Brief 7 an Caninius
Plinius (der jüngere)
Buch 3 - Brief 7
lateinisch / deutsch
C. PLINIVS CANINIO SVO S.
Modo nuntiatus est Silius ltalicus in Neapolitano suo inedia finisse vitam; causa mortis valetudo. erat illi natus insanabilis clavus, cuius taedio ad mortem inrevocabili constantia decucurrit usque ad supremum diern beatus et felix, nisi quod minorem ex liberis duobus amisit, sed rnaiorem melioremque florentern atque etiam consularem reliquit. Laeserat famam suam sub Nerone (credebatur sponte accusasse), sed in Vitelli amicitia sapienter se et comiter gesserat, ex proconsulatu Asiae gloriam reportaverat, maculam veteris industriae laudabili otio abluerat. Fuit inter principes civitatis sine potentia, sine invidia; salutabatur, colebatur multumque in lectulo iacens, cubiculo semper non ex fortuna frequenti, doctissimis sermonibus dies transigebat, cum a scribendo vacaret. Scribebat cariiiina maiore cura quam ingenio, non numquam iudicia hominum recitationibus experiebatur. novissirne ita suadentibus annis ab urbe secessit seque in Campania tenuit ac ne adventu quidem novi principis inde commotus est. magna Caesaris laus, sub quo hoc liberum fuit, rnagna illius, qui hac libertate ausus est uti. Etat usque ad ernacitatis reprehensionem. plures isdem in locis villas possidebat adamatisque novis priores neglegebat. multum ubique librorum, multurn statuorum, multum imaginurn, quas non habebat modo, verum etiam venerabatur, Vergili ante omnes, cuius natalem religiosius quam suum celebrabat, Neapoli maxime, ubi monimentum eius adire ut templum solebat. In hac tranquillitate annum quintum et septuagensirnurn excessit delicato magis corpore quam infirmo, utque novissimus a Neronefactus estcbnsul,itapostrernus ex omnibus, quos Nero consules fecerat, decessit. illud etiam notabile: ultimus ex Neronianis consularibus obiit, quo consule Nero periit. Quod me recordantem fragilitatis humanae miseratio subit. quid enim tarn circumcisum, tarn breve quam hominis vita longissima? an non videtur tibi Nero rnodo rnodo fuisse? cum interim ex his, qui sub illo gesserant consulaturn, nerno iam superest. quamquam quid hoc miror? nuper L. Piso, pater Pisonis illius, qui a Valerio Festo per summum facinus in Africa occisus est, dicere solebat neminem se videre in senatu, quern consul ipse sententiam rogavisset, tarn angustis terminis tantae multitudinis vivacitas ipsa concluditur, ut mihi non venia solurn dignae, verum etiam lande videantur illae regiae lacrimae. nam ferunt Xersen, cum immensum exercitum oculis obisset, inlacrimasse, quod tot milibus tam brevis immineret occasus. Sed tanto magis hoc, quidquid est temporis futtilis et caduci, si non datur factis (nam horum materia in aliena manu), certe studiis proferamus et, quatenus nobis denegatur diu vivere, relinquamus aliquid, quo nos vixisse testemur! Scio te stimulis non egere; me tamen tui caritas evocat, ut currentem quoque instigem, sicut tu soles me. xxx, cum in vicem se mutuis exhortationibus amici ad amorem immortalitatis exacuunt. Vale.
Eben höre ich, daß Silius Italicus auf seinem Neapolitanum durch Verweigerung der Nahrungsaufnahme seinem Leben ein Ende gemacht hat. Anlaß zu seinem Tode war sein Gesundheitszustand. Es hatte sich bei ihm ein unheilbares Geschwür gebildet, und aus Ekel darüber faßte er den unwiderruflichen Entschluß zu sterben, bis zum letzten Tage glücklich und zufrieden, nur daß er den jüngeren seiner beiden Söhne verloren hat; den älteren, besser veranlagten hinterläßt er in angesehener Stellung und bereits im Range eines Konsulats. Unter Nero hatte er seinen Ruf geschädigt - man glaubte, er habe freiwillig Anklagen erhoben -, aber als Freund des Vitellius hatte er sich klug und liebenswürdig gegeben, aus der Statthalterschaft Asiens Anerkennung heimgebracht und den Makel seiner früheren Geschäftigkeit in ehrenwerter Zurückgezogenheit getilgt. Er zählte zu den Häuptern der Bürgerschaft, ohne Geltungsbedürfnis, ohne Neider; man wartete ihm auf, erwies ihm Achtung, und, viel zu Bette liegend, verbrachte er seine Tage in geistreichem Gespräch, wenn seine literarischen Arbeiten ihm Zeit dazu ließen, denn sein Schlafzimmer fand stets Besucher, die nicht aus äußeren Gründen kamen. Er verfaßte Gedichte, mehr mit Fleiß als mit Talent; bisweilen stellte er sich in Rezitationen dem Urteil des Publikums. Zuletzt zog er sich, wozu ihm seine Jahre rieten, aus der Stadt zurück und lebte in Campanien, ließ sich nicht einmal durch das Eintreffen des neuen Prinzeps von dort wegbringen, ein Ruhmesblatt für den Kaiser, unter dem das freistand, ein Ruhmesblatt für ihn, der diese Freiheit auszunutzen wagte. Er war ein Liebhaber alles Schönen, und seine Kauflust zog ihm manchen Tadel zu. Er hatte mehrere Landsitze in derselben Gegend, und wenn er die neuerworbenen liebgewonnen hatte, vernachlässigte er die früheren. Überall gab es viele Bücher, viele Statuen, viele Bilder, die er nicht nur besaß, sondern geradezu verehrte, vor allen andern das Vergils, dessen Geburtstag er feierlicher beging als seinen eigenen, meist in Neapel, wo er dessen Grabmal wie ein Heiligtum zu besuchen pflegte. In dieser Beschaulichkeit gelangte er über das 75. Lebensjahr hinaus, mehr verzärtelt als altersschwach, und wie er der letzte vor) Nero eingesetzte Konsul war, so ist er auch als letzter von allen, die Nero zu Konsuln gemacht hatte, gestorben, Auch das ist bemer kenswert: als letzter der neronischen Konsulate verschied der Mann, unter dessen Konsulat Nero ums Leben kam. Wenn ich das bedenke, überkommt mich Mitleid mit der menschlichen Hirtfälligkeit. Wie beschränkt, wie kurz ist doch das längste menschliche Leben! Oder ist es Dir nicht, als ob Nero gerade eben erst gelebt hätte? Und doch ist inzwischen von denen, die unter ihm Konsuln waren, keiner mehr am Leben! Doch wieso wundere ich mich darüber? Kürzlich noch pflegte L, Piso, der Vater jenes Piso, der von Valerius Festus in scheußlichster Weise in Afrika ermordet wurde, zu sagen, er sehe niemanden mehr im Senat, den er selbst als Konsul zur Meinungsäußerung aufgefordert habe. In so enge Grenzen ist die Lebensdauer all der Menschen geschlossen, und somit erscheinen mit die berühmten Königstränen nicht nur verzeihlich, sondern gar lobenswert - wie man erzählt, soll Xerxes ja in Tränen ausgebrochen sein, als er sein riesiges Heer musterte, da den vielen Tausenden ein so baldiges Ende bevorstehe. Um so mehr wollen wir diese kurze Spanne der flüchtigen Zeit, die uns beschieden ist, wenn sie nicht Großtaten gewidmet wird die Gelegenheit dazu liegt ja nicht in unsrer Hand -, jedenfalls mit geistiger Arbeit verlängern, und weil uns nun einmal ein langes Leben versagt ist, etwas hinterlassen, das davon zeugt, daß wir gelebt haben. Ich weiß, Du bedarfst des Stachels nicht, aber mich ruft die Liebe zu Dir auf, Dich noch im Laufe zu spornen, wie Du es mit mir zu tun pflegst. "Edel ist der Wettstreit", wenn Freunde sich durch gegenseitige Ermahnungen zur Liebe der Unsterblichkeit anspornen. Leb' wohl!
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Brief 7 an Caninius - Lateinischer Orginaltext und Deutsche Übersetzung (1046 Wörter)
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