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"Grenzenlos" von Patrick Kovac: Textinterpretation

Alles zu Patrick Kovac  - Grenzenlos

Textinterpretation: Grenzenlos


Die für den Rimbaud-Preis nominierte Kurzgeschichte "Grenzenlos" von Patrick Kovacs wurde im Jahre 2000 in der Tageszeitung Standard veröffentlicht. Der Text handelt von einem Mann der in einer Anstalt eingesperrt ist und den Drang nach Freiheit verspürt. Zu Beginn der Geschichte sitzt der Gefangene vor einem Fenster und raucht Zigaretten. Es scheint nicht die Einsamkeit oder Isolation von anderen Menschen zu sein die ihn an seinem Dasein stört, sondern dass er keine Gespräche mehr mit "seiner" Wiese führen konnte. Die meiste Zeit ist er in seinem Zimmer eingesperrt, manchmal wird er aber von einem Wärter in den Innenhof geführt, welcher ihm, im Gegensatz zu seinem üblichen abgeriegelten Aufenthaltsort, unendlich groß scheint. Die Handlung der Geschichte ist nicht klar strukturiert, aber die Motive der Wiese und des Fensters tauchen wiederholt auf. Diese Motive lassen im Kontext darauf schließen, dass die Haupthemen des Textes die Sehnsucht nach Freiheit, aber auch das Leben in Gefangenschaft sind.

Die Kurzgeschichte ist in heterodiegetischer und personaler Erzählform verfasst, also ist der Erzähler nicht Teil der erzählten Welt, der Leser erhält aber Einblick in das unkommentierte Innenleben der Hauptperson. Die erzählte Zeit ist länger als die Zeit, die der Leser tatsächlich zum Lesen braucht, somit handelt es sich um eine zeitraffende Erzählung. Die Einleitung ist sehr kurz und bestimmt bereits am Anfang in 4 bündigen Sätzen die Stimmung des Textes. Durch diesen prompten Einstieg wird man direkt an die erste Handlung herangeführt. Der Text zeichnet sich außerdem durch die häufige Verwendung von rhetorischen Stilmitteln aus, wie zum Beispiel die Personifikation. Auf diese Weise wird dem Leser deutlich gemacht, dass die Hauptperson die Wiese als eigenes Individuum betrachtet, das über eigene Gefühle und Gedanken verfügt und in der Lage ist, Gespräche zu führen. Auch der wiederholte Einsatz von Onomatopoesie macht deutlich, dass die Figur eine sehr von der Norm abweichende Denkweise hat, da er Geräusche intensiver und bewusster wahrnimmt, was auf veränderte Maßstäbe durch seinen andauernden Freiheitsentzug zurückzuführen ist. Dies zeichnet sich auch durch die häufige Verwendung von Klimax und Hyperbel, besonders im Bezug auf Freiheit und damit zusammenhängende Örtlichkeiten, aus. Zudem ist die rhetorische Frage ein wichtiges Element in der Kurzgeschichte. Die generelle Ratlosigkeit, Unsicherheit und Verzweiflung wird durch Phrasen wie "Was tun?" und "Wohin?" bestätigt. Der Text hat außerdem durchwegs einen auffällig einfachen Satzbau, wobei einige Sätze nicht ganz ausformuliert sind und teilweise nur in Ellipsen beschrieben werden. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Figur eine nicht fokussierte Denkweise hat und aufgrund des aus seiner Gefangenschaft resultierende Verlustes der Eigenständigkeit, von einem Gefühl der Verlorenheit begleitet wird.

Meines Erachtens nach handelt der Text von einer Person, die an einer geistigen Störung leidet und sich in einer Nervenheilanstalt befindet. Da er keine zwischenmenschlichen Beziehungen zur Außenwelt haben zu scheint und deutlich klarstellt auch keinen Menschen aus seinem Leben vor der Anstalt vermisst, trotz der ihn zerreißenden Einsamkeit, lässt darauf schließen, dass er an ausgeprägter Soziophobie leidet. Dies würde auch erklären, warum für ihn nur eine Wiese als Gesprächspartner in Frage kommt, für diese hat er sich sozusagen eine Persönlichkeit ausgedacht mit der er nicht in Konflikt geraten könnte da diese die Einzige ist die ihn versteht. Ein weiteres Anzeichen für eine psychische Störung ist sein gestörter Umgang mit Gewalt. Er zertritt die Insekten in seiner Zelle und verstümmelt sie dann zu seinem eigenen Vergnügen. Dies lässt eindeutig auf sadistische Tendenzen bei der Figur zurückführen. Hauptsächlich ist es aber eine Methode für ihn um seine Nerven während des Wartens auf den Wärter, der ihm kurz den Eintritt in die Freiheit gewährt, zu beruhigen. Die Tatsache, dass ein scheinbar langweiliger, ganz flächig betonierter Hof für ihn das Aufregendste an seinem Dasein ist, zeigt, wie belastend der Freiheitsentzug sich auf ihn auswirkt. Dies steht letztendlich außer Frage als er sich am Ende der Geschichte wünscht, ein Fenster zu sein, nur um den Regen zu spüren der ihm, wenn auch nur geringfügig, ein gewisses Gefühl der Freiheit zurückgeben würde.

Meiner Meinung nach ist die Kurzgeschichte "Grenzenlos" ein literarisch brillanter Text, da der Leser, wenn auch in sehr einfacher Sprache, jedoch auf vielschichtige Weise, einen Einblick in die Gefühlswelt der Hauptfigur erhält. Als Lesender wird man jeoch mit einer gewissen Unsicherheit zurückgelassen. Es ist relativ schwer eine persönliche Bindung zu dem Text oder Parallelen zum eigenen Leben zu finden, trotzdem brennt einem die Frage unter den Nägeln ob der Figur je wieder der Wunsch nach Freiheit erfüllt wird.

725 Wörter
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Textinterpretation der Kurzgeschichte "Grenzenlos" von Patrick Kovac. 725 Wörter lang. Auf Aufgabenstellung aufbauend geschrieben. (810 Wörter)
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