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Erörterung einer These von Neil Postman aus "Die Sesamstraße und die Folgen"

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Erörterung zu Neil Postmans "Die Sesamstraße und die Folgen"



Neil Postman kommt in einer Analyse der Bildungsmöglichkeiten des Fernsehens am Beispiel der Sesamstraße zu folgender Aussage:

"„Einen Unterricht ohne Voraussetzungen, ohne Irritation und ohne Erörterung darf man wohl als Unterhaltung bezeichnen.“"
(aus: Neil Postman : Unterricht als Unterhaltung: Die „Sesamstraße“ und die Folgen)

Aufgabe: Erörtern Sie diese Aussage.



„Einen Unterricht ohne Voraussetzungen, ohne Irritation und ohne Erörterung darf man wohl als Unterhaltung bezeichnen.“

Auch wenn diese Aussage des Neil Postman fragend wirkt, beinhaltet sie doch viel eher ein Ergebnis seiner zweifellos kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Ein Ergebnis, welches uns darlegt, dass die von ihm angesprochenen Punkte, Voraussetzungen, Irritation und Erörterung, zweifelsfrei in den alltäglichen Unterricht hineingehören, sozusagen als Stützpfeiler des Unterrichtaufbaus und -verlaufs. Fallen diese weg, dürfe man das Geschehen wohl als Unterhaltung bezeichnen, so Postman.

Die offenkundige Kritik an das sogenannten Bildungsfernsehen kann Postmans Ausspruch nicht verbergen.

Ist diese Aussage nun als „Postman’sches Gesetz“ als Basiselement der Unterrichtsführung in den pädagogischen Lehrplan einzufügen?

Gibt es wirklich diese wesentlichen Gebote in der vom Fernsehen propagierten Bildungstheorie?

Ist der Gedanke, dass Unterricht und Unterhaltung miteinander verbunden werden könnten, so fern jeglicher Realisierbarkeit?
Nun, von Postman lernen wir, sollten wir es denn noch nicht wissen, dass man weder in den Werken der eher älteren Philosophen wie Konfuzius, Platon oder Cicero, noch in den Ausarbeitungen der vergleichsweise jüngeren Sozialwissenschaftlern wie den Namensvettern Locke und Dewey einer derart „absolut originellen Auffassung begegnen“ kann. Auch wenn wir bis zum heutigen Tage viel von den großen Lehrmeistern erfahren können, sollten wir dennoch etwas distanzierter als Neil Postman an diesen neuen Aspekt der medialen Pädagogik herangehen und die Aussagen eines Platon, Cicero oder Locke differenzierter betrachten.

Denn eines konnten die von Postman aufgeführten Gelehrten gar nicht in ihren Untersuchungen berücksichtigen: die Möglichkeit, Wissenswertes so medienwirksam ein- und umzusetzen. Die Form der Telekommunikation und der Television blieb den Vorreitern des Postman’schen Gesetzes doch weitesgehend versagt.
Davon abgesehen gehörte auch zur Zeit Platons, ergo ca. 400 Jahre v.u.Z., das Aufführen von Schauspielen, in diesem Fall als Mittel um Geschichte und Geschehen der breiten Masse zugängliche zu machen, zum angesehenen Kodex des Lehrens. Und wie wichtig für die meisten Philosophen die musischen Aktivitäten waren, können wir bei dieser Gelegenheit gleich in Platons ’politeia’ [ Der Staat ] nachlesen.

Befassen wir uns mit den drei Geboten der „vom Fernsehen propagierten Bildungstheorie“.

Du sollst nichts voraussetzen.



„Vorwissen darf nicht verlangt werden“ schreibt Postman und erhascht damit für einen Augenblick ein zustimmendes Nicken von allen Seiten. Aber versucht man daraufhin einmal eine Sendung der Sesamstraße, oder zum Beispiel Löwenzahn, die Sendung mit der Maus, oder – für die ganz wissbegierigen – Telekolleg Sonntag Vormittag, durchzustehen und dabei völlig absichtlich jedes eventuelle Vorwissen auszuschalten, ergreift einen sobald tiefgreifende Ernüchterung und man erkennt, dass fast jede Sendung ein Quäntchen Vorwissen den jungen Zuschauern abverlangt. Vorwissen ist – thematisch abgestuft und angepasst – immer Voraussetzung.

„Dem Lernenden muss jederzeit Zutritt gewährt werden, ohne dass er dadurch benachteiligt wäre.“ Bei Kindersendungen kann man dieser Aussage wohl ohne weiteres zustimmen, sollte aber nachsetzen, dass gerade dies derartige Sendungen auch pädagogisch wertvoll macht.
Da niemand will, dass Sesamstraße als alleiniger Unterricht ausgeführt wird, ist die Aussage, dass „das Fernsehen die Vorstellung, Folgerichtigkeit und Kontinuität hätten irgendetwas mit dem Denken zu tun“ untergräbt, wohl nicht aufrechtzuhaltend, denn spätestens nach dem ersten Zahnarztbesuch am Vormittag weiß jedes Kind, dass das Verpassen einer Unterrichtsstunde einem im Stoff zurückbleiben lässt.

Den Vorteil des In-sikh-geschlossenen Berichtes lernen meist die älteren Bildungsprogrammzuschauer schätzen, wenn sie den zweiten Teil der interessanten dreiteiligen Dokumentation verpasst haben, weil sie an diesem Sonntagabend noch schnell den Rasen mähen mussten. Da meint man doch, den zehnminütigen Bericht über die Papierherstellung auf KiKa heilig sprechen zu müssen.


Du sollst nicht irritieren.



An diesem Muss der Medienwelt ist nicht zu rütteln. Sitzt der Zuschauer vor dem Fernseher und muss sich erst noch Zettel, Stift, Nachschlagewerk und Diktiergerät dazustellen, ist der Mythos der vortragenden Sendung bereits zerstört. Den Punkt des Erarbeitens versucht man dementsprechend weitesgehend zu vermeiden. Vermieden wird aber absichtlich oftmals nicht, dass man etwas „behalten, studieren, mit Fleiß verfolgen“ sollte. In vielen Fällen ist ein Bericht gerade aufgrund des vorhin angesprochenen in-sich-geschlossen-Seins auch nur als Anregung zu verstehen. Hat mir der Dreiteiler über den Dreißigjährigen Krieg zugesagt, so liegt es an mir, zu entscheiden, in wie weit ich mich weiter damit beschäftigen will. Der Produzent wird mich aber auf keinen Fall zwingen, einen Aufsatz über Wallenstein zur nächsten Woche anzufertigen, denn damit würde er mich nun wirklich irritieren.

Du sollst die Erörterung meiden wie die zehn Plagen, die Ägypten heimsuchten.



Auch wenn es Sendungen gibt, die sich sehr wohl mit der Erörterung bestimmter Themen widmen, können wir diese melodramatisch aufgezogene Aussage für die Majorität des Kinderfernsehens gelten lassen. Die Gründe hierfür wurden im Prinzip bereits einmal formuliert, von Postman selbst sozusagen vorgegeben. Da sich der Kern der Kritik von Postman auf die Lehrsendungen und Dokumentationen bezieht, muss man auch hier den Sinn des Gezeigten erkunden. Die Sendungen leisten die Vorarbeit, sie informieren über ein Ereignis, über einen Sachverhalt, über ein naturwissenschaftliches Gesetz. Der Zuschauer, unabhängig ob er nun jung oder alt ist, soll informiert, „unterrichtet“ werden, es wird ein Vortrag gehalten, welcher – das sollte man neidlos anerkennen – meist lebhafter und vor allem anschaulicher ausfällt, als dies die Möglichkeiten in der Schule zulassen.

Würde man innerhalb der Sendung im Anschluss über das Gezeigte diskutieren oder es gar erörtern, nähme man den Zuschauer die Möglichkeit, sich selbst mit dem Thema auseinanderzusetzen, teilzuhaben an den Ereignissen, und das ihm vermittelte Wissen zu verarbeiten.
Der Unterschied zur Schule ist hierbei also letztendlich nur darin gegeben, dass man nicht gezwungen werden kann, sich mit dem ein oder anderen Unterrichtsthema zu beschäftigen.

Genau dafür haben wir aber auch unser Schulsystem, welches, wir wissen, nicht als einzige und absolut richtige Form zu erachten ist. Auch in Deutschland gibt es Versuche, den Schülern anders, als dies im Allgemeinen erfolgt, den Lehrstoff nahe zu bringen. So gibt es Schulen, deren Lehrweise auf dem von der Anthropologin Maria Montessori entwickeltem pädagogischen Konzept beruht, demnach es also weniger um Erziehung im herkömmlichen Sinne geht, als vielmehr um Hilfestellung für den Zögling, seine ureigensten Wachstumsgesetze zu finden und an ihnen orientiert die eigene Persönlichkeit und die eigenen Fertigkeiten zu entwickeln.

Nimmt man dementsprechend Sendungen wie die Sesamstraße als eben das, was sie sind, nämlich Wissen fördernde und Interesse weckende Flimmerstunden auf der oftmals von stumpfer Gewalt geprägten Mattscheibe, so können sie in vielerlei Hinsicht Erweiterung und Förderung zum alltäglichen Lehrstoff der schulischen Einrichtungen sein.
Somit kann man Neil Postman abschließend darin zustimmen, dass dieses jugendbezogene Bildungsfernsehen wenig Irritation und kaum Erörterung beinhaltet, und oftmals und zum Glück sowohl lehrenden als auch unterhaltenden Charakter offenbart, aber dennoch eine produktive Form des Unterrichtens ist. Dass er diesen Unterricht als voraussetzungslos beschreibt und gleichzeitig als pure Unterhaltung degradieren will, kann ich zwar seinen Aussagen entnehmen, aber in dieser Form nicht nachvollziehen.
Des weiteren ist seine Argumentation, wonach Unterhaltung und Unterricht nicht fusionieren können, in meinen Augen nicht schlüssig und manipulierend.
Inhalt
Die Datei beinhaltet ein kritische Auseinanderstezung mit der These von Neil Postman, die lautet "Einen Untericht ohne Voraussetzung, Irritation und Erörterung darf man wohl als Unterhaltung bezeichnen". Dieser kritische Aufsatz war eine bewertete Hausaufgabe. (1156 Wörter)
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