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Goethe, Johann Wolfgang - Prometheus: Gedichtinterpretation

Alles zu Johann Wolfgang Goethe  - Prometheus

Gedichtinterpretation



Johann Wolfgang von Goethe: Prometheus

Mit zu der repräsentativsten Literatur der Sturm-und-Drang-Epoche (1767-1785) gehört das 1773 erschienene Gedicht "Prometheus" von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1839).
Die darin beschriebene Figur, Prometheus, verkörpert den neuen Genie-Begriff dieser Literaturepoche: ein kreatives, stark und unabhängiges, rebellisches und leidenschaftliches Individuum.

Goethe bedient sich dabei einer Figur aus der griechischen Mythologie: Prometheus. Er ist einer der wenigen überlebenden Titanen, des Göttergeschlechts, das vor den olympischen Göttern die Macht inne hatte. Prometheus ist ebenso Schöpfer und listiger Helfer der Menschen, sehr zu Zeus' Missfallen.

Bei dem Gedicht handelt es sich um eine zornige Rede, die Prometheus, das lyrische Ich, an die olympischen Götter, insbesondere an Zeus, richtet. Er beschreibt darin den Prozess seiner Loslösung von den Göttern und seine Entwicklung zu einem unabhängigen Individuum. Außerdem drückt darin er seine tiefe Verachtung gegenüber den Göttern aus.

Schon der erste Vers beginnt mit einem Befehl an Zeus, dem obersten Gott. Prometheus stellt von Anfang an klar, dass er nicht zu Zeus (immerhin der höchste Gott) heraufschaut. Zeus herrsche vielleicht über den Himmel (V. 1), aber die Erde, die selbstgebaute Hütte und der Herd gehören dem Einflussbereich Prometheus' an, wie er durch die wiederholte Verwendung von Possessivpronomen betont (V.6, V. 8, V. 10). Diese klare Trennung der Einflussbereiche werden durch die Antithese "deinen Himmel" (V. 1) und "meine Erde" (V. 6) noch verstärkt.
Prometheus trennt die Betätigungsfelder von Gott und Titanen nicht nur, er bewertet sie auch. Zeus' Handeln in seinem Himmel, seinen "Eichen (...) und Bergeshöhn" vergleicht er spöttisch mit dem Spiel eines Knaben (V. 3). Im Gegensatz dazu behauptet er von seinem Herd, dass Zeus ihn "um dessen Glut" beneide (V. 10 f.). Er ordnet also sein Handeln und seinen Wirkungsbereich höher ein als den von Zeus.
Aber Prometheus Einstellung zu den Göttern geht über Missachtung hinaus; er verachtet sie. Für ihn gibt es sogar "nichts Ärmer's" als sie (V. 11). Denn ihre Existenz und Erhabenheit ist abhängig von der "Torheit" (V. 21) von Kindern und Bettlern und deren Anbetung. An dieser Stelle wird auch deutlich, was für einen hohen Stellenwert Goethe der Freiheit und Unabhängigkeit zumisst, damit ein Mensch geachtet werden kann.

Nachdem er nun in den ersten beiden Strophen sein derzeitiges Verhältnis zu den Göttern klargestellt hat, geht Prometheus ab der dritten Strophe auf seine Vergangenheit ein. Auch ist einmal ein solches naives Kind gewesen. Als sich damals in einer auswegslosen Situation geglaubt habe, habe sein "verirrtes Aug" (V. 24) nach etwas Höherem gesucht. Wie er sich dieses vorstellte beschreibt er in den Versen 26 und 27, eingeleitet durch Anapher: Jemand/etwas, das sich seine Klagen anhört und ein "Herz wie [seins]" (V. 27), ein mitleidiges Herz, besitzt. Aber die Hoffnung, dass ein solches Wesen existiert, hat sich für ihn nicht erfüllt (V. 24 "verirrtes Aug").

Denn, wie er in der nächsten Strophe durch eine Reihe eindringlicher rhetorischer Fragen feststellt, nicht dieses gesuchte Wesen habe ihm aus seinen Schwierigkeiten herausgeholfen. Das verdanke er allein seinem eigenen "heilig glühend Herz[en]" (V. 34). Doch in seiner Unwissenheit habe er Zeus in der irrigen Annahme, der "Schlafende dadroben" (V. 37) habe ihm geholfen, gedankt. Goethe hebt in dieser Strophe das Wort "glühen" besonders hervor (durch Wiederholung, V. 34 und V. 35). Ganz im Sinne von Sturm-und-Drang steht es wohl für die Wichtigkeit von Herz und Gefühl. Im Gegensatz zu der Lebendigkeit seiner selbst (bzw. seines Herzens) steht der "Schlafende" und Untätige im Himmel.

Diese Untätigkeit ist der Grund dafür, dass Prometheus Zeus nicht verehren kann. Die fünfte Strophe besteht ausschließlich aus rhetorischen z. T. elliptischen (V. 38) Fragen nach Tätigkeiten Hilfen von Seiten der Götter, die deren Anbetung irgendwie rechtfertigen könnte. Durch die parallelistische Anordnung der letzten beiden Fragen, wird deren Eindringlichkeit noch betont (V.39 ff).

Die Antwort auf diese Fragen folgt in der sechsten Strophe in Form einer weiteren rhetorischen Frage. Nicht Zeus habe ihn "zum Manne" reifen lassen sondern "die allmächtige Zeit und das ewige Schicksal". Und hier stellt Prometheus zum ersten Mal eine Gemeinsamkeit zwischen ihm und Zeus fest (V. 46 "und"). So verschieden sie auch sind (durch Antithese betont in V. 46) über beide herrscht Zeit und Schicksal. Diese werden durch die Attribute "allmächtig" und "ewig" beschrieben, Eigenschaften, die er Zeus gleichzeitig abspricht. Denn gegen Zeit und Schicksal ist auch der höchste Gott Zeus machtlos.

Die Götter können Prometheus in seinen Schwierigkeiten nicht helfen. Diese Desillusionierung gehört wohl zu einer der nichterfüllten Hoffnungen, die Goethe in dem Neologismus "Knabenmorgenblütenträume" (V. 50) zusammenfasst. Doch entgegen dem, was Zeus vielleicht von ihm erwartet, führen diese Erkenntnisse Prometheus nicht in eine tiefe Lebenskrise hinein.

Im Gegenteil. In der letzten Strophe kehrt Prometheus wieder in die Gegenwart zurück.. Die Desillusionierungen und Lebenskrisen haben ihm geholfen, sich weiterzuentwickeln. Prometheus ist nun selbst zum Schöpfer geworden, er erschafft nun Menschen "nach [seinem] Bilde" (V. 53). Durch das Bibelzitat (V. 53) werden Assoziationen zum Schöpfungsakt in der Bibel geweckt, was das Göttliche, oder um mit Sturm-und-Drang zu sprechen: das Geniehafte, in Prometheus' jetzigen Wesen noch unterstreicht. In den darauffolgenden Versen wird dieses "Bild" aber auch weiter beschrieben durch Verben, die alle Gefühls-/Gemütszustände ausdrücken (wieder Sturm-und-Drang). Und zwar nicht nur freudige. "zu leiden" und "weinen" werden ebenso aufgeführt wie "genießen" und "zu freuen". Durch die abschließende Nennung besonders betont wird die Eigenschaft des Menschen "[Zeus] nicht zu achten". Prometheus sieht sich, bzw. seinen neu erschaffenen Menschen als fühlendes (im Sinne von "Gefühle haben") aber von Zeus unabhängiges Wesen. Das Gedicht schließt mit zwei Worten, die den Großteil der als Periphrase formulierten letzten Strophe zusammenfassen und durch ihre Kürze sehr markant sind: "Wie ich." (V. 58).

Was dieses Gedicht so charakteristisch für Sturm-und-Drang macht, ist nicht nur der Inhalt. Das Thema "Rebellion gegen starres Regelwerk" spiegelt sich auch in der Form es Gedichtes wider. Im Gegensatz zu herkömmlichen Gedichten gibt es bei "Prometheus" kein festes Metrum und keinen Reim. Sowohl die Länge der acht Strophen als auch die der Verse ist unterschiedlich und vermittelt so mehr den Eindruck von Impulsivität und Emotionalität. Einen ähnlichen Effekt habe die zahlreichen Enjambements (z. B. V. 1 f., 24 f.). Die Rede wirkt durch sie viel natürlicher und ist nicht in die strenge Form eines Gedichtes gepresst. Goethe macht sich frei von den traditionellen Regeln der Dichtkunst und dichtet als "Genie", expressionistisch, nach eigenen Maßstäben.

Es gibt viele Ansätze, wie man dieses Gedicht inhaltlich interpretieren kann.
Verschiedene Protestrollen kommen in Frage: der Künstler gegen die bürgerliche Gesellschaft, der Sohn gegen den Vater, der Sozialrevolutionär gegen die politische Ungerechtigkeit, der Freigeist gegen kirchliche Autoritäten.
Um das Gedicht richtig zu interpretieren, sollte man aber sicher die Literaturepoche, in der das Gedicht entstand, genauer betrachten: Die Epoche von "Sturm-und-Drang".
Sturm-und-Drang war eine Reaktion auf die Aufklärung, als diese dazu überging, Gefühle als "Nicht-Verstand" fast gänzlich zu ignorieren. Der junge Goethe war einer der prägendsten Vertreter dieser Epoche. In ihren Werken rückten die überwiegend jungen "Stürmer-und-Dränger" wieder Herz, Gefühl und Natur in den Vordergrund. Aufklärerische Gedanken wurden allerdings aufgenommen, wie z. B. der Kampf gegen die Willkürherrschaft oder den blinden Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Wichtig für die Epoche Sturm-und-Drang war auch der Geniebegriff. Das Genie, der Inbegriff des Künstlers, verfügt über große schöpferische Energie. Es ist vollkommen unabhängig und ursprünglich in seiner Originalität.
Alle diese Aspekte werden in dem Gedicht angesprochen. Meiner Meinung nach steht Prometheus deshalb nicht für einer konkrete Protestrolle. In dem Gedicht wird viel mehr ganz allgemein gegen jede Art von Obrigkeit, die das Genie einschränken könnte, protestiert. Prometheus kämpft (vor allem auch mit sich selbst) um in sich das zu entdecken und weiterzuentwickeln, was er nun ist: ein Genie. Der abstrakte Begriff wird am Beispiel einer literarischen Figur konkretisiert.
Und in diesen Punkten liegt wohl auch der Grund, weshalb "Prometheus" als so typisch für die Sturm-und-Drang-Epoche angesehen wird.
Inhalt
Umfangreiche Interpretation von Johann Wolfgang von Goethes Gedicht "Prometheus"
- Zuordnung zu Sturm und Drang
- Analyse
- Aussage des Gedichtes
- Metrum und Stilmittel
- (1317 Wörter)
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von unbekannt
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