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mahnmal in berlin

Frage: mahnmal in berlin
(2 Antworten)

 
hallo leute ich hab mal ne frage zum denkmal welches für die juden in berlin errichtet wurde.meine aufgabe: was hat sich der künstler dieses werkes beim bau möglicherweise gedacht? oder so was hat sich der künster bei der installation des holocaustmahnmals gedacht...
GAST stellte diese Frage am 22.05.2009 - 23:14


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Antwort von muddaz (ehem. Mitglied) | 22.05.2009 - 23:30
gedenken an den mord an vielen juden?

oder meinst du warum er es so entworfen hat


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Antwort von muddaz (ehem. Mitglied) | 22.05.2009 - 23:37
Wie ein wogender Felsenwald

Der New Yorker Architekt Peter Eisenman und der Bildhauer Richard Serra (der sich nach kurzer Zeit von der Arbeit wieder zurückzog) schlugen im November 1997 für das fast zwanzigtausend Quadratmeter große Gelände in den ehemaligen Ministergärten eine enorme, begehbare Skulptur vor, die nun, nach einigen wichtigen Modifikationen, realisiert worden ist.

Längst hat sich für die Anlage unweit des Brandenburger Tors der Begriff "Stelenfeld" eingebürgert. Tatsächlich aber handelt es sich bei den 2711 "Stelen" um graue Scheiben aus Beton, riesigen dunklen Dominosteinen nicht unähnlich, je 95 Zentimeter breit, knapp zweieinhalb Meter lang, unterschiedlich hoch, die allesamt leicht gegeneinander verkantet sind. In subtil variierten Reihen aufgestellt, mitunter von Leerstellen und einigen jungen Bäumen punktiert, öffnen sich zwischen den Steintafeln schulterbreite Pfade, vierundfünfzig in Nord-Süd-Richtung, siebenundachtzig von Ost nach West, durch die der Besucher wie durch einen regelmäßigen Felsenwald spazieren kann.

Von jedem Punkt in dem Rasterfeld führen vier Wege nach draußen, die zu den Rändern hin leicht ansteigen. Mehreren Wellen gleich hebt und senkt sich der Boden unter dem Mahnmal, während gegenläufig dazu die Betonquader von den Rändern zum Zentrum hin an Höhe gewinnen, wodurch die Anlage eine geradezu wogende Anmutung erhält.

Ein neuer Typus der Gedenkstätte

Das leicht verzogene Gitternetz, das dem Entwurf zugrunde liegt, ist ein Motiv, das Eisenman in vielen seiner Arbeiten verwendet hat - nicht immer mit Erfolg. Beim Berliner Holocaust-Mahnmal jedoch verbinden sich in der fein gestörten Rasterstruktur glücklich die Intentionen des Baumeisters mit den Wünschen seiner Auftraggeber.

Gezielt nämlich unterläuft das Scheibenfeld alle Erwartungen, die mit Denkmalen verbunden werden, und schafft damit tatsächlich einen neuen Typus der Gedenkstätte. Es gibt darin weder Eingang noch Ausgang, kein Ziel, keine "Kranzabwurfstelle" und keine vorgeschriebenen Wege; die Anlage kommt ohne Symmetrien aus, kennt keine Hierarchie von Bedeutendem und Unwichtigem, keine Dramaturgie, die den Besucher vom Peripheren zum Innersten führte, und auch die klassische Regel, das Wichtige auf einen Sockel zu stellen, ist bewußt umgekehrt. Der Schwerpunkt des Feldes liegt nicht über, sondern erkennbar unter dem Normalniveau.

Es ist diese Gefälligkeit, diese spröde Anmut, die beim ersten Besuch vielleicht am stärksten irritiert. Darf denn ein Holocaust-Mahnmal reizvoll sein? Darf es, wenn das Licht auf den scharfkantigen Blöcken spielt, wenn die Sonne das Schiefergrau des Betons schraffiert, wenn Regen und Staub feine Schlieren darauf legen, darf es dann, man scheut sich fast, es zu sagen: schön sein?

Kein Hinweis, wessen zu gedenken sei

Drängender noch stellt sich freilich die Frage nach der Widmung des Denkmals. In seiner radikalen Absage an die tradierte Ikonographie der Erinnerung verzichtet der Berliner Steinwald auch auf jede Aussage über seinen Daseinszweck. Es gibt in der Anlage keinen Hinweis, wessen zu gedenken sei. Jede Inschrift fehlt, vergeblich sucht man nach den Namen der Ermordeten, nach Davidsternen oder anderen jüdischen Symbolen.

Nicht ganz zu Unrecht ist denn auch behauptet worden, ein Tourist aus fernen Ländern könne Eisenmans Großplastik ebensogut als Memorial für die deutschen Soldaten von Stalingrad lesen oder als Gedenkstätte für den Genozid in Ruanda. Die sehr unterschiedlichen Aufgaben, die die Initiatoren dem Denkmal bereits zugeschrieben haben, sprechen gleichfalls vernehmlich von dessen vielfältiger Deutbarkeit. Mal soll es ein Friedhof für die Namenlosen sein, deren Grab in den Lüften über den Gaskammern ist, mal wird es als unübersehbare Mahnung "Nie wieder!" interpretiert. Eisenman hat erklärt, der Gang durch das Denkmal erzeuge ein "Gefühl, auseinandergerissen zu sein", das dem Gefühl in Auschwitz ähnle, "wo viele Kinder ihren Eltern entrissen wurden".

Keiner der Quader ein Zeigefinger

Zum Glück aber ist das Quaderfeld intelligenter als die Deutungsvorschläge seines Architekten. Es mag vieles sein, aber eines ist es gewiß nicht: ein Holocaust-Simulator. Zu behaupten, hier ließen sich die Gefühle der Opfer nachempfinden (und hinterher eine Tasse Kaffee trinken) - das wäre nicht nur obszön; es hieße auch, die Qualitäten des Denkmals verleugnen. Es gehört gerade zu dessen Vorzügen, dem Betrachter nicht zu diktieren, was er denken oder empfinden soll.

Keiner der 2711 Quader ist ein erhobener Zeigefinger aus Beton. Wer es vorzieht, den Steingarten als abstraktes Kunstwerk zu betrachten, als bedeutungsfreie Land-art-Installation, wird daran nicht gehindert. Wer in dem Stelenfeld nicht nachdenken, wer partout nichts empfinden will, ist frei, sich der Leere in seinem Schädel hinzugeben, so schwer es auch fällt, sich vorzustellen, man könne ganz unberührt durch die Anlage gehen. Denn wer nur ein paar Schritte hinein macht, findet sich fast übergangslos allein, eingetaucht in einen Reflexionsraum inmitten der Stadt, in dem man nur noch gedämpft den Lärm der Straßen ringsum hört. Rasch verliert man den Sichtkontakt zu seinen Begleitern, kann sich nur noch durch Rufe verständigen und ist ganz zurückgeworfen auf sich selbst, auf die eigenen Gedanken.


Ästhetisch läuft der "Ort der Information" allen Intentionen des offenen Denkmals zuwider. Der oberirdische Pavillon des subterranen Dokumentationsbereichs stört das Gleichmaß der Quaderordnung; die Zugänge durchkreuzen buchstäblich das filigrane Wegenetz; vor allem aber gibt der Ausstellungsbereich dem Mahnmal, was es seiner Konzeption nach gar nicht haben sollte: einen definierten Anziehungspunkt. Statt richtungslos durch das Feld zu streunen, werden die Besucher in eine Richtung gelenkt, hin zu den Toiletten und Garderoben und zu den Schautafeln.

Innen verstummen die Vorwürfe

Alle Einwände gegen die pädagogische Zugabe freilich verstummen, wenn man die Freitreppe zum "Ort der Information" hinabgestiegen und den ersten der vier Räume betreten hat. Was hier auf engem Raum anhand sorgsam ausgewählter Beispiele in sparsamer, aber suggestiver Inszenierung über den Holocaust vermittelt wird, sucht in Berlin seinesgleichen.

Gleich im ersten Raum findet sich auf einer weißen Glasplatte, eingelassen in den Boden, ein Brief, den die zwölfjährige Judith Wischnjatskaja aus dem ostpolnischen Byten im Juli 1942 an ihren Vater in Amerika geschrieben hat: "Lieber Vater! Vor dem Tod nehme ich Abschied von Dir. Wir möchten so gerne leben, doch man läßt uns nicht, wir werden umkommen. Ich habe solche Angst vor diesem Tod, denn die kleinen Kinder werden lebend in die Grube geworfen. Auf Wiedersehen für immer. Ich küsse Dich inniglich. Deine J."

Wann genau das Mädchen ermordet wurde, wissen wir nicht. Sicher ist nur, daß ein sowjetischer Offizier ihren Brief fand und nach Moskau schickte, von wo er auf verschlungenen Wegen nach Jerusalem gelangte und schließlich nach Berlin. Wer ihn gelesen hat, wer die Hochzeitsbilder, die Postkarten und Familienfotos der Ermordeten in den drei folgenden Räumen anschaut und daneben die Bilder der Leichenhaufen, der fragt nicht mehr nach der Widmung des Mahnmals oder nach dessen Sinnhaftigkeit. Wer den Brief der kleinen Judith gelesen hat, der begreift, daß das Mahnmal ein Klotz ist, den sich die Republik demonstrativ ans Bein gebunden hat, um nicht abzuheben vom Boden der Vergangenheit.

das sollte dir doch weiterhelfen
(leider etwas gekürzt)

Text: F.A.Z., 04.05.2005, Nr. 103 / Seite 37

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