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Das Nibelungenlied - Kriemhild, eine Charakterisierung

Alles zu Werke

Kriemhild aus dem Nibelungenlied


Charakterisierung

Kriemhild, die weibliche Hauptfigur des Nibelungenliedes, einem Heldenepos des Frühmittelalters, ist Prinzessin des Burgundenlandes. Der Leser begegnet ihr erstmals im zarten Alter von 15, in einer Zeit, in der sie vor männlichen Blicken noch im Schutz der Schlossmauern lebt. Kriemhild ist die
einzige Schwester Gunthers, Giselhers und Gernots. Gunther als Erstgeborener ist der neue König, seitdem ihr Vater gestorben ist. Die Prinzessin macht schon in diesem zarten Alter unter dem Gesinde aufgrund ihrer auffallenden Schönheit von sich reden. Ansonsten wird Kriemhild im Text nicht nach ihren optischen Eigenschaften beschrieben. Der Epos erstreckt sich beinahe über die gesamte Lebensspanne Kriemhilds. Kriemhild ist bei ihrer Vorstellung 15 Jahre alt und wird mit ca. 46 Jahren getötet. Deshalb kann man den Text auch als "Kriemhildepos" bezeichnen.

Das Mädchen Kriemhild hält sich an die Frauenrolle, die ihr im Mittelalter, als der Text verfasst wurde, zugedacht ist. Sie verhält sich ruhig, sittsam, folgsam und zufrieden. Die jugendliche Schönheit ist, der mittelalterlichen Zeit entsprechend, abergläubisch. Im Frühmittelalter war diese Art der Spiritualität im Christentum weit verbreitet. Sie lässt sich von ihrer ebenfalls abergläubischen Mutter Ute ihren Traum vom Falken und den beiden Adlern deuten. Durch den Vorsatz, sich niemals zu verlieben, zeigt sie ihre jugendliche Naivität, denn ihr Vorhaben, niemals zu heiraten, um der Weissagung Utes zu entgehen, stand im Mittelalter nicht zur Wahl. Eine Lebensplanung ohne Heirat wurde nicht akzeptiert, schon gar nicht bei einer Prinzessin, durch deren Heirat
schließlich Heiratspolitik betrieben wird und das Reich ausgedehnt werden kann. Auch der Wunsch, für immer "schön", also jungfräulich, zu bleiben, zeichnet das infantile Bild Kriemhilds zu Anfang des Textes. Ihre jugendliche Neugierde kann das Mädchen nur dadurch stillen, indem sie ihre einzige Verbindung in den Hof zu Worms für sich nutzt, ein Fenster im Schloss, aus dem sie des öfteren auf den Hof blickt. Als Siegfried nach Worms an den Rhein kam, vergisst sie, sprunghaft, wie es für Teenager zu allen Zeiten üblich ist, ihren Vorsatz, und verliebt sich unsterblich in ihn. Ein Jahr lang schwärmt sie von Siegfried und beobachtet ihn.

Die Königstochter heiratet schließlich ihren Siegfried und feiert eine Doppelhochzeit mit ihrem Bruder Gunther und dessen Frau Brunhild. Das Fest wird für beide Paare nach gleichem Stand ausgerichtet. Kriemhild ahnt zu dieser Zeit noch nichts von der Skepsis Brunhilds der gleichrangigen Hochzeit gegenüber. In ihren Augen ist die Hochzeit Siegfrieds mit Kriemhild eine Mesalliance.
Schließlich hat man ihr Siegfried als einen Diener Gunthers vorgestellt, Mit der Hochzeit endet die Kindheit Kriemhilds, sie wird zur Frau. Als solche verlangt sie von ihren Brüdern, dass sie ihr Reich mit ihr teilen mögen. Die vormals jugendliche Naivität wird durch Besitzstreben ersetzt. Hagen spricht sich jedoch gegen die Aufteilung des Reiches aus. Auch Kriemhilds Ehemann Siegfried ist dagegen. Kriemhild beweist hier zum ersten Mal ihre Kämpfernatur und versucht mithilfe kluger, weiblicher Durchsetzungskraft, doch noch an ihre Mitgift zu kommen. Sie zeigt sich nicht drängend, sondern wirft Siegfried vor allen anwesenden Burgundern vor, dass ihm vielleicht ihre Wormser Ritter nicht gut genug seien. Mit dieser gewieften Aussage kann der frisch gebackenen Ehefrau auch eine
gewisse manipulative Ader zugeschrieben werden, die eine Frau gerade in der damaligen Zeit gebrauchen muss, um ihre Ziele erreichen zu können. Schließlich wurde von der Frau vollkommene Untergebenheit erwartet. Aus diesem Grund entwickelt sie Strategien, sich zwar unterwürfig zu zeigen und trotzdem ihre Wünsche durchzusetzen. Trotzdem bleibt ihr der ihr zustehende Teil des Burgundenreiches verwehrt, jedoch kann sie zumindest die Mitnahme von 1000 Mann zu ihren Diensten erreichen.
Bescheidenheit kann ihr bei der Wahl der Ritter nicht zugesprochen werden. Kriemhild möchte Hagen, den besten Ritter und höchsten Berater des Königs, mit sich nehmen. Aber auch das wird ihr verweigert.
Kriemhild gebärt Siegfried einen Thronfolger, der Gunther genannt und nach christlicher Tradition getauft wird. Schließlich sind beide FamilienChristen, Siegfrieds ebenso wie Kriemhilds.

Nachdem die beiden Xantner der von Brunhild initiierten Einladung nach Worms folgen, wendet sich das Blatt für Kriemhild. Hat sie bisher als klug angesehen werden können und als eine Frau, die weiß was sie will und wie sie es erreicht, so lernt sie der Leser ab diesem Kapitel als impulsiv, unüberlegt und rachsüchtig kennen. Als Brunhild, die seit Gunthers Werbung um ihre Hand noch immer glaubt, Siegfried sei einer seiner Knechte, die Unterlegenheit Kriemhilds hervorhebt sowie die entgangenen Dienste Siegfrieds an seinem Lehensherrn anspricht, reagiert Kriemhild zunächst noch schlichtend und will die Auseinandersetzung mit Brunhild schnell wieder beenden. Doch Brunhild hört nicht auf mit der Provokation, Siegfried als ihren Untertan zu bezeichnen. Die Prinzessin von Xanten versucht, Brunhild
darüber aufzuklären, dass Siegfried niemandes Diener sei und aufgrund seiner Heldentaten sogar über Gunther steht. Als logischen Beweis fragt sie Brunhild, ob diese schon einmal einen Zins von Siegfried erhalten hätte, wie es von Untertanen üblich sei. Brunhild jedoch lässt nicht locker. Sie
wirft Kriemhild Übermut vor und wolle sehen, ob sie das Volk tatsächlich noch als so hochrangig sehe, wie sie zu sein glaube. Kriemhild lässt sich darauf ein. Ihr kommt die Idee, darauf zu wetten, dass das Wormser Volk sie beim Kirchenbesuch vor Brunhild in die Kirche gehen lassen würde, was zu der Zeit als untrügliches Zeichen der Höherrangigkeit gilt. Warum Kriemhild plötzlich streitsüchtig zu sein scheint, kann damit gedeutet werden, dass sie als stolze Prinzessin ihre Ehre verteidigen will. Fest steht, dass das mittelalterliche Rollenbild von der Frau eine passive Haltung erwartet.
Eine streitsüchtige Frau gilt als unsittsam und unangepasst. Kriemhild lässt sich von Brunhild reizen und handelt daraufhin unklug emotional. Sie verrät das Geheimnis um den Verlust von Brunhilds Unschuld, die sie nicht durch Gunther sondern durch die Stärke Siegfrieds verloren hätte. Kriemhild
geht dabei davon aus, dass Siegfried sie nicht nur für Gunther bereit gemacht, sondern auch genommen hätte. Als Beweis zeigt sie Brunhild den Gürtel und den Ring, den Siegfried in dieser Nacht entwendet hat und sie (rein zufällig?) mit sich führt. Der Verlust der Jungfräulichkeit an einen anderen als den Ehemann zu verlieren bedeutet in der damaligen Zeit für eine Frau den Verlust ihrer Ehre. Eine solche Frau ist in den Augen der Gesellschaft eine Prostituierte. Und als solche, als die "Kebse des Königs", wird Brunhild dann auch öffentlich von Kriemhild bezeichnet. Mit dieser Aussage überspannt Kriemhild ob ihres emotionalen Ausbruchs den Bogen. Dass es nicht klug von ihr war, solche Beschuldigungen öffentlich auszusprechen, hätte ihr klar sein müssen. Auch, dass eine solche Beschuldigung Konsequenzen haben würde. Sie aber lässt sich von ihren Emotionen einvernehmen.
Kriemhild zugute halten kann man, dass sie vielleicht anders gehandelt hätte, wenn die Männer ihr die ganze Wahrheit über die Werbung von Brunhild und die Hochzeitsnacht mit derselben erzählt hätten. Wäre
Kriemhild voll im Bilde gewesen, wäre ihr und ihrem Mann Siegfried das darauf folgende harte Schicksal erspart geblieben. Man kann den Männern deshalb eine Teilschuld einräumen. Ob sich Kriemhild jedoch im Wissen um die Einzelheiten tatsächlich anders verhalten hätte, darüber kann nur spekuliert werden.

Kriemhild muss nach ihrem unüberlegten Verhalten am Hofgelage, dem Mann untertänig, die Schläge Siegfrieds ertragen. Später erzählt sie Hagen, dass er sie blau geschlagen hätte. Der königstreue Hagen plant nach diesem Angriff auf die Ehre seiner Königin den Ehrenmord an Siegfried. Nicht Kriemhild selbst soll dafür sterben, sondern ihr Mann, was ihr viel mehr Schmerzen bereiten würde, als ihr eigener schneller Tod. Kriemhild sollte als junge Witwe dastehen. Dieselbige ist indes noch immer davon überzeugt, dass sie für die Wormser mehr gelte als ihre neue Prinzessin Brunhild. Sie ahnt nicht, dass sie in den Augen Hagens von Tronje nicht nur Brunhild, sondern das ganze Volk
bloßgestellt hat. Als ihr zu Ohren kommt, dass den Burgunden wieder mit einer Schlacht gedroht wird, verrät sie aus Angst Hagen von Tronje das Geheimnis der einzig verwundbaren Stelle Siegfrieds. Sie erhofft sich von Hagen, dass er Siegfried im Kampf an dieser Stelle schirmen möge und näht dafür sogar ein seidenes Kreuzchen auf Siegfrieds Mantel, genau an der Stelle, an der er verwundbar ist. Erst zu spät kommt ihr der Verdacht, dass Hagens Frage über die verwundbare Stelle des Helden ein Racheakt gegen sie sein könnte.
Auch hätte sie wieder einen weissagenden Traum gehabt. Sie warnt ihren Mann zwar, ist aber nicht imstande, ihn von der von Hagen angezettelten Jagd abzuhalten. Anzunehmen ist, dass sie durch ihr unbedachtes Verhalten am Hofgelage ihre Glaubhaftigkeit bei Siegfried eingebüßt hat. Durch ihre naive Blauäugigkeit verliert Siegfried letzendlich sein Leben.

Als Kriemhild den blutüberströmten Leichnam von Siegfried vor ihrer Kemenate findet, weiß sie sofort, wer den Mord verübt hat und schwört Rache. Aus dem einstmals frommen Mädchen wird eine verbitterte, rachsüchtige Frau. Sie lehnt die Rückreise zu ihren Schwiegereltern nach Xanten ab und bleibt in Worms. Ihren Sohn, den sie bei dessen Großeltern zurücklässt, erwähnt sie mit keinem einzigen Wort. Bei der Verabschiedung Siegfrieds zeigt sie einmal mehr ihre abergläubische Neigung. Sie möchte den Mord an Siegfried mit der Bahrprobe beweisen, die besagt, dass der Leichnam des Ermordeten ein weiteres Mal zu bluten beginnt, wenn der wahre Mörder in seine Nähe kommt.

Kriemhild trauert jahrelang und muss in ihrem Gram auch noch den Diebstahl ihrer Morgengabe, dem Nibelungenhort, initiiert von Hagen, über sich ergehen lassen. Hagen fürchtet ihre Rache und stiehlt ihr den Schatz, um zu vermeiden, dass sich die griesgrämige Prinzessin durch das viele Gold Freunde macht, die ihr bei ihren Racheplänen gegen Hagen behilflich sein würden. Im Gegensatz zur blauäugigen Kriemhild rechnet Hagen jederzeit mit einem Racheakt ihrerseits gegen ihn. Gebrochen und einsam lebt die junge Witwe jahrelang in einem Haus, das Gunther ihr überlassen hat, um ihr den Tod Siegfrieds abzugelten. Markgraf Eckewart bleibt bei ihr. Erst 13 Jahre später wird sie vom Markgraf der Bechelaren, genannt Rüdiger, aufgesucht, der im Namen Etzels, des Hunnenkönigs, um ihre Hand anhält. Kriemhild zögert, denn der Hunnenkönig ist ein Heide und Kriemhild fürchtet sich vor der Schande, die eine Christin durch die Heirat mit einem Heiden erfahren könnte. Doch nachdem ihr Rüdiger nicht nur in Aussicht stellt, dass sich Etzel ihr zuliebe vielleicht sogar taufen lassen würde, sondern er ihr persönlich seine absolute Loyalität verspricht, kommt der freudlosen, vergeltungssüchtigen Frau der Gedanke, dass sie sich die erneute Heirat und die damit einhergehende Macht zunutze machen und ihre Rachepläne gegen Hagen in die Tat umsetzen könnte.

Kriemhild heiratet den Hunnenkönig und gebärt Etzel einen weiteren Sohn, der auf den Namen Ortliep getauft wird. Demnach hat Kriemhild ihren Willen durchgesetzt und möchte ihren zweiten Sohn trotz seines heidnischen Vaters nach christlichen Werten erziehen. Damit zeigt Kriemhild eine besondere Verbundenheit zum christlichen Glauben, aber auch eine Verpflichtung ihrem Volk gegenüber. Durch diesen Akt vermindert sie die Schande, die sie durch die Heirat mit einen Heiden auf sich geladen hatte.

Zuletzt setzt sie mithilfe des Machtgewinns zu Etzels Hofe ihre Rachegelüste in die Tat um. Sie schmiedet einen tödlichen Plan, an dem alle Burgunden, aber auch sie selbst, zugrunde gehen. Dass sie ihr eigenes Leben bei dem Gemetzel verlieren könnte, ist ihr bei der Umsetzung ihres Plans egal. Sie trägt nur noch diesen einen Wunsch in sich: die Burgunden sollen für den Tod ihres geliebten Siegfrieds büßen. Sie reißt Siegfrieds Schwert Balmung, das Hagen nach der Ermordung an sich genommen
hatte, an sich und köpft Hagen.

In Kürze kann somit über die charakterlichen Eigenschaften Kriemhilds zusammengefasst werden, dass die jugendliche Prinzessin, die zunächst durch ihre Schönheit auffällt, abergläubisch, kindlich-naiv, christlich-fromm und sprunghaft dargestellt wird. Dies ändert sich, als sie die Ehefrau Siegfrieds wird. Kriemhild zeichnet sich von da an aus durch Besitzstreben und ihren Machthunger. Sie gibt sich klug, manipulativ, kämpferisch und durchsetzungskräftig. Sie kann Ideen, die ihr wichtig sind, in die Tat umsetzen. Im Streit mit Brunhild ändert sich das Bild. Sie wird als naiv, blauäugig, impulsiv, emotional, streitsüchtig und hochmütig dargestellt, als eine typische Frau, die Mund vor Verstand gebraucht. Nach der Ermordung ihres geliebten Ehemanns Siegfrieds beweist sie sich als freudlose, trauernde, griesgrämige Witwe, die sich nur durch Rachegedanken an Hagen aufrecht erhält. Siegfried ist auch der einzige, den sie wirklich geliebt hat. Von ihrem gemeinsamen Sohn spricht sie kein einziges Mal. Sie kann deshalb nicht als besonders mütterlich gelten. Und dass sie Etzel nur aus Rachsucht geheiratet hat, ist aus dem Text erschließbar. Kriemhild wird durch ihr schweres Schicksal unbarmherzig und grausam. Sie wird zur Mörderin und zuletzt selbst zum Mordopfer.
Inhalt
Welche Eigenschaften zeichnen Kriemhild aus? Welcher Charakter war ihr eigen? Wie entwickelte sich Kriemhild vom Mädchen zur Frau und wie veränderte sie sich durch ihr Schicksal? Diese und weitere Fragen werden hier geklärt. (2184 Wörter)
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