Facharbeit: Textgebundene Erörterung zum Thema Gesundheitsvorsorge
Ist Gesundheitsvorsorge eine Modeerscheinung?
Textgebundene Erörterung
Ulrich Greiner ist der Verfasser des Artikels "Der Gesundheitswahn und seine Moden", welcher am 09. Mai 2014 in Zeit Online veröffentlicht wurde.
Er spricht darin über den Gesundheitswahn und dessen wechselnde, von der jeweiligen Zeit abhängige, Modeerscheinungen. Ob die Gesundheitsvorsorge einer Art Modediktat unterliegt, soll hier erörtert werden.
Greiner beginnt mit zwei Beispielen, die seine These über gewisse Modeerscheinungen in der Gesundheitsvorsorge stützen sollen. Er berichtet über eine Studie, welche zwei kanadische Forscher durchgeführt hätten und im Canadian Journal of Cardiology veröffentlich worden wäre. Laut dieser Studie ist der Verzehr von Fischölkapseln nicht unbedingt gesundheitsfördernd. Er schlussfolgert daraus, dass die vor Jahren aufgestellte Behauptung, dass die Grönländer aufgrund des hohen Verzehrs von fettem Fisch und Lebertran ein gesundes Herz hätten und besonders alt werden würden widerlegt sei.
Als zweites Beispiel bringt Greiner den Begriff der "mehrfach ungesättigten Fettsäuren", den wir uns alle mühsam eingeprägt hätten, gleich dem Begriff der "Omega-3-Fettsäure". Hier handelt es sich wieder um von Wissenschaftlern definierte Inhaltsstoffe. Diese Aussage ist stark verallgemeinernd.
Das Argument Greiners, es gehe beim Essen nicht mehr darum, satt zu werden, sondern es diene nach Jürgen von Manger der "Körperpflege und Gesundheitsreinigung", ist wieder völlig aus dem Kontext gerissen. Gesundes, natürliches Essen kann sehr wohl als Körperpflege gesehen werden. Beim Verzehr von Nahrungsergänzungsmitteln gilt dies nicht in demselben Maße.
Das dritte Beispiel, das der Herausgeber des Magazins ZeitLiteratur nennt, ist das Märchen vom gesunden Spinat, mit dem alle "armen deutschen Kleinkinder vollgestopft" worden wären, um einem Eisenmangel vorzubeugen. Bis herausgefunden wurde, dass Spinat doch nicht so viel Eisen enthalte, wie einst berechnet worden war. Der Eisengehalt wäre um eine Kommastelle zu hoch angegeben worden. Sein Beispiel zusammen mit der These, dass der Gesundheitswahn eine Modeerscheinung sei, ist wieder ein Fehlschluss. Was hat die falsche Berechnung des Eisengehalts im Spinat mit einer Modeerscheinung zu tun?
Weiter geht es mit dem Beispiel, dass eine zeitlang Cholesterin in aller Munde gewesen sei. Eier, Butter und Sahne seien zur gleichen Zeit "verboten" gewesen. Stattdessen setzte man auf Margarine. Er stützt seine Aussage mit der Frage, ob alles nur eine "Werbemaßnahme der Margarine-Industrie" gewesen sei. Hätte Greiner sein Beispiel nicht mit der letzten Aussage untermauert, hätte man dem doch mehr abgewinnen können. Aber dass die letzen veröffentlichten Erkenntnisse der Wissenschaft mit einer Werbemaßnahme der Margarine-Industrie zu tun hätten, ist vielleicht eine Aussage, die das Herz aller Verschwörungstheoretiker höher schlagen lässt, aber doch eher mit den Befürchtungen des Lesers spielt. Ein Argumentum Ad Baculum ist ein unseriöses Argument und muss zurückgewiesen werden.
Zwei Beispiele führt Greiner noch zu seiner These des herrschenden "Gesundheits-Modediktats" an: Den Umstand, dass es in deutschen Supermärkten bereits laktose- sowie glutenfreie Produkte gäbe. Dies identifiziert er als eine neuzeitliche Modeerscheinung. Man neigt dazu, dieser Vermutung Recht zu geben.
Jedoch erwähnt er vorweg noch eine angeblich in Amerika übliche Praxis. Er behauptet, in Amerika sei es schon seit vielen Jahren der Trend, dass sich jeder auf einer Party selbst verköstige, da es für Gastgeber unmöglich sei, auf alle Diät- und Ernährungspläne Rücksicht zu nehmen.
Vielleicht gibt es solche Parties tatsächlich, aber ob das die vorherrschende Praxis ist,kann ohne einschlägige Kenntnis der Gepflogenheiten der Amerikaner bezweifelt werden.
Analyse
Greiner richtet sich mit seinem Artikel gegen die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft und möchte sie als Modeerscheinung entlarvt wissen. Dabei appelliert er an den gesunden Menschenverstand. Der Artikel enthält ein Argument und 6 Beispiele zur Untermauerung seiner These. Die Beispiele sind meines Erachtens durchgehend Fehlschlüsse. In einem Beispiel benutzt Greiner ein als unseriös geltendes Argumentum Ad Baculum, ein Argument, das sich auf Befürchtungen stützt. Seine Thesen inklusive Argumente und Beispiele sind gängige gesellschaftlich populäre Aussagen.
Umgekehrt wird jedoch aus den Aussagen ein gutes Argument: Die Wirtschaft missbraucht die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ihren Zwecken.
Alle Beispiele, die Greiner anführt, zielen in diese Richtung. Die Wirtschaft missbraucht die wissenschaftliche Erkenntnisse der gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe. Wenn Wisschenschaftler einen Inhaltsstoff isolieren und das publik machen, ist das gleichzeitig der Startschuss der Unternehmer. Sie wollen diesen Inhaltsstoff kaufen und vermarkten. Fischöl oder Omega-3-Fettsäuren, dreifach gesättigte Fettsäuren - das sind alles wichtige Erkenntnisse über die Inhaltsstoffe eines Nahrungsmittels, die das Fortkommen der Wissenschaft vorantreiben. Und das kommt auf jeden Fall der Gesundheit jedes einzelnen zugute. Bekanntlich stürzt sich die Wirtschaft auf alles, was Geld verspricht. Die Wissenschaft forscht indes weiter, experimentiert, zieht Schlüsse, richtet sich nach Kontrollgruppen. Während in den Läden bereits Fischölkapseln zu kaufen sind, wird weiter geforscht. Es kommen neue Erkenntnisse hinzu, die von der Wirtschaft jedoch vernachlässigt werden, weil das Produkt sich weiterhin gut verkauft. Die Gretchenfrage: Warum werden Nahrungsergänzungen auch in Supermärkten angeboten? Weil es sich eben um "Nahrungsergänzungsmittel" handelt. Inhaltsstoffe sind keine Wirkstoffe.
Was ein Nahrungsergänzungsmittel kann, das kann frisches Obst, Gemüse oder Fisch schon lange. Ergo: Der Mensch braucht keine Nahrungsergänzungsmittel.
Man kann somit festhalten: Wenn es etwas wie ein "Modediktat" gibt, dann geht es von der Marktwirtschaft aus. Wer sich dem "Diktat" unterwirft, ist selbst schuld. Und dass in neuester Zeit Gesundheitsvorsorge denselben Stellenwert bekommen hat wie die Wiederherstellung der Gesundheit kann nur als positive Entwicklung empfunden werden. Dafür sind die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft besonders wertvoll.
Sprachliche Analyse
Ulrich Greiner spielt mit der Sprache. Nicht umsonst ist er Herausgeber des Magazins ZeitLiteratur. Sein Artikel ist durchgehend ironisch gemeint. Der Leser merkt, dass das, was er sagt, nicht ganz ernst genommen werden soll. Ich neige dazu, sogar noch hinzuzufügen, nicht einmal Greiner selbst nimmt ganz ernst, was er da schreibt. Er spielt mit populären Aussagen der Gesellschaft und gibt sozusagen das wieder, was im Büro, in der U-Bahn, im Café, am Stammtisch gängiges Smalltalk-Thema ist. Der Text ist dazu auch durchgängig in kurzen Sätzen gehalten, ganz so, wie es bei einem Smalltalk üblich ist. Es wird nicht lange erklärt und beleuchtet. Das ist auch nicht der Sinn von Smalltalk.
"Die Wissenschaft allerdings weiß es zuweilen auch nicht besser als die kartenlesende Zigeunerin."
Eine Hyperbel, die die Gemüter erregt. Er verwendet noch dazu das Wort "Zigeuner", das als politisch inkorrekt bezeichnet wird. Genauso, als würden die pensionierten "Frühschopper" sonntags am Stammtisch über das Thema der Gesundheitsvorsorge palavern.
"Unverzagt warten wir nun auf Omega-4-Fettsäure, die von der Pharmaindustrie sicherlich in Kürze auf den Markt gebracht wird, fragen uns allerdings, ob sich die Omega-4-Fettsäure mit der rechtsdrehenden Milchsäure verträgt, die zu bevorzugen wir gelernt haben."
Eine ironische Randbemerkung, die den Leser zum Schmunzeln bringt.
"Natürliche Vorgänge wie Essen und Trinken, Atmen und Gehen, Schlafen und Sitzen sind, wenn man sie nur gründlich genug bedenkt, verteufelt kompliziert."
Ironie als Schlusssatz.
Synthese
Die Freiheit der Literatur besteht darin, auch Fehler machen zu dürfen. Das ist das Spannende daran. Ein Romanautor ist schließlich kein Wissenschaftler.
Der vorliegende Artikel ist ein Text voller Ironie und Übertreibung, gespickt mit Vorwürfen und falschen Schlussfolgerungen, ganz so, wie es im Smalltalk üblich ist. Das ganze dargebracht in kurzen Sätzen, als ob Greiner mit dem Leser gerade persönlich bei einem Gläschen Wein in gemütlicher Runde plaudern würde.
Seine angeführten Thesen, Argumente und Beispiele können allesamt widerlegt werden. Er argumentiert plausibel, bedient sich zwar an Fakten, zieht daraus jedoch Fehlschlüsse.
"Hansi Huber" würde am Stammtisch genau dieselben Schlüsse ziehen. Er würde die Zeitung aufschlagen, einen kurzen Bericht über die Widerlegung der Wirkung von Fischöl auf die Gesundheit lesen, und dann zu palavern beginnen. Ganz so, wie es Greiner uns lesen lässt.
Es geht Greiner nicht darum, den Leser durch seine Argumente zu überzeugen. Es geht ihm um den Spaß an dieser Art der Konversation und bedient sich dafür allgemeiner Vorurteile und dem dazu passenden Soziolekt.
Der Mann weiß ganz genau, was er tut.
Quellen:
Artikel von Ulrich Greiner "Der Gesundheitswahn und seine Moden"
http://www.zeit.de/gesellschaft/2014-05/ernaehrung-fisch-oel-greiner-fuenf-vor-acht
Inhalt
Leicht verständliche textgebundene Erörterung zu einem Artikel von Ulrich Greiner aus Zeit Online mit dem Titel "Ist Gesundheitsvorsorge eine Modeerscheinung?" Mit Quellenangabe, Analyse des Textes und der sprachlichen Mittel. Aus der Analyse wird eine Schlussfolgerung gezogen und der Text als ein leicht ironisch und nicht ganz so ernst zu nehmen eingestuft. (1459 Wörter)
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