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Vergleichende Gedichtsanalyse "Die Stadt" und "In Danzig"

Frage: Vergleichende Gedichtsanalyse "Die Stadt" und "In Danzig"
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Hallo! Ich habe mal eine vergleichende Gedichtsanalyse geschrieben, da wir eine Klausur schreiben werden. Ich wollte einfach Feedback bekommen, ob ich das so richtig gemacht habe. Hättet ihr Verbesserungsvorschläge?


Das vorliegende Gedicht „Die Stadt“, verfasst von Georg Heym und veröffentlicht 1911, ist der Epoche des Expressionismus zuzuordnen. Heym beschreibt eine düstere Nacht in einer Zeit des Krieges. Im Fokus steht die Thematik des Todes und der Hoffnungslosigkeit des Menschen in einer Stadt.

Das Werk besteht aus insgesamt vier Storphen. Die ersten zwei Strophen haben vier Verse, die letzten beiden drei. Es handelt sich um ein Sonett. Das Gedicht ist metrisch ungebunden, was eine Atmosphäre des Chaos und der Unordnung erzeugt. Größtenteils gibt es außer in den ersten zwei Strophen, in denen ein Umarmender Reim vorzufinden ist, kein einheitliches Reimschema. Zunächst wird die nächtliche Szene beschrieben. Auffällig dabei ist die Beschreibung der Nacht, welche „weit“ (V. 1) ist. Im Zusammenhang mit der darauffolgenden Darstellung des nächtlichen Himmels, welche durch die Personifikation „Wolkenschein zerreißet“ (V. 1f.) eine negative Wertung erhält, kann man schlussfolgern, dass es eine lange und trübe Nacht ist. Im Folgenden wird ersichtlich, dass die „tausend“ (V.3) Bewohner der „Stadt“ schlaflose und schreckliche Nächte hinter sich haben. Durch die Adjektive „rot und klein“ (V. 4), die die „Lider[n]“ (V. 4) der Menschen beschreiben, wird jene Schlaflosigkeit der Menschen hervorgehoben. Die Farbe „rot“ ist dabei ein gängiges Merkmal des Expressionismus, der oft in Verbindung mit dem Tod steht. Dieses Thema wird in der folgenden Strophe aufgegriffen. Das Blutbad von Menschen zu Zeiten des Krieges wird durch die Metapher „Aderwerk“ (V. 1) beschrieben. Wie der Kreislauf des Fließens von Blut in den Adern der Menschen, so wird hier ein Kreislauf des ständigen Sterbens der Menschen metaphorisch mit dem Verb „schwemmen“ (V. 2) dargestellt. Die Atmosphäre des Todes unterstreicht Heym hierbei noch einmal stärker mit der Hyperbel „Unzählige Menschen“ (V. 2). Als Resultat des Kreislaufes des Todes ist der „ewig stumpfe Ton von stumpfem Sein“ (V. 3). Hier betont der Autor die starke Präsenz des Todes in der „Stadt“ und legt dem Titel „Die Stadt“ eine von Tod und Leere geprägte negative Konnotation bei. Außerdem betont er die Einsamkeit. Bis hierhin kann man feststellen, dass durch das Reimschema ein Gefühl von Abschließung erzeugt wird, da der erste und letzte Vers miteinander verbunden sind. Auch inhaltlich ist indirekt, wie bereits beschrieben, von einem Kreislauf die Rede, welcher ebenfalls irgendwann endet und danach wieder anfängt usw. Durch diese Struktur kann der Inhalt des Gedichts, hierbei das Thema des Todes, betont werden. Zwischen der zweiten und dritten Strophe gibt es eine Zäsur; Während in den ersten zwei Strophen die nächtliche Szene beschrieben wird bzw. die äußere Szene, wird ab der dritten Strophe die Szene des Sterbens bzw. die „inneren“ Vorgänge des Sterbens der Menschen verbildlicht. Der Gegensatz „Gebären, Tod“ (V. 1) soll hier als „gewirktes Einerlei“ (V. 1) dargestellt werden, sprich, Heym beschreibt die Geburt und den Tod in Anbetracht des Krieges als ein lediglich unwichtiges und „prosaisches“ Geschehen. Prosaisch deshalb, weil der Wert eines einzelnen Menschen mit all seinen Taten und Errungenschaften durch die unzähligen Todesfälle in einer Schlacht zu einem bedeutungslosen degradiert wird. Letztlich sind die Zahlen der Tode nur eine sachliche Angabe, ohne die Bedeutung der Vielfältigkeit eines einzelnen Menschen miteinzubeziehen. Die Synästhesie „Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei“ (V. 2) verdeutlicht die hoffnungslose Atmosphäre in einer Zeit des Krieges. Gleichzeitig könnte man auf der Metaebene sagen, dass diese Klagensrufe die Klage der gesamten Bevölkerung sind, die vom Krieg betroffen sind. Die Aufgabe an dem Glauben an Hoffnung steht dabei im Fokus. Als noch in der zweiten Strophe die Rede von einem Kreislauf des Todes gewesen ist, ist hier die Rede von einem Kreislauf der Aufgabe und Klage. Diese These wird durch die Metapher „Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei“ (V. 3) impliziert. In der letzten Strophe fallen die Assonanzen „Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand“ (V. 1) auf. Durch die dunkel gefärbten Vokale „a, e, u“ wird eine allgemeine düstere Atmosphäre erzeugt. Diese Substantive, welche größtenteils die Farbe rot in ihrer Beschaffung beinhalten, „drohen im Weiten mit gezückter Hand“ (V. 2). Das bedeutet, dass jene negativ konnotierten Substantive das blutrünstige Schlachtfeld symbolisieren. Die Farbe rot stellt dabei ein gängiges Motiv der Epoche des Expressionismus dar. Von der Stadt her kann man eine vom Schlachtfeld ausgehenden dunklen „Wolkenwand“ (V. 3) erkennen. Diese Metapher impliziert eine graue Rauchwolke, welche durch das Bombardement erzeugt wird. Dieses Bombardement und die Klagerufe sowie die Hoffnungslosigkeit erzeugen eine Atmosphäre des Chaos und der Verwüstung. Diese Atmosphäre wird durch das nicht einheitliche Reimschema von der dritten bis zur vierten Strophe unterstützt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Gedicht „Die Stadt“ die Thematik des Todes, der Hoffnungslosigkeit und der Einsamkeit aufgreift. In Anbetracht des Krieges gibt es unzählige Todesopfer auf den Schlachtfeldern sowie in den Städten. Die Menschen sind unruhig und haben viele schlaflose Nächte hinter sich. Außerdem gibt es auf den Straßen sterbende Menschen, die sich hoffnungslos und aufgebend ihrem Schicksal unterwerfen und in „langem Sterbeschrei“ dahin vegetieren. Die Epoche des Expressionismus behandelt genau diese Themen, wodurch sich dieses Werk ganz klar in dieser Epoche einordnen lassen lässt. Das Gedicht stammt zwar vor der Zeit des ersten Weltkriges, doch bereits zu jener Zeit sprach man von einem Krieg. Georg Heym greift in seinem Gedicht die Vorstellung eines solchen Krieges auf und zeigt die qualvollen Elemente dessen.

Während im ersten Gedicht die Verwüstung, der Tod und das allgemeine Chaos durch das ungebundene Metrum sowie das unregelmäßige Reimschema impliziert wird, findet sich im Gedicht „In Danzig“, verfasst und veröffentlicht von Eichendorff 1842 und der Epoche der Romantik zuzuordnen, ein regelmäßiger vierhebiger Trochäus und der Kreuzreim als Reimschema. Zwar spielen beide Gedichte in denselben Ort in Bezug auf ihren Titel „Die Stadt“, von Heym, und „In Danzig“, von Eichendorff, jedoch unterscheiden sich beide grundlegend hinsichtlich ihrer verschiedenen Perspektiven in Bezug auf die nächtliche Szene voneinander. Während die Menschen im ersten Gedicht zu „tausend [an den] Fenster[n] [in der Ncaht]“ (S. 1, V. 3) stehen, sind die „Giebel“ (S. 1, V. 1) in Eichendorffs Werk dunkel (vgl. S. 1, V. 1). Dies betont den Kontrast des ersten und zweiten Gedichts in Bezug auf die Anwesenheit der Menschen in den Häusern und im zweiten Gedicht die Abwesenheit derer. Im weiteren Verlauf wird durch die Metapher „Bleiche Statuen wie Gespenster“ (V. 3) eine stille und zunächst unheimliche Atmosphäre erzeugt. Auf der Metaebene kann man das Gedicht Eichendorffs zunächst als negativ interpretieren, doch ab der zweiten Strophe ist direkt erkennbar, dass die Stadtbewohner nur deshalb so still sind, weil sie den hier „träumerisch[en] Mond“ (V. 1) mit Bewunderung betrachten. Dies steht im starken Kontrast zum ersten Gedicht, in der die Rede von roten und kleinen Lidern ist, welche müde und schlaflos die nächtliche Szene an ihren Fenstern still betrachten (vgl. S. 1, V. 3f.). Das Adjektiv „träumerisch“ (V. 1) ist dabei ein romantisches Motiv der Epoche der Romantik und unterstreicht somit die romantische und ruhige Atmosphäre der Stadt Danzig. Im ersten Gedicht schreibt Heym von Wolken, die sich vor dem Mond stellen und dadurch zum Symbolträger für Hindernisse bzw. Schwierigkeiten werden (vgl. S. 1, V. 1f.), Im zweiten Gedicht jedoch wird kein ein einziges Mal von Wolken gesprochen. Als Schlussfolgerung ergibt sich die These, dass Heyms Gedicht von Schwierigkeiten und einer allgemeinen trüblichen Atmosphäre geprägt ist, während das zweite Gedicht kein Raum für eine solche Atmosphäre aufzeigt. Ein weiterer Kontrast findet sich bei der Beschreibung des Blutbads, bei der unzählige Menschen auf den Straßen „aus und ein“ (Heyms Gedicht S. 2, V. 2) „schwemmen“ (V. 2). Demgegenüber beschreibt Eichendorff das Gefallen der Stadtbewohner an der Stadt bzw. Straßen, währen der Schein des Mondes auf diese fällt (vgl. S. 2, V. 2). Die Stadt wird sogar metaphorisch mit einer „Märchenwelt“ (V. 4) verglichen, während die Stadt in Heyms Werk von einem „ewig[en] stumpfe[n] Ton von stumpfem Sein“ (S. 2, V. 3) geprägt ist. Genau wie im ersten Gedicht findet sich eine inhaltliche Zäsur zwischen der zweiten und dritten Strophe. Es wird erst die äußerliche Szenerie beschrieben und ab der dritten Strophe die innere Welt der Stadt. Eichendorff beschreibt die nächtliche Stille als synthätisch „tiefe Lauschen“ (V. 1), wobei man lediglich nur das Rauschen des Meeres vernehmen kann (vgl. V. 3). In Heyms Gedicht herrscht ein „ewig stumpfer Ton“ (S. 2, V. 3) und ein vernehmbares „Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei“ (S. 3, V. 2). Dieser Kontrast zeigt die Thematik der Stille und Einsamkeit in zwei verschiedenen Perspektiven wider; während im expressionistischem Werk die Stille mit dem Tod und der Einsamkeit in einer von Krieg zerstörten Welt verbunden wird, wird sie im romantischen Gedicht mit der Kontemplation aufgrund der Schönheit des Mondes in Verbindung gebracht. Die Einsamkeit im zweiten Gedicht betont und preist Eichendorff sogar durch einen exclamatorischen Ausdruck „wunderbare Einsamkeit!“ (S. 3, V. 4) an. Der Kreislauf des Todes, der in Heyms Gedicht durch die Metapher „Im blinden Wechsel“ (S. 3, V. 3) impliziert wird, steht dem Kreislauf der Tradition, die mit positiven Assoziationen verbunden ist, gegenüber. Diese Tradition wird durch den Vergleich „Und der Trümer wie vor Jahren singet ein uraltes Lied“ (S. 4, V. 3f.) beschrieben. Hinzuzufügen ist, dass der Kreuzreim im Gedicht dazu beiträgt, eine Art Wellenbewegung beim Lesen dessen zu erzeugen, die zu einer angenehmen und flüssigen Leseerfahrung beiträgt. Ähnlich wie die Stadtbewohner von der nächtlichen Szene angenehm berührt sind, so soll sich der Leser auch beim Lesen wohl fühlen.

Schlussfolgernd kann man sagen, dass beide Gedichte zwar die gleichen Themen behandeln, ähnliche Titel und die gleiche Strophenanzahl miteinander teilen, jedoch grundverschieden in ihren Inhalten voneinander sind. Während Heym die Themen der Einsamkeit, Stille und des Todes als negativ betrachten zu sein scheint, rückt Eichendorff diese, außer das Thema des Todes, in einem positiven Licht. Sein Gedicht ist von romantischen Vorstellungen einer nächtlichen Szene geprägt, wobei Heyms Gedicht die verheerende Situation des Krieges in einer ebenso nächtlichen Szene darstellt. Eichendorffs Werk beinhaltet die Motive der Epoche der Romantik wie z. B. die Naturverbundenheit, der Mond als romantische Vorstellung und die Umgebung als etwas märchenhaftes. All diese Motive stehen den expressionistischen Motiven gegenüber wie z.B. Tod, Krieg und Leiden.
Frage von xsmkdaf | am 16.09.2023 - 11:21


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Antwort von matata | 16.09.2023 - 14:57
Wenn ich deine Arbeit mit dieser Anleitung zusammen anschaue, hast du alle Punkte, die in eine vergleichende Gedichtanalyse hinein gehören, auch abgearbeitet.


https://wortwuchs.net/gedichtvergleich/

https://lyrik.antikoerperchen.de/georg-heym-die-stadt,textbearbeitung,25.html

https://lyrik.antikoerperchen.de/in-danzig-joseph-von-eichendorff,text,823.html
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