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Brief 15 in deutscher Übersetzung (HTML-Datei)

Alles zu Seneca - Epistulae Morales Ad Lucilium

Seneca - Brief 15 (deutsch)


- Briefe an Lucilius über Ethik (2. Buch) -
(1) Die Alten hatten die Gewohnheit, die sich bis zu meiner Zeit erhalten hat, den ersten Worten eines Briefes hinzuzufügen: "Wenn Du gesund bist, ist es gut, ich bin gesund." Richtig sagen wir: "Wenn Du philosophierst, ist es gut." Denn dies erst heißt gesund sein. Ohne Philosophieren ist der Geist krank. Und auch der Körper ist, selbst wenn er große Kräfte besitzt, nicht anders gesund als der eines Rasenden oder Geisteskranken.' (2) Kümmere Dich daher vor allem um diese Gesundheit, dann auch um jene andere; und diese letztere wird Dich nicht viel kosten, wenn Du in richtiger Weise gesund sein willst. Töricht nämlich, mein Lucilius, und einem gebildeten Mann keineswegs angemessen ist die Bemühung, die Armmuskeln zu trainieren, den Nacken wuchtiger zu machen und die Brust' zu stärken. Auch wenn Dir die Mästung geglückt ist und die Muskeln gewachsen sind, wirst Du niemals die Kräfte oder das Gewicht eines gut gefütterten Ochsen erreichen.' Denk Dir nun noch, dass von einer größeren Körperlast der Geist erdrückt wird und weniger aktiv ist. Halte daher Deinen Körper, soweit Du es kannst, kurz und schaffe Raum für den Geist! (3) Viele Nachteile nehmen jene in Kauf, die sich ganz auf eine solche Betätigung eingestellt haben: Zunächst die Leibesübungen, deren Anstrengung den Geist entkräftet und ihn unfähig zur Konzentration und zu subtileren Studien macht; ferner wird durch Nahrungsmenge der Scharfsinn abgestumpft. Dazu kommen noch Sklaven der schlimmsten Sorte, die man für den (Sport)unterricht aufgenommen hat, Menschen, deren Tätigkeit auf das Einölen und Weintrinken beschränkt ist, denen der Tag nach Wunsch verlaufen ist, wenn sie tüchtig geschwitzt und die verlorene Flüssigkeit durch reichliches Getränk ersetzt haben, das auf nüchternen Magen eine nachhaltigere Wirkung haben soll. Trinken und Schwitzen, das ist das Leben eines Magenkranken. (4) Es gibt Leibesübungen, leicht und kurz, die den Körper unverzüglich müde machen und dabei Zeit sparen, auf die man vornehmlich Bedacht nehmen muss: Laufen, Armbewegungen mit irgendeinem Gewicht, ein Sprung, entweder als Hoch- oder Weitsprung, oder als sogenannter Saller' - beziehungsweise, um mich etwas respektloser auszudrücken, Tuchwalkersprung: Wähle daraus eine beliebige Übung, einfach und mühelos.' (5) Was Du auch tust, rasch kehre wieder vom Körper zum Geist zurück; ihn sollst Du Tag und Nacht üben! Durch mäßige Anstrengung wird er gekräftigt; diese Übung kann weder Kälte noch Hitze behindern, nicht einmal das Greisenalter. Sorge Dich um das Gut, welches mit dem Alter an Wert gewinnt. (6) Nicht jedoch verlange ich von Dir, unentwegt über einem Buch oder über Schreibtäfelchen gebeugt zu sitzen: auch dem Geist soll man eine Pause gewähren, in einer Weise freilich, daß er nicht entkräftet wird, sondern sich entspannt. Eine Ausfahrt' rüttelt den Körper durch und steht der geistigen Arbeit doch nicht im Wege: Du kannst lesen, kannst diktieren, Du kannst reden, kannst zuhören; nicht einmal ein Spaziergang hindert Dich daran. (7) Und wie, wenn Du auch noch die richtige Art und Weise des Spazierengehens lernen möchtest?' Lass solche zu Dir, die der Hunger neuartige Kunststücke gelehrt hat': Da wird einer sein, der Deine Schritte mäßigt, der Dir beim Essen' aufmerksam auf die Wangen schaut und sich so weit vorwagt, wie Du seine Unverfrorenheit durch Geduld und Leichtgläubigkeit verleitet hast. Auch die Stimmbildung" brauchst Du dabei nicht zu vernachlässigen; doch ich rate Dir ab, die Stimme stufenweise und nach bestimmten Regeln anschwellen zu lassen und dann zu dämpfen.` Was nun? Soll Deine Stimme sofort mit Geschrei und in leidenschaftlichstem Ton beginnen? Es ist so sehr natürlich, sich allmählich in die Erregung zu steigern, dass auch Streitende mit einem Gespräch anfangen und in lautes Schreien übergehen; niemand fleht unvermittelt die Quiriten` um ihren Beistand an. (8) je nachdem es Dir also Deine Gemütsverfassung geraten erscheinen lässt, sollst Du den Fehlern bald heftiger, bald ruhiger eine Strafpredigt halten, wie und wohin Deine Stimme Dich ermutigen wird, in diese Richtung"; gemäßigt soll sie, wenn Du sie zurücknimmst und wieder hereinholst 14 , allmählich sinken, nicht jäh abfallen; die "ittlere Tonstärke soll sie einhalten` und sich nicht auf ungeschliffene und rüpelhafte Art und Weise austoben. Nicht arbeiten wir nämlich darauf hin, dass die Stimme ausgebildet werde, sondern dass sie uns bilde." (9) Ich habe Dir nicht Geringes an Mühe abgenommen:" eine einzige kleine Zuwendung, und zwar ein griechischer Spruch, wird sich diesen Gefälligkeiten anschließen. Siehe da, eine bemerkenswerte Weisung: "Ein törichtes Leben ist unerfreulich, angstvoll; es ist ganz auf die Zukunft ausgerichtet."` "Wer sagt das?" wirfst Du ein. Derselbe wie oben. Was für ein Leben nun, glaubst Du, wird als töricht bezeichnet? Das eines Baba und Ision?" Nein, so Ist es nicht: Unser eigenes ist damit gemeint; denn uns stürzt die blinde Gier in Situationen, die uns schaden oder wenigstens niemals zufriedenstellen werden, uns, die wir genug gehabt hätten, wenn uns überhaupt etwas genügen könnte; die wir nicht bedenken, wie angenehm es ist, nichts zu begehren, wie großartig es ist, wunschlos glücklich und nicht vom Zufall abhängig zu sein. (10) Rufe Dir daher, Lucilius, dann und wann in Erinnerung, wie viel Du erreicht hast; wenn Du hinschaust, wie viele Dir voran sind, denke daran, wie viele hinter Dir gehen. Wenn Du den Göttern und Deinem Leben dankbar sein Willst, dann denke daran, wie viele Du überflügelt hast. Doch was hast Du mit den übrigen zu schaffen? Dich selbst hast Du überflügelt. (11) Setz Dir eine Grenze, die Du nicht einmal dann überschreiten könntest, wenn Du wolltest; hinweg endlich einmal mit solchen heimtückischen "Werten", die erfreulicher scheinen, solange man sie erhofft, als sie es sind, wenn man sie erlangt hat. Wäre an ihnen etwas Gediegenes, dann würden sie irgendeinmal auch Erfüllung bringen; so aber regen sie bei denen, die trinken, den Durst nur an. Fort mit dem blendenden Prunk! Und das, was der künftigen Zeit ungewisses Los mit sich bringt warum soll ich beim Schicksal lieber erwirken, es (mir) zu geben, als bei mir, nicht danach zu verlangen? Warum aber soll ich danach verlangen und, die menschliche Hinfälligkeit außer acht lassend, zusammenraffen? Wozu soll ich mich plagen? Siehe, dieser Tag ist der letzte; gesetzt dass er es nicht ist, so ist er dem letzten nahe. Leb wohl!


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