Andersch, Alfred - Sansibar oder der letzte Grund
ALFRED ANDERSCH "Sansibar oder der letzte Grund"
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Autor
3. Der Inhalt
4. Geschichtliche Hintergründe
5. Die verschiedenen Personen
6. Der Klosterschüler
7. Die Bedeutung des Titels
8. Die Struktur und der Stil
1. Einleitung
Die Geschichte spielt im Jahre 1937 in der kleinen Hafenstadt Rerik an der Ostseeküste. Zu dieser Zeit waren die Nationalsozialisten, mit Hitler an ihrer Spitze, an der Macht.
2. Der Autor
Der Autor dieses Buches ist Alfred Andersch.
Andersch wurde 1914 in München geboren. 1931 im Alter von 17 Jahren trat er dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) bei. Da Andersch ein Kommunist war und somit ein Gegner des nationalsozialistischen Regimes von Hitler, wurde er als diese 1933 an die Macht kamen verhaftet und in das KZ Dachau gebracht.
Als am Anfang der 40er Jahre der 2. Weltkrieg im Gange war, wurde auch Andersch in die Deutsche Wehrmacht eingezogen. 1944 desertierte er jedoch an der deutschen Front und kam so für ein Jahr in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
1947 gab Andersch zusammen mit Hans Werner Richter die Zeitschrift ,,Der Ruf" heraus. Diese wurde nach der 16. Auflage von der amerikanischen Militärregierung in Bayern verboten.
1955 begann Andersch mit der Niederschrift des Romans Sansibar oder der letzte Grund.
1957 wird dieser veröffentlicht. Die Hauptthemen dieses Romans sind Flucht und Freiheit (geistige Meinungsfreiheit etc.). Weitere Themen sind die Macht des Nationalsozialismus und die Verfolgung der Juden und Kommunisten, so wie die Stellung der Kirche in der Moderne, Kunst zur Zeit des Nationalsozialismus.
Weitere von ihm verfasste Werke sind: Kirschen der Freiheit", "Die Rote", "Fahrerflucht" etc. Für "Sansibar oder der letzte Grund" erhielt Andersch 1958 den Deutschen Kritikerpreis. Andersch starb am 27.2.1980 an Nierenversagen in Berzona in der Schweiz.
3. Der Inhalt
Der Junge, eigentliche Leitfigur des Buches, lebt im verschlafenen Rerik und ist ein begeisterter Huckelberry Finn Leser. Er strebt wie Finn einst, nach der Freiheit und Unabhängigkeit, weshalb er beschließt, aus dem trostlosen Nest an der Küste Deutschlands abzuhauen. Die beste Möglichkeit sieht er darin, zusammen mit Knudsen, auf dessen Schiffkutter er aushilft, in Richtung Schweden auszuwandern. Gleichzeitig findet sich auch eine junge Jüdin, verfolgt von den Nationalsozialisten in Rerik ein. Sie musste sich vor kurzem von ihrer Mutter trennen, die ihr durch ihren Suizid die Entscheidung zur Flucht abnehmen wollte.
Beobachtet vom KPD-Agent Gregor versucht Judith mittels eines schwedischen Dampfers zu fliehen, was ihr aber misslingt. Gregor ahnt die Absichten der jungen Dame und überlegt sich, wie er ihr helfen könnte.
Der einheimische Pfarrer Helander versucht verzweifelt, die heilige Figur des lesenden Klosterschülers vor den Nazis zu retten. Er sieht in Knudsen seine Rettung und bittet diesen, sein Heiligtum in sicheres Gebiet mitzunehmen. Knudsen lehnt ab.
Auch Gregor sucht nun den Kontakt zum KPD-Kontaktmann Knudsen, um diesen zu einer Überfahrt zu überreden. Knudsen lehnt widerum ab. Gregor besinnt sich in Rerik und entschließt sich von der Partei abzusetzen und Judith bei ihrer Flucht zu unterstützen.
Nachdem Gregor Knudsen mit zweifelhaften Argumenten überzeugen konnte, die Figur zu retten, hecken die zwei einen Fluchtplan aus. In der Nacht in der das Vorhaben umgesetzt werden sollte, bringt aber Gregor auch Judith mit, die bisher in Knudsens Vorhaben keinen Platz gefunden hatte.
Gregor verzichtet zu Gunsten von Judith auf den Platz im Boot und bleibt zurück. In Schweden angekommen, bringt Judith den Klosterschüler in Sicherheit. Der Junge türmt vom Boot und glaubt nun seine Berufung gefunden zu haben. Reumütig kehrt er kurz darauf aber zum Boot zurück.
Inzwischen wurde Pfarrer Helander in Rerik von den Nationalsozialisten hingerichtet.
4. Geschichtliche Hintergründe
Situation der Kommunisten in Deutschland (1932-1937)
Gegenüber der Machtübernahme Hitlers 1933 waren die Kommunisten machtlos. Sie waren nicht darauf vorbereitet Widerstand zu leisten. Als im selben Jahr der Berliner Reichstag (Regierungsgebäude) brannte, wurde die Schuld den Kommunisten in die Schuhe geschoben. Es wurden Abgeordnete der KPD verhaftet. Als das Ermächtigungsgesetz verabschiedet wird, welches den Nazis fast unbeschränkte Befugnisse erteilt, ist die KPD schon nicht mehr vertreten.
Situation der Juden in Deutschland bis 1937
Sofort nach der Machtergreifung nahm Hitler die Verwirklichung seines Antisemitischen Programms in Angriff.
Es begann mit dem Boykott jüdischer Geschäfte, Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst und dem Verbot des Besuchens von kulturellen Veranstaltungen. Die Pässe wurden mit einem ,,J" gestempelt.
Es endete schließlich mit der Deportation in die Konzentrationslager und der Ermordung von 6 Mio. Juden.
5. Die verschiedenen Personen
Der Junge ist ein 16-jähriger Einzelgänger, dessen Idol Huckleberry Finn ist. Er arbeitet auf dem Kutter des Fischers Knudsen. Aus den folgenden drei Gründen möchte er endlich von zu Hause weg:
· In Rerik ist nichts los
· Rerik hat seinen Vater getötet
· Hinter der offenen See gibt es Sansibar
Sein Streben nach Freiheit richtet sich in erster Linie gegen die von den Erwachsenen geprägte spießbürgerliche Ordnung. Im Verlaufe der Handlung, die seine Abenteuergeschichte wird, durchlebt er aber einen Reifungsprozess vom pubertierenden Kind zum Jugendlichen, der die Notwendigkeit erkennt, Verantwortung zu übernehmen. Zum einen erkennt er auch, dass in Rerik trotzdem etwas los ist, zum anderen beginnt er die Schwächen des Vaters zu erkennen, und schließlich hat er einen Hauch von Sansibar entdeckt, indem er die offene See überwunden hat. Aus diesen drei Gründen kann er den Gedanken an die Flucht in die schwedischen Wälder aufgeben und mit Knudsen nach Rerik zurückkehren.
Judith stammt aus großbürgerlich jüdischem Elternhaus in Hamburg, ist gebildet, geschmackvoll gekleidet und auf Wunsch der Mutter, die kurz zuvor Selbstmord begangen hat, nach Rerik gekommen, um dort an Bord eines Schiffes zu gehen und Deutschland zu verlassen. Bislang musste sie noch nie alleine Entscheidungen treffen. Für sie ist die Situation in Rerik sehr schwierig. Doch durch die zufällige Begegnung mit Gregor und durch die Flucht wird sie, wie der Junge erwachsen. Ihre kindlich-romantischen Vorstellungen, in einer heilen, geborgenen Welt zu leben, zerbrechen.
Gregor ist ein junger KPD-Funktionär, der gewohnt ist, Parteiaufträge zuverlässig auszuführen. Er wird im Verlauf des Romans zu der Person, die das Verbindungsnetz zu den anderen Personen knüpft und die Handlung vorantreibt. Ursprünglich ist er nach Rerik gekommen um seinen letzten Parteiauftrag zu erledigen, doch als er in der Kirche den lesenden Klosterschüler entdeckt, ändert sich seine Einstellung zur Partei. Seine Unzufriedenheit mit sich selbst weicht einem "wunderbaren Gefühl" einen "Genossen, den freien Leser" gefunden zu haben. Durch die Begegnung mit Helander macht Gregor die Rettung der Plastik zur eigenen Sache. Im Laufe der Aktion "lesender Klosterschüler" und "jüdisches Mädchen" festigt sich seine Haltung, dass nur der selbstkritische handelnde Mensch, der auch das Wohl seiner Mitmenschen vertritt, frei wählen und handeln kann.
Knudsen lebt als Fischer mit seiner geistig behinderten Frau Bertha in Rerik. Weil er kein stummer Fisch sein möchte, der sich hilflos seinem Schicksal ergibt und weil er Angst hat "die Lust am Leben" und die "Lust an der Liebe" zu verlieren, willigt er schlussendlich auch ein, nach Schweden zu fahren. Am Schluss erkennt Knudsen, dass privates Handeln ohne die Partei trotzdem einen Sinn hat, sieht aber in sich nun wie in Gregor einen Deserteur.
Helander ist evangelischer Pfarrer an der Georgenkirche in Rerik. Im Ersten Weltkrieg wurde ihm nach einer Kriegsverletzung ein Bein amputiert. Helanders besonderer Sorge gilt dem "Lesenden Klosterschüler", den "die Anderen" als Beispiel "entarteter Kunst" aus der Kirche entfernen wollen. Er möchte die Plastik, die er nicht so sehr als Kunstwerk, sondern als "Gebrauchtgegenstand" und größtes "Heiligtum seiner Kirche" betrachtet, retten. Da er in Rerik niemandem vertraut, muss er
auf die Hilfe von Gregor und Knudsen hoffen.
6. Der Klosterschüler
Die zentrale Rolle im Roman spielt die Holzskulptur ,,der lesende Klosterschüler". Sie wurde 1930 vom Künstler und Schriftsteller Ernst Barlach erschaffen.
Die Nazis zensierten während ihrer Diktatur diverse Kunst und Literatur. Ab 1936 war für Expressionisten keine freie künstlerische Betätigung mehr möglich. Viele Kunst- und literarische Werke wurden konfisziert und sogar vernichtet.
Es wurde vor allem folgende Kunst konfisziert:
· Werke, die nicht der Ideologie der Nazis entsprach, deren Handlungen in Frage stellte
· Werke, die zum Nachdenken anregte.
· Skulpturen, die nicht originalgetreu waren, so genannte entartete Kunst
· Und natürlich jüdische Kunst und Literatur
Die Skulptur des lesenden Klosterschülers ist gerade deswegen gefährlich, weil sie eben zum Nachdenken anregt. Eine Passage aus dem Buch verdeutlicht dies. Sie soll aufzeigen, was den lesenden Klosterschüler für Pfarrer Helander so wichtig und für die Nazis so gefährlich macht. Sie schildert, wie fasziniert Gregor, beim Treffen mit Knudsen, in der Kirche zum ersten mal die Figur studiert.
Er las aufmerksam. Er las genau. Er las sogar in höchster Konzentration. Aber er las kritisch. Er sah aus, als wisse er jeden Moment, was er da lese. Seine Arme hingen herab, aber sie schienen bereit, jeden Augenblick einen Finger auf den Text zu führen, der zeigen würde: das ist nicht wahr. Das glaube ich nicht. Er ist anders, dachte Gregor, er ist ganz anders. Er sieht aus wie einer der jederzeit das Buch zuklappen kann und aufstehen, um etwas ganz anders zu tun (...)
Gregor vergleicht darin die kritische Art des Klosterschülers mit seiner Haltung gegenüber dem kommunistischen Gedankengut. Er erkennt, wie unkritisch sie damals an der Lenin-Akademie die Texte in sich hineingelesen haben. Dies gibt ihm den endgültigen Ausschlag, die KPD zu verlassen. Er will wieder selbständig denken und handeln.
"Einer, der so las wie der da, war eine Gefahr". Der lesende Klosterschüler verkörpert somit die individuelle, kritische geistige Freiheit, die einen Widerstand gegen jede Art der Gewaltherrschaft bietet.
7. Bedeutung des Titels
Der Titel Sansibar der letzte Grund steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Handlung des Buches. Deshalb fragt man sich leicht, woher dieser Titel stammt. Für den Jungen symbolisiert der Ort Rerik Enge, Abhängigkeit und Eingegrenztheit. Beim Studieren einer Seekarte des Indischen Ozeans sticht ihm Sansibar ins Auge. Sansibar für ihn ein Gegenpol zu Rerik. Sansibar bedeutet für ihn Freiheit, Ferne und Abenteuer. Wenn er nicht aus Rerik ausbrechen kann, wäre dies für ihn eine Misere.
8. Die Struktur und der Stil
Struktur
Das Buch ist ganzheitlich mit kurzen Passagen versehen. Längere Kapitel sind nicht zu finden. So entstanden schlussendlich ganze 37 Kapitel. Auffällig dabei, dass die Kapitel mit der Überschrift "Junge" immer Kursiv gedruckt sind, dies, weil seine Gedanken häufig von der eigentlichen Handlung abschweifen. Die Sätze sind sehr kurz und sachlich gehalten, sie beschränken sich auf das nötigste und sind dennoch immer sehr aussagekräftig.
Die gesamte Geschichte spielt sich innerhalb von 27 Stunden ab (Tag 1 14 Uhr bis Tag 2 17 Uhr). Wenn man bedenkt dass in den meisten Büchern meist jahrelange Zeiträume umschrieben werden, ist dies ein kleines Meisterwerk.
In den ersten 8 Kapiteln werden die 8 Personen vorgestellt. Dabei lässt Andersch die Darsteller häufig einander selbst vorstellen. (Beispiele auf den Seiten: 54, 42/44, 48, 109) In den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Personen zu Gruppen verknüpft, es werden Beziehungen und Konflikte zwischen den Charakteren beschrieben, bevor sich am Schluss die Wege wieder trennen.
Die Figur des Jungen zieht sich wie eine Leitmelodie durch den Text. Durch seine Figur wird man immer wieder zum Leitmotiv, der Freiheit und Unabhängigkeit, zurückgeführt.
Auffällig ist auch der andauernde Konflikt zwischen Gregor und Knudsen der ab Gregors eintreten in die Geschichte bis zum Schluss immer wieder erwähnt wird. (Beispiel auf Seite: 136)
Man wartet während des Lesens ständig auf das Ende, man möchte wissen, ob und wer die Überreise wagen wird. Damit man während des langen Hin- und Herplänkelns in Rerik als Leser nicht einschläft, gibt es aber immer wieder kleinere Spannungs-Höhepunkte (Passkontrolle Judith, Helanders Hinrichtung, Kundsens Gefahr, wenn er so lange im Hafen bleibt etc.)
Stil
Das Buch ist in der Form der "berichtenden Erzählung", in Form der "auktorialen Erzählersituation" geschrieben. Andersch hat im Buch mit dem Jungen einen Erzähler gewählt, dessen Ansichten sich aber nicht mit den seinen überschneiden. Wichtige Werkzeuge dazu sind der innere Monolog und die erlebte Rede. (Bsp. dachte er)
Den Figuren im Buch wurden typische Ausdruckweisen auferlegt. Kundsen ist der grobe Fischer, der sehr barsch und abschüssig spricht. Gregor ist sehr trocken, klar und sachlich. Helander und Judith stellen die gebildeten dar, die sich mit einer gehobenen Sprache zu helfen wissen. Diese Aspekte lassen die Darsteller persönlicher und authentischer (echter) wirken. (Beispiel S. 20 unten)
Inhalt
"Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch
1. Einleitung zum Buch; 2. Der Autor; 3. Der Inhalt; 4. Geschichtliche Hintergründe; 5. Die verschiedenen Personen; 6. Der Klosterschüler; 7. Die Bedeutung des Titels; 8. Die Struktur und der Stil. (1999 Wörter)
1. Einleitung zum Buch; 2. Der Autor; 3. Der Inhalt; 4. Geschichtliche Hintergründe; 5. Die verschiedenen Personen; 6. Der Klosterschüler; 7. Die Bedeutung des Titels; 8. Die Struktur und der Stil. (1999 Wörter)
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