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Interpretation An diesem Dienstag von Wolfgang Borcher

Frage: Interpretation An diesem Dienstag von Wolfgang Borcher
(8 Antworten)

 
An diesem Dienstag



Die Woche hat einen Dienstag.


Das Jahr ein halbes Hundert.

Der Krieg hat viele Dienstage.



An diesem Dienstag

5 übten sie in der Schule die großen Buchstaben. Die Lehrerin hatte eine Brille

mit dicken Gläsern. Die hatten keinen Rand. Sie waren so dick, dass die Augen

ganz leise aussahen.



Zweiundvierzig Mädchen saßen vor der schwarzen Tafel und schrieben mit

großen Buchstaben:



10 DER ALTE FRITZ HATTE EINEN TRINKBECHER AUS BLECH

DIE DICKE BERTA SCHOSS BIS PARIS. IM KRIEGE SIND ALLE VÄTER SOLDAT.



Ulla kam mit der Zungenspitze bis an die Nase. Da stieß die Lehrerin sie an. Du

hast Krieg mit CH geschrieben, Ulla. Krieg wird mit G geschrieben. G wie Grube.

Wie oft habe ich das schon gesagt. Die Lehrerin nahm ein Buch und machte ei-

15 nen Haken hinter Ullas Namen. Zu morgen schreibst du den Satz zehnmal ab,

schön sauber, verstehst du? Ja, sagte Ulla und dachte: Die mit ihrer Brille.

Auf dem Schulhof fraßen die Nebelkrähen das weggeworfene Brot.



An diesem Dienstag

wurde Leutnant Ehlers zum Bataillonskommandeur befohlen.

20 Sie müssen den roten Schal abnehmen, Herr Ehlers.

Herr Major?

Doch, Ehlers. In der Zweiten ist so was nicht beliebt.

Ich komme in die zweite Kompanie?

Ja, und die lieben so was nicht. Da kommen Sie nicht mit durch. Die Zweite ist an

25 das Korrekte gewöhnt. Mit dem roten Schal lässt die Kompanie Sie glatt stehen.

Hauptmann Hesse trug so was nicht.

Ist Hesse verwundet?

Nee, er hat sich krankgemeldet. Fühlte sich nicht gut, sagte er. Seit er Hauptmann

ist, ist er ein bisschen flau geworden, der Hesse. Versteh ich nicht. War sonst

30 immer so korrekt. Na ja, Ehlers, sehen Sie zu, dass Sie mit der Kompanie fertig werden.

Hesse hat die Leute gut erzogen. Und den Schal nehmen Sie ab, klar?

`türlich, Herr Major.

Und passen Sie auf, dass die Leute mit den Zigaretten vorsichtig sind. Da muss ja

jedem anständigen Scharfschützen der Zeigefinger jucken, wenn er diese

35 Glühwürmchen herumschwirren sieht. Vorige Woche hatten wir fünf Kopfschüsse.

Also passen Sie ein bisschen auf, ja?

Jawohl, Herr Major.

Auf dem Wege zur zweiten Kompanie nahm Leutnant Ehlers den roten Schal ab.

Er steckte eine Zigarette an. Kompanieführer Ehlers, sagte er laut.

40 Da schoss es.



An diesem Dienstag

sagte Herr Hansen zu Fräulein Severin:

Wir müssen dem Hesse auch mal wieder was schicken, Severinchen. Was zu rauchen,

was zu knabbern. Ein bisschen Literatur. Ein Paar Handschuhe oder so was.

45 Die Jungens haben einen verdammt schlechten Winter draußen. Ich kenne das.

Vielen Dank.

Hölderlin vielleicht, Herr Hansen?

Unsinn, Severinchen, Unsinn. Nein, ruhig ein bisschen freundlicher. Wilhelm

Busch oder so. Hesse war doch mehr für das Leichte. Lacht doch gern, das wissen

50 Sie doch. Mein Gott, Severinchen, was kann dieser Hesse lachen!

Ja, das kann er, sagte Fräulein Severin.



An diesem Dienstag

trugen sie Hauptmann Hesse auf einer Bahre in die Entlausungsanstalt. An der

Tür war ein Schild:

55 0B GENERAL, OB GRENADIER:

DIE HAARE BLEIBEN HIER.

Er wurde geschoren. Der Sanitäter hatte lange dünne Finger. Wie Spinnenbeine.

An den Knöcheln waren sie etwas gerötet. Sie rieben ihn mit etwas ab, das roch

nach Apotheke. Dann fühlten die Spinnenbeine nach seinem Puls und schrieben

60 in ein dickes Buch: Temperatur 41,6. Puls 116. Ohne Besinnung. Fleckfieberver-­

dacht. Der Sanitäter machte das dicke Buch zu. Seuchenlazarett Smolensk stand

da drauf. Und darunter: Vierzehnhundert Betten.

Die Träger nahmen die Bahre hoch. Auf der Treppe pendelte sein Kopf aus

den Decken heraus und immer hin und her bei jeder Stufe. Und kurz geschoren.

65 Und dabei hatte er immer über die Russen gelacht. Der eine Träger hatte Schnupfen.



An diesem Dienstag

klingelte Frau Hesse bei ihrer Nachbarin. Als die Tür aufging, wedelte sie mit dem

Brief. Er ist Hauptmann geworden. Hauptmann und Kompaniechef, schreibt er.

70 Und sie haben über 40 Grad Kälte. Neun Tage hat der Brief gedauert. An Frau

Hauptmann Hesse hat er obendrauf geschrieben.

Sie hielt den Brief hoch. Aber die Nachbarin sah nicht hin. 40 Grad Kälte, sagte

sie, die armen Jungs. 40 Grad Kälte.



An diesem Dienstag

75 fragte der Oberfeldarzt den Chefarzt des Seuchenlazarettes Smolensk: Wie viel

sind es jeden Tag?

Ein halbes Dutzend.

Scheußlich, sagte der Oberfeldarzt.

ja, scheußlich, sagte der Chefarzt.

80 Dabei sahen sie sich nicht an.



An diesem Dienstag

spielten sie die Zauberflöte. Frau Hesse hatte sich die Lippen rot gemacht.



An diesem Dienstag

schrieb Schwester Elisabeth an ihre Eltern: Ohne Gott hält man das gar nicht

85 durch. Aber als der Unterarzt kam, stand sie auf. Er ging so krumm, als trüge er

ganz Russland durch den Saal.

Soll ich ihm noch was geben?, fragte die Schwester.

Nein, sagte der Unterarzt. Er sagte das so leise, als ob er sich schämte.

Dann trugen sie Hauptmann Hesse hinaus. Draußen polterte es. Die bumsen im­

90 mer so. Warum können sie die Toten nicht langsam hinlegen. jedes Mal lassen

sie sie so auf die Erde bumsen. Das sagte einer. Und sein Nachbar sang leise:

Zicke zacke juppheidi

Schneidig ist die Infanterie.

Der Unterarzt ging von Bett zu Bett. jeden Tag. Tag und Nacht. Tagelang. Nächte

95 durch. Krumm ging er. Er trug ganz Russland durch den Saal. Draußen stolperten

zwei Krankenträger mit einer leeren Bahre davon. Nummer 4, sagte der eine. Er

hatte Schnupfen.



An diesem Dienstag

saß Ulla abends und malte in ihr Schreibheft mit großen Buchstaben:

100 IM KRIEG SIND ALLE VÄTER SOLDAT.

IM KRIEG SIND ALLE VÄTER SOLDAT.

Zehnmal schrieb sie das. Mit großen Buchstaben. Und Krieg mit G. Wie Grube.



habt ihr dazu eine interpretation?
GAST stellte diese Frage am 01.10.2006 - 14:46

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 14:47
uuffff
der text ist so lang xD


Autor
Beiträge 0
13
Antwort von Mando_Diao (ehem. Mitglied) | 01.10.2006 - 14:48
hab ka lust des durchzulesen tud ma leid!

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 14:49
ich weiß auch nicht was ma da machen soll

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 14:52
naja verbind einfach alles mit krieg. dann kriegst du schon ne verbindung zu dem raus was sich borchert gedacht hat...
so schwer is der text nich... hatte ihn auch damals inna 11. aber is auch schon zu lange her, als dass ich noch irgendwelche details wüsste... sry

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 15:05
Also auf der seite http://www.school-scout.de/borchert_dienstag.cfm findet man folgendes:


Wolfgang Borchert, "An diesem Dienstag" - Hinweise zur Interpretation

Informationen zum Dokument:

Dieser Text stellt eine der bekanntesten Kurzgeschichten von Borchert vor und gibt vielfältige Hinweise zur Interpretation. Dabei wird auf einen Ansatz geachtet, der auch für Schüler leicht nachvollziehbar ist. Nach Allgemeinem zur Geschichte und einer Inhaltserläuterung folgen eine Zusammenfassung der Intentionalität und der Mittel sowie eine Gesamteinschätzung.

Zwei Auszüge als Beispiele:

Allgemeines zu dieser Geschichte: Es handelt sich um eine Kurzgeschichte, die sehr eigentümlich aufgebaut ist, sie besteht nämlich eigentlich aus 9 kurzen Situationsschilderungen, fast könnte man von Szenen sprechen, die durch drei Sätze eingeleitet werden. Diese zeigen von vornherein die menschlich-unmenschliche Dimension des Krieges, indem ein beliebiger Tag herausgegriffen wird - es sind scheinbar banale Aussagen, aber schon der dritte Satz macht die Gefährlichkeit, das Drohende deutlich, das mit dem Krieg verbunden ist, der hier einfach als Situation vorausgesetzt wird.

Inhaltserläuterung:Die erste Situation setzt bei der Schule und in der Kindheit an, vielleicht soll damit deutlich gemacht werden, dass es mit der Erziehung zu Hass und Krieg im Nationalsozialismus, auf den sich die Kurzgeschichte deutlich bezieht, begann. Auf jeden Fall taucht hier bereits ein zentrales Leitmotiv der ganzen Kurzgeschichte auf, nämlich die Korrektheit: Diese Lehrerin achtet vor allem auf korrekte Schreibung, dass ihre Erklärung einen fatalen Neben- oder besser Hauptsinn hat, wird ihr nicht bewusst oder interessiert sie nicht. Sie trägt zwar eine "dicke Brille", aber die hilft auch nicht, das wirklich Wichtige sieht sie nicht, stattdessen hält sie sich an letztlich Nebensächlichem auf. Im Ergebnis sehen ihre Augen nur noch ganz "leise" aus, was wohl heißen soll, sie hat eigentlich schon fast kein Auge mehr für das wirklich Menschliche. [...]

Ansonsten kannst du bei google unter: "An diesem Dienstag" Borchert Interpretation einiges finden...

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 15:07
ich liebe diese geschichte... aber ich kann mich nicht mehr an die interpretation erinnern, war auf jeden fall einfach...
naja, denk halt immer an den Kireg, und dann kriegste das schon hin!

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 19:07
hat jemand noch was dazu?

 
Antwort von GAST | 01.10.2006 - 19:41
Ich versuche dir dies zu interpretieren, bräuchte einen mom!

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