Vergangenheitsbewältigung - Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nach 1945
Vergangenheitsbewältigung
Besatzungszeit 1945-1949
1945
30. April Hitler entzieht sich durch Selbstmord seiner Verantwortung
8. Mai Kapitulation Deutschlands. Nur wenige Deutsche erleben Niederlage,
Vertreibung, Besatzung und materielles Elend als Befreiung. Geistig- moralische Katastrophe, anders als beim Kaiserreich 1918 war der Zusammenbruch des Dritten Reichs vollständig.
17. Juni- Potsdamer Konferenz, Alliierte stellen Weichen für Nachkriegsordnung.
2. Aug.
´45-´46 Nürnberger Prozesse.
Schuldfrage
Hirtenbrief (katholische Bischöfe):
- Eingeständnis, dass durch Deutsche, durch Gleichgültigkeit oder durch eigene Verbrechen, Furchtbares verursacht wurde.
- Schuldzuweisung an Wissende
- Forderung: Jeder Einzelne soll auf seine Schuld geprüft werden, damit nicht Unschuldige leiden müssen.
Bischof von Münster (von Galen, katholisch):
(Von Galen predigte während der NS-Zeit gegen das Regime)
- Alle Deutschen, ob schuldig oder nicht, dürfen Sühne leisten
- Kollektivschuld als Ungerechtigkeit, eine unwahre, ungerechte Beschuldigung, daher will von Galen auch die Bestrafung von Unschuldigen, die gelitten haben, nicht annehmen
- Deutsche nehmen sich auch als Opfer wahr ("ein schuldlos große Menge")
Evangelische Kirche:
- Selbstvorwürfe: "wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt…."
- Pläne für Neuanfang
1946
Karls Jaspers (Philosoph):
- spricht sich für die Kollektivschuld aus: "Dass wir Deutschen, dass jeder Deutsche, in irgendeiner Weise, schuldig ist, daran kann […] kein Zweifel sein."
- Wir tragen politische Verantwortung für unsere Vergangenheit und
- Müssen mit unserer Arbeit und unserer Leistungsfähigkeit wiedergutmachen
- Verinnerlichung des Schuldbekenntnisses (auch bei katholischen Stimmen)
Entnazifizierung
Die Alliiertenpolitik sah vor, die Deutschen mit der Entnazifizierung politisch umzuerziehen und sie damit zur Demokratie zu befähigen. = Fragebogen = Arbeitslosigkeit
Die Entnazifizierung scheiterte vor allem daran, dass sie zu neuen Ungerechtigkeiten führte. Mitunter waren "Unschuldige" betroffen, während sich ehemalige NS-Funktionäre ihren Freischein einfach erkauften.
Nach dem Ausbruch des Kalten Krieges erlahmte das Interesse an der Entnazifizierung, weil Deutschland wieder als potenzieller Verbündeter gesehen wurde.
Eugen Kogon (Publizist):
- wir haben das Recht auf den politischen Irrtum
- Alliiertenpolitik trägt zum Chaos bei: "Weniger Denazifizierung als Renazifizierung"
- "Seitdem die demokratische Sonne auf uns scheint, werden wir immer brauner."
- Forderung: Gerechtigkeit des Strafmaßes
Fragen
- Gibt es eine Kollektivschuld der Deutschen? Kann man ein ganzes Volk für schuldig erklären?
- Kann man den Tod von 6 Millionen Menschen wiedergutmachen ?
- Kann man Vergangenheit auf-/ verarbeiten?
- Kann eine politische Umerziehung von außen überhaupt wirken?
Pragmatische "Vergangenheitsbewältigung" in der Ära Adenauer 1949-1962
1949
23. Mai Verkündung des GG für die BRD
7. Okt. Gründung der DDR
1952
10. Sep. Unterzeichnung des Wiedergutmachungsabkommen zwischen Dt. und Israel
23. Okt. Bundesverfassungsgericht verbietet die rechtextreme Sozialistische Partei
Adenauer legt Schwerpunkte auf den wirtschaftlichen Aufbau und auf die Integration in den
Westen.
- Keine Aufarbeitung der Vergangenheit aufgrund des "Ruhebedürfnisses" der älteren
Generation.
- Aber materielle Wiedergutmachungsleitungen an Israel, Deutschland muss auf
seine außenpolitische Reputation achten.
- Man blickte auf die Kommunisten der DDR, nicht auf die eigene nationalsozialistische
Vergangenheit
- Theodor Heuss ersetzt den Begriff der Kollektivschuld durch Kollektivscham
- die Frage nach dem Nationalstolz kommt auf
Die Vergangenheit holt die Deutschen ein 1962 - 1969
Der Eichmann Prozess
1960 wurde der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, der den Transport jüdischer Menschen organisiert hatte, festgenommen und in Jerusalem vor Gericht gestellt. Der Eichmann Prozess lenkte die Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit auf die Problematik der strafrechtlichen Verfolgung der NS-Verbrecher.
Hannah Arendt (Philosophin):
- Die Banalität des Bösen, Eichmann hat sich nie vorgestellt, was er eigentlich anstellte
- Nicht Dummheit, sondern Gedankenlosigkeit und Realitätsferne
- Keine teuflisch-dämonische Tiefe, normaler Mensch
"Die Zeit"
- Eichmann ist nur ein Schuldiger, nicht der Schuldige
- Die Person Eichmann ist austauschbar, die Verbrechen an sich spielen die Hauptrolle, der Mensch Eichmann eine Nebenrolle
1963
Der Auschwitz Prozess
Problem der Gerichte: Bedingung für Souveränität – von Alliierten geführte Verfahren durften nicht noch einmal aufgenommen werden. NS –Funktionäre traten als Zeugen auf, durften aber nicht belangt werden.
Prozess gegen die Wachmannschaft des Konzentrationslager Auschwitz. Viele Verurteilte wurden vorzeitig aus der Haft entlassen.
1965
Die Verjährungsdebatte
Nach deutschem Strafrecht tritt bei Mord nach 20 Jahren die Verjährung ein. Demnach war auch die Verjährungsfrist für NS-Verbrechen im Frühjahr 1965 ausgelaufen. Der Bundestag debattierte. Der Bundestag verlängert die Verjährungsfrist für NS-Verbrechen
Unbewältigte Vergangenheit
Regierung lehnt weitere Thematisierung der Vergangenheit ab, da der größte Teil der Deutschen die Kriegsjahre gar nicht erlebt hat.
1966
6. Nov. Hessen. Erstmals gelangt ein NPD-Abgeordneter in ein Länderparlament
1967
Die Unfähigkeit zu trauern (Psychoanalytiker):
- kollektive Verleugnungen, Ausflüchte, Naivität = unsicheres Selbstvertrauen
- keine Trauer, keine Melancholie, auch nicht in den Medien, Gefühlsstarre
- anstatt Beteiligtseins Identifizierung mit den Gegnern
- Nazi-Vergangenheit ist kein abgeschlossenes Kapitel
1968
Die Studentenbewegung
Die neue Generation stellt ihren Eltern und Großeltern Fragen nach der Hitler Zeit und zwingt sie so, sich mit dieser Epoche auseinander zusetzen. Die Studenten prangerten Personalkontinutitäten, die Abwehr von der Vergangenheitsbewältigung (Adenauer), die Diskussionsverweigerung und den wenig zahlreichen oder verspäteten Widerstand der Eltern gegen Hitlers Diktatur an.
1969
3. Juni Der Bundestag beschließt die Unverjährbarkeit von Völkermord
Die Anerkennung der Vergangenheit 1969 - 1982
Die Deutschen bekannten sich zunehmend zu ihrer kollektiven Verantwortung, nicht für die Kollektivschuld. Bundeskanzler Willy Brandt (1969-74) und Bundeskanzler Helmut Schmidt (1974-82) suchten im Gegensatz zu Adenauer die Versöhnung mit dem Osten. Doch ein Konsens darüber, wie man mit den Fragen der Vergangenheit umgehen sollte, bestand noch nicht.
Historiker mahnten davor, die NS-Diktatur nicht zu vergessen und vor allem ihre Ursachen nicht nur in der Zeit nach 1918 zu suchen.
1970
Willy Brandts "Kniefall von Warschau" vor dem Grab des Unbekannten Soldaten
Einige, auch Mitglieder der Regierung, hielten diese Geste für "überzogen".
Die CSU forderte ein Ende des deutschen "Schuldkomplexes" und relativierte die deutsche Schuld anhand der Schuld anderer Nationen.
Der Streit um das Geschichtsbild 1982-1998
1985
8. Mai Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag der
deutschen Kapitulation
Weizsäcker
- der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung
- man darf 1945 nicht ohne die Jahre 1933-45 betrachten
- jung & alt, schuldig & nicht schuldig muss sich zur Vergangenheit bekennen
- Völkermord an den Juden ist beispiellos
Der Historikerstreit
Jürgen Habermas kritisiert Nolte und Hillgruber.
Frage: Singularität der NS-Verbrechen?
Hillgruber:
- solange die Ostfront von den Soldaten gehalten wurde, konnte das Morden in den KZs weiter gehen (Blüm)
- Problem der Identifizierung
Nolte:
- reduziert die Singularität der Judenvernichtung auf den technischen Vorgang
- behauptet, der Archipel Gulag sei "ursprünglicher" als Ausschwitz
1996
Die Goldhagen-Diskussion "Hitler willige Vollstrecker"
Kritik:
- Ethnisierung der Debatte: "die Deutschen" sind eine diabolische "Spezies", die ihren jahrhunderte langen Antisemitismus im Holocaust perfektionieren konnten
- Die hohen NS-Funktionäre haben nur die Schranken für das sadistische Potenzial der Deutschen geöffnet
- Gleiche Denkschemata wie dem Nationalsozialismus eigen waren
1998
Intensivierte öffentliche Debatte um die Errichtung eines Mahnmals in Berlin zur Erinnerung an den Holocaust und andere Verbrechen des NS-Regimes.
Rede des Schriftstellers Martin Walser über die "Banalität des Guten".
- lehnt Instrumentalisierung des Holocausts ab, weil sie Menschen auch wenn sie gut gemeint ist, abstumpft
- gegen ständigen Einsatz der Moralkeule
- lehnt Ansichten ab, die meinen, die NS-Diktatur und der Holocaust seien zwangsläufig gewesen
Ignatz Bubis, der Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, antwortet Walser anlässlich der 60. Wiederkehr der Reichskristallnacht.
- Vorwurf an Walser: "geistige Brandstiftung" und Bagatellisierung der NS-Verbrechen
Offene Fragen:
- Noch immer sind nicht alle Entschädigungsfragen für ehemalige Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes geklärt.
- Hat nach der Vereinigung Deutschland eine veränderte Meinung zu der nationalsozialistischen Vergangenheit eingenommen?
- Opfer und Täter können sich schwer über den Umgang mit der Vergangenheit einigen
Quelle: "Schatten der Vergangenheit – die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nach 1945", Ernst Klett Verlag
Inhalt
Zusammenfassung zur Vergangenheitsbewältigung von 1945-98 mit wichtigen Daten, wichtige Fragestellungen und Debatten: Besatzungszeit, Schuldfrage-Kollektivschuld, Karl Jaspers, Position der Kirchen, Nürnberger Prozesse, Entnazifizierung,Ära Adenauer, Eichmann Prozess, Hannah Arendt, Auschwitz Prozess, Verjährungsdebatte, Position der Regierung zur Vergangenheit, Studentenbewegung, Willy Brandt-Kniefall, Helmut Schmidt, Streit um das Geschichtsbild, Weizsäckers Rede, Historikerstreit -Habermas, Nolte, Hillgruber, Goldhagen-Debatte, Walser-Bubis Debatte, bleibende Fragen (1248 Wörter)
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Zusammenfassung | Vergangenheitsbewältigung von 1945 bis 1998 | wichtige Daten | wichtige Debatten | Zusammenfassung | Klausurvorbereitung | Nachrkriegszeit
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