Menu schließen

Welche Erzählperspektive ?

Frage: Welche Erzählperspektive ?
(4 Antworten)


Autor
Beiträge 0
13
Heii Leute,

ich wollte euch mal fragen, um welche Erzählperspektive sich in dem Text handelt.


Zitat:
DAS EXPERIMENT

"Ich geh rückwärts, weil ich nicht länger vorwärts gehen will", sagte der Mann.
Er war Übermittelgross, bleich vor Anstrengung, sich auf das Rückwärtsgehen zu konzentrieren, und hatte eine vom Wind gerötete Nase. Es blies ein heftiger Westwind, und die Böen, die die übrigen Fußgänger, mit denen der Mann in dieselbe Richtung ging, nur als Brise im Rücken empfanden, trafen ihn mitten ins Gesicht. Er bewegte sich langsamer als die anderen, aber stetig, wie ein Krebs im Rückwärtsgang.
"Eines Tages", sagte der Mann, "war ich ganz alleine in einem windstillen Park. Ich hörte Amseln neben mir im Gebüsch nach Futter stochern, ich hörte Tauben rufen - und eine grosse Ruhe überkam mich. Ich ging ein paar Schritte rückwärts, und ich weiß jetzt: wenn man immer nur vorwärts geht, verengt sich der Weg. Als ich anfing, rückwärts zu gehen, sah ich die übergangenen und übersehenen Dinge, ich hörte sogar das Überhörtes. Sie werden entschuldigen, wenn ich mich Ihnen nicht ganz verständlich machen kann. Verlangen Sie keine Logik von mir, die Entdeckung, die ich gemacht habe, lasst sich nicht in Worte fassen. Und denken Sie auch nicht, dass ich ein Mann der Umkehr bin, nein, ich kehre nicht um, ich..." Der Mann schwieg ein paar Sekunden und sah entschlossen geradeaus, "es wird Sie wundern, aber ich bin kein Träumer." "Was sind Sie dann?", sagte der Begleiter, ein Mann der sich im herkömmlichen Vorwärtsgang bewegte, "so kommen Sie doch nicht weiter. Eines Tages sind Sie stehengeblieben, vielleicht wollten Sie das Gras wachsen hören, Sie traten einen Schritt zurück, um Abstand zu haben. War es so?"
Der rückwärtsgehende Mann sah seinen Begleiter an, sein Blick war sanft. "Mein Experiment ist noch nicht abgeschlossen", sagte er.
"Glauben Sie, dass Ihre Art der Fortbewegung sich durchsetzten wird?" sagte der Begleiter.
"Eine schwer zu beantwortende Frage", sagte der Mann und hielt den Blick auf einen Punkt gerichtet, den der Begleiter nicht erkennen konnte. "übrigens ist meine Idee nicht neu. Wie mir später eingefallen ist, hatte ein längst zu Staub verfallenes Volk ähnliche Probleme zu lösen wie wir. Es war ebenfalls in ein Stadium getreten, wo sein Weiterleben in Frage stand. Es half sich auch auf eine scheinbar seltsame Weise, Sie können auch Trick sagen, wenn Sie wollen: Fortan wurden kriegerische Auseinandersetzungen unter den einzelnen Stämmen derart ausgetragen, dass sich die Gegner mit dem Rücken gegeneinander stellten und so lange Streiche und Hiebe in purer Luft ausführten, bis ein Kämpfer nach dem anderen ersch"pft zu Boden sank. Schwer atmend fielen ganze Heere ins Gras, und der anschließende Schlaf war verdient. Es waren tagelange, aber unblutige Schlachten, und die einzige Folge war ein gewaltiger Muskelkater. Wie finden Sie das?"
"Zugegeben - ein brauchbares Ventil für Naturvölker", sagte der Begleiter, "aber nichts für uns. Was also versprechen Sie sich von Ihrem Rückwärtsgang?"
"Ich hoffe", sagte der Mann, "das ich die Aufmerksamkeit auf mich lenke."
"Das tun Sie auf jeden Fall", sagte der Begleiter, "das tut auch ein Dauerklavierspieler oder einer, der fünfzig Kilometer auf den Händen geht."
Aber der rückwärts gehende Mann lies sich durch solche Anspielungen nicht aus der Fassung bringen.
"Ich hoffe, ich werde verstanden", sagte er. "Als ich das erstemal rückwärts ging, lebte ich auf."
"Schon gut", sagte der andere, "Sie sind nicht der erste, der solche Ansichten vertritt. Immerhin schlagen Sie etwas praktisches vor, doch ich bezweifle sehr, dass sie Erfolg haben."
"Erfolg oder nicht", sagte der Mann, "wir sollten es versuchen, wir alle."
"Verzeihung", sagte der Begleiter, "ich denke in Tatsachen: Haben Sie nie ein Protokoll wegen groben Unfugs bekommen?"
Der rückwärtsgehende Mann sah seinem Begleiter zum erstenmal voll ins Gesicht.
"Ein einziges Mal", sagte er lächelnd, "das war noch am Anfang, als ich noch unsicher war."
"Und heute stoßen Sie mit keinem mehr zusammen?"
"Niemals!" sagte der Mann noch immer lächelnd.
Sie schwiegen. Mit elastischen Schritten ging der Mann rückwärts. Der Begleiter hatte Mühe, ihm zu folgen. Der Mann, der rückwärts ging, wurde schneller.
"Entschuldigen Sie", sagte er, "ich muss mich leider etwas beeilen. Ich habe noch eine Verabredung. Auf Wiedersehen."
Dann verschwand er im Gedränge. Der andere verlangsamte seinen Schritt, wie jemand, der zurückbleibt, um Atem zu holen.
Wenige Augenblicke später geschah es. Wie aus einem Riss in der Asphaltdecke aufgestiegen explodierte ein mehrstimmiger Schrei. Die Menschen blieben stehen und sahen in eine bestimmte Richtung. Erst waren es einzelne, dann ganze Gruppen, die sich auf einen schnell anwachsenden Kreis aus Menschen zu bewegten.
Als der Begleiter schließlich soweit vorgedrungen war, das er in den Kreis sehen konnte, sah er, das der Mann, der rückwärts gegangen war, wie eine vom Himmel gefallene große Marionette auf dem Asphalt lag. Aus dem Kreis sagte jemand: "Der Wagen hat keine Schuld, das kann ich bezeugen." Und ein anderer sagte: "Er muss betrunken sein. Er ging rückwärts."
Der Begleiter schob sich in die Mitte des Kreises und bückte sich über den Mann.
"Können Sie mich verstehen?"
"Ja", sagte der Mann und bewegte sich nicht. Er lag mit der linken Wange auf dem Asphalt und sprach in die graue Decke hinein. "versuchen sie es einmal, wenn Sie ganz allein sind. Irgendwo. In einem Park oder nachts an einer freien Stelle. Ich hoffe, Sie werden Gefallen daran finden. Und machen Sie es besser als ich."
Polizisten betraten den Kreis.
"Können Sie Angaben machen?" sagte der Polizist zu dem Begleiter.
"Er wollte rückwärts gehen", sagte der Begleiter.
"Das ist heute schon der Vierte, der das versucht", sagte der Polizist.
"Was ist nur mit den Leuten los?"

Original von Paula P. auf http://home.arcor.de/tomary/Philosophie/Das_Experiment/das_experiment.html
Frage von Dolce-Bambino (ehem. Mitglied) | am 10.05.2011 - 13:50


Autor
Beiträge 78
0
Antwort von RuzgarGulu* | 10.05.2011 - 14:33
Alsoo es gibt ja folgende Perspektiven:

Ich-Perspektive
auktorialer Erzähler (=Allwissende)
personaler Erzähler

Hier in dem text würde ich sagen auktorialer Erzähler..

 
Antwort von GAST | 10.05.2011 - 15:36
Zitat:
Neutrale Erzählperspektive
Merkmale


Die neutrale Erzählperspektive (Erzählsituation, Erzählhaltung) lässt sich im Allgemeinen an folgenden Merkmalen erkennen.


quasi erzählerloses Erzählen ("Camera-eye", Friedmann 1955), d. h. Erzähler greift weder als erkennbare auktoriale Erzählerpersönlichkeit ins Geschehen ein, noch wählt er die individuelle Optik einer der beteiligten Figuren (hoher Anteil szenischer Darstellung). (vgl. Bleissem u. a. 1996, S.74)
»Neutral« bedeutet dabei: vom Standpunkt (point of view) eines unsichtbar bleibenden Beobachters aus betrachtet (Kamera)
Variante der personalen Erzählperspektive, aber: Erzähler zieht sich ganz aus der Figurenwelt zurück, wird quasi de-personalisiert und kann sich in verschiedenen Formen entpsychologisierter Bewusstseinsdarstellung manifestieren (vgl. Graevenitz 1982, S.96)
Showing: häufig bei szenischen Darstellungen oder sachlich beschreibenden oder berichtenden Erzählpassagen ohne jeden Erzählerkommentar (Erzählereinmischung) (vgl. Vogt 1996, S. 49-57)


gefunden unter: www.teachsam.de


Autor
Beiträge 6130
38
Antwort von RichardLancelot | 10.05.2011 - 15:42
Anmerkung meinerseits: Auf der Website der Autoren und Bereitsteller steht:
Zitat:
Wer Bilder oder Texte aus “QUERBLATT - Tom und Marys Webzine” verwenden möchte, soll uns bitte Bescheid geben bzw. in jedem Fall zumindest die Quelle (Verfasser/in und Webseite) nennen.

Ich bitte schon aus Gründen der Nachvollziehbarkeit darum diesem Wunsch zu entsprechen.


Autor
Beiträge 0
13
Antwort von ero (ehem. Mitglied) | 10.05.2011 - 15:50
alos als ich das überflogen habe würde ich sagen das es eine Ich-Erzähler ist weil das erstmal in der ich form geschrieben und der erzähler gibt seine gefühle und gedanken bekannt.

Hier noch die merkmale des Ich-Erzählers:
Ich-Form aus seiner Sicht
Erzähler und Handlungsfigur sind eins
begrenzte Perspektive
emotionale Nähe zum Geschehen

die merkmale des Personaler Erzähler
Er/ Sie Form aus seiner Sicht
Standpunkt innerhalb des Geschehens Unmittelbarkeit
keine erläuternden Bemerkungen, Kommentare o.ä.
Erlebnisperspektive der jeweils beteiligten Person kann nur erzählen, was die Figur wahrnimmt

die merkmale des Auktorialer Erzählen
Allwissend, zeitlich-räumliche Distanz
hat Wissensvorsprung
wertet (z.B. durch ironische Distanz, Kommentare, Vorausdeutungen)
erkennbare Leser-Erzähler-Kommunikation

Verstoß melden
Hast Du eine eigene Frage an unsere Deutsch-Experten?

> Du befindest dich hier: Support-Forum - Deutsch
ÄHNLICHE FRAGEN:
BELIEBTE DOWNLOADS: