
Durch Eichendorffs Wortwahl, dessen Begriffe hauptsächlich aus der Natur stammen (Himmel, Flut, Grüns Gestaden, Auen, Meer), vermittelt er die Einstellung, dass die Liebe etwas Natürliches, Ursprüngliches ist.
"Ein Meer bist du, wo Flut und Himmel laden, Fröhlich zu binden von des Grüns Gestaden" (Zeile 2/3), mir dieser besonderen Art der Metapher – der Personifikation- und der Alliteration ("Grüns Gestaden"), die Eichendorff hier verwendet, erschafft er eine Verbindung dreier Elemente (Luft, Wasser, Erde) die sich, durch die Personifizierung, miteinander verbinden und noch einmal die natürliche Schönheit und das Unglaubliche, das Überirdische der begehrten Frau definieren.
In den nächsten beiden Strophen lässt Eichendorff jedoch ein gegensätzliches Gefühl wirken.
Es scheint aus dem Untergrund zu kommen ("Stimmen, die aus dem Abgrund locken" Z. 10), bekommen aber die konkrete Gestalt der "Sirene". Das aus dem Untergrund hochsteigende Gefühl heißt: Gefahr (- oder gefährlich sein-). Es ist der "Schauer", den diese wunderschöne Gestalt auslöst, die Ahnung, wenn ich (das lyrische Ich) mich ihr hingebe, mich ´verlieren´ könnte und in den Abgrund/Tod gezogen werden.
An dem Begriff "Zauber" (Zeile12) lässt sich belegen, dass der Autor nicht das irdische, physische Leben bzw. den Tod meint, sondern den eigentlichen, übernatürlichen Zauber der Liebe oder des Hingezogen-Seins.
Mit dem Wort "lockend" in Bezug auf die Sirene, erschafft Joseph von Eichendorff eine Parallele zu der vorher beschriebenen Frau, da sie dort dieselbe Eigenschaft aufweist, wie die Sirene: Sie lockt.
An dieser Stelle kommt indirekt noch ein anderer Gedanke zum Tragen – der Gedanke, dass diese Schönheit mich (das lyrische Ich) a k t i v zerstören könnte.
Hier baut Eichendorff einen entscheidenden Gegensatz ein: Die Spitz der weiblichen Schönheit [(..) schönste Wunderblume süßer Frauen"], das Reine ("weißem Glanze"), das Nicht-Irdische, (fast Heilige) beinhaltet gleichzeitig die Gefahr der Zerstörung.
Eichendorff gibt uns hier das Bild der Sirene – jenes weibliche Wesen, das nach der griechischen Mythologie (später auch in der deutschen – siehe Loreley) Männer, speziell Seefahrer, zuerst durch ihre überwältigende Schönheit und ihrem wunderschönen Gesang bezaubert, von ihrem Kurs abbringt, verwirrt, sodass sie nicht mehr wissen, wo sie sind und schließlich blind dieser Schönheit in die Tiefe folgen und damit in ihren sicheren Tod. In Mythen und Legenden sind es immer Männer, die durch die sirenische Verführung zuerst die Kontrolle verlieren und dann in den Tod stürzen. Es scheint, als wollte Eichendorff auf diesen Konflikt aufmerksam machen – auf der einen Seite die Liebe in ihrer "bezaubernden" Weise – voll vertrauen sich bindend – und auf der anderen Seite der Verlust an Kontrolle – das Sich-Verlieren ins Ungewisse, die Angst in der Hingabe zu dieser Liebe den Tod des eigenen Ichs oder Egos zu "erleiden". Doch der Dichter findet seine Lösung aus dem Dilemma und bietet sie dem Betrachter an:
"Ich muss dem Zauber ewige Treue schwören
Und Ruder, Segel laß ich gerne fallen,
Denn schöneres Leben blüht aus solchem Tode."
Das lyrische Ich verzichtet auf die Symbole seiner Identität ("Ruder, Segel laß ich gerne fallen") und damit auf seine bisherige Identität des Schiffers überhaupt. Eichendorff bietet dem Leser an, mutig sich dieser Liebe hinzugeben, auch wenn es den Tod des eigenen Egos bedeutet – weil ein schöneres Leben anschließend auf ihn wartet. Er will also aussagen, dass nur, wenn wir bereit sind unser eigenes Ich aufzugeben, uns selbst in der Liebe zu verlieren, eine schöne Einheit, ein Wir – Leben – entstehen kann.
Zusammenfassend ist zu den Stilmitteln des Dichters folgendes zu sagen:
In der Sprache des Gedichtes sticht besonders der metaphorische (Wunderblume, Lockennacht, Ein Meer bist du, stillerblühten(?), Munds Korallen, blühende Segel voll Vertrauen) und der, durch die Blumenmetapher und das betont beschriebene Überirdische, romantische Stil des Verfassers ins Auge.
Mit dem beiden Ausrufesätzen "Du schönste Wunderblume süßer Frauen!" (Zeile 1) und "Wen füllt´ mit süßem Schauer nicht solch Schauen!" (Zeile 8) erschafft der Autor eine Art Rahmen um die Quartette, in denen er noch eine positive Atmosphäre wirken lässt. Er trennt sie von den Terzetten, in denen er seine vorherigen Gedanken der Quartette gegenüberstellt. In den Terzetten verzichtet der Autor auf Begriffverwendungen aus der Natur. Abgesehen von der letzten Zeile, in der er mit dem Wort "blüht" eine rückwirkende Verbindung zu Strophe eins –der Wunderblume- knüpft und damit dem Gedicht eine in sich geschlossene Form gibt.
Die Idee, welche Joseph von Eichendorff hier aufgreift, die Aufgabe des eigenen Egos (und die damit verbundene Überwindung der Ängste) zur Ermöglichung einer über die gegebene Realität hinausgehende Beziehung ist typisch für einen Romantiker im literarischen Sinne. Durch die akzentuiert metaphorische Sprache werden intensive Emotionen überzeugend beschrieben – es geht um etwas Universales. Der Dichter beschreibt sowohl Ängste als auch Freuden und Hoffnungen. Damit gelingt ihm eine Vertrautheit zwischen dem Betrachter und dem lyrischen Ich zu schaffen. Mit der Versetzung von Wörtern nach rechts in der zweiten und dritten Strophe setzt sich auch Eichendorff von der formalen Strenge der Klassik ab. Auch bestätigt "Der Schiffer" die, für die Romantik charakteristische Eigenart, geschichtliche Beispiele aufzugreifen, um das Zeitlose, das Immer-Geltende ihrer Botschaft zu verdeutlichen.
Von der Romantik zum (poetischen/bürgerlichen) Realismus
Um die Entwicklung der deutschen Lyrik von der romantischen zu einer eher wirklichkeitsgetreuen Darstellung nachvollziehen zu können, ist es sinnvoll erst den historischen Kontext näher zu betrachten.
Die Industrialisierung veränderte das Weltbild der Menschen, schuf die sozialen Probleme der Moderne (Überbevölkerung, Massenarbeitslosigkeit, Armut) und änderte den vorherigen Fokus vom Individualismus zu einer stärkeren Partizipation am öffentlichen Leben. Das Scheitern der Freiheitsbewegung mit der Revolution von 1848 schürte eine von den Idealen enttäuschte Gesinnung. Zwischen 1850 und 1890 gewann das materielle und ökologische Denken immer mehr an Bedeutung. Vor dem historischen Hintergrund des Kapitalismus, Imperialismus und dem stetigen Fortschritt der Technik entwickelten sich die zwei großen geistigen Grundlagen dieser Zeit: Auf der einen Seite der ethische Optimismus Ludwig Feuerbachs (1804-1872) und auf der anderen Seite der Pessimismus Arthur Schopenhauers (1788-1860), der sich gegen die Orientierung an einem Leitbild aussprach (antiidealistisch).
Die unter Bismarck entstandene Tendenz zu einer Macht- bzw. Sicherungspolitik und zum stark ausgeprägten Nationalismus ließ die Romantik in Deutschland in den Hintergrund treten. Die religiöse Auffassung geriet unter dem Tempo der Leistungsgesellschaft ins Hintertreffen. Der Geist der Aufklärung erwachte wieder und kehrte sich kritisch gegen den Glauben und die Religiosität der Romantik, die nun als Entweichen vor der Realität in eine Welt der Illusion und des Gefühls denunziert wurde. Skepsis, Reflexion und Kritik wurden groß geschrieben.
Einige Lyriker protestierten gegen diese nüchterne Begrenztheit (Relativismus), andere, wie die Dichter des "Jungen Deutschlands", widmeten ihre Poesie der Zukunftsorientierung und der Aktualität. Beide Gruppierungen rangen mit der Konfrontation gegenüber den Gegensätzen, den Notlagen, dem prägnanten Übergangscharakter ihrer Zeit.
Die Liebesgedichte des Realismus befassen sich mit dem problematischen Verhältnis zwischen Ästhetik und Wahrheit. Sie suchen nach einem Ausgleich emotionaler Zerrissenheit und inneren Spannungen schon in der Formgebung durch das abgeschlossene Gebilde. Das Motiv der Liebe erscheint als ruhige, harmonische Partnerschaft, eingeordnet in die Zusammenhänge des alltäglichen Lebens, oft als beglückende eheliche Beziehung. Aber auch Enttäuschung, Sehnsucht und das langsame "Verebben", das Abschwächen der Intensität, von dauerhaften Liebesbeziehungen wird thematisiert. Die Schilderung von harmonischen Beziehungen, ein Erbe der Romantik, trifft auf pessimistische Gedichte, die um das Motiv der unerfüllten Liebe kreisen und in volksliedhaften, höchst musikalischen Versen variieren (z.B. Heinrich Heine). Ihr Liebesbegriff ist geprägt vom Leiden des Subjekts an seinen Gefühlen, das durch keinen religiös-romantischen Glauben an einen übergreifenden Daseinszusammenhang mehr aufgehoben werden kann. Das Geheimnisvoll-Abgründige der Liebe und die aufwühlende Leidenschaftlichkeit werden zurückgedrängt. Stilistisch tritt die Symbolisierung des Begriffes der Liebe in den Vordergrund.
Die Epoche beschreibt eine Wirklichkeitsnachbildung, die die Realität verklärt, sich durch die Subjektivität der Erzählperspektive auszeichnet und weiterhin auf den Einbezug extrem radikaler Wirklichkeit (z.B. des abstoßend Hässlichen) verzichtet. Bürgerliche Wertordnungen und eine Gefühlskultur prägten die Lyrik des poetischen Realismus Deutschlands, der nach europäischen Maßstäben im 19. Jahrhundert als am wenigsten realistisch galt, da er sich weder ganz von der Romantik loslösen noch einer verschönernden Wirklichkeitsdarstellung entsagen konnte.
Zwar unterstand diese Wirklichkeitsdarstellung der realistischen Gedichte dem Prinzip der Subjektivität, aus der heraus die weltlich -menschlichen Tatsachen geschildert wurden, doch löste sie sich von der Selbstdarstellung der Romantik, in der dem Ich ein universaler Wert zugeschrieben worden war: "Nicht ein Ich singt sich selbst, sondern es ist wirklich der Frühling, die Liebe, die Sehnsucht, […] (die) in dieser aller künstlerischen Mittel gewissen Lyrik zum Ausdruck kommt." (Zitat, Fritz Martini über den zeitgenössischen Dichter E. Mörike, Deutsche Literaturgeschichte, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1991).
Der Realismus ist nicht mehr auf der Suche nach einer ewigen Einheit, sondern macht den Versuch die Vielfalt der Realität aus den Augen jedes Einzelnen zu schildern. Gerade aufgrund dieser Fülle empirischer Wahrnehmungen, ist es schwierig den Begriff der Liebe für die Lyrik dieser Epoche festzulegen. Vielmehr beschrieb jeder Dichter seine eigene Wahrheit, seine eigene Auffassung von Liebe.
Der Dichter Heinrich Heine (1797-1856) bringt die Entwicklung von der Romantik zum bürgerlichen Realismus auf den Punkt: "Die Poesie ist jetzt nicht mehr […], episch und naiv, sondern subjektiv, lyrisch und reflektierend."
Übersicht
Verschmelzung aller irdischen Gegensätze
Mannigfaltigkeit
= formale Vielfältigkeit
= formale Vielfältigkeit
Gedankengut der Aufklärung
Unendlichkeit als unerschöpfliche Quelle von Möglichkeiten
Ländlichkeit, Natur, Volksnähe
Analyse von Heinrich Heines "In der Fremde" (1833)
Heinrich Heines Liebesgedicht "In der Fremde" wurde 1833 veröffentlicht und lässt sich der Literaturepoche des poetischen Realismus zuordnen. Die Botschaft des Gedichtes, erfüllte Liebe sei nur im Traum möglich, nicht in der Realität, übermittelt der Autor durch eine depressive und pessimistische Darstellung des Wesens der Liebe während einer Schilderung einer Erinnerung in Form eines Traumes.
Das Gedicht enthält drei Strophen zu je vier Versen und ist im Kreuzreim angeordnet.
Die ersten beiden Strophen beinhalten hauptsächlich die Beschreibung der Atmosphäre des Traumes und die der Liebe zu "einem schönen Kind". Diese Strophen sind in der Vergangenheitsform geschrieben während die letzte Strophe in der Gegenwartsform verfasst wurde. Dies zeigt, dass eine Art Erinnerung geschildert wird, hier, in Form eines Traumes. Am folgenden Beispiel ist das sehr gut zu belegen: "Mir träumte […]" (Zeile 1) und "Ich bin erwacht […]".
Heine baut einen farblichen Gegensatz ein: In der ersten und zweiten Strophe beschreibt er die Situation mit den Farben "grünen" (Zeile 3), "blauen" (Zeile 4) und "gelben", doch in der letzten Strophe kippt die Stimmung ins "Dunkel[n]" (Zeile 10). So übermittelt Heine die Atmosphäre des Gedichtes, er beschreibt die Zeit, in der sich der Traum abspielt, mit hellen, positiven und harmonischen Farben, so wird dem Betrachter das Gefühl von harmonischer Erfüllung vermittelt. Hoffnung (Grün), Erfüllung beziehungsweise Glück (Gelb) treffen auf einer Gefühlsbasis (Blau) aufeinander. "Freud[en] und Leid[en]" (Zeile 6) werden mit dem geliebten Subjekt geteilt, ein geistiger Austausch unter der Haube der Natur (Linde) verkörpert die Zweisamkeit dieses Augenblicks.
In der Realität, wenn das lyrische Ich "erwacht", ist die Erfüllung der Liebe verschwunden: "[…] steh allein im Dunkeln" (Zeile 10) und "stumm" (Zeile 11). Hier wird poetisch verdeutlicht, dass die erfüllt Liebe nur im Traum existiert, nicht in der Realität.
Somit kommt das Gedicht auf seinen Titel zurück, – In der Fremde – denn nur dort kann der Mensch, laut Heine, die Erfüllung der Liebe erfahren. Offenbar meint Heine nicht die örtliche Fremde, sondern eher die psychische in den Gedanken eines Menschen.
Zu Ende der zweiten und dritten Strophe personifiziert Heine "die gelben Sterne" (Zeile 7/8) und 11/12). Mit dem Beispiel "sie schienen uns zu beneiden" (Ziele 8) und "[…] droben, gleichgültig und stumm, Seh ich die Sterne funkeln" (Zeile 11/12) kann man gut das ironische Spiel des Autors belegen. Er beschreibt einen tragischen Gegensatz, denn die Sterne – welche, nebenbei mit etwas Göttlichen oder mental höher stehenden in assoziiert werden können – beneiden eine Liebe, die in der Realität unmöglich ist. Als diese schwermütige Botschaft durch das Erwachen voll zum Tragen kommt, wechselt die Gesinnung des Symbols für Göttlichkeit (Sterne), vielleicht sogar der Religion, in Gleichgültigkeit. Der Welt, Gott, ist es gleichgültig welches Leid, welches Unglück, das lyrische Ich in der Wirklichkeit erfährt. Gott ist verstummt, seufzt nicht mehr, hat keinen Anteil mehr an dem Schicksal des sehnsüchtigen Menschen.
Durch die simple Wortwahl (Dunkeln-stumm-gleichgültig-funkeln) wird auf eine depressive Weise die pessimistische Sicht des Autors über das Wesen der Liebe in der Wirklichkeit beschrieben.
Anbei zu bemerken ist, dass der Autor mit jeweils dem ersten Wort der beginnenden Zeile jeder Strophe ["Mir" (Zeile1), "Wir" (Zeile 5) und "Ich" (Zeile 9)] formell eine Art Rahmen um das Gedicht erschafft. Wobei die erste und letzte Strophe einen Rahmen um die zweite Strophe fasst, denn er kommt von dem Ich auf das Wir zu dem Mir; so macht er nochmals die momentane Begegnung mit dem Wir, mit der Erfüllung, deutlich. Hier zeigt der Autor wieder seine pessimistische Einstellung, denn am Ende steht er "allein" da.
In Bezug auf die Liebesgedichte des poetischen Realismus, die -schon rein formell- nach dem Ausgleich emotionaler Spannungen streben, folgt Heinrich Heine durch den lyrischen Rahmen und der Regelmäßigkeit der Reime diesem Muster. Durch Ironie versucht er, das Leid seiner Realität zu verarbeiten.
Der Autor kostet die Möglichkeit, seine Umwelt aus einer absolut subjektiven Perspektive heraus zu beschreiben, voll aus. Die Aussage des Gedichtes gibt keinen Grund für die Ansicht, Liebe sei nur im Traum möglich, nicht in der Realität, an. Dem Betrachter wird kein objektiv und allgemein verständlicher Grund für das Unglück und die Einsamkeit des lyrischen Ichs gegeben. Das ist auch nicht von Nöten, da die Gefühlswelt des Erzählers primer im Vordergrund steht und das lyrische Ich in diesem Moment nur von diesem dramatischen Gedanken eingenommen ist. Die Verklärung der Realität durch die, von dem emotionalen Zustand des Erzählers beeinflusste, Sicht der Dinge wird durch die Beschreibung der Sterne verdeutlicht. Zuerst, als das lyrische Ich sich in einer idyllischen Situation befindet, erscheint die Umwelt schön. Dann wechselt die Perspektive mit dem Erfahren der unglückseligen Wirklichkeit und die Welt erscheint dunkel und gleichgültig.
Auf der einen Seite folgt der Autor dem romantischen Stil der Nähe zur Natur und der Tendenz Emotionen als Fundament jeglicher Wirklichkeitswahrnehmungen zu betrachten. Wie in der Romantik wird hier die Erfüllung der Liebe auf einem rein geistlichem Niveau erreicht.
Doch mit der Kritik an dem Göttlichen, mit der Rückkehr aus der Welt des Traumes in die schonungslose Realität, erklärt Heinrich Heine seine Absage an die Romantik.
Analyse von Conrad Ferdinat Meyers "Zwei Segel" (ca. 1895)
Das Gedicht "Zwei Segel" von Conrad F. Meyer (geb. 1825, gest. 1898) wurde etwa 1895 veröffentlicht, gehört aber dennoch zu der Epoche des bürgerlichen Realismus. Metaphorisch wird das Thema eines einheitlichen Verhältnisses zwischen Mann und Frau in der Ehe verarbeitet. Farb- und Bildsymbolik stechen während des Verlaufes des Gedichtes besonders heraus.
"Zwei Segel" umfasst drei Strophen zu je vier Versen und folgt dem Kreuzreim. Es verläuft großteils nach einer parallelen Syntax.
Um das Gedicht übersichtlicher interpretieren zu können, möchte ich es in zwei Teile gliedern: Die ersten sechs Zeilen, in denen die Segel als Einheit dargestellt werden, und die darauf folgenden Zeilen, in denen der Autor "ihr" Verhältnis zueinander näher beschreibt.
Mit den ersten Zeilen, "Zwei Segel erhellend, Die tiefblaue Bucht! Zwei Segel sich schwelend, Zu ruhiger Flucht!" (Zeile1-4), erschafft Meyer ein sprachliches Bild, er lässt zwei Segel anstelle von Mann und Frau auftreten. Die Ausrufezeichen dieser Verse übermitteln eine euphorische Grundstimmung, die von starken Emotionen begleitet wird.
Den Segeln, als Symbol für das Paar, wird meist die Farbe Weiß zugeschrieben. Damit verkörpern sie auch Reinheit ("erhellend"), welche versinnbildlicht, dass diese Menschen kein "unmoralisches" Verhältnis zueinander haben, sondern sittlich verheiratet sind. Der Autor erschafft einen farblichen Kontrast indem er die reinen Segel vor dem Hintergrundbild der "tiefblaue[n]" Bucht auftreten lässt: Die Liebenden, verbunden mit Reinheit, grenzen sich von dem Hintergrund, der Gesellschaft, ab. Die Farbsymbolik der Farbe Blau, für gewöhnlich stellvertretend für den Begriff der Emotion verwendet, wird durch den Wortteil "tief" noch einmal intensiviert. In "ruhiger Flucht", eigentlich ein paradoxer Begriff, distanziert sich das Paar auf einer geistig-unschuldigen Ebene von dem emotionsbeladenen Wasser, das geläufig als Symbol für das Unterbewusste¹, das Unterschwellige verstanden werden kann. Gerade diese Verse, Zeile zwei und vier, in denen die emotionale Gesellschaft und die Distanzierung zu ihr geschildert wird, sind von Ausrufezeichen begleitet.
Die Atmosphäre der Szene beschreibt Meyer auch mit den Worten "Wie eins in den Winden, Sich wölbt und bewegt" (Zeile 5/6) und lässt so die Segel als Einheit ("Wie eins"), sich synchron bewegend, zusammen agieren. Beim Betrachter wird ein harmonisches Bild hervorgerufen: Mann und Frau bilden in der Ehe eine harmonische Einheit. Durch die Anapher in Zeile eins und drei ("Zwei Segel") wird per Wiederholung die Bedeutung der Zweisamkeit dieses Verhältnisses betont.
In den darauf folgenden Versen beginnt C. Meyer die einzelnen Segel zu personifizieren: "Wird auch das Empfinden Des anderen erregt." und "Begehrt eins zu hasten, Das andere geht schnell, Verlangt eins zu rasten, Ruht auch sein Gesell." Er hebt damit hervor, dass trotz des einheitlichen Agierens jedes der Segel individuelle Bedürfnisse hat, die der andere respektiert, um in der Einheit weiter existieren zu können. Die zwei Teile dieser Einheit sind abhängig von einander, ihr Empfinden, ihre Bedürfnisse ("Begehrt", "Verlangt") sind miteinander verknüpft. In der Gleichberechtigung kann die Harmonie des Paares entstehen.
Der Zeilensprung von Zeile sieben zu Zeile acht, verdeutlicht formell, dass trotz der Erhaltung der Individualität beider Menschen, die Harmonie erhalten bleibt. Zwar findet eine Unterbrechung statt, doch diese wird durch die metrische Regelmäßigkeit der letzten Strophe überwunden.
¹SO DEUTE ICH MEINE TRÄUME, Verlag DAS BESTE GmbH, Stuttgart, 1978
Wenn sich das Ehepaar in der ersten Strophe noch über die Ebene der Emotionen emporhob, werden nun auch Aspekte des Fühlens angesprochen. Obwohl Wörter wie "Empfinden, erregt, Begehrt" und "Verlangt" benutzt werden, muss das nicht eine Betonung von sinnlichen Empfindungen sein. Auch ohne erotische Anziehungskraft findet hier eine Verknüpfung von Bedürfnissen bzw. Gefühlen statt.
Conrad Ferdinat Meyer hat mit "Zwei Segel" ein für den bürgerlichen Realismus stereotypisches Gedicht geschaffen. Bürgerliche Wertvorstellungen, wie Sittlichkeit und Ehe gekoppelt mit dem eher modernen Gedanken der Gleichberechtigung, und eine einerseits geistige, andererseits emotionale Grundstimmung treffen aufeinander. Empirismus wird dem Sensorischen (Sinnlichen) übergeordnet. Der Einbezug der Natur (Wasser, Wind) und die ausgeprägte Farbsymbolik übermittelt eine helle, freudige Atmosphäre. Die Metapher der Segel, die kurzen Verse und leicht verständlichen Reime unterstützen den volkstümlichen Charakter dieses Gedichtes.
Vergleich der Gedichte
Alle drei Gedichte, "Der Schiffer", "In der Fremde" und "Zwei Segel", beziehen Begriffe der Natur in ihre Darstellung des Wesens der Liebe ein. Sie sind sprachlich einfach verfasst und anschaulich versinnbildlichend gestaltet. So prägt eine ausgeprägte Volksnähe alle drei Gedichte.
Inhaltlich wird in jedem der drei Gedichte etwas Untergründiges bearbeitet. Der Schiffer wird von seiner Angebeteten in die Abgründe, in die Gefahr gelockt. Im zweiten Gedicht begegnet das lyrische Ich den Sehnsüchten seines Unterbewusstseins im Traum. Die "zwei Segel" distanzieren sich von den emotionalen Tiefen des Wassers, also des Symbols für das Unbewusste.
Während Eichendorff den Verlust der eigenen Identität als Vorraussetzung für die Entstehung einer grenzenlosen Liebe sieht, zeichnet sich für Meyer harmonische Liebe durch die Erhaltung der Individualität – trotz Abhängigkeit- aus. Für ihn ist es nicht nötig, dass der Liebende seine Identität aufgibt solange in der Partnerschaft Gleichberechtigung herrscht.
Im Gegensatz zu Eichendorff und Heine, bringt Meyer Liebe nicht mit etwas Überirdischen oder metal höher stehenden in Verbindung, sondern eher mit einer Alltäglichkeit wie der Ehe. Seine Auffassung von Liebe ist absolut irdisch. Doch auch Eichendorff und Heine setzen die Liebe in differenzierte Relation zu Gott beziehungsweise dem Überirdischen. Ersterer (oder eher sein lyrisches Ich) verfällt geradezu der Verehrung des Übersinnlichen und kontrastiert mit der radikalen, fast schon enttäuschten Kritik Heinrich Heines, der das Desinteresse Gottes anprangert und damit der Romantik den Rücken zukehrt. Die Ideale der Liebe werden ihm durch die Romantik zwar "vorgegaukelt", sind in Wirklichkeit aber unerreichbar. Im Gegensatz zu Eichendorff findet Heine keine Lösung aus seinem Dilemma, außer seiner Ironie.
"In der Fremde" und "Der Schiffer" bestätigen das romantische und realistische Prinzip des Subjektivismus, da beide aus der Ich-Perspektive "ihre" Weltanschauung schildern. Meyer nimmt die beobachtende Position des allwissenden Erzählers ein, was, durch die relative Objektivität, seine versteckte Kritik an unsittlichen, unehelichen Beziehungen unterstützt.
Alle drei Dichter bagatellisieren oder ignorieren die leidenschaftliche Erregung der Liebe, Erotik und Sinnlichkeit.
Zusammenfassung
Der Wandel von der Romantik zum poetischen Realismus ist der Wandel von der Phantasie zur Reflexion, vom Glauben zurück zur Rationalität.
Das Ländliche, Volkstümliche, nationale zieht sich wie einer roter Faden durch beide Epochen. Die idyllische Betonung der Schönheit in der Romantik wird im Realismus durch die bürgerliche Sittlichkeit etwas
abgeschwächt.
Beide, Romantiker und Realisten, finden ihren Weg, die Krisen und vor allen die Enttäuschungen ihrer Zeit zu verarbeiten. Die Romantiker suchen eine neue Wirklichkeit durch die Vereinigung von allem Irdischen zu etwas Universalem, die Realisten versuchen "ihre" Realität darzustellen. Beide wenden sich ab von der objektiven Welt und ziehen sich in die Innerlichkeit zurück.
Für viele Realisten fiel die Liebe in den Rahmen des Alltäglichen, außer wenn sie durch ihre Intensität eine bewegende Veränderung der Weltanschauung hervorgerufen hatte. Die Romantiker begriffen die Liebe relativ einheitlich als ein mysteriöses Geheimnis mit höherem Sinn. Für die romantischen Dichter war die Frau das zentrale Erlebnis ihres Lebens; in der Ehe wird sie zum gleichberechtigten Partner. Die Frau ist Mittlerin, Liebe und Religion werden eins. (Weibliche Autoren kamen vor, waren jedoch äußerst selten.) Der romantische Höhepunkt der Liebe, verkörpert durch eine geistige Verschmelzung, sollte die Liebenden zu einer Art Metamorphose durch die Überwindung der Einsamkeit des Egos führen. Dieser Gedanke half den Realisten nicht ihre Enttäuschungen zu überfinden, schürte sogar Ängste in einer solchen Vereinigung unterdrückt, ausgebeutet, geistig vernichtet zu werden.
Liebe ist Lila – persönliche Stellungnahme
Der Übergang von Romantik zu Realismus und die beiden epochentypischen Gedichte "In der Fremde" und "Der Schiffer" haben für mich eine besondere Bedeutung, da diese zwei vorerst gegensätzlich erscheinenden Aussagen über die Liebe in meinem persönlichen Begriff von Liebe in einander übergehen.
Die menschliche Suche nach Liebe ist die Suche nach der Perfektion. Wir werden als ein unvollkommendes Stück Schöpfung geboren. In ihrer Einzigartigkeit ist jede Seele allein. Das ist realistisch. Das ist das göttliche Wunder, welches uns gleichzeitig zu Hochgefühlen und zur Unerträglichkeit der Einsamkeit führt.
Ein noch größeres Wunder ist, dass das Ego fähig ist, diese ohnehin poröse Membran zwischen ihm und einer anderen Seele in einem Akt des Vertrauens und des Kennlernen fast vollkommen aufzulösen. Zwei Seelen nähern sich so sehr, dass die Grenzen zwischen ihnen verschwimmen. Mitgefühl entfaltet seine volle Bedeutung. In der erfüllendsten Form von Liebe fühlt und denkt jeder Teil dieser Verbindung nicht nur mit dem anderen, sondern oft auch wie der andere.
Wir versuchen unserer Unvollkommenheit mit der Vereinigung eines anderen Menschen, der unser Gegenstück, unser komplementärer Ausgleich, unsere Perfektion verkörpern soll, entgegenzuwirken.
Liebe ist die Vereinigung zweier Individuen. Die Mischung zwischen Rot und Blau, männlich und weiblich, Leidenschaft, Emotion und Unendlichkeit. Liebe ist Lila. Eine Neukombination, die beiden Liebenden eine neue Identität gibt.
Die Angst, die Enttäuschung, den Schmerz der Liebe erleben die Menschen, die im Grunde genommen nicht bereit sind ihr Selbst für diese Fusion aufzugeben. Eichendorf übermittelt diesen Konflikt, aber auch die für mich essentielle Botschaft: Nehme dein Ego zurück! Lass zu, das, was dich ausmacht, zu verlieren! Denn das, was du verlierst ist unendlich geringer als das, was du erhältst.
Lila ist die Metamorphose, diese nicht recht greifbare, transzendente, undefinierbare Verbindung, die uns schaudern lässt, weil sie es ermöglicht der fatalen Einsamkeit zu entgehen – vorrübergehend. Denn letztendlich begegnet jede Seele für sich ihren eigenen Prüfungen im Leben und spätestens wenn wir Gevatter Tod ins Gesicht blicken, sind wir wieder losgelöst von Zweisamkeit. Vielleicht sind Menschen wie Heinrich Heine so enttäuscht von der Liebe, weil sie erkannt haben, dass sie uns zwar von der Einsamkeit erlöst, aber nicht von der Aufgabe Harmonie in uns selbst zu finden.
Eichdorf und Heine haben beide Recht, Romantik und Realismus haben beide Recht. Der Konflikt zwischen Individualität und Isolation, zwischen Aufopferung und Perfektion, ist der Nährboden für die Fülle der lyrischen Erklärungen für Liebe.
"Schönres Leben blüht aus solchem Tode", doch im physischen Tod steht jeder für sich allein.
Um meinen Begriff von Liebe noch einmal zu verdeutlichen, möchte ich mit einem Zitat meines Lebenspartners diese Arbeit abschließen:
"Wenn man eine Person liebt, dann ist ein `Ich will immer bei ihr sein´ falsch.
Auch ein `Ich will, dass sie glücklich ist´ ist falsch.
Richtig ist: `Sie muss glücklich sein´.
Ganz ohne Ich.
Literaturverzeichnis
1) www. wissen. de
2) Liebeslyrik, von Margret und Karlheinz Fingerhut, Verlag Moritz Diesterweg, 1989, Frankfurt am Main
3 ) Fritz Martini, Deutsche Literaturgeschichte, Alfred Kröner Verlag, Stuttgart,
1991
4) www.ni.schule.de
5) So deute ich meine Träume, Verlag DAS BESTE GmbH, Stuttgart, 1978
Anhang
Der Schiffer
Du schönste Wunderblume süßer Frauen!
Ein Meer bist du, wo Flut und Himmel laden,
Fröhlich zu binden von des Grüns Gestaden
Der Wünsche blühnde Segel voll Vertrauen.
So schiffend nun auf stillerblühten Auen
In Lockennacht, wo Blicke zaubrisch laden,
Des Munds Koralln in weißem Glanze baden, ´
Wen füllt` mit süßem Schauer nicht solch
Schauen!
Viel hab ich von Sirenen sagen hören,
Stimmen, die aus dem Abgrund lockend
schallen
Und Schiff und Schiffer ziehn zum kühlen Tode.
Ich muss dem Zauber ewge Treue schwören,
Und Ruder, Segel laß ich gerne fallen,
Denn schönres Leben blüht aus solchem Tode.
Joseph von Eichendorff
In der Fremde
Mir träumte von einem schönen Kind,
Sie trug das Haar in Flechten;
Wir saßen unter der grünen Lind
In blauen Sommernächten
Wir hatten uns lieb und küssten uns gern,
Und kosten* von Freuden und Leiden.
Es seufzten am Himmel die gelben Sterne,
Sie schienen uns zu beneiden.
Ich bin erwacht und schau mich um,
Ich steh allein im Dunkeln.
Am Himmel droben, gleichgültig und stumm,
Seh ich die Sterne funkeln.
Heinrich Heine
*plaudern, schwatzen
Zwei Segel
Zwei Segel erhellend
Die tiefblaue Bucht!
Zwei Segel sich schwellend
Zu ruhiger Flucht!
Wie eins in den Winden
Sich wölbt und bewegt,
Wird auch das Empfinden
Des anderen erregt.
Begehrt eins zu hasten,
das andere geht schnell.
Verlangt eins zu rasten,
Ruht auch sein Gesell.
Conrad Ferdinat Meyer
Inhalt
Facharbeit über das Thema der "Liebe in der deutschen Lyrik", Definition von Liebe, ausführliche Beschreibung des Epochenbildes der Romantik und des Realismus, die Entwicklung von der Romantik zu Realismus, drei perfekte Gedichtsinterpretationen zu epochentypischen Gedichten (Eichendorf, Heine, Meyers), Vergleich der Gedichte, persönliche Definition von Liebe.
Inhalt:
- Liebe per Lexikon
- Liebe und Poesie
- Die Romantik-universal und individuell
- Interpretation von Joseph von Eichendorffs Der Schiffer
- Von der Romantik zum Realismus
- Interpretation von Heinrich Heines In der Fremde
- Interpretation von Conrad Ferdinat Meyers Zwei Segel
- Vergleich der Gedichte
- Zusammenfassung
- Liebe ist Lila - persönliche Stellungnahme
- Literaturverzeichnis (5615 Wörter)
Inhalt:
- Liebe per Lexikon
- Liebe und Poesie
- Die Romantik-universal und individuell
- Interpretation von Joseph von Eichendorffs Der Schiffer
- Von der Romantik zum Realismus
- Interpretation von Heinrich Heines In der Fremde
- Interpretation von Conrad Ferdinat Meyers Zwei Segel
- Vergleich der Gedichte
- Zusammenfassung
- Liebe ist Lila - persönliche Stellungnahme
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