Der Motzi-Stern :-)

Gute Nacht...

Ich habe diese Geschichte in der Vorweihnachtszeit für das Fach Deutsch geschrieben.
Aufgabe war es, eine phantasievolle Lebensgeschichte eines Gebrauchsgegenstandes in der Ich-Form zu schreiben. Jetzt würde ich gerne wissen, was ihr von dem Text haltet.

Der Gegenstand ist übrigens eine sternförmige Ausstechform für Weihnachtsplätzchen. Er ist egoistisch und ein Jammerlappen, hat keine Freunde und bemängelt die ganze Zeit irgendwelche Dinge. Deshalb ist er der Motzi-Stern (= der Stern, der immer motzt). Er ist übrigens auch ein wenig hypochonder und benutzt Wörter, von denen er keine Ahnung hat (fett gedruckt).

Liebes Christkind...

Ich weiss, dass du im Moment viel zu tun hast, aber ich bitte kurz um deine Aufmerksamkeit...
Weisst du, ich hatte eine schwere Kindheit. -Wenn man das überhaupt Kindheit nennen darf...

Ich war damals eines von den 10`000 sternförmigen Ausstechförmchen, die 1998 in Shanghai in Halle 7, Sektor 3, das Licht der Welt erblickten. Es war nicht leicht für mich; den Kontakt zu meinen Geschwistern verlor ich rasch, meine Eltern, meine Eltern lernte ich nie kennen.

Im zarten Alter von vier Stunden war ich gezwungen, von daheim auszuziehen. Ich wurde förmlich vom Fliessband geschmissen! Die nächste Station in meinem tristen Leben war dann meine erste Wohnung - die ich mit fünf Kollegen teilte. Es war immer ein wenig eng - was vielleicht an der Vakuumverpackung lag - aber im Grossen und Ganzen liess es sich aushalten. Ich mochte Herrn Weihnachstmann und Frau Esel nicht leiden, ansonsten kam ich im Sechserpack gut zurecht. Das änderte sich dann aber schnell. Wir wurden nach Europa umgesiedelt! Ich glaube nach Denner*, aber da bin ich mir nicht mehr so sicher. Jedenfalls gefiel es mir überhaupt nicht! Uns wurde ein Platz im obersten Regal zugewiesen und gegenüber wohnte das griesgrämige Ehepaar Gelbe Gummiputzhandschuhe. Sie starrten mir den ganzen Tag in die Wohnung! Das war das Letzte, was ich damals gebrauchen konnte.
Ich litt früher einmal an Multiple Anderoxien und Depressioneten. Das ist, wenn man Figurprobleme hat. Ich setzte damals alles daran, das zu ändern, aber ich kam einfach nicht in Form!

Zum Glück zogen wir dann weg. Ich sagte Tschüss zu Ehepaar Gelbe Gummiputzhandschuhe und landete später als chinesisches Au-pair in einem Vierpersonenhaushalt in Zielstrasse*.
Das Pesonalzimmer ist ein Albtraum! Abgesehen davon, dass es weniger als spärlich beleuchtet ist, muss ich es auch noch mit Zig anderen Teilnehmern vom Austauschprogramm teilen. Und die mag ich überhaupt nicht!
Ich wohne jetzt direkt unter Herrn Kochlöffel und Seniorchef Brotmesser. Neben mir hausen Frau Engel und Dr. Nussknacker - sie kommen auch aus Shanghai, aber sind aus einem anderen Jahrgang. Ich mag sie nicht! Genauso wenig wie Herrn Komet. Er hält sich für etwas Besseres, weil er ein Einzelstück ist. Ich wünschte mir manchmal auch, dass ich ein Einzelkind bin - ist aber nicht daraus geworden. Schlimmer ist aber die Tatsache, dass da noch Herr Tannenbaum ist! Es ist ja nicht so, dass ich ihn nicht leiden kann - ich hasse ihn!

Jedes Jahr das gleiche Spiel... An Weihnachten nämlich - dem einzigen Monat im Jahr, in dem ich arbeite - spielt er sich immer so auf! Wir arbeiten in der Plätzchenproduktion und er darf immer, immer, immer die Butterkekse machen. Und ich, ich darf die Drecksarbeit erledigen: Zimtsterne! Zimtsterne! Da hat es eine Zimtglasur - das mag ich gar nicht. Und der Teig weist Spuren von Mandeln auf - ich bin aber allergenisch auf Mandeln!

Ich möchte nicht mehr Zimtsterne zurecht formen. Ich möchte auch Butterkekse machen, das ist mein grosser Traum. Butterkekse formen, ich möchte wie Herr Tannenbaum sein - auch wenn er mich das letzte Mal als ergozentrisch und hippochonder betitelt hat!

Bitte, liebes ehrwürdiges Christkind, mach, dass ich nächstes Jahr Butterkekse machen darf. Und dass sie mit ganz vielen bunten Zuckerkugeln verziert werden. Und dass Herr Tannenbaum nächstes Jahr die Zimtsterne machen muss. Und das meine Mandelnallergenie weg geht.

Mit freundlichen Grüssen, hochachtungsvoll, mit vielen lieben Bussis, dein Motzi-Stern