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Analyse zu Das Stadtwappen von Franz Kafka

Alles zu Werke

"DAS STADTWAPPEN" - FRANZ KAFKA



Analyse und Interpretation -> 60%
Ein Stadtwappen verbildlicht für gewöhnlich die Geschichte einer Stadt. Meist werden Mythen oder positive Ereignisse darin symbolisiert. Ganz anders verhält es sich mit dem Stadtwappen in der gleichnamigen Erzählung Franz Kafkas, die im 20. Jahrhundert entstand. Hier verdeutlicht das Wappen den Wunsch der Bewohner nach Vernichtung der Stadt. Grund dafür ist der babylonische Turmbau, der die Stadt über Generationen hinweg in Kriege und Zweifel stürzt.

Der Text lässt sich in vier Sinnabschnitte gliedern. Im ersten Abschnitt (Z.1-6) schildert der Erzähler die Anfänge des Baus. Der selbst geht nur schleppend voran, während Unterkünfte und andere Vorbereitungen im Fokus stehen. Die Gründe für den langsamen Fortschritt werden im zweiten Abschnitt (Z.6-18) erläutert. Der Erzähler gibt die Sicht des Volkes wieder, laut dem der Bau aufgrund der Weiterentwicklungen und Erfindungen kommender Generationen beschleunigt werden wird. Die Folgen dieser Denkweise legt der Erzähler im dritten Abschnitt (Z.19-30) dar. Durch Streitigkeiten zwischen den Arbeitern verschiedener Länder, die durch gegenseitigen Neid auf die Arbeiterstädte entstanden, kommt es zu Konflikten. Diese verlangsamen wiederum den Bau des Turms. Auch nachfolgende Generationen können den nicht beschleunigen, sondern erleben nur noch mehr Kriege. Die Zweifel am Nutzen des Baus führen dazu, dass, wie im letzten Abschnitt (Z.31-34) geschildert, der Wunsch nach Zerstörung der Stadt durch eine höhere Macht in Sagen, Liedern und im Stadtwappen laut wird. Als Deutungshypothese lässt sich festlegen, dass Kafka zum einen aus religiöser Sicht auf den Turmbau zu Babel anspielt, wie später erläutert werden wird. Zum anderen übt er wohl Gesellschaftskritik und hinterfragt den Sinn der menschlichen Existenz. Bei der Textsorte Parabel gibt es immer eine Bild- und eine Sachebene. Um die Sachebene verstehen und den Text deuten zu können, muss zunächst eine genaue Analyse der Bildebene vorgenommen werden.
Die Erzählperspektive ist im ganzen Text auktorial, der Erzähler ist allwissend. Durch die häufige Verwendung des Pronomens "man" (vgl. Z.2; Z.4; Z.6) erweckt er den Eindruck, selbst Teil des Volkes zu sein. Dies wird durch die Verwendung der erlebten Rede verstärkt, die im zweiten Abschnitt häufig vorzufinden ist, z.B. in Zeile 16: Das aber war auf keine Weise zu erwarten". Im letzten Abschnitt, der durch einen Absatz vom Rest des Textes abgehoben wird, ändert sich dies. Hier wirkt die Distanz zwischen dem Erzähler und der Stadt viel größer und der Erzähler verwendet zum einzigen Mal, abgesehen von der Wiedergabe der Gedanken des Volkes, das Präsens. Dadurch entsteht der Eindruck, er berichte davor über die Vergangenheit. Im ersten Abschnitt finden sich viele Aneinanderreihungen von Nebensätzen, vor allem ab Zeile 3, als die Meinung des Volkes geschildert wird. Dieses denkt, "man könne gar nicht langsam genug bauen; man konnte überhaupt davor zurückschrecken, die Fundamente zu legen" (z.4ff.), wodurch das Zögern und die schleppenden Fortschritte verdeutlicht werden. Die Rechtfertigung ist, dass die Menschen immer danach streben werden, "einen bis in den Himmel reichendenden Turm" (Z.7) zu errichten. So könne auf kommende Generationen gehofft werden, die durch größeres Wissen "vielleicht" (z.13) immer schneller bauen. Es wird auch in Erwägung gezogen, dass das Gebäude in der Zukunft "nieder[gerissen]" (Z.18) werde und die Arbeit damit wertlos sein könnte. Interessant ist hier, dass auf Grundlage von Annahmen, die durch Begriffe wie "vielleicht" (Z.18), rhetorische Fragen (Z.16 f.), Verben im Konjunktiv (z.B. "hätte nur Sinn", .15) oder das Wort "hoffen" (Z.15) verdeutlicht werden, entschieden wird, den Turmbau langsam durchzuführen. Der Erzähler könnte diese Begriffe bewusst verwendet haben, um den Widerspruch zu verdeutlichen. Hier wird klar, wie die Menschen sich selbst betrügen und falsche Schlüsse ziehen. Auch die rhetorische Frage "Warum also sich (...) abmühen?" zeigt dies. Schließlich deckt er im darauffolgenden Abschnitt den Fehlschluss auf: Statt eines schnelleren Baus kommen mit den späteren Generationen nur noch mehr Konflikte auf, weil sich deren "Kampfsucht" (Z.28) steigert. Dies führt zu immer mehr Kämpfen, wodurch sich wiederum der Bau verlangsamt. Die Widersprüchlichkeiten werden durch die Verwundung von vielen Konjunktionen mit adversativer Bedeutung aufgezeigt. So beispielsweise im Satz ab Z.24: "Doch (...) allerdings (...)" oder im darauffolgenden: "So verging (...), aber" (Z.26 ff.). Schließlich führt die Situation zu einem Dilemma: Trotz der "Sinnlosigkeit des Himmelsturmbaus" (Z.28 f.) bleiben alle in der Stadt, da "man schon viel zu sehr miteinander verbunden [war]" (Z.29). Um zu entkommen, wünschen sich die Bewohner, wie im letzten Abschnitt sehr konkret beschrieben den Tag, "an welchem die Stadt von einer Riesenfaust in fünf kurz aufeinanderfolgenden Schlägen zerschmettert wird" (Z.32f.) herbei. Schließlich wird noch auf das titelgebende Stadtwappen eingegangen, dessen Ursprung antithetisch zur eigentlichen Bedeutung eines Wappens nicht positiv, sondern ein Wunsch der Bewohner nach Zerstörung ihrer Heimat ist. Wie viele Erzählungen Kafkas hat auch diese einen absoluten Anfang. Die Hintergründe des Turmbaus werden nicht erklärt, die Handlung beginnt sofort. Erzählt wird zeitraffend, vor allem im letzten Abschnitt wird das deutlich. In nur wenigen Zeilen gewinnt der Leser den Eindruck, dass das Volk nie aus dem Zustand, der davor beschrieben wurde, erlöst wird. Durch den Satz "Deshalb hat auch die Stadt die Faust im Wappen" (Z. 33f.) wird vermittelt, dass die Bewohner bis zur Gegenwart auf die "Riesenfaust" hoffen und immer noch Kriege erleiden müssen.
Um die Parabel deuten zu können, muss man von der Bild- auf die Sachebene übertragen. Zentrale Motive der Bildebene sind das Volk, also die Einwohner der Stadt und Arbeiter, das Vorhaben des Turmbaus und die erhoffte "Riesenfaust".
Überträgt man den Text auf das menschliche Leben, so symbolisiert das Volk den einzelnen Menschen. Der Bau des Turms wiederum steht für Ziele, die von einem selbst oder von anderen festgelegt wurden. So entscheiden die Begründer für sich selbst und indirekt für andere (die folgenden Generationen), "einen bis in den Himmel reichenden Turm zu bauen" (Z:7 f.). Das Dilemma, das aus dieser Selbstüberschätzung entsteht, spiegelt Selbstzweifel wider, die jeder Mensch hat. Dies führt wie beim Turmbau oft zu Konflikten, ob mit sich selbst oder mit Mitmenschen. Manche hoffen auf eine höhere Macht, die sie davon befreit. Diese wird im Text durch die Faust symbolisiert.

Zusatzaufgabe (Interpretation von zwei Gesichtspunkten aus, Vergleich mit Bibelgeschichte "Der Turmbau zu Babel" (Genesis 11) -> 40%
Deutet man aus religiöser Sicht, lassen sich viele Gemeinsamkeiten mit dem "Turmbau zu Babel", der in Genesis 11 beschrieben wird, erkennen. In der Bibelgeschichte wollen die Menschen einen Turm bauen, um Gott nahe zu sein und sich "einen Namen [zu] machen" (Z.16 f.). Doch Gott will nicht, dass sie alle an einem Ort bleiben und "zerstreut" (Z.31 f.) sie. So wird der Bau des Turms eingestellt (vgl. Z.33 f.). Vergleicht man die beiden Texte, stellt man Gemeinsamkeiten und Unterschiede fest. Das Vorhaben ist identisch: beide beschriebenen Völker wollen einen bis zum Himmel reichenden Turm bauen. Bei Kafkas Text wird der Turm nur gebaut, weil der "Gedanke (...) gefaßt" (Z.8 f.) wurde. Beim Bibeltext ist das Motiv klarer, man baut ihn, um "sich nicht zu zerstreuen" (vgl. Z.17 f.). Bei Kafkas Text sind die Völker eigentlich schon zerstreut und kommen nur zusammen, um den Turm zu bauen.
Um die theologische Aussage zu deuten, muss nun die rolle Gottes verglichen werden.
Im Text "Das Stadtwappen" wird Gott durch die Riesenfaust symbolisiert. Die Menschen haben ihren Gott, der sie gewaltsam durch die Zerstörung der Stadt erlösen soll, jedoch selbst erfunden und beten ihn mit "Sagen und Liedern" (Z.31) an. Im Bibeltext spielt Gott eine andere Rolle. Die Menschen wissen von seiner Existenz und hoffen nicht auf ihn. Gott handelt im Gegensatz zu Kafkas Werk jedoch gegen den Willen der Menschen. Er zerstreut sie und "verwirrt [ihre] Sprache" (Z.35 f.), wodurch auch der Bau des Turms beendet wird.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Gott in beiden Texten anders dargestellt wird. In Kafkas ist er der aus den Hoffnungen der Menschen hervorgegangene Erlöser, der das endlose Leid durch Gewalt beenden soll. In der Bibel hingegen beendet er den Bau des Turms gegen den Willen der Menschen und bewirkt, dass sie sich unfreiwillig voneinander entfernen, was das Ziel der Menschen in Kafkas Text ist.

Abschließend ist festzustellen, dass Kafka mit seiner Parabel auf den Bibeltext "Der Turmbau zu Babel" anspielt. Jedoch sind die Motive der Völker und die Rolle Gottes als Erlöser in den Texten so verschieden wie die eigentliche Bedeutung eines Wappens und die, die das Wappen in der Erzählung hat.
Inhalt
Klausur (12. Klasse Gymnasium Bayern)
1. Aufgabe: Beschreibung, Analyse, Interpretation
2. Aufgabe: Deutung (zwei Deutungsweisen), Vergleich mit Genesis 11 (1442 Wörter)
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26.01.2022 von 050015025011
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