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Max Frisch "Du sollst dir kein Bildnis machen"

Frage: Max Frisch "Du sollst dir kein Bildnis machen"
(5 Antworten)

 
Wir haben in Ethik einen Text von Max Frisch bekommen, in welchem über das Thema Liebe geschrieben wird. Allerdings verstehe ich hin nicht ganz und wollte Fragen, ob meine Interpretationsansätze richtig sind. Hier erstmals der Text:

Du sollst dir kein Bildnis machen
Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertigwerden; weil wir sie lieben, solang wir sie lieben.
Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind – nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei. “Du bist nicht”, sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte, „wofür ich Dich gehalten habe.”
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat.

Meine Interpretation dazu wäre Folgende: Liebe ist die Bereitschaft, einem Menschen in all seinen Entfaltungen, seiner Entwicklung und seinem Wesen zu folgen. Wir denken, die Liebe hört dann auf, wenn wir diesen Menschen in und auswendig kennen. Das ist allerdings falsch, denn die Liebe hört dann auf, wenn wir nicht mehr bereit sind, den Entfaltungen eines Menschen zu folgen, weil wir müde davon sind, "unfassbare" Dinge zu ergründen. Wir versuchen also die Person in ein festgelegtes Bildnis zu drängen, welches nicht gesprengt werden kann und somit müssen wir keine Verwandlungen, wie es im Text heißt, miterleben.

Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob das so stimmen kann, vor Allem der Teil mit de Bildnis ist mir noch recht unverständlich. Es wäre nett, wenn mir jemand dabei helfen könnte.
ANONYM stellte diese Frage am 25.01.2021 - 14:54


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Antwort von matata | 25.01.2021 - 15:38
Vielleicht musst du auch noch berücksichtigen, dass das Thema Menschenbild Frisch in mehr als einem Werk beschäftigt hat.


https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Frisch ---> Lies diese Biografie und beachte den Punkt 2.3.1

Andorra, Stiller, Homo Faber, Stiller sind diesem Thema gewidmet. In anderen Werken kommt das Thema auch immer wieder vor.

In Andorra sind die Bilder, die man sich von einem Menschen macht gleichzusetzen mit Vorurteilen. In Stiller zeigt der Autor die Vielschichtigkeit eines Menschen auf mit allen seinen Widersprüchen und Gespaltenheit.
Im Erfolgsroman Homo Faber wird ein Mensch gezeigt, der ein Leben führt, das entgegen wider besseres Wissen nicht nach Plan verläuft, sondern von Zufällen und Schicksalsschlägen geprägt ist.
Hier findest du auch noch einige Gesichtspunkte

https://www.schnell-durchblicken2.de/frisch-bildnis

https://uni-24.de/du-sollst-dir-kein-bildnis-machen-max-frisch-interpretationsansatz-tz22/
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Antwort von lisa.rndl (ehem. Mitglied) | 25.01.2021 - 16:14
Danke für die Antwort. Ich habe mir auch schon einiges darüber durchgelesen, allerdings haben wir von unserem Lehrer nur diesen Text bekommen und sollen sowohl eine kurze Interpretation als auch die Kernaussage wiedergeben. Ich sollte das eigentlich alles anhand von nur diesem Text herausarbeiten und bin mir wie gesagt nicht sicher, wie das erschaffen eines Bildnisses mit dem Ende der Liebe zusammenhängt.


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Antwort von matata | 25.01.2021 - 16:46
Das Ende einer Liebe passiert dann, wenn man sich in ein Idealbild verliebt hat. Verliebte sehen sich ja durch eine rosa Brille oder sind blind vor Liebe. Ein Mensch verändert sich aber im Laufe eines Lebens, muss er ja. Sonst entwickelt er sich nicht weiter. Bleibt aber der Partner oder die Partnerin hartnäckig beim Idealbild und verlangt beständig alle Eigenschaften, die die junge Person von früher hatte - schlank anstatt ein paar Pölsterchen oder ein Bäuchlein
- Haarfarbe original statt grau
- tanzverrückt oder zu jeder Schandtat bereit anstatt fürsorgliche Mutter und Hausfrau
- begeisterter Strandurlauber und Sonnenanbeter anstatt ruhebedürftig oder kulturbeflissen
etc.
Dann ist eine Störung in der Beziehung möglich oder eine Person ist immer leicht oder gar sehr verstimmt und unzufrieden.
Von da bis zum Ausspruch: "Du bist gar nicht mehr die gleiche Frau / der gleiche Mann, die /den ich geheiratet habe", ist es dann nicht mehr weit. Findet das Paar in dieser Situation keine für beide annehmbaren Kompromisse, sehe ich schwarz für diese Beziehung....
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Antwort von lisa.rndl (ehem. Mitglied) | 25.01.2021 - 17:37
Ich verstehe allerdings noch nicht, wieso im Text gesagt wird "Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis". Wieso ist es so schlimm, sich ein Bildnis zu schaffen, wenn man alles aus diesem Bildnis befreien kann?


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Antwort von matata | 25.01.2021 - 18:03
Wenn man das schafft, den Menschen / Partner so zu nehmen, wie er ist, dann ist es gut. Dann hat man auch kein vorgefasstes Bild von ihm / von ihr. Aber es ist sicher einfacher mit einem Menschen klar zu kommen, wenn man ihn / sie nicht von Anfang an in eine bestimmte Schublade steckt. Denn das Lösen von einer bestimmten Vorstellung, also das Befreien aus einem Bildnis, ist schwierig und führt manchmal eben zu Beziehungsproblemen / Problemen mit dem Chef / einem Mitarbeiter / einer Freundin / einem Kollegen, etc. Nächstenliebe und korrekter Umgang miteinander ist ja nicht nur auf eine Partnerbeziehung beschränkt.
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