Erörterung zu "Die kleine Hexenjagd" von Ulrich Greiner
Erörterung: "Die kleine Hexenjagd"
Ulrich Greiners Artikel "Die kleine Hexenjagd", der am 21.01.2013 in der Zeitung "Die Zeit" veröffentlich wurde, bezieht sich auf die Absicht einiger Jugendbuch-Verlage, diskriminierende Wörter in Kinderbuch-Klassikern zu streichen oder zu ersetzen.
Zu Beginn des Artikels stellt der Autor die These auf, die Ersetzung politisch nicht korrekter Begriffe in Kinderbüchern sei Zensur. Anschließend wird die Maßnahme der Jugendbuch-Verlage, eventuell diskriminierende Begriffe zu streichen weiter erläutert und vom Autor bewertet. Für diesen Vorgang zieht Ulrich Greiner die Kinderbuch-Klassiker "Pippi Langstrumpf" und "Jim Knopf" als Beispiel heran. Im nächsten Abschnitt wird der Umgang der Ministerin Kristina Schröder mit politisch nicht korrekten Begriffen vom Autor für ihre Meinung kritisiert. Der Leser wird zusätzlich über die Meinung des Historikers Wolfgang Benz informiert, der meint das Kinderbuch "Pippi Langstrumpf" zeige eindeutig Kolonialrassismus, was der Autor widerlegt. Nach seinen Ansichten ist das Besondere der Literatur das Spiel mit Fiktion und Realität. Es wird darauf verwiesen, dass laut eines weiteren literarischen Experten - Uwe Timm - Veränderungen von Aussagen oder Texten Geschichtsklitterung seien. Der letzte Abschnitt nimmt Bezug auf die Gegenwart und kritisiert Benz' Aussagen erneut. Zum Schluss verdeutlicht Greiner seine eigene Meinung durch ein klares Statement.
Ulrich Greiner beginnt seinen Artikel mit einem Zitat aus dem Grundgesetz, nach dem jegliche Zensur verboten ist (Z.1). Es ist eindeutig ein Faktenargument, dem der gebildete und informierte Leser nicht widersprechen kann. Umso auffallender dann die nachfolgenden rhetorischen Fragen (Z.2f), die dessen Aufmerksamkeit sofort binden und signalisieren, dass es sich um ein bedeutsames Problem handelt: Die Auslegung des Grundgesetzes. Erst jetzt nennt Greiner den eigentlichen Vorgang: Die Maßnahme verschiedener Jugendbuch-Verlage, möglicherweise diskriminierend wirkende Begriffe und Formulierungen aus literarischen Kinderbuch-Klassikern durch neutrale Begriffe zu ersetzen (Z.3ff). Der Abschnitt endet mit einer erneuten rhetorischen Frage (Z.8), die es dem Leser nahe legt, diese Maßnahme der Verlage als Zensur zu bezeichnen. Geschickt nennt Greiner also seine Position nicht direkt, sondern lässt sie den Leser selbst erschließen.
Im zweiten Abschnitt wird der Tatbestand durch Beispiele weiter erläutert. Hierbei zieht der Autor gezielt Beispiele heran, die dem Leser verdeutlichen sollen, dass er von den Streichungen diskriminierender Begriffe in Jugendbuch-Klassikern nicht überzeugt ist. Aus diesem Grund wird von ihm eine übertriebene Aufzählung durchgeführt, in welcher er behauptet ein Kind könne sich in der heutigen Zeit weder als Dornröschen - da sexistisch - noch als Scheich - da islamfeindlich - verkleiden (Z.11ff). Der Leser erfährt, dass die eigentliche "Negerprinzessin" Pippi Langstrumpf nun eine "Südseeprinzessin" sei. Die Bezeichnung "Neger" sei allerdings zu der Zeit, in der der Kinderbuch-Klassiker erschienen ist noch nicht als verletzend oder gar diskriminierend wahrgenommen worden. Im weiteren Verlauf bezeichnet Greiner die Verbreitung von politisch korrekter Sprache als "Furor" und konnotiert es damit negativ (Z.19). Diese Hyperbel dient dazu, die abwertende Position des Autors hervorzuheben. Anschließend wird durch die Ministerin Kristina Schröder, die beim Vorlesen den "kleinen Neger" in Jim Knopf als "ein Baby mit schwarzer Hautfarbe" bezeichnen würde, ein Autoritätsargument aufgeführt (Z.19ff).
Nach ihrer Aussage wird ihr Verhalten kritisiert, in dem der Autor erklärt, die Szene verliere durch die politische Korrektheit an Witz (Z.32). Dieses Argument aus der Erfahrung Ulrich Greiners zeigt dem Leser die Sinnlosigkeit dieser Veränderung auf. Durch Zitate aus dem Kinderbuch-Klassiker "Jim Knopf" gewinnt der Autor an Authentizität und wirkt somit auf den Leser glaubwürdiger (Z.26ff).
Im nächsten Abschnitt wird auf die Meinung des Antisemitismus- und Rassismusforschers Wolfgang Benz verwiesen, der meint, Astrid Lindgrens Buch "Pippi Langstrumpf" sei von negativen Vorurteilen und Rassismus geprägt. So sagt Pippi in dem Buch, alle Menschen im Kongo wären Lügner, gibt allerdings davor zu, dass auch sie löge (Z.48ff). Diese Behauptung kritisiert Greiner, indem er erst durch ein Normativargument erläutert, dass es natürlich wichtig sei, dass man Rassismus ausfindig mache, aber der Rassismusforscher sein Augenmerk eher auf die Realität legen solle und nicht auf die Fiktion (Z.57ff). Schließlich sei Pippi Langstrumpf nicht nur ein Kinderbuch, sondern ein "literarisches Meisterwerk" (Z.59f). Durch dieses Normativargument wird noch einmal verdeutlicht, von welch großer Bedeutung ein Klassiker dieser Art für Mensch und Kultur darstellt, weshalb man am Text nichts verändern sollte. Um die Argumente des Rassismusforschers weiter zu entkräften, fügt der Autor ein weiteres Autoritätsargument an, in dem er das berühmte Paradoxon "Epidemis, der Kreter, sagte: Alle Kreter sind Lügner" von dem britischen Philosophen Bertrand Russel anführt (Z.63). Für Kinder seien die Formulierungen in Pippi Langstrumpf kein Problem und lediglich die Erwachsenen würden eines daraus konstruieren (Z.63f).
Der Autor räumt ein, der Begriff "Neger" habe sich im Vergleich zu früher tatsächlich geändert und sei heute ein abwertender und respektloser Begriff, den man nicht benutzen solle (Z.66f). Auch wenn ein solches Wort in literarischen Texten erlaubt sein könne, könne auch dies zu Problemen führen. Dazu wird das Beispiel von Uwe Timms Roman "Morenga" erwähnt, welcher den deutschen Kolonialismus in Afrika thematisiert. Uwe Timm schrieb "Oberveterinär Gottschalk wurde von einem Neger an Land getragen" und sei für den Begriff "Neger" stark kritisiert worden. Timm habe damit jedoch nur aus der Sicht Gottschalks gesprochen und für diesen seien Schwarze nur "Neger" gewesen. Man könne den historischen Sprachgebrauch nicht, von solchen für die Geschichte wichtigen Begriffen, reinigen und dadurch eine "reine Sprache" herstellen, denn dies sei Geschichtsklitterung (Z.74f).
Zweifellos gäbe es Rassismus in diesem Land und auch immer mehr Bürger mit Migrationshintergrund, die Wörter wie "Negerkuss" oder "Mohrenkopf" für diskriminierend hielten (Z.76f), doch nach Wolfgang Benz würde die Verwendung des Wortes "Neger" den Samen des Rassismus säen, welcher nur einmal in den Boden der kindlichen Unschuld gesät, böse Früchte trage (Z. 80ff). Damit möchte Benz der Gesellschaft mit dieser Verbildlichung nahe legen, dass Worte allein den Grundstein für Rassismus darstellen könnten. Greiner jedoch meint, dies sei ein naiver Gedanke, denn Benz setze eine Unschuld des Kindes voraus, die man vor schädlichen Vokabeln schützen müsse (Z.83f). Der Artikel wird durch eine rhetorische Frage von Ulrich Greiner beendet, in der er den Leser dazu auffordert, sich eine eigene Meinung zu bilden und darüber nachzudenken, ob man Astrid-Lindgren-Leser ohne die Reinigung der Texte zu Rassisten erziehe. Zum Schluss hin werden Kritik und Appell des Autors noch einmal sehr deutlich.
Die versteckte Meinung des Autors zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Artikel - schon von der ersten Zeile an wird versucht, die Zustimmung des Lesers zu gewinnen. Durch viele Zitate von Experten oder Auszügen aus Büchern, gewinnt Ulrich Greiner stark an Authentizität, was es dem Leser noch schwerer macht, der Meinung des Autors zu widersprechen.
Ulrich Greiner spricht sich in seinem Text eindeutig gegen die Maßnahme der Jugendbuchverlage aus Begriffe, die möglicherweise diskriminierend wirken könnten, in Kinderbuch-Klassikern durch neutrale Begriffe zu ersetzen. Ich möchte den Ansichten Greiners zustimmen, denn alleine diskriminierende Begriffe in Kinderbüchern sind nicht der Grund für Rassismus. Literarische Klassiker sollten wegen des Kultstatus' und Historik nicht verändert werden, sondern so bleiben, wie sie geschrieben wurden. Ebenfalls stimme ich dem angeführten Argument von Uwe Timm zu, dass eine Veränderung eines Klassikers Geschichtsklitterung sei, denn man kann die Vergangenheit nicht beschönigen und so zurecht schreiben, wie man es gerne hätte, sondern soll sich mit der Geschichte auseinandersetzen und daraus lernen.
Dann müssen Eltern ihren Kindern selbstverständlich beim Vorlesen die Bedeutung eines Begriffes wie "Neger" erklären und auf den historischen Kontext des Wortes eingehen. Man muss diese Begriffe nicht vor Kindern verstecken und denken, das alleine könnte Rassismus verhindern - man muss Kinder über diese Begriffe aufklären. Denn dann kann man auch davon ausgehen, dass ein Kind damit verantwortungsvoll umgehen kann.
Inhalt
Erörterung zu Ulrich Greiners Artikel "Die kleine Hexenjagd", in dem es darum geht, möglicherweise diskriminierende Begriffe aus Jugendbüchern zu streichen oder durch neutrale Begriffe zu ersetzen. Ausführliche Beschreibung des Vorgehens und der Meinung von Greiner sind enthalten mit Zitaten anderer Sachverständiger. Die Meinung der Verfasserin der Erörterung ist auch vorhanden. (1330 Wörter)
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