Parzival (Wolfram von Eschenbach)
Parzival (Wolfram von Eschenbach)
Der junge Parzival, der zurückgezogen nur mit seiner Mutter aufgewachsen war, bricht auf, um seinem Vater nachzufolgen, und Ritter zu werden. Seine Mutter stirbt, allein zurückgelassen, aus Kummer, doch Parzival kann die Tragweite seines Handelns noch nicht erkennen.
Von seinem Onkel Gurnemanz in die ritterlichen Tugenden eingeführt, gelangt er zu einer Burg, der Gralsburg. Dort trifft er auf den kranken König Amfortas, der von vielen Jungfrauen umsorgt wird. Parzival fragt jedoch nicht, woran der König leidet, sondern schweigt gemäß der ritterlichen Vorschrift. Von Gurnemanz nämlich kam der Rat: „Ihr sollt nicht zu viele Fragen stellen!“, dessen rein gesellschaftliche Bedeutung Parzival jedoch missversteht. Somit stellt er die Mitleidsfrage nach der Wunde des Königs Amfortas nicht, obwohl sie von ihm erwartet wird, denn sie würde über die höfisch-gesellschaftliche Situation hinausgehen. Zum zweiten Mal kann Parzival die Folgen seines Handelns nicht erkennen.
In der Nacht beobachtet Parzival, wie der Gral, den er aber nicht als solchen erkennt, in einer Prozession durch die Gemächer getragen wird. Am nächsten Morgen erscheint ihm die Burg wie verwandelt und verlassen. Deshalb reitet er zur Burg König Artus, um die anderen Ritter der Tafelrunde zu treffen. Während eines Festmahls erscheint die hässliche Gralsbotin Kundry, die Parzifal verflucht. Eschenbach beschreibt jene wie folgt:
„Viel wußte und konnte die Magd: sie sprach alle Sprachen, Lateinisch, Heidnisch und Französisch. Höchst gebildet war ihr Geist, denn sie hatte das Trivium(als da sind Dialekt und Geometrie) und sogar das Quadrivium (so die Kunst der Astronomie) durchaus studiert. Sie hieß Kundrie, und ihr Beiname war Surzière. Ihr Mundwerk, das nicht lahm war - denn es redete lang und gern - , schlug alle hohe Freude darnieder.
Man konnte die hochgelehrte Dame nicht gerade zu den sogenannten beaux gens zählen. In ein Genter Brauttuch, noch blauer als Lasurstein, hatte sich dieser Hagelschlag auf alle Freuden gehüllt. Es war ein Umhang, nach französischer Mode geschnitten. Darunter trug sie ein Kleid aus guter Pfellerseide. Ein Londoner Pfauenhut, der mit golddurchwirkter Seide gefüttert war, hing ihr auf dem Rücken - neu war der Hut, die Schnur nicht alt.
Ihre Botschaft war eine Brücke, die den Jammer über den Fluß der Freude trug. Sie entriß ihnen all den frohen Scherz. Über den Hut hinweg baumelte ihr ein Zopf bis auf das Maultier herab, der war lang, schwarz, stramm und nicht sonderlich schön, kurz, er war so weich wie eines Schweines Rückenhaar. Eine Nase hatte sie wie ein Hund. Zwei Eberzähne ragten ihr wohl spannenlang aus dem Munde. Die Augenbrauen waren ihr zu zwei Zöpfen gedreht und mit unter das Stirnband gesteckt. Die Wahrheit zwingt meine Höflichkeit leider auf diesen unangenehmen Weg, daß ich eine derartige Schilderung von einer Dame entwerfen muß. Aber man beunruhige sich nicht: keine andere Dame soll sich in dieser Hinsicht über mich zu beklagen haben....
Kundrie ritt auf den Berteneisen zu und redete ihn auf französisch an - ich muß es euch deutsch wiedergeben, und ich gestehe, mir ist bei ihrer Botschaft nicht wohl zumute:
„Fils du roi Utepandragon, Du hast Dich selbst und manchen Bertunen hier durch deine Tat geschändet! Hier säßen die Besten aus allen Landen in Ehren, wäre ihre Ehre nicht mit einer Galle verschnitten worden. Die Tafelrunde ist entrichtete, denn die Falschheit hat teil an ihr! König Artus, Du stundest hoch zu Lobe ob Deinen Genossen, aber Dein steigender Ruhm beginnt zu sinken, und Dein Ansehn, das sich so rasch ausbreitete, beginnt zu hinken. Dein hohes Lob neigt sich, Deine Ehre erwies sich als unecht. Die Teilnahme Herrn Parzivals, der freilich der äußeren Zeichen der Ritterschaft nicht
entbehrt, hat die Kraft des Ruhmes der Tafelrunde gelähmt. Nach dem, der einst vor Nantes tot blieb, nennt ihr den roten Ritter, aber das Leben der beiden war sehr ungleich. Nie las ein Mund ein Abenteuer von einem Ritter, dessen Ehre so vollkommen war wie die des Toten.“
Vom König ritt sie zum Waleisen und sprach: „Ihr seid es, der mich der Sitte enthebt, Artus und seine Massenie zu grüßen! Verflucht sei Euer lichtes Antlitz und Euer mächtiger Leib! Hätte ich über Versöhnung und Frieden zu verfügen, für Euch wäre sie mir zu schade! Ihr haltet mich für ein Ungeheuer, und ich bin doch geheurer als Ihr! Herr Parzival, was schweigt Ihr und sagt nichts zu jener Sache, daß der traurige Fischer ohne Freude und Trost saß und Ihr ihn nicht von einem Elend erlöstet? Er trug vor Euch die Last seines Jammers, Ihr, ach so ungetreuer Gast! Seine Not hätte Euch erbarmen sollen!Euch soll der Mund noch leer werden, leer, meine ich, von der Zunge drinnen, so wie Euch das Herz leer ist von rechter Gesinnung! Im Himmel droben vor des Höchsten Hand ist Euer Name der Hölle überantwortet, und so seid Ihr auch auf Erden ein Verfluchter, wenn die Edlen begreifen werden, was geschehn ist. Ihr Bann des Heiles, Ihr Fluch der Seligkeit, Ihr völlige Verachtung des vollkommenen Wertes! Schiech seid Ihr der Mannesehre, sich seid Ihr an Herrlichkeit, kein Arzt kann Euch davon retten! Wenn mir einer den Eid gibt, will ich auf Eurem Haupt schwören, daß nie ein so schöner Mann mit größerer Falschheit ausgerüstet war. Ihr falscher Lockangel, Ihr Natterzahn! Euch gab ja doch mein Herr das Schwert, dessen Eure Ehre niemals wert wurde. Da erreichtet Ihr durch Euer Schweigen das Ziel der Sünden. Ihr seid der Höllenhirten Spiel, verfluchter Mann, Herr Parzival!“
Sie wandte sich wieder zum König Artus und brachte ihm weitere Kunde. Sie sagte:
„Ist denn hier kein edler Ritter, der nach einem Kampfgeist begehrt und nach hoher Minne? Vier Königinnen weiß ich und vierhundert Jungfrauen, schön anzuschauen. Sie sind in Schastelmarweile. Alle Abenteuer sind gegen die, die man dort erkaufen kann, nur Luft, es ist ein würdiges Jagdziel hoher Minne! Ist die Reise auch mühsam, so will ich doch noch heute nacht dort sein.“
Die Magd, die traurige, freudlose, ritt ohne Abschied vom Ringe. Aber unter Tränen blickte sie oft zurück. Hört, was sie zuletzt noch rief!
„Ach Munsalwäsche, Ziel des Jammers, weh, daß Dich niemand trösten will!“
Nach dieser Verfluchung begibt sich Parzival wieder auf die Reise durch das Land und trifft auf einen Einsiedler. Eben dieser klärt Parzival über den Gral auf, einen Stein von absoluter Reinheit, den Lapsit exillis. Dieser Stein verleiht den Menschen das ewige Leben, solange sie ihn einmal wöchentlich erblicken. In Eschenbachs mittelalterlichen Version lauten die Worte des Einsiedlers:
„Ich weiß wohl, daß viele Ritter zu Munsalwäsche beim Grale wohnen. Wenn sie ausreiten, und das tun sie oft, so geht es auf Abenteuer. Wo immer diese Templeisen Niederlage oder Sieg erjagen, tun sie es für ihre Sünden. Da wohnt also eine wehrhafte Schar. Ich will Euch sagen, wovon sie leben: sie leben von einem Steine, der von ganz reiner Art ist. Wenn Ihr ihn nicht kennt, so soll er Euch hier genannt werden. Er heißt Lapsit exillis. Durch dieses Steines Kraft verbrennt der Phönix zu Asche. Die Asche aber macht ihn flugs wieder lebendig. Dieser Erneuerung aus der Asche ist beim Phönix dasselbe, was bei anderen Vögeln die Mauserung ist. Danach beginnt er hell zu strahlen und wird wieder schön wie zuvor. Dieselbe Kraft wie beim Vogel Phönix bewährt der Gral bei den Menschen. Es mag einem Menschen noch so schlecht gehen, wenn er eines Tages den Stein sieht, so wird er in der Woche, die auf diesen Tag folgt, nicht sterben. Auch bleibt sein Aussehen dasselbe, das er hatte, als er den Stein erblickte, und zwar so, wie er in seiner besten Zeit aussah - Frau wie Mann –, und wenn sie den Stein zweihundert Jahre lang sähe; nur das Haar wird grau. Solche Kraft gibt der Stein dem Menschen, daß Fleisch und Bein flugs Jugend empfängt. Der Stein wird auch genannt der Gral....“
Mit diesem erworbenen Wissen macht sich Parzival auf die Suche nach dem Gral.
Gleichzeitig macht sich der Ritter Gawan - ermuntert durch die Worte der
Gralsbotin Kundry(siehe 1. Textausschnitt) auf den Weg, das Schloß Klnigsors zu suchen und die vierhundert Jungfrauen zu erretten. Auch er muss - wie Parzival - viele Abenteuer und Gefahren bestehen, bis er schließlich erfolgreich Herr des Schloßes wird.
Nachdem auch Parzival viele unterschiedliche Aufgaben, Begegnungen und Kämpfe hinter sich gebracht hat, gelangt er endlich wieder zum Schloß des Amfortas. Er erfährt hier endlich, was es mit dem Schloß tatsächlich auf sich hat, nämlich dass es sich um die Gralsburg handelt. Der Held ist also am Zielort seiner Reise angekommen.
Als er hier nun zum zweiten Mal auf den kranken Schloßherrn trifft, stellt er nun die erlösende Frage: „Oheim, was wirret Dir?“ Die Szene wird von Eschenbach wie folgt geschildert:
„ Anfortas empfing die beiden fröhlich trotz aller Qualen.
Er sagte: „Ich habe schmerzlich darauf gewartet, ob ich wohl je noch einmal durch Euch wieder fröhlich würde. Als Ihr einst hier waret, nahmet Ihr einen solchen Abschied, daß es Euch, wenn Ihr Treue im Herzen tragt, reuen muß. Wenn Ihr je Ruhm errungen habt, so bewegt die Leute hier, ob Ritter, ob Frauen, daß sie mich sterben und meine Not enden lassen. Heißet Ihr Parzival, so sorgt dafür, daß ich sieben Nächte und Tage lang den Gral nicht sehen muß! Dann wäre all mein Jammer zu Ende. Mehr aber darf ich Euch nicht sagen. Wohl Euch, wenn man Euch rühmen kann, daß Ihr mir geholfen habt - Euer Freund (gemeint ist hiermit Feirefiß, der Halbbruder Parzivals, den er während seiner Reise unter schwierigen Umständen getroffen und als seinen Halbbruder erkannt hat.) ist fremd bei uns. Es tut mir leid, daß er sich nicht setzt. Warum laßt Ihr ihn sich nicht ausruhen?“
Heftig weinend sagte Parzival da: „Sagt mir, wo hier in der Burg der Gral liegt. Ob Gottes Güte über mich siegt, dessen wird diese Schar wohl innewerden!“
Dann fiel er, zum Gral gewendet, auf die Knie - dreimal zu Ehren der Trinität. Er rang darum, daß Rat werden müßte für des traurigen Mannes Herzleid.
Er richtete sich auf und sagte dann: „Oheim, was wirret Dir?“
Der durch Sankt Silvester einen toten Stier lebendig sich erheben ließ und der Lazarum auferstehen hieß, derselbe half, daß Anfortas gesund ward und völlig wiederhergestellt.“
Auf diese Weise stellt Parzival mit Gottes Hilfe seine Ehre wieder her und rettet sowohl sich als auch das gesamte Gralsreich.
Inhalt
Dies ist eine umfangreiche Inhaltsangabe, die sich aber nur auf die wichtigsten Éreignisse beschränkt. Außerdem sind in dem Text auch Zitate aus dem Buch verwendet. (1700 Wörter)
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