Referat: Dürrenmatts "Die Physiker" und Brechts "Leben des Galilei": die Rolle der Wissenschaft
"Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt & "Leben des Galilei" von Bertold Brecht
„
Wissenschaft im Vergleich“
Biographie
Friedrich Dürrenmatt wird am 5. Januar 1921 als Sohn eines protestantischen Pfarrers in der Schweiz geboren. Schon in seiner Kindheit beginnt er zu malen, eine Leidenschaft, die ihn nie loslässt, er illustriert später einige seiner Bücher. 1941 macht er nach einer laut Dürrenmatt „übelsten“ Schulzeit das Abitur und beginnt daraufhin ein Studium in Philosophie, Naturwissenschaften und Germanistik. Er macht jedoch nie einen Studiumsabschluss und hat sich 1943 schon dafür entschieden, als Schriftsteller zu arbeiten. 1945/46 veröffentlicht er sein erstes Stück „Es steht geschrieben“. 1947 heiratet er Lotti Geisler. Nach finanziell schwierigen Jahren gelingen ihm dann erste Erfolge mit „Die Ehe des Herrn Mississippi“ (1952), „Der Besuch der alten Dame“ (1956) und 1962 mit „Die Physiker“. „Die Physiker“ wird v.a. in den Theatersaisons 1962/63 und 1982/83 ein großer Erfolg. Friedrich Dürrenmatt steht in den 60er Jahren auf dem Höhepunkt seines Erfolges und erhält etliche Preise für seine Werke. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmet sich Dürrenmatt auch intensiv der praktischen Theaterarbeit. Vor allem ab den 60er Jahren hält er als gesellschaftskritischer Autor viele Vorträge zur internationalen Politik und reist u.a. in die USA, nach Israel, Russland, Polen und Auschwitz. 1983 stirbt seine Frau Lotti. 1984 heiratet er dann die Schauspielerin Charlotte Kerr. Am 14. Dezember 1990 stirbt Friedrich Dürrenmatt in Neuchâtel.Dürrenmatt begann 1943 zu schreiben. Wesentlichen Einfluss auf die Motive in seinen Werken hat Franz Kafka, der als Motiv immer wieder die Ohnmacht des Individuums gegenüber der technologisierten Welt benutzte. So haben Dürrenmatts während des zweiten Weltkriegs entstandenen Werke eine schauerliche und auch apokalyptische Note an sich. Der Beginn einer Geschichte lautet z.B. „Ein Mensch erschlug seine Frau und verwurstete sie (...)“. Nach dem zweiten Weltkrieg beginnt Dürrenmatt, erste abendfüllende Dramen zu schreiben. Das gemeinsame, das diese Dramen haben, ist eine grausame und machthungrige Hauptperson. Er versucht in diesen Stücken, als einer der Ersten den Traumata des Krieges ein Ende zu bereiten. 1950 schreibt er dann „Der Richter und sein Henker“ als Fortsetzungskriminalroman für eine Zeitung. Später war Dürrenmatt jedoch am meisten dem Theater verschrieben. Dürrenmatt beschäftigte sich viel mit angelsächsischer Literatur (z.B. Thornton Wilder). Des Weiteren wurde er wesentlich beeinflusst von Frank Wedekind und von Bertolt Brecht.
Dürrenmatt und Brecht
Dürrenmatt hatte Brechts Theatertheorien genau studiert und benutzte auch oftmals das Prinzip der Verfremdung. Er prägte den Satz, dass „den verworrenen und komplexen Zusammenhängen des 20. Jahrhunderts nur noch die Komödie beikommt“. Im Unterschied zu Brecht jedoch will er nicht Weltanschauungen und Ideologien wie den Marxismus auf der Bühne präsentieren. Brecht sieht das Theater als Möglichkeit, die Gesellschaft zu verändern und die Gedanken des Zuschauers in eine bestimmte Richtung lenken. Dürrenmatt will dem Zuschauer Zusammenhänge und Fakten verdeutlichen und ihn zum selbstständigen Denken anregen. (Dieser Unterschied kommt besonders im Vergleich „Die Physiker“ - „Leben des Galilei“ zum Ausdruck) In seinen Stücken kritisiert er mit dieser Methode das Bürgertum, das schweizerische Sozialsystem, das Militär und das „helvetische Moraldenken“. Er bezeichnet die Schweiz sogar als „Gefängnis“. Um diese Kritiken wirksam an den Zuschauer heranzutragen, bedient er sich der epischen Mittel Brechts. Dürrenmatt schafft sogar eine neu Gattung, die Tragikomödie, denn heute müsse „der Autor eine List anwenden, damit sich das Publikum Dinge anhört, die es eigentlich nicht gerne hört.“ Für ihn stellt die „Komödie eine Mausefalle dar, in die das Publikum immer wieder gerät und immer noch geraten wird“.
Die Physiker - eine Komödie in zwei Akten
Friedrich Dürrenmatt schrieb Die Physiker 1962. Es sollte zu einem seiner größten Erfolge werden. Zur Einleitung und für einen grundlegenden Überblick über diese Tragikkomödie sollen hier einige der „21 Punkte zu den Physikern“ genauer erläutert werden. Diese 21 Punkte schrieb Dürrenmatt selbst an das Ende des Stückes, sie stellen einige seiner Gedanken dar und dienen dazu, dem Leser beziehungsweise Zuschauer das Stück etwas näher zu bringen. Im ersten Punkt sagt Dürrenmatt, er gehe nicht von einer These aus, sondern von einer Geschichte, d.h. er will die Menschen nicht belehren oder ihnen seine Meinung aufdrängen, sondern ihnen lediglich die Tatsachen vor Augen führen (s. Kap. III). Im folgenden Punkt sagt er, dass die Geschichte zu Ende gedacht werden muss; und eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie die schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Diese Wendung ist laut Punkt 4 nicht voraussehbar, sie tritt durch Zufall ein. Und in dem Einsetzen des Zufalls in einer Handlung sieht er die eigentliche Kunst des Dramatikers. Um kurz vorzugreifen, in „Die Physiker“ hat Dürrenmatt diesen Zufall, der zur schlimmstmöglichen Wendung führt, genial unerwartet eingesetzt. Der Leser wähnt sich schon am Ende des Buches, als es doch noch schlimmer kommt, doch mehr dazu später in dieser Inhaltsangabe. In Bezug auf Die Physiker in diesem Buch sagt er noch im achten Punkt: „je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen“. „Dieser Zufall trifft sie dann am schlimmsten, wenn sie durch ihn das Gegenteil ihres Ziels erreichen“: Dieser (neunte) Punkt trifft meiner Meinung nach hervorragend auf den Verlauf des Stückes zu, das wird man auch am Ende des zweiten Aktes merken. Schlussendlich der 21. Punkt: Dieser Punkt ist charakterisierend für Dürrenmatts gesamtes Schaffen, darum sei er hier in voller Länge erwähnt. „Die Dramatik kann den Zuschauer überlisten, sich der Wahrheit auszusetzen, aber nicht zwingen, ihr standzuhalten oder sie gar zu bewältigen.“ Dieser Punkt stellt nochmals dar, was in Kapitel III bereits erwähnt wurde.
Nun aber endgültig zu „den Physikern“: Das Theaterstück spielt im Salon der Villa des Sanatoriums „Les Cerisiers“. Die prominenten Gäste leben im Neubau, in der alten Villa leben nur noch drei harmlose, verwirrte Physiker. Das Sanatorium wird von der Gründerin Dr. Mathilde von Zahnd geleitet. Sie gilt weltweit als Menschenfreund und Psychiater.
Zu Beginn des Buches wird zunächst eine Beschreibung der Umgebung gegeben, die sehr an die Umgebung von Dürrenmatts Wohnort Neuenburg angelehnt ist. Es handelt sich um eine etwas düstere Umgebung mit einer rauchenden Ebene, auf der Sträflinge arbeiten. Doch diese Beschreibung dient „nur der Genauigkeit“, Dürrenmatt schreibt direkt nach der Umgebungsbeschreibung, er wolle in diesem Buch die Einheit von Raum, Zeit und Handlung streng einhalten. Das heißt, er will streng nach dem Gesetz der klassischen drei Einheiten schreiben. (Zu Beginn des zweiten Aktes soll ein weiterer Aspekt des klassischen Theaterstückes erwähnt werden.) Dies soweit zur Einleitung.
Nun beginnt also der eigentliche und einzige Handlungsstrang des Buches. Wir befinden uns im Salon der Zahnd’schen Villa. Es ist kurz nach halb fünf mittags. Aus einem Zimmer dringt Geigenspiel. Auf dem Boden im Salon liegt die Leiche einer Krankenschwester. Um sie herum arbeiten mehrere Kriminalbeamte. Inspektor Richard Voß befragt gerade die Oberschwester Boll zu den Personen des Opfers und des Täters. Sie lehnt es strikt ab, den Täter als Mörder zu bezeichnen, da diese Menschen doch krank seien. Man erfährt, dass sich drei Monate zuvor ein ähnlicher Unglücksfall in „Les Cerisiers“ ereignet hatte. Der Mörder der Krankenschwester ist der Physiker Ernst Heinrich Ernesti, der sich für Einstein hält. Der Inspektor kann ihn aber zurzeit nicht verhören, da er aus therapeutischen Gründen jetzt Geige spielen muss.
Während der Inspektor dann auf Dr. von Zahnd wartet, betritt Herbert Georg Beutler den Salon, er hält sich für Newton. Als Newton erfährt, dass Einstein eine Schwester ermordet hat, wundert er sich darüber. Der Inspektor entgegnet ihm, dass auch er, Newton, eine Krankenschwester, und zwar in genau demselben Saal, ermordet hat. Newton erklärt ihm, dass es bei ihm anders gewesen sein als bei Einstein. Die Schwester hatte ihn geliebt und er konnte dieses Dilemma - seine Aufgabe sei es, „über die Gravitation nachzudenken und nicht ein Weib zu lieben“ - nur mit der Vorhangkordel lösen. Außerdem, erklärt er, sei er gar nicht verrückt. Er tue nur so, als sei er Newton, um Ernesti nicht zu verwirren, denn in Wirklichkeit sei er Einstein. Schon in diesem Gespräch kommt der für dieses Buch sehr wichtige Aspekt der Wissenschaft ins Spiel. Beutler fragt den Inspektor, ob er ihn verhaften wolle, weil er die Krankenschwester erdrosselt habe oder weil er die Atombombe ermöglicht habe. Auf diesen Aspekt - auch im Vergleich mit Brechts Galilei - werde ich im nächsten Kapitel ausführlicher zu sprechen kommen.
Nach dem für den Inspektor etwas verwirrenden Zwiegespräch betritt Frl. von Zahnd den Salon. Der Inspektor erzählt ihr, dass Newton sich in Wirklichkeit für Einstein halte, aber Frl. von Zahnd sagt, dass sie in diesem Haus bestimme, wer sich für wen halte. Sie erklärt ihm, dass beide unheilbar krank sind, dass sie vielleicht sogar durch ihre eigene Wissenschaft - die Kernphysik - eine krankhafte Veränderung des Hirns durchgemacht haben. Letztendlich besteht der Inspektor, der schon Druck vom Staatsanwalt bekommt, darauf, dass starke männliche Pfleger zur Betreuung der drei verwirrten, mordenden Physiker eingestellt werden.
Nachdem der Inspektor verschwunden ist, kommt Frau Rose mit ihren Kindern, um sich von Möbius, dem dritten Physiker, zu verabschieden, da sie auf die Mariannen ziehen. Sie ist seine ehemalige Frau und hat nun einen Pfarrer geheiratet. Möbius erkennt seine Familie kaum, er bekommt einen Anfall und jagt seine Familie aus dem Salon hinaus. Der Grund, warum sich Möbius im Sanatorium aufhält ist, dass er behauptet, ihm würde der König Salomo erscheinen.
Als er sich beruhigt hat, verrät ihm die junge Pflegerin Schwester Monika, dass sie ihn durchschaut hat und er gesteht, dass er nur den Wahnsinnigen spielte, um seiner Familie den Abschied nicht zu schwer zu machen. Er behauptet jedoch weiterhin, dass ihm König Salomo erschiene und mit ihm diskutieren würde. Doch die Pflegerin gesteht ihm, dass sie ihn liebt und ihm glaubt und dass sie mit ihm zusammen aufs Land ziehen will, sie habe die Erlaubnis von der Doktorin. Möbius aber kann und will das nicht zulassen und erdrosselt sie. In der nun folgenden Pause mag sich der Zuschauer mehrere Fragen stellen. Was hat es mit den drei auf gleiche Weise verlaufenden Morden auf sich? Will Dürrenmatt mit dieser so oft von ihm verwendeten Trias eine Komik erzielen; oder geschieht das etwa unabsichtlich?
Der zweite Akt jedenfalls beginnt genauso wie der erste, nur stellt sich heraus, dass die für das klassische Theater typische spiegelbildliche Wiederholung im zweiten Akt auch von Dürrenmatt verwendet wird. Hier bemerkt man, dass Dürrenmatt ein einzigartiges Gebilde konstruiert hat, das durch die Verkehrungen den Zuschauer einerseits ratlos macht, andererseits aber auch belustigt. Die Polizisten sitzen nun im Salon und untersuchen den Mord, wobei sie den Täter jetzt als Kranken bezeichnen, im Gegensatz zu Frl. von Zahnd, die von Mördern spricht. Frl. von Zahnd hat nun statt der weiblichen Pfleger drei Ex-Boxer als Pfleger eingestellt. Somit ist der Inspektor zufrieden, er raucht, trinkt einen Kognak und braucht und will niemanden zu verhaften und verlässt „Les Cerisiers“ mit dem Satz „Die Gerechtigkeit macht zum ersten mal Ferien“.
Und die Verkehrungen gegenüber dem ersten Akt gehen weiter. Beim folgenden Mittagessen überrascht Newton die anderen beiden Physiker mit einem Geständnis: Er sei nicht der verrückte Herbert Georg Beutler, sondern der kerngesunde Alec Jasper Kilton, der Begründer der Entsprechungslehre. Er arbeite für einen Geheimdienst, der Möbius für einen der genialsten Physiker hält. Er soll ihn bewachen und notfalls entführen. Aufgrund dieses Geständnisses gibt Ernst Heinrich Ernesti ebenfalls seine wahre Identität zu erkennen. Er sei Joseph Eißler, der Entdecker des gleichnamigen Effekts. Auch er arbeitet für den Geheimdienst, allerdings für einen, der dem Kiltons nicht gerade wohl gesonnen ist. Letztendlich gesteht auch Möbius, dass er nicht verrückt ist, sondern dass er nur ins Irrenhaus ging, um zu verhindern, dass die Möglichkeiten, die seine Entdeckungen bieten, in die falschen Hände geraten. In diesem Abschnitt des Stückes fällt auch der wichtigste Satz, der für das nächste Kapitel noch von Bedeutung sein wird. Möbius sagt: „Es gibt Risiken, die man nicht eingehen darf: Der Untergang der Menschheit (durch die Wissenschaft) ist ein solches.“ Als Möbius dann noch gesteht, dass er seine Manuskripte verbrannt hat, sehen Die Physiker ein, dass sie im Irrenhaus bleiben müssen. Sie schließen eine Freundschaft und entscheiden, dass sie „verrückt, aber weise“, „gefangen, aber frei“ und als „Physiker, aber unschuldig“ weiterleben wollen.
Als sich die drei schon damit abgefunden haben, weiterhin unerkannt in der Villa leben zu können und müssen, kommt die Doktorin in den Salon. Zur Überraschung aller nennt sie Einstein und Newton bei ihrem richtigen Namen. Sie erfahren, dass Frl. von Zahnd schon seit Jahren alle Manuskripte des Möbius heimlich kopiert habe. Sie wird diese ausnutzen, um mit einem mächtigen Trust die Weltherrschaft zu übernehmen. Man erfährt außerdem, dass sie selbst geisteskrank ist. Sie behauptet, als Höhepunkt der spiegelbildlichen Verkehrungen, ihr erscheine König Salomo und beauftrage sie, so zu handeln. Außerdem habe sie die Krankenschwestern auf Die Physiker gehetzt, um sie als geistesgestörte Mörder abzustempeln.
Die Physiker erkennen ihre aussichtslose Lage und geben in kurzen Schlussmonologen, die als Mittel der Verfremdung an den Zuschauer gerichtet sind, ihre Verzweiflung und Resignation zum Ausdruck.
Wissenschaft bei Dürrenmatt und Brecht
Ich werde nun die Rolle der Wissenschaft in „Die Physiker“ mit der von Brecht dargelegten Rolle der Wissenschaft in „Leben des Galilei“ vergleichen. Das Buch Brechts eignet sich insofern dafür, dass die vorliegende dritte Fassung zu der Zeit entstand, als die sehr kontrovers diskutierte H-Bombe entwickelt wurde (s. Referat Sebastian Hafner).
„Leben des Galilei“
Um diesen Vergleich besser zu verstehen, soll hier nochmals ein kurzer Überblick über „Das Leben des Galilei“ gegeben werden. Galilei lebt im 17. Jh. in Italien. Er ist Verfechter der Lehre des Kopernikus, die das heutige Weltbild anerkennt und das ptolemäische abschaffen will. Als Galilei nach mehreren Ermahnungen von Seiten der Kirche und der Inquisition trotzdem weiterforscht, werden ihm die Folterinstrumente als Drohgebärde gezeigt. Galilei versteht diese Drohung und widerruft, sehr zum Verdruss derjenigen, die an ihn glaubten. Am Ende lebt dann Galilei gefangen von der Inquisition in einem Landhaus, wo er heimlich seine „Discorsi“ weiter schreibt. Doch sein ehemaliger Schüler Andrea hat ihm seinen Widerruf noch nicht verziehen, als er Galilei eines Tages besuchen kommt.
Aber zunächst muss die Haltung Galileis gegenüber der Wissenschaft vor dem Widerruf kurz erläutert werden. Galilei war der Meinung, dass die Wissenschaft durchaus zum Wohle der Menschheit benutzt werden muss, er legte aber keinen Wert darauf, dass sie verbreitet wurde. Er wollte einfach nur sein Geld, um gut leben zu können und weiterhin an seinen Forschungen arbeiten zu können. Diese Forschungen, z.B. über das kopernikanische Weltbild, seien laut Galilei nicht von direktem Nutzen für die Menschheit, sondern wären nötig, um die einfachen und hilfreichen Dinge und Geräte besser zu verstehen.
Andrea ist jedoch etwas anderer Meinung, er sagt nämlich, jeder müsse einen wissenschaftlichen Beitrag leisten, um die Wahrheit voranzutreiben. Er sagt, es ist wichtig, das Wissen zu verbreiten und den Menschen die Welt zu erklären.
Als er ihn besuchen kommt und die Discorsi ausgehändigt bekommt, erkennt er den vermeintlichen Schachzug Galileis, durch den Widerruf die Wissenschaft für die Nachwelt bewahrt zu haben und sie in aller Ruhe weiterzuverfolgen.
Galilei widerspricht dieser These und sagt, er habe nur aus Furcht vor den Schmerzen widerrufen. Er erklärt dem enttäuschten Andrea daraufhin, dass er sich eigentlich hätte weigern müssen, zu widerrufen. Die Wissenschaft hätte durch seine Hinrichtung oder zumindest seine Weigerung, zu widerrufen, die Ohren der gesamten Bevölkerung erreicht und wäre einzig und allein zum Wohle und Nutzen des Volkes verwendet worden. Wahrscheinlich wäre die Kirche in ihren Grundfesten erschüttert worden und es wäre eine Art „hippokratischer Eid“ der Naturwissenschaften entstanden. Wenn die Wissenschaft und die Wissenschaftler sich aber in den Händen „selbstsüchtiger Machthaber (S.125)“ befindet, wie es am Schluss der Fall ist, kann sie durch die daraus folgende Anhäufung von Wissen „zum Krüppel gemacht werden (S.125)“. Er sagt in einem der Kernsätze des Buches (S. 126), dass „irgendwann der Jubelschrei der Wissenschaftler über eine neue Errungenschaft von einem universalen Entsetzensschrei beantwortet werden könnte“.
„Die Physiker
In Dürrenmatts „Die Physiker“ wird die Rolle der Wissenschaft auf eine etwas andere Weise abgehandelt. Dürrenmatt hat ein Stück über die modernen Physiker geschrieben, die in sich selbst eine tödliche Waffe entdeckt haben.
Dennoch kann man sagen, dass „Die Physiker“ zeitlich und inhaltlich direkt an das „Leben des Galilei“ anknüpft: Möbius ist ein ebenso großer Physiker wie Galilei, der in diesem Buch stellvertretend für Albert Einstein steht, der den Grundstein für den Bau der Atombombe legte und diesen dann nicht mehr verhindern konnte. Möbius hat also erkannt, dass sein Wissen (Weltformel, Gravitationslehre) schädlich für die Menschheit ist, da er in der heutigen Zeit keine Möglichkeiten hat, die Machthaber durch sein Wissen zu stürzen und es zum Wohle der Menschheit zu verwenden. Es kann sogar als Waffe benutzt werden und die gesamte Gesellschaft zerstören. Deshalb versucht er zu flüchten. In der Dürrenmatt eigenen Ironie flüchtet er in ein Irrenhaus, das ja im Allgemeinen als ein Gefängnis betrachtet wird, andererseits auch als ein Ort, der von äußeren Einflüssen weitgehend unbehelligt bleibt. Doch nicht einmal dort ist er vor Verfolgungen sicher. Den zwei Großmächten Amerika in Person von A.J. Kilton und Russland in Person von J. Eißler gelingt es, Möbius aufzuspüren. Jeder will ihn in sein Land locken, doch Möbius gelingt es, sie davon zu überzeugen, dass es besser ist, in der Anstalt zu bleiben, zumal er ja seine Manuskripte schon verbrannt hat. Beim Leser kommt an dieser Stelle etwas Hoffung auf, doch das Stück wird letztendlich völlig hoffnungslos, da sich Frl. von Zahnd die gesamte Lehre Möbius’ unter den Nagel gerissen hat und sie dazu verwenden wird, die Welt zu beherrschen.
Eine große Hilfe bei der Einordnung der Wissenschaft sind wiederum die „21 Punkte zu den Physikern“ (s. Kap. IV): Hier sind die Punkte 14 - 19 als wichtige Hinweise zu erwähnen. Dürrenmatt sagt zum Beispiel, ein „Drama über Physiker muss paradox sein“. Dieses paradoxe relativiert er wieder mit dem 19. Punkt, in dem er sagt, „Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit“, d.h. in diesem Drama steckt, so sehr es auch überspannt und überspitzt dargestellt sein mag, ja teilweise sogar unlogisch, die Wirklichkeit erkennbar. Außerdem „kann (ein Drama über Physiker) nicht den Inhalt der Physik zum Ziele haben, sondern nur ihre Auswirkung.“ Er sieht die Wissenschaft als etwas, dessen Inhalt in erster Linie eine wesentlich geringere Bedeutung hat als die Auswirkungen auf die Menschheit. Dies bestätigt er auch im 16. Punkt: „Der Inhalt der Physik geht Die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen“. Im 17. Punkt sagt er dann etwas, das schon Brechts Galilei sagte: „Was alle angeht, können nur alle lösen“. Dass heißt, man muss die Wissenschaft dem Volk zugänglich machen, um es ihm zu ermöglichen, sein eigenes Schicksal etwas unabhängiger von irgendwelchen „selbstsüchtigen Machthabern (Brecht, S. 125)“ zu machen. Der 18. Punkt weist sehr direkt in Richtung Möbius und auch Galilei: „Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.“
Da sich aber die Aufgaben der Physiker, ihre Lehren im Volk zu verbreiten, als unerfüllbar erweist, ohne dass sie von der Obrigkeit missbraucht werden, formuliert Dürrenmatt hier gewissermaßen die Bankrotterklärung für die Wissenschaftler: Es darf nur noch im Irrenhaus geforscht werden, da jede Forschung außerhalb davon zu irrsinnigen Umständen führen würde. Das besonders Paradoxe in diesem Buch besteht aber darin, dass nicht einmal die Forschung im Irrenhaus sicher ist, dass es eher noch schlimmer kommt.
Vergleich: Im „Leben des Galilei“ hat die Wissenschaft folgende Rolle: Ist sie der gesamten Masse zugänglich und wird sie nicht von der Obrigkeit für sich beansprucht, ist sie von großem Nutzen für die Menschheit. Wenn jedoch nur um der Macht Willen geforscht wird, birgt die Wissenschaft immense Gefahren. Bei Dürrenmatts Physikern spielt sie eine ähnliche Rolle: Das Forschen ist eine Sache der Physiker, aber die Resultate gehen alle Menschen etwas an.
Ein weiterer allgemein übereinstimmender Punkt sind die beiden Hauptpersonen Möbius und Galilei. Beide leben am Schluss gefangen von einer höheren Gewalt ohne eine Chance, weiterzuforschen. Auch die Gründe für ihre Entscheidung, ein Leben in Gefangenschaft zu führen, sind ähnlich. Galilei zog sich aus Angst vor den Instrumenten der Kirche zurück, Möbius aus Angst davor, von den Großmächten ausgenutzt zu werden und aus Angst vor der Verantwortung, die er mit dem Veröffentlichen seiner Ergebnisse übernehmen würde. Und beide müssen am Schluss wohl oder übel ihre Manuskripte an eine höhere Macht (bei Galilei die Kirche, bei Möbius Frl. von Zahnd) abgeben, wodurch sie für genau die Taten verwendet werden, die sie beide kommen sahen, Möbius früher, Galilei später. Am Ende bereut Galilei seine Entscheidung, widerrufen zu haben und in die Gefangenschaft gegangen zu sein. Auch Möbius wird es bereuen, da seine Manuskripte nicht in den Händen der halbwegs vernünftig agierenden Großmächte sondern in den Händen einer geistesgestörten Frau sind, die im Begriff ist, die Weltherrschaft zu übernehmen.
Es gibt jedoch auch einige Unterschiede zwischen den beiden. Galilei arbeitete voller Enthusiasmus an seinen Forschungen, während man bei Möbius den Eindruck bekommt, dass er seine genialen Theorien nur nebenher aufstellte. Im Unterschied zu Galilei hatte Möbius niemals die Chance, seine Theorien unter die Bevölkerung zu bringen, weil die heutigen meist theoretischen Forschungsergebnisse viel schwerer zu verstehen sind als zu Galileis Zeiten. Außerdem wäre durch seine Veröffentlichung und Verkündung der Theorien nicht die Obrigkeit ins Wanken geraten, das war nämlich schon die Aufgabe des Galileis, bei der er durch seinen Widerruf kläglich gescheitert ist, wie er auch selbst am Ende sagt. Nein, vielmehr hätten die Publikationen Möbius’ den Staat (die Kirche spielt heute keine so große mehr wie zu Galileis Zeiten) unterstützt, gestärkt und wahrscheinlich einen „universalen Entsetzensschrei“ provoziert (Brecht, S. 126).
Die heutigen Umstände lassen Möbius in einem weniger beschuldigenden Licht stehen, da es für ihn schwerer bis unmöglich war, seine Forschungen geheim zu halten oder unters Volk zu bringen als für Galilei.
Übersicht über die Rolle der Wissenschaft:
„
- Wissenschaft = Verbrechen ?
zum Krüppel gemacht
Inhalt
Der Inhalt des Referats besteht aus einer Biographie Dürrenmatts und einem Vergleich Dürrenmatt-Brecht.
Danach folgt eine sehr ausführliche Beschreibung des Buches "Die Physiker" von Dürrenmatt.
Anschließend wird die Rolle der Wissenschaft - Physik bzw. Astronomie, Forschung - genauer untersucht und in Vergleich gestellt.
Man kann aber auch ohne die erwähnte Aufgabenstellung mit der Rolle der Wissenschaft die Buchbeschreibung und Biographie Dürrenmatts benutzen. (3716 Wörter)
Danach folgt eine sehr ausführliche Beschreibung des Buches "Die Physiker" von Dürrenmatt.
Anschließend wird die Rolle der Wissenschaft - Physik bzw. Astronomie, Forschung - genauer untersucht und in Vergleich gestellt.
Man kann aber auch ohne die erwähnte Aufgabenstellung mit der Rolle der Wissenschaft die Buchbeschreibung und Biographie Dürrenmatts benutzen. (3716 Wörter)
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Es handelt sich hier um einen fremden, nutzergenerierten Inhalt für den keine Haftung übernommen wird.
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