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Interpretation des Gedichts am Anfang der Judenbuche

Alles zu WerkeAnette von Droste-Hülshoff: Die JudenbucheInterpretation des Gedichts am Anfang der Novelle
Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
So fest, dass ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Vorurteils geheimen Seelendieb?
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg hin die Waagschal’, nimmer dir erlaubt!
Lass ruhn den Stein – er trifft dein eignes Haupt!
Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines so genannten Halbmeiers oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges…

INTERPRETATION:
Daraus, dass der Text, der nach dem Gedicht folgt, mit „Friedrich Mergel“ anfängt, kann man schließen, dass es in dem Gedicht ebenfalls um diese Person geht. Um das Gedicht zu verstehen, muss man die Novelle allerdings gelesen haben, da es (das Gedicht) in sehr altmodischem Deutsch geschrieben wurde.
Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
So fest, dass ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
( Wer ist so feinfühlig, dass er, ohne sich zu irren Friedrich Mergel für das, was er getan hat, verurteilen könnte?
Die Hand steht also für den Menschen. „Sondern“ wird hier als Verb verwendet, es bedeutet ordnen, sortieren, usw. Das Symbol des Steines ist eine Anspielung auf eine Bibelstelle des Neuen Testamentes (Joh. 8)

(Jesus und die Ehebrecherin
Dann gingen sie alle nach Hause. Jesus aber ging zum Ölberg. Am nächsten Morgen kehrte er sehr früh zum Tempel zurück. Alle Leute dort versammelten sich um ihn. Er setzte sich und sprach zu ihnen über den Willen Gottes. Da führten die Gesetzeslehrer und Pharisäer eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu Jesus: ‚Lehrer, diese Frau wurde ertappt, als sie gerade Ehebruch beging. Im Gesetz schreibt Mose uns vor, dass eine solche Frau gesteinigt werden muss. Was sagst du dazu?’ Mit dieser Frage wollten sie ihm eine Falle stellen, um ihn anklagen zu können. Aber Jesus bückte sich nur und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: ‚Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!’ Dann bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, zog sich einer nach dem anderen zurück; die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand. Er richtete sich wieder auf und fragte sie: ‚Frau, wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich zu verurteilen?’ ‚Keiner, Herr’, antwortete sie. Da sagte Jesus: ‚Ich verurteile dich auch nicht. Du kannst gehen; aber tu diese Sünde nicht mehr!’)
Einer nach dem anderen merkt, dass er selbst ebenfalls schon mindestens eine Sünde begangen hat bis letztlich keiner mehr da ist um die Ehebrecherin zu verurteilen. Das Gedicht behauptet ebenfalls, dass keiner von uns ohne Sünde ist, und also auch nicht das Recht haben, Friedrich (er ist mit dem „arm verkümmert Sein“ gemeint) zu verurteilen.
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Vorurteils geheimen Seelendieb?
( Mit „eitlen Blutes Drang“ ist ebenfalls Friedrich gemeint, da er im Verlauf der Novelle immer eitler wird. „Jedes Wort, das unvergessen“; diese Wörter sind zum Beispiel die der Mutter, als sie Vater Mergel als „Schwein“ bezeichnet, oder die der anderen Knaben aus dem Dorf, die seinen toten Vater zum Gespenst des Brederholzes machen. „Junge Brust“ beschreibt abermals Friedrich, er war zu dieser Zeit noch recht jung, und mit „des Vorurteils geheimen Seelendieb“ ist Simon Semmler, Friedrich Onkel, gemeint, von dem er nach dem Tod seines Vaters adoptiert wird, und durch den er genauso verschlagen wird wie dieser.
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg hin die Waagschal’, nimmer dir erlaubt!
Lass ruhn den Stein – er trifft dein eignes Haupt!
( Mit dem „Glücklichen“ sind die Leser gemeint, die doch größtenteils eine bessere Kindheit gehabt haben als Friedrich Mergel. „Von frommer Hand gepflegt“(Damit sind die Eltern des Lesers gemeint, die sich um einen gekümmert haben, im Gegensatz zu Friedrichs.
Mit der „Waagschal’“ wird auf Justitia, die Figur der Gerechtigkeit angespielt. In der linken Hand hält sie eine Waage (zum Abwägen der Rechtsgüter, Aussagen und Meinungen), in der rechten ein Schwert (um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen). Um unvoreingenommen urteilen zu können, trägt Justitia außerdem eine Augenbinde. Da der Leser nicht unvoreingenommen urteilen kann, sagt der Text „nimmer dir erlaubt!“.
Die letzte Zeile appelliert noch einmal an den Leser, dass er Friedrich nicht verurteilen sollte, da er selbst auch nicht ohne Sünde ist.
Inhalt
Annette v. Droste-Hülshoff: Die Judenbuche

Aufgabe: Interpretiere das Gedicht am Anfang der Novelle.
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