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Eine besonders tierliebe Familie

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Eine besonders tierliebe Familie


„Nächster Halt: Spatzenwalde.“ Die Stimme des Zugführers tönte aus den Lautsprechern. Es war ein sonniger Donnerstagmorgen. Ich war mit dem Zug unterwegs zu meiner Austauschfamilie, Müller hießen sie. ‚Spatzenwalde’, dachte ich mir ‚was ist das wohl für ein zurückgebliebenes Dorf?’
Endlich am Bahnhof in Spatzenwalde angekommen, stieg ich aus dem Zug aus. Erwartungsvoll suchte ich nach dem Schild mit der Aufschrift ‚Austauschschülerin’, wie ich es mit meiner Austauschfamilie vereinbart hatte. Weit und breit kein Schild, so setzte ich mich auf die Bank, die neben dem Bahnhofsgebäude stand. Es hatte gerade 9 Uhr geschlagen. „Wo bleiben die bloß, bin ich falsch hier?“, fragte ich mich. In diesem Moment hörte ich ein lautes Motorengeräusch. Ein alter VW-Bus bog um die Ecke des Bahnhofsgebäudes. Der Bus sah recht lustig aus. Er war in braun-weiß lackiert, deshalb sah er auch aus wie ein Bernhardiner. Zudem stank er fürchterlich. ‚Das wird ja wohl nicht meine Austauschfamilie sein!’, sagte ich zu mir in Gedanken und senkte wieder meinen Kopf. „Bist du die Austauschschülerin?“, fragte mich plötzlich die Frau, die aus dem Auto ausstieg. Sie sah irgendwie wie ein Hippie aus. Sie hatte lange, blonde Haare und das, was sie anhatte, waren ein alter Jeansrock, Sandalen, ein Strohhut und eine Bluse mit Blümchenmuster. „Ja“, entgegnete ich ihr. „Mandy Müller“, stellte sich die Frau mir vor und umarmte mich. Als sie mich wieder losgelassen hatte, sah ich sie nur verdutzt an. „Und du“, fragte sie mich, „wie ist dein Name?“ „Ach so, äh, ja, Julia Paulus.“, antwortete ich. „Schön, die kennen zu lernen, du kannst ruhig Mandy zu mir sagen“, und zog mich mit vor ihr Auto. „Die Koffer kannst du hinten in den Kofferraum stellen, dann kann’s losgehen!“ Nachdem ich die Koffer in den Kofferraum gestellt hatte, der eigentlich keinerlei Anomalien aufwies, nahm ich mir vor, einzusteigen, doch da staunte ich nicht schlecht: In dem Auto waren recht viele Tiere anzutreffen. Zuerst saß vorne auf dem Beifahrersitz ein Bernhardiner, dann sah ich auf der Rückbank noch zwei Mischlingshunde, der eine hatte ein schwarz-weißes Fell und der andere ein braunes mit weißen Flecken. Zwischen ihnen saß dann noch eine schwarz-weiße Katze und das exotischste Tier saß vorne auf dem Lenkrad vor Mandy: ein Papagei. Als ich dann endlich aus dem Staunen herausgekommen war, versuchte ich, mich auf den Beifahrersitz zu drängeln. „Geh bei Seite“, fuhr den Bernhardiner an, doch dieser schaute mich nur mit Kulleraugen an. „Mach schon!“, sagte ich jetzt in einem strengeren Ton, doch der Hund behauptete weiter seinen Platz. „Sorry, das geht leider nicht, der Platz gehört Georg, das ist sein Stammplatz im Auto, aber du kannst dich ja nach hinten zwischen Ping und Pong setzten. Dass macht dir doch keine allzu großen Umstände, oder?“, redete Mandy auf mich ein. „OK, kein Problem“, entgegnete ich ihr. Nachdem ich dann die fauchende Katze in den Kofferraum hinter mir hatte runterfallen lassen und mich zwischen die beiden Hunde gezwängt hatte, startete Mandy den Wagen. „Jetzt geht’s los!“, hörte ich nur noch von ihr, während ich von Ping und Pong vollgesabbert wurde. ‚Wann wurden die wohl das letzte mal gewaschen?’, fragte ich mich in meinem Innersten. Alle zehn Sekunden kratzte sich einer der beiden Hunde hinterm Ohr. Nach etwa zehnmaligem wiederholen der Prozedur juckte auch mich es langsam. Ich stellte mir vor wie die Flöhe der Hunde auf mich herübersprangen. Das Jucken wurden wegen der Gedanken auch immer stärker. „Ist etwas?“, fragte Mandy von vorne. „Nein, nein. Alles bestens!“, entgegnete ich ihr. So beschloss ich, den Rest der Fahrt mich nicht mehr zu kratzen.
Nach einer viertel Stunde am Bauernhof meiner Austauschfamilie endlich angekommen, warf ich mich mit Tränen in den Augen aus der rechten Tür auf das Gras, auf dem das Auto geparkt hatte und wälzte mich im Gras hin und her. Mein Verhalten zur körperlichen Reinigung wurde allerdings durch viele Augen gestört, die mich anstarrten. Dann trat Mandy durch den Kreis neben mich. „Ich weiß ja nicht, ob man sich bei dir anders begrüßt, als bei uns, aber jedenfalls ist das hier meine Familie.“ Langsam erhob ich mich aus dem Staub und befreite mich von dem selbigen. Daraufhin stellte Mandy mir ihre Familie vor und ich wurde ihr vorgestellt. Von ihrem Äußerlichen hatte ich nicht viel erwartet. Sie waren alle nach dem gleichen Stil wie Mandy gekleidet: Latzhosen und Röcke, alte Turnschuhe oder Sandalen und T-Shirts oder Blusen.
Nachdem ich von ihrem Mann, ihren Eltern, ihren Schwiegereltern, ihrer Oma und ihren elf Kinder die Begrüßungs-Umarmung hatte über mich ergehen lassen, kam in mir ein Gefühl der Erleichterung auf. ‚Endlich ist das geschafft!’, sagte ich innerlich zu mir. „Und jetzt zum Rest der Familie“, sagte Mandy voller Begeisterung zu mir, „Lisa, stelle Julia ihnen doch bitte vor“ „OK, Mutter!“, sagte Lisa und zog mich zu einer Scheune. „Welcher Rest?“, fragte ich Lisa unterwegs. „Na die Tiere!“ Nach einer kurzen Strecke standen wir vor einem großen Gebäude mit einem großen Tor. „Hier“, lächelte sie mir zu und öffnete eine kleinere Tür in dem Tor. Mir blieb der Atem stehen. Überall in der Scheune tummelte sich eine Unmenge an Tieren, von Mäusen bis zu Pferden. „Ich stelle dich ihnen vor“, sagte Lisa. Innerlich brach jetzt für mich eine Welt zusammen. Ich ließ mein bisheriges Leben vor meinen Augen ablaufen. Jedem dieser Unmengen von Tieren vorgestellt zu werden würde ich nicht aushalten. Noch bevor ich in der Lage war, mich auf mein Ende vorzubereiten, rannte Lisa in die Tiermenge um eines herauszuholen. Ein Meerschweinchen hatte es erwischt. „Das ist Bob, er ist etwas ganz besonderes“, verkündete sie mir. „Er ist zwei Monate alt und wurde dort hinten im Heu geboren“, Lisa zeigte auf einen Heuhaufen in einer Ecke der Scheune. Meiner Meinung nach war Bob ein ganz gewöhnliches Meerschweinchen, wie jedes andere. Kurze, schwarze Haare und auch der Stirn ein weißer Fleck. Um nicht ganz wie ein tierhassender Volltrottel dort zu stehen, brachte ich ein leises ‚schön’ über meine Lippen. Kaum hatte ich mit der Meerschwein Freundschaft geschlossen, hatte Lisa schon die nächste in der Hand. „Das ist John.“ John hatte nicht viel Unterschied mit Bob, außer das sein Fleck auf der Stirn vermutlich etwas größer war als der von Bob, aber es könnte auch eine optische Täuschung gewesen sein. Es war nicht auszuschließen, dass sie verwandt waren, vermutlich betreiben Meerschweinchen ja auch Inzucht. Von dieser Idee geprägt, reichte mein Verstand nicht für mehr aus, als wieder ein leises ‚schön’ herauszubringen. Nach weiteren dreiunddreißig Meerschweinchen, sechs Pferden, dreizehn Kühen und unzähligen weiteren Tieren mit ihrem eigenen Lebenslauf, hörten wir ein lautes Topfschlagen. „Oh, Mittag!“, rief Lisa und rannte aus der Scheune heraus. Ohne zu zögern und um der Folter mit den Tieren zu entgehen, rannte ich hinter ihr her.
Nach dem Mittag zeigte mir Lisa das Zimmer, in dem ich schlafen sollte. „Du darfst mit Ping, Pong, Georg und mir zusammen in einem Zimmer schlafen“, freute sich Lisa. „Ist das dort dein Bett?“, ich deutete auf ein etwa zwei mal zwei Meter großes Bett mit vielen Kissen und einem Himmel über dem Bett. „Nein, natürlich nicht, das gehört Ping und Pong“, antwortete sie, „und dieses dort gehört Georg.“ Sie zeigte auf ein Wasserbett“ „Ah, ja, natürlich“, entgegnete ich. „Ich schlafe dort und du kannst dort schlafen“, die Betten, auf die sie zeigte waren zwei Matratzen ohne Bezug auf dem Boden und je eine dünne Decke ohne jeglichen Komfort. Für sie schien das völlig normal zu sein.
Nach der Nacht auf der unbequemen Matratze wachte ich mit Rückenschmerzen und völlig übermüdet von Ping und Pongs Geschnarche auf. Ich kam mir so vor, als hätte ich in einem Planschbecken geschlafen. Georg hatte sich die Nacht wohl aus dem Wasserbett gehieft und sich auf meine Decke geworfen. Daher auch meine leicht blau angelaufenen Beine und das Taubheitsgefühl in den selbigen. Lisa dagegen sprang mit einem Elan aus ihrem Bett auf, den ich von einem sechsjährigem Kind erwartet hätte, das heute Geburtstag hat und sich ein Pony gewünscht hat.
Nach einer eiskalten Dusche im Freien und dem Frühstück schlug Lisa vor, mit ihren leiblichen und tierischen Geschwistern ‚Verstecken’ zu spielen. Lisa war als erste dran. Noch bevor sie anfing zu zählen, rannte ich auf einen Baumstumpf ein paar Meter von Lisa entfernt zu. Als ich mich so klein gemacht hatte, dass ich in der Annahme war, mich sehe keiner mehr, stand plötzlich eine schwarz-bunte Kuh neben mir und blickte mich erwartungsvoll mit Kulleraugen an. „Das ist Olgas Platz zum Verstecken!“, tönte es hinter einem Busch hervor. ‚Die doofe Kuh hat einen Stammplatz zum Verstecken?’, fragte ich mich verdutzt. Ohne weiter über dieses Recht eines Nutztieres weiter nachzudenken bemerkte ich, wie Lisa bei vierzig angekommen war und nur noch bis fünfzig zu zählen hatte. Ohne genauer über ein gutes Versteck nachzudenken, kletterte ich einen Obstbaum hinauf. Leider war ich unglücklicherweise auf einem morschem Ast gelandet und fiel sogleich mitsamt dem Ast auf das Pferd, das unter mir und dem Ast stand. Dieses gab einen von Schmerzen verzogenen Laut von sich und galoppierte wenige Schritte nach vorne um sich im darauffolgenden Moment wie ein sterbender Schwan auf die Erde fallen zu lassen und alle vier Beine von sich zu strecken. Kaum hatte ich meine eigenen Schmerzen in meinem rechten Bein registriert, da sah ich auch schon Lisas zehn Geschwister und die restlichen an dem Spiel beteiligten Tiere auf das Pferd zulaufen. „Ist es schlimm?“ „Tut es sehr weh?“ „Können wir dir irgendwie helfen?“ Dies alles fragten sie das Pferd, nur mich nahm keiner wahr. „Julia, kannst du nicht etwas besser aufpassen, das arme Pferd.“, hörte ich nur eines der Kinder rufen. In Windeseile sah ich dann einen Jungen auf das Wohnhaus zurennen. Sofort wurde meine Hoffnung geweckt, dass sie mich doch bemerkt haben und einen Krankenwagen rufen wollen. Doch ich hatte umsonst gehofft. Den einzigen, den sie angerufen hatten, war der Tierarzt der sich um das ach so schwer verletzte Tier liebevoll kümmerte. Ab und zu trafen mich ein paar böse Blicke der Kinder, die ich aber nicht weiter beachtete, nachdem ich mich an sie gewöhnt hatte. Nachdem das Pferd dann zweieinhalb Stunden tierärztlich versorgt worden war, stellte sich heraus, dass es nur einen Schock erlitten hatte, der wegen seiner angeborenen labilen Psyche etwas dramatischer ausgefallen war.
Mittlerweile war es schon fast Mittag und mein schmerzendes Bein machte sich langsam wieder bemerkbar. Endlich wurde auch mir geholfen. Der Tierarzt kam auf mich zu und fragte mich, was ich denn hätte. „Schmerzen“, antwortete ich trocken. „Tja, am besten ist, du fährst ins Krankenhaus, man kann ja nie wissen, es könnte ja was gebrochen sein.“ Und so war es auch, nachdem ich nach vier elend langen und ermüdeten Stunden wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde, bestaunten alle mein Gips-Bein. „Das sieht aber schmerzhaft aus“, sagte eines der Kinder. Nachdem dann auch alle auf dem Gips unterschrieben hatten, konnten wir wieder auf den Bauernhof fahren. Wunderlicherweise hatte keiner ein Tier mit ins Krankenhaus genommen, dafür waren aber die ganze menschliche Familie dabei gewesen. So kam mir die Schlaglöcher auf dem Weg zum Hof, die ich bei der Hinfahrt schon bemerkt hatte, noch tiefer vor. Trotz alledem schafften wir es tatsächlich noch, vor Einbruch der Dunkelheit auf den Bauernhof und so ging ich ohne Mittag- und Abendessen mit einem steifen Bein ins Bett.
Der nächste Morgen barg eine Überraschung, ich wachte in einem trockenen Bett auf, ohne jeglichen Hundespeichel von Georg. Doch dies war nicht die einzige Überraschung: Noch bevor ich mich angezogen hatte, kam Mandy mit einem dicken Lachen auf dem Gesicht in mein Zimmer herein: „Ich habe deine Eltern angerufen, sie sind auf dem Weg hierher, um dich abzuholen!“ Vor lauter Freude vergaß ich mein gebrochenes Bein und sprang aus dem Bett um Mandy zu umarmen. Leider hatte ich nicht mit der Eigenwilligkeit eines Gips-Beines gerechnet und rutschte sogleich auf einem Strumpf aus, um wieder unsanft auf dem harten Fußboden zu landen. Dies war eine günstige Gelegenheit, um mir den Rest meiner noch ganz gebliebenen Knochen zu brechen: Bei dem Versuch, den Sturz abzufangen, wollte ich mich mit meinem linken Arm abstützen. Dies war allerdings keine so gute Idee und so brach ich mir diesen auch noch. Sofort wurde ich wieder ins Krankenhaus gebracht und traf auch noch alte Bekannte: Der Arzt, der mich am Tag zuvor behandelt hatte, hatte auch an diesem Tag wieder Dienst. Der Aufenthalt war aber auch eine passende Gelegenheit, um mir die Zeit zu vertreiben, die ich auf meine Eltern warten musste. Diese waren nämlich schon auf dem Hof angekommen, während ich an einem Samstag sechs Stunden im Krankenhaus war.
Der Abschied fiel mir trotz der geringen Zeit bei den Müllers recht schwer. Bevor ich losfuhr umarmte ich noch alle und Meerschwein Bob setzte ich auf meine Hand und sagte zu ihm, er solle doch bitte noch die anderen Tiere von mir grüßen. Dies hatte ich eigentlich nur aus Spaß gesagt doch ich war mir sicher, ein kleines Nicken von Bob wargenommen zu haben. Nachdem dann noch einige Taschentücher ausgepackt wurden, fuhren ich mit meinen Eltern und von Traurigkeit erfüllt los. Meine Austauschfamilie war vielleicht im Gegensatz zu anderen etwas seltsam, aber doch einzigartig. Deshalb freue ich mich auch schon auf den Besuch von Lisa, vielleicht bringt sie ja ein paar tierische Verwandte mit?
Inhalt
Die Hausaufgabe war, eine Satire über das Thema "Eine besonders tierliebe Familie" zu schreiben. Der Text handelt von einer Austauschschülerin, die in eine solche Familie gewechselt ist, die auf dem Land lebt.
(Aufsatz mit n) (2195 Wörter)
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