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Sprachlich-stilistische Analyse des Gedichts 'Komm in den totgesagten Park' von Stefan George

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Gleichsam mit einer Provokation beginnt das Gedicht von Stefan George. Ein abseits stehendes lyrisches Du wird von einem lyrischen Ich aufgefordert, einen Ort zu besuchen und zu betrachten, der scheinbar für den Beschauer nichts mehr zu bieten hat. Ein derartiger Gedichtanfang verstört umso mehr, als die Aufforderung durch zwei Imperative - "komm" (V.1) und "schau" (V.1) besonders betont wird, wobei zudame die erste Befehlsform den Textbeginn makiert. Der Ort in der Natur, der aufgesucht und in seinem Stimmungsfeld wahrgenommen werden soll, ist ein "park" (V.1). Es geht also um die sinnliche Erfassung eines abgegrenzten Bereiches gehegter, geordneter und von Menschen gestalteter Natur.
Durch das adjektivische Signalwort "togesagt[er]" (V.1) wird bereits vorsichtiger Widerspruch zu der Annahme angemeldet, der Ort, dem sich das angesprochene Du zuwenden soll, sei wirklich "tot", böte dem Betrachter also keine Schönheit und keine Freude mehr. Schon mit dem zweiten Imperativ des ersten Verses- "schau" (V.1)- wird der Gegenbeweis eingeleitet. Das lyrische Ich lekt den Blick des Betrachters in weitem Bogen vom Horizont- "ferne[r] [...] gestade" (V.2) über die "wolken" (V.3) zu den "weihern" (V.4) und den "pfade" (V.4), auf denen die beiden nun ihre Wanderung durch den Park beginnen, die Perspektive verengt sich also vom Fernen zum Nahmen (V.2- V.4). Die Wortwahl dieser Verse ruft nur positive Assoziationen und Stimmungen hervor. Besonders die Adjektive "rein[en]" (V.3) und "bunt[en[" (V.4) sowie die Wortkombination "lächelnde[s] gestade" (V.2), in der sich eine Personifikation mit einem erlesenen archaischen Wort verbindet, schließlich die Nomen "schimmer" (V.2), "wolken" (V.3), "blau" (V.3) und "weiher" (V.4) erfassen zusammen mit dem positiv konnotierten Verb "erhellt" (V.4) eine herbstliche Stimmung von Klarheit und Ruhe. Mit diesem freundlichen Bild von der Natur korrespondiert ein kunstvoller Satzbau, der mit Anaphern - "Der [...] / Der [...]" (V.2 und 3) - und einer Inversion - "der reinen wolken unverhofftes blau" (V.3) - das Gefühl innerer Ruhe vermittelt, das gerade bei dem fließenden Gleichklang der -er-Endsilben - "schimmer ferner lächelnder [gestade]" (V.2) - besonders gut greifbar wird. Das Adjektiv "totgesagt[en]" von Vers 1 endgültig korrigierend macht das Attribut "unerverhofft[es]" (V.3) in Verbindung mit der Nominalisierung "blau" (V.3) nund klar, dass die Natur im Herbst für den sensiblen Betrachter durchaus hoffnungsvolle Perpektiven eröffnet.
Der ruhige Sprachfluss der ersten Strophe wird in der zweiten - später auch in der dritten - beibehalten. Vom beschriebenen und betrachteten Objekt (Strophe I) wandelt sich nun die Natur zum Gegenstand für menschliches Tun. Das lyrische Ich fordert seinen Begleiter auf, Birken- und Buchszweige zu sammeln und sie zu einem Kranz zu verflechten. Wieder makiert ein an die zweite Stelle des Satzes gesetzter Imperativ - "nimm" (V.5) - den etwas undifferenziert von "blau" (V.3) und "bunt" (V.4) die Rede, so zeigen nun die Synästhesien "tiefe[s] gelb" (V.5) und "weiche[s] grau" (V.5) das Ineinanderfließen von Farbe und Gefühl, welches auch noch durch eine Alliteration - "gelb" (V.5) - "grau" (V.5) - hervorgehoben wird. Die eigentlichen natürlichen Farbträger, die Blätter treten in den Hintergrund, volle Aufmerksamkeit beanspruchen nur noch die zarten, weichen Pastellfarben, die der Kranzflechter in sein Kunstwerk aufnehmen soll. So wie sich die erlesenen Farbkontraste - "tiefe[s] gelb [...] weiche[s] grau" (V.5) - gedämpft äußern, so begleitet auch die Luftströmung - in einem knappen Einschub agesprochen - das Geschehen zurückhaltend: "der wind ist lau" (V.6). Zeugt die Alliteratio "Von birken und von buchs" (V.6) von der Lebenskraft der herbstlichen Natur, so kündigt sich nun nach der Gedichtmitte ein anderer Ton an. Mit dem Adjektiv "spät[en]" (V.7) und dem das Verb "welkten" (V.7) relativierenden Adverbialgefüge "noch nicht ganz" (V.7) wird erstmals auch eine dem Herbst anhaftende Vorstellung von Vergänglichkeit im Text greifbar. Die zunächst befremdende Präteritumsform "welkten" (V.7) macht klar, dass der Vorgang des Vergehens noch nicht abgeschlossen ist, die Blätter und Blüten noch nicht "verwelkt" sind. Die Betrachter nehmen diesen natürlichen Vergänglichkeitsprozess gelassen hin, der ruhige Sprachfluss ändert sich nich. Vergleichbar mit dem zitierten Beispiel aus der ersten Strophe (V.2) bestätigt dies auch hier der harmonisch fließende Gleichklang der -en-Endungen: "[Die] späten rosen welkten [noch nicht ganz]" (V.7). Die innere Gefasstheit, die die Worte des lyrischen Ich kennzeichnen, resultiert aus dessen Gewissheit, dass sich auch die natürliche Schönheit der "späten rosen" (V.7) - Gebilde von nobler Blässe - in der Erinnerung festhalten lässt, hier ausgedrückt im Symbol des "kranz[es]" (V.8). Deutlich wird allerdings von den Betrachtern angemahnt, dass in das Kreuz-Kunstwerk nicht Beliebiges aufgenommen werden darf, das Ausgewählte unterliegt einer zweifachen Selektion. Mit den asyndetisch verknüpften Imperativen "Erlese küsse" (V.8) wird deutlich, dass nur erlesene und durch Liebe beseelte Elemente der Erinnerung und Beobachtung das Kunstwerk vollenden können.
Diese erden nun in der dirtten Strophe angeführt, ihre Wichtigkeit durch einen weitern Imperativ - "Vergiss [...] nicht" (V.9) betont. Wurde in der ersten und auch zu Beginn der zweiten Strophe noch ein heiter getragenes Bild herbstlicher Lebendigkeit präsentiert und mischte sich in der zweiten Hälfte der zweiten Strophe eine Stimmung von Vergänglichkeit ein, so verschmelzen diese beiden Bereiche - Leben und Vergehen - nun in der dritten Strophe. In den Kranz bewahrenden küstlerischen Erinnerung müssen Totenblumen - gleichsam als Zeugnis des "grüne[n] leben[s]" (V.11), eingeflochten werden. Allein schon die Adjektivwahl in diesem Abschnitt zeigt diesen Verschmelzungsprozess: "letze[n] asterm" (V.9) - "wilde[r] reben" (V.10) und "grüne[s] leben" (V.11). Die edelste, königliche Farbe "purpur" (V.10) und die symbolisch mit dem "leben" (V.10) verknüpfte Farbe "Grün[em]" (V.11) werden schließlich den Pastelltönen des Krantes noch hinzugefügt.
Am Schluss des Gedichtes steht die Aufforderung, alles Gesammelte "leicht im herbstlichen gesicht" zu "verwinden"(V.12). Denkbar ist, dass die Chiffre "gesicht" (V.12) im Sinne einer Vision zu verstehen ist: Der wahre Künstler - Kranzflechter - versteht es mit seinem geistigen Auge über die gewöhnliche Wirklichkeit hinauszublicken, sie also nicht nur abzubilden. Damit gewänne der letzte Imperativ des Gedichts - "Verwinde" (V.12) - eine interessante Doppeldeutigkeit. Zum einen wäre mit ihm die Fertigstellung des Kunstwerks zum Ausdruck gebracht, zum anderen könnte er auch so verstanden werden, dass der das irdische Dasein belastende Gegensatz von Leben und Vergänglichkeit vom sensiblen Künstler -und nur von ihm- "verwunden" - im Sinne von "ertragen" oder "überwunden" - werden kann.
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