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Brief 1 an Calvisius

Alles zu Plinius - Epistulae

Plinius (der jüngere)


Buch 3 - Brief 1
lateinisch / deutsch

C. PLINIVS CALVISIO SVO S.
Nescio, an ullum iucundius tempus exegerim, quam quo nuper apud Spurinnam fui, adeo quidem, ut neminem magis in senectute, si modo senescere datum est, aemulari velim; nihil est enim illo vitae genere distinctius. Me autem ut certus siderum cursus ita vita hominum disposita delektat, senum praesertim. nam iuvenes confusa adhuc quaedam et quasi turbata non indecent, senibus placida omnia et ordinata conveniunt, quibus industria sera, turpis ambitio est. Hanc regulam Spurinna constantissime servat; quin etiam parva haec, parva, si non cottidie fiant, ordine quodam et velut orbe circumagit. mane lectulo continetur, hora secunda calceos poscit, ambulat milia passuum tria nec minus animum quam corpus exercet. si adsunt amici, honestissimi sermones explicantur, si non, Über legitur, interdurn etiam praesentibus arnicis, si tamen illi non gravantur. deinde considit, et Über rursus aut sermo Übro potior; mox vehiculum ascendit, adsumit uxorem singularis exempli vel aliquem anncorum, ut me proxime. quam pulchrum illud, quam dulce secretum! quantum ibi antiquitatis! quae facta, quos viros audias! quibus praeceptis imbuare! quamvis ille hoc temperamentum modestiae suae indixerit, ne praecipere videatur. peractis septem milibus passuum iterum ambulat mille, iterurr residit vel se cubiculo ac stilo reddit. scribit enim, et quidem utraque lingua, lyrica doctissime; mira illis dulcedo, mira sua vitas, naira hilaritas, cuius gratiam cumulat sanctitas scribentis. Ubi hora balinei nuntiata est (est autern hierne nona, aestate octava), in sole, si caret vento, ambulat nudus. deinde movetur pila vehementer et diu, nam hoc quoque exercitationis genere pugnat cum senectute. lotus accubat et paulisper cibum differt; interim audit legentern renüssius aliquid et dulcius. per hoc omne tempus liberum est amicis vel eadem facere vel alia, si malint. Apponitur cena non minus nitida quam frugi in argento puro et antiquo; sunt in usu et Corinthia, quibus delectatur nec adficitur. frequenter comoedis cena distinguitur, ut voluptates quoque studiis condiantur' sumit aliquid de nocte et aestate: nemini hoc longum est; tanta comitate convivium trahitur. inde illi post septimum et septuagensirnum annum autium, oculorum vigor integer, inde agile et vividum corpus solaque ex senectute prudentia. Hanc ego vitam voto et cogitatione praesumo, ingressurus avidissime, ut primum ratio aetatis receptui canere pernüserit. interim mille laboribus contetor, quorum mihi et solacium et exemplum est idem Spurinna; nam ille quoque, quoad honestum fuit, obiit officia, gessit magistratus, provincias texit multoque labore hoc otium meruit. igitur eundem mihi cursurn, eundem terminum statuo idque iam nunc apud te subsigno, ut, si me longius evehi videris, in ius voces ad hanc epistulam meam et quiescere iubeas, cum inertiae crimen effugero. Vale.
C. Plinius grüßt seinen Calvisius
Ich weiß nicht, ob ich jemals eine angenehmere Zeit verlebt habe als die kürzlich bei Spurinna verbrachte, so angenehm, daß ich im Alter - wenn anders es mir vergönnt ist, alt zu werden - niemandem lieber nacheifern möchte; eine geordnetere Lebensweise läßt sich gar nicht denken. Wie mich der unfehlbare Lauf der Gestirne fesselt, so auch ein wohlgeordnetes Menschenleben, besonders bei alten Leuten. Der Jugend steht noch eine gewisse Unausgeglichenheit in Sturm und Drang nicht übel an, dem Alter ziemt alles, was Ruhe und Ordnung heißt; für Rastlosigkeit ist es zu spät, und Ehrgeiz wirkt abstoßend. Diesen Grundsatz wahrt Spurinna mit eiserner Konsequenz; selbst bei den Nichtigkeiten des Alltags, Nichtigkeiten, wenn sie sich nicht eben täglich einstellten, hält er sich an eine bestimmte Reihenfolge, eine Art Kreislauf. Frühmorgens hält ihn das Ruhebett fest, um die zweite Stunde ruft er nach seinen Schuhen, macht einen Spaziergang von drei Meilen und trainiert dabei seinen Geist nicht weniger als seinen Körper. Sind Freunde dabei, entspinnen sich anregende Gespräche, wenn nicht, läßt er sich etwas vorlesen, manchmal auch, wenn Freunde ihn begleiten, doch nur, wenn sie sich dadurch nicht gelangweilt fühlen. Dann läßt er sich nieder; wieder Lektüre oder, als besserer Ersatz, ein Gespräch; hernach steigt er in seinen Wagen, nimmt seine Gattin, eine vorbildliche Frau, oder einen seiner Freunde mit, wie kürzlich mich. Welch schöne, liebreiche Vertraulichkeit! Man fühlt sich in die gute alte Zeit versetzt. Was für Heldcntaten, was für Männer kannst Du da kennenlernen! Mit welchen Lehren wirst Du vertraut gemacht! Obwohl er es sich in seiner Bescheidenheit zur Regel gesetzt hat, nie den Moralprediger herauszukehren. Nach sieber, Meilen geht er wieder eine Meile zu Fuß, läßt sich wieder nieder oder kehrt in sein Zimmer zu seinem Griffel zurück. Er schreibt nämlich lyrische Gedichte, und zwar griechisch und lateinisch, durchaus kunstgerecht, eigenartig anziehend, lieblich und munter, und diese Reize erhöht noch die Ehrwürdigkeit des Verfassers, Ist ihm die Stunde des Bades gemeldet, im Winter um die neunte, sommers um die achte Stunde, ergeht er sich, wenn es windstill ist, unbekleidet in der Sonne. Dann schafft er sich Bewegung beim Ballspiel, eifrig und lange, denn auch mit dieser Art Training bekämpft er das Alter. Nach dem Bade ruht er und wartet noch ein wenig mit dem Essen; derweilen läßt er sich etwas Leichteres, Eingängigeres vorlesen. Während dieser ganzen Zeit steht es seinen Freunden frei, dasselbe zu tun oder etwas andres, wenn sie das lieber wollen. Dann wird das Essen aufgetragen, ebenso nett wie einfach, in reinem, altem Silber; auch korinthisches Geschirr kommt auf den Tisch, an dem er ohne besondere Vorliebe seine Freude hat. Häufig bringt ein Komöde Abwechslung in das Menu, um den Appetit auch durch geistige Genüsse anzuregen. Man bleibt bis in die Nacht hinein beisammen, auch im Sommer; niemandem wird die Zeit lang, in so angeregter Stimmung zieht sich das Mahl hin. Daher denn auch im 78. Lebensjahre die ungeschwächte Schärfe seines Gehörs und Gesichts, daher seine körperliche Gewandtheit und Lebendigkeit, und als einzige Alterserscheinung seine Weisheit. Solch ein Leben wünsche ich mir schon jetzt in Gedanken und werde es begierig antreten, sobald mein Alter zum Rückzug zu blasen erlaubt. Vorerst nutze ich mich in tausenderlei Mühen ab, wobei mir wieder Spurinna Trost und Leitbild ist; denn auch er hat, solange es die Ehre erforderte, Dienste geleistet, Aroter bekleidet, Provinzen verwaltet und durch Mühe und Arbeit sich diese Muße verdient. Darum nehme ich mir dieselbe Laufbahn vor, setze mir das gleiche Ziel und gebe Dir schon jetzt Brief und Siegel darauf, damit Du mich, falls Du siehst, daß ich über die Stränge schlage, auf Grund dieses Schreibens zur Verantwortung ziehst und mit auszuruhen gebietest, wenn man mir nicht mehr den Vorwurf der Trägheit machen kann. Leb' wohl!
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Brief 1 an Calvisius - Lateinischer Orginaltext und Deutsche Übersetzung (1051 Wörter)
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