Brief 5 an Romanus
Plinius (der jüngere)
Buch 1 - Brief 5
lateinisch / deutsch
C. PLINIVS ROMANO SVO S.
Vidistine quernquarn M. Regulo timidiorem, humi horern post Domitiani rnortem, sub quo non minora flagitia commiserat quam sub Nerone, sed tectiora? coepit veren, ne sibi irascerer; nec fallebatur, irascebar. Rustici Aruleni periculum foverat, exsultaverat morte, adeo ut librurn recitaret publicaretque, in quo Rusticuin insectatur atque etiam 'Stoicorum simiam' appellat; adicit 'Vitelliana cicatrice stigmosum'. agnoscis eloquentiam Reguli. laccrat Herennium Senecionem, tarn intemperanter quidem, ut dixerit ei Alettius Carus: 'quid tibi curn meis mortuis? numquid ego Crasso aut Camerino molestus sum?' quos ille sub Nerone accusaverat. haec me Regulus dolenter tulissc credebat ideoque etiam, cum recitaret librum, non adhibuerat. Praeterea reminiscebatur, quam capitaliter ipsum me apud centurnviros lacessisset. aderam Arrionillae, Timonis uxori, rog atu Aruleni Rustici; Regulus contra. nitebarnur nos in parte causae sententia Metti Modesti, optimi viri: is tunc in exilio erat, a Domitiano relegatus. ecce tibi Regulus: 'quaero'inquit, 'Secunde, quid de Modesto sentias.' vides, quod periculum, si respondissem 'bene', quod flagitium, si 'male'. non possum dicere aliud tunc mihi quam deos adfuisse. Irespondebo' inquam, 'si de hoc centuinviri iudicaturi sunt.' rursus ille: 'quaero, quid de Modesto sentias.' iterum ego: 'solebant testes in reos, non in damnatos 6 interrogari.' tertio ille: 'non iam, quid de Modesto, sed quid de pietate Modesti sentias quaero.' - 'quaeris' inquam, 'quid sentiam; at ego ne interrogare quidern fas puto, de quo pronuntiatum est.' conticuit; me laus er gratulatio secuta est, quod nec famam meam aliquo responso utili fortasse, inhonesto tamen laeseram nec me Iaqueis tam insidiosae interrogationis involveram.Nunc ergo conscientia exterritus apprehendit Caecilium Celerem, mox Fabium lustum, rogat, ut me sibi reconcilient, nec contentus pervenit ad Spurinnam; huic suppliciter, ut est, cum timet, abiectissimus: 'rogo mane videas Plinium domi, sed plane rnane (neque enirn diutius ferre sollicitudinem possum), er quoquo modo efficias, ne mihi irascatur.' evigilaveram-, nuntius a Spurinna: 'venio ad te.'- 'immo ego ad te.' coimus in porticum Liviae, cum alter ad alterum ten derernus. exponit Reguli mandata, addit preces suas, ut decebat optimum virum pro dissimillimo, parce. cui ego: 'dispicies ipse, quid renuntiandum Regulo io putes. te decipi a me non oportet. exspecto Mauricum' (nondum ab exilio venerat): 'ideo nihil alterutram in partern respondere tibi possum facturus, quidquid ille decreverit; illum cnim esse huius consilii ducern, me comitem decet.' Paucos post dies ipse me Regulus convenit in prae- i i toris officio; illuc persecutus secretum petit; ait timere se, ne animo meo penitus haereret, quod in centumvirali iudicio aliquarido dixisset, cum responderet mihi er Satrio Rufo: 'Satrius Rufus, cui non est cum Cicerone aernulatio, et qui contentus est cloquentia sacculi nostri.' respondi nunc me intellegere maligne dictum, i z quia ipse confiteretur; ceterum potuisse honorificum existimari. 'est enim' inquam 'mihi cum Cicerone aernulatio, nec sum contentus eloquentia saeculi nostri, nam stultissimum credo ad imitandum non optima quaeque proponere. sed tu, qui huius iudicii nierninisti, cur illius oblitus es, in quo me interrogasti, quid de Metti Modesti pietate sentirem?' expalluit notabiliter, quamvis palleat semper, et haesitabundus: 'interrogavi, non ut tibi nocerern, sed ut Modesto.' vide hominis crudelitatem, qui se non dissimulet exuli nocere voluisse. subiunxit egregiam causam: 'scripsit' inquit 'in epistula quadam, quae apud Domitianuin recitata est: 'Regulus, omnium bipedum nequissimus'. quod quidem Modestus verissime scripserat. Hic fere nobis sermonis terminus, neque enim volui proo,redi longius, ut mihi omnia libera servarern, dum n Mauricus venit. nec me praeteritesse Reguluni oi)(ixa,91aioet op; est enim locuples, factiosus, curatur a multis, tirnetur a pluribus, quod plerumque fortius amore est. potest tarnen fieri, ut haec concussa labantur. nam gratia malorum tam infida est quam ipsi. Verum, ut idem saepius dicam, exspecto Mauricum. vir est gravis, prudens, multis experimentis eruditus, et qui futura possit ex praeteritis providere. mihi et temptandi aliquid et quiescendi illo auctore ratio constabit. Haec tibi scripsi, quia aequum erat te pro amore mu- tuo non solum omnia mea facta dictaque, verum etiam consilia cognoscere. Vale.
Hast Du je einen größeren Feigling und Kriecher gesehen als INI. Regulus seit dem Tode Domitians, unter dem er nicht geringere Schandtaten begangen hatte als unter Nero, nur verstohlener? Er bekam es mit der Angst, ich könnte ihm böse sein, und darin täuschte er sich auch nicht; ich war ihm wirklich böse. Er hatte bei der Verurteilung des Rusticus Arulenus das Feuer geschürt, hatte über seinen Tod gejubelt, so unbändig, daß er ein Pamphlet vortrug und hernach publizierte, in welchem er Rusticus verunglimpft, ihn gar einen "Affen der Stoiker" nennt mit dem Zusatz: "gebrandmarkt mit dem Brenneisen des Vitellius". Du kennst ja Regulus' Mundfertigkeit. Herennius Senecio lästert er so maßlos, daß Mettius Carus zu ihm sagen konnte: "Was gehen dich meine Toten an? Mache ich mich denn über Crassus oder Camerinus her?" Diese beiden hatte er unter Nero angeklagt. Das alles, glaubte Regulus, müsse mich empört haben; deshalb hatte er mich auch nicht zur Rezitation seines Pamphlets eingeladen. Außerdem wußte er ganz genau, welch tödlicher Gefahr er mich persönlich vor den Zentumvirn ausgesetzt hatte. Auf Bitten des Arulenus Rusticus vertrat ich Arrionilla, Timos Frau; Regulus war mein Prozeßgegner. Ich stützte mich bei einem Teil meines Plädoyers auf einen Ausspruch des Mettius Modestus; der befand sich damals, von Domitian relegiert, in der Verbannung. Da hakt dir doch der Regulus gleich ein: "Ich frage dich, Secundus, wie du über Modestus denkst." Du siehst, wie gefährlich es gewesen wäre, hätte ich "gut", wie schändlich, hätte ich "schlecht" geantwortet. Ich kann nur sagen, in diesem Augenblick haben mir die Götter beigestanden. "Ich werde dir antworten" erwiderte ich, jalls die Zentumvirn sich dazu äußern wollen." Er nochmals: "Ich frage dich, wie du über Modestus denkst!" Meine Antwort: "Zeugen pflegt man sonst nur gegen Angeklagte, nicht gegen Verurteilte zu verhören." Und er zum dritten Male: _Mir geht es nicht um Modestus im allgemeinen; ich möchte wissen, wie du über seine Loyalität denkst!" - "Du fragst mich, wie ich darüber denke" erwiderte ich, "aber ich meine, daß es überhaupt nicht statthaft ist, nach etwas zu fragen, worüber bereits ein Urteil vorliegt." Da hielt er den Mund; ich erntete Anerkennung und Glückwünsche, daß ich weder meinen Ruf durch eine vielleicht vorteilhafte, aber eben unehrenhafte Antwort geschädigt noch mich in den Schlingen seiner hinterhältigen Frage verfangen hatte. Daraufhin macht er sich also, vom bösen Gewissen getrieben, an Caecilius Celer und dann an Fabius lustus heran, bittet sie, mich mit ihm zu versöhnen, und damit nicht genug, geht er auch noch zu Spurinna. Den fleht er an, kriecherisch wie immer, wenn er Angst hat: "Such' doch bitte morgen früh Plinius in seinem Hause auf, aber ganz früh - ich kann nämlich die Unruhe nicht länger ertragen - und sieh zu, daß er mir nicht länger böse ist!" Ich war gerade eben wach; ein Bote von Spurinna: "Ich komme zu dir!" - "Nein, ich zu dir!" Auf dem Wege zueinander begegneten wir uns in der Halle der Livia. Er berichtet mir von Regulus' Wunsch, setzt sich selbst dafür ein, mit Reserve, wie es sich für einen Ehrenmann schickt, wenn er sich für jemanden verwendet, mit dem er nichts gemein hat. Meine Antwort: _Entscheide selbst, was du Regulus ausrichten zu müssen meinst. Ich will dir offen sagen, wie es ist. Ich warte auf Mauricus" - er war noch nicht aus der Verbannung zurück -, "darum kann ich dir weder mit ja noch mit nein antworten; ich werde tun, was er für richtig hält, denn ihm gebührt bei dieser Affäre die Führung, mit die Gefolgschaft." Nach ein paar Tagen traf ich Regulus selbst beim Amtsantritt des Prätors; er war mir dorthin nachgegangen und bat mich also um ein Gespräch unter vier Augen. Vermutlich, meinte er, ärgerte ich mich immer noch über das, was er einst vor dem Zentuinviralgericht gesagt habe, als er gegen mich und Satrius Rufus plädierte: 11Satrius Rufus, der sich nicht mit Cicero messen will, und der sich mit der modernen Redekunst begnügt." Ich antwortete, jetzt, wo er es selbst eingestehe, verstünde ich, daß es eine Bosheit gewesen sei, sonst hätte man es auch für ein Kompliment halten können. "Ich messe mich nämlich tatsächlich mit Cicero- sagte ich, "und begnüge mich nicht mit der modernen Redekunst; denn ich halte es für die größte Dummheit, sich nicht immer das Beste zum Vorbild zu nehmen. Aber wenn du dich schon dieses Prozesses erinnerst, warum hast du den andern vergessen, bei dem du mich fragtest, wie ich über Mettius Modestus' Loyalität dächte?" Er wurde merklich blasser ' obwohl er immer blaß ist, und stotterte heraus: "Mit dieser Frage habe ich nicht dir schaden wollen, sondern Modestus!" Sieh Dir diesen Halsabschneider an, der unumwunden zugibt, er habe einem Verbannten schaden wollen! Er hatte dafür auch eine großartige Begründung: "In einem seiner Briefe, der vor Domitian verlesen wurde, stand geschrieben: Regulus, der größte Lump unter allen Zweibeinern- - womit Modestus den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. So etwa endete unser Gespräch; weiter wollte ich nicht gehen, um ganz freie Hand zu behalten, bis Mauricus zurückkehrte, und ich weiß ja auch, daß Regulus schwer beizukommen ist; denn er hat Geld, hat seine Anhängerschaft, wird von vielen hofiert, noch mehr gefürchtet, was meist ein stärkeres Band als Liebe ist; immer hin könnte es geschehen, daß das alles ins Wanken gerät und zusammenbricht; denn die Gunst der Lumpen ist genau so unzuverlässig wie diese Leute selbst. Doch um es noch einmal züi sagen: ich warte auf Mauricus. Er ist ein gesetzter, kluger, durch reiche Erfahrungen gewitzter Mann, der aus dem Vergangenen auf das Kommende zu schließen vermag. Ob ich noch etwas unternehme oder die Sache auf sich beruhen lasse, hängt ganz von seiner Entscheidung ab. Dir schreibe ich dies, weil es nur recht und billig ist, daß Du angesichts unsrer gegenseitigen Liebe nicht nur von all meinen Taten und Worten, sondern auch von meinen Entschlüssen hörst. Leb' wohl!
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Brief 5 an Romanus - Lateinischer Orginaltext und Deutsche Übersetzung (1621 Wörter)
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