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Brinkmann,Rolf Dieter - Gedicht: Interpretation gesucht

Frage: Brinkmann,Rolf Dieter - Gedicht: Interpretation gesucht
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Hallo,
wir sollen das Gedicht "Gedicht" von Brinkmann interpretieren

jetzt bräuchte ich eure Hilfe beim weiterdenken und mit interpretieren mir fällt nichts mehr ein
falls ihr es nicht kennt:
Zerstörte Landschaft mit
Konservendosen, die Hauseingänge
leer, was ist darin? Hier kam ich

mit dem Zug nachmittags an,
zwei Töpfe an der Reisetasche
festgebunden, Jetzt bin ich aus

den Träumen raus, die über eine
Kreuzung wehn.
Und Staub,
zerstückelte Pavane, aus totem

Neon, Zeitungen und Schienen
dieser Tag, was krieg ich jetzt,
einen Tag älter, tiefer und tot?

Wer hat gesagt, dass sowas Leben
ist? Ich gehe in ein
anderes Blau.


meine interpretationsansätze sind das er uns folgendes zeigen will:
die schöne der Natur
die Abenteuer des Lebens
Kleinheit der Umwelt "wie Konservendosen in unserer Umgebung "
kurz das Leben ist
am Ende jeder Strophe ein teil des lebens eingebaut und am ende steht der Himmel
ganzes gedicht geht um tod?
Frage von zicke616161 (ehem. Mitglied) | am 04.05.2011 - 15:37


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Antwort von zicke616161 (ehem. Mitglied) | 04.05.2011 - 18:36
kann
mir denn niemand helfen?


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Antwort von derkleinewolf (ehem. Mitglied) | 06.05.2011 - 03:51
hallo, liebe unbekannte zicke (sicher bist du gerade keine!),

dein notschrei erbarmt mich selbst nach mitternacht, aber gar nicht so einfach, hier aus der hüfte zu schießen, besonders weil jede klassen-(alters-)angabe fehlt: wofür, wohin zielend also interpretieren? wie ausführlich? etc.
Entschuldige, wenn mein versuch also dir nichts nützt.

Also zuerst immer (1) form-analyse:
fünf strophen, mit je drei zeilen (= versen), ungereimt, kein festes versmaß, wechselnder rhythmus; also völlig freie verse;
auffällig: verkürzung der zeilen am schluß - in der letzten strophe vorletzte zeile nur 3 hebungen, letzte nur 2 hebungen.

(2) sprachanalyse:
alltagssprache mit bildern des alltags, fast prosaisch, Br.`s gedichte werden daher auch prosa-gedichte genannt;
viele bilder mit negativ besetzten vorstellungen: zerstört, einen tag älter, aus den träumen raus, staub, tot, dunkel (toten Neon);
häufiges enjambement (hinüberziehen des satzes in die nächste zeile), sogar am strophenende, d. h. über die strophe hinweg bei str. 1 bis 3;
alltagsbegriffe, die Brinkmann bewußt anwendet, die uns, weil billig und alltäglich, "einfach so" erscheinen, müssen aber doch metaphorisch gesehen werden; nur so gelingt es, den inhalt sinngebend zu erfassen, d. h. zum gehalt durchzudringen (z. bsp. "blau" nicht nur farbe der treue, sondern auch der hoffnung);

(3) inhalt, handlung, verlauf:
aufrollen von der 2. str. her: jemand kommt nachmittags mit dem zug an, die landschaft ist verludert (verschmutzt und verwildert), die häuser stehen leer, er wollte eigentlich bleiben (reserve an der reisetasche), aber seine träume wehen über eine kreuzung (scheideweg! entscheidung!) hinweg;
das stellt er sich nicht unter "leben" vor, daher zieht er in andere regionen weiter, von denen er sich besseres erhofft.

(4) struktur (verschwimmt hier mit sprachanalyse):
durch komplizierten satzbau erschließt sich das gemeinte fast immer "von hinten her";
kern = die zeilen
"Und Staub,
zerstückelte Pavane, aus totem
Neon, Zeitungen und Schienen
dieser Tag, was krieg ich jetzt,
einen Tag älter, tiefer und tot?"

erschließen der methapern:
der ort, sein aufenthalt ("dieser Tag") dort ist also wie "Staub" (abgelagerter schmutz, trocken in mund und augen), ist ein mißglückter, sinnloser "höfischer Schritt" (= zerstückelter Pavan), ein schlechtes vorwärtskommen in "edlem" bestreben, gut vorwärtskommen zu wollen; trotz tag gehen im dunkel, denn die lampen sind kaputt ("totem Neon"), zeitungen (ungenutzt, ungelesen) liegen herum und die schienen sind alt und kaum benutzt ("Zeitungen" und "Schienen" bezieht sich hier auf "tot" vor "Neon" = lampen);
seine träume sind verschwunden, aber über eine "Kreuzung verweht", also ist er gefordert, eine neue richtung einzuschlagen / "was KRIEG ich jetzt" - was steht mir bevor, wenn ich mich nochmals verändere, da ich inzwischen älter geworden bin; und nicht nur älter, sondern auch reifer, erfahrener ("tiefer") und eigentlich abgestumpft, ohne willen, antriebslos ("tot", aber auch zu verstehen als "kaputt" wie die Neonlampen)

(5) gehalt (hintergrund, sinn, bedeutung; DER gehalt, nicht DAS gehalt als geld am monatsende):
Da ist jemand enttäuscht von einem orts-(berufs-)wechsel. Er (Sie) fragt sich nach kurzer zeit, ob es sich lohnt, ob es angebracht ist, hier (so) älter zu werden, hier bis zum lebensende zu bleiben (dies bis zum lebensende zu tun). Was hat er davon? Soll das sein leben sein? Er ist entschlossen, sich (nochmals) zu verändern, in der hoffnung, etwas besseres zu finden. Es gilt also nach einer dunklen, bösen lebenserfahrung den aufbruch in ein neues, besseres zu wagen.

(6) autor:
begründer einer neuen lyrik, pop-literatur
siehe Wikipedia, lehrbücher usw.

finito. Ist ein anspruchvolles gedicht, das kenntnisse oder die postmoderne, Brinkmann und die komplizierte erschließung des einfachen erfordert. Vielleicht hab ich Dir helfen können (dachte auch an meine enkelin, die mit solchen verzwickten dingen manchmal auch kommt), hoffentlich ist mein geschreibsel verständlich gewesen und nicht zu lang geowrden.

Ich wünsch Dir, daß Du was draus machen kannst - toi, toi, toi.
Ciao, der kleine wolf


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Antwort von Tini49 | 06.10.2014 - 16:27
Währendim Gedicht von Georg Heym eine klare Struktur zu erkennen ist, bemerkt manschon im Aufbau des Gedichts „Gedicht“ von Rolf Dieter Brinkmann, welches er1975 in der Postmoderne und im Jahr seines Todes verfasste, die Unruhe und dieDesorientierung, die durch die vielen Enjambements zwischen den Strophen hervorgerufenwerden. Das Gedicht lässt sich in 5 Strophen mit 15 Versen (5 Terzette) einteilen.Es weist kein Reimschema und kein klares Metrum vor und ebenfalls sindungleiche Verse vorhanden. Dadurch erinnert es sehr an Prosatexte, was auch keinZufall  ist, denn Brinkmanns Texte wurdenoft als prosaisch bezeichnet. Inder ersten Strophe beschreibt er eine „zerstörte Landschaft mit Konservendosen“(V. 1-2) in der die Häuser leer stehen, das heißt er beschreibt eine verlasseneStadt oder einen verlassenen Ort, an welchem er mit dem Zug ankam. Hier finden wirdas erste strophenübergreifende Enjambement. Im Prinzip besteht auch die ganzeerste Strophe aus Enjambements, welche auch hier den Lesefluss verstärken undfür die Kontinuierlichkeit der zerstörten Landschaft sorgen. Erbeschreibt, dass er sich „zwei Töpfe an die Reisetasche“ (V.5) gebunden hat,was bedeuten könnte, dass er geplant hat sich hier niederzulassen. Allerdingsbeginnt er zu zweifeln, denn im nächsten Sprung zur dritten Strophe erklärt er,dass er sich alles anders vorgestellt hat und vergleicht die einst bestehendeHoffnung mit einer vom Staub zerstückelten Pavane, sagt also, dass seineSchritte, um zu diesem Ort zu gelangen sinnlos waren. Die vielenstrophenübergreifenden Enjambements könnten auch Gedanken -und Gefühlssprünge des lyrischen Ichs darstellen.Dasnächste strophenübergreifende Enjambement, also der Sprung von Strophe 3 zuStrophe 4, beschreibt den Tag, der „aus totem Neon, Zeitungen und Schienen“ (Metapherin V. 9-10) besteht. Totes Neon bezeichnet hierbei die Lampen, oder auchStraßenlaternen die nicht mehr leuchten oder gar kaputt sind, also herrschtselbst am Tag eine gewisse Dunkelheit. Die Schienen und Zeitungen sindebenfalls tot, das bedeutet, dass zum Beispiel die Schienen kaum benutzt wordensind und die Zeitungen ungelesen sind.Inden Versen 11 und 12 verstärken sich nun seine Zweifel, ob es sich dennüberhaupt lohnen würde hier zu leben. Erfragt sich nun in der Strophe 4, was ihn erwarten wird, wenn er an der Kreuzungüber die seine Träume wehn einen anderen Weg einschlagen würde, denn er istschon „älter“ und „tiefer“ und „tot“(V.12). „Tiefer“ bedeutet in der Hinsicht, dass er „weiser/erfahrener“ gewordenist, „tot“ bedeutet, dass er schon „kaputt“ ist vom langen Weg, wie dieNeonlampen von der langen Zeit und der Zerstörung.Inder letzten Strophe bemerkt man an der Struktur, eine Verkürzung der Zeilen.Ebenfalls gibt es in dieser Strophe eine rhetorische Frage „Wer hat gesagt,dass sowas Leben ist?“, welche den Leser zum Denken anregt und dem Leser dieFrage an sich selbst stellt, ob er denn mir seiner jetzigen Situation zufriedensei.DaBrinkmann das Gedicht im Jahr seines Todes schrieb, lässt sich mit dem letztenVers, als Vers 15 vermuten, dass er womöglich seinen Tod vorausgesehen hat,denn er schrieb „Ich gehe in ein anderes Blau“, was bedeuten könnte, dass er inden Himmel gehen möchte, denn vielleicht gibt es ja dort eine bessere undweniger „zerstörte Landschaft“ (V.1). Mit der Farbe blau assoziiert man aberoft auch die Hoffnung und die Treue, weshalb in der letzten Strophe seineZweifel wieder in den Hintergrundgeraten und er neue Hoffnung schöpft.

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