Analyse des Gedichtes "Liebe da Capo" von Mascha Kaleko
Analyse des Gedichtes "Liebe da capo..." von Mascha Kaléko
Das Gedicht "Liebe da capo..." geschrieben 1933 von Mascha Kaléko und publiziert in "Das lyrische Stenogrammheft", verlegt vom Rowohlt-Verlag in 34. Auflage im Jahr 2010 in Hamburg, beschreibt die Gefühle eines lyrischen Ichs, das sich vermutlich kurz nach einer Trennung neu verliebt, obwohl es dies eigentlich (noch) gar nicht wollte.
Das Gedicht wurde in der Epoche der neuen Sachlichkeit verfasst, also während in der Literatur ein desillusioniertes, nüchternes und teilweise skeptisches Verhältnis zur Wirklichkeit herrschte. Die neue Sachlichkeit steht im Kontrast zur vorangegangenen Epoche des Expressionismus, welche eher enthusiastisch und fiktional beeinflusst war. Während der Epoche der neuen Sachlichkeit war man stark um Genauigkeit bemüht, nicht fiktionale Prosa gewann an Bedeutung und die chaotische Welt der Großstadt (z.B. Berlin), sowie politische Themen wurden thematisiert.
Der epochale Zusammenhang des zu analysierenden Gedichtes besteht in der nüchternen Beschreibung der Liebe. Die Liebe wird nicht als etwas Wunderbares beschrieben, sondern als ungewollt ("mein kleines bisschen Ruhe zu zerstören", Strophe 4, Vers 2), gefahrenvoll ("Bereit ich mich zum nächsten Abschied vor", Strophe 5, Vers 4) und unvernünftig ("Wie soll ich denn aber vernünftig bleiben", Strophe 3, Vers 3).
Im Folgenden werde ich den Inhalt des Gedichtes Strophe für Strophe wiedergeben. Dazu ist zunächst anzumerken, dass das lyrische Ich jemand ganz bestimmten anspricht: nämlich den, dem es verfallen ist.
Die erste Strophe beginnt damit, dass die Liebe das lyrische Ich wieder ergriffen hat, obwohl dieses sich gute Vorsätze gemacht hatte, die es nun verliert. Das lyrische Ich hatte sich geschworen, dass selbst wenn der Geliebte aus "Innerafrika" käme, keine Ausnahme zu machen sei.
Dieser Gedanke wird in der zweiten Strophe fortgeführt. Das lyrische Ich betont im ersten Moment noch, dass es mit der Liebe aus und vorbei sei, räumt jedoch im selben Vers noch ein, dass es dafür schon zu spät sei. Das lyrische Ich sitzt bereits in den Netzen, ist also schon von der Liebe "gefangen". Es ist der Meinung, es solle seine Seele nicht weiterhin von dem Geliebten beeinflussen lassen.
In der 3. Strophe stellt sich das lyrische Ich zunächst die Frage, ob es denn nicht wusste, dass es sehr ratsam sei den Angesprochenen mit gut eingeübter Kälte fortzutreiben. Das lyrische Ich ist sich nicht sicher, wie es vernünftig bleiben kann, wenn der Angesprochene ihm doch leider so nett erscheint. Dieser Satz stellt gleichzeitig eine Frage, aber auch einen Vorwurf dar, da am Ende sowohl Fragezeichen als auch Ausrufezeichen verwendet werden.
Mit der 4. Strophe folgen schwere Anschuldigungen dem Geliebten gegenüber. Das lyrische Ich wirft ihm vor, sein bisschen Ruhe zu zerstören und beteuert, dass es so schwer sei das Böse (also die Liebe) abzuwenden. Im letzten Vers gibt das lyrische Ich auf sich zu wehren.
Die letzte Strophe bezieht sich auf die Vergangenheit des lyrischen Ichs, in der es sein Herz bereits verlor und dadurch weiß, dass ein verlorenes Herz nur noch getragene Gefühle erlebt. Die letzten zwei Verse bezeichnen Liebe als Spiel, bei dem es ganz sicher einen Abschied gibt, auf den sich das lyrische Ich vorbereitet.
Betrachtet man die Stimmung des Gedichtes, so fällt auf, dass zwar von Liebe gesprochen wird, jedoch nicht im üblichen Stil. Die Stimmung ist sehr angespannt, das lyrische Ich scheint sich zu ärgern ("Als wäre nichts geschehen, tauchst du nun auf, mein kleines bisschen Ruhe zu zerstören", Strophe 4, Vers 1f). Es herrscht eine gewisse Enttäuschung, da das lyrische Ich seine Vorsätze verloren hat ("Und jeder brave Vorsatz verloren", Strophe 1, Vers 2). Die Stimmung steht im klaren Kontrast zum Thema des Gedichtes: der Liebe. In Strophe 3 scheint die Stimmung für einen kurzen Moment nicht mehr so kühl, da das lyrische Ich einräumt, dass ihm der Geliebte sehr sympathisch ist. Direkt danach folgt jedoch die Strophe 4, in der die Stimmung umschlägt, das lyrische Ich ärgerlich wird und Vorwürfe benennt. Die Stimmung ist also geprägt durch Stimmungsschwankungen und eine Unausgeglichenheit des lyrischen Ichs.
Nun möchte ich die Haltung des lyrischen Ichs betrachten. Es scheint sich nach seiner Trennung, die es als sehr negativ empfunden hat, erneut zu verlieben. Das lyrische Ich versucht sich jedoch dagegen zu wehren, weil es erneut ein schlechtes Ende dieser Liebe fürchtet ("bereit ich mich zum nächsten Abschied vor", Strophe 5, Vers 4). Das lyrische Ich ist vergleichbar mit Mascha Kaléko, da diese sich nach der Trennung von ihrem ersten Mann sehr schnell neu verliebte. Wahrscheinlich war auch Mascha Kaléko sich so kurz nach der Trennung nicht sicher, ob sie die richtige Entscheidung trifft.
Das lyrische Ich scheint von sich selbst enttäuscht, da es die eigenen Vorsätze bricht und die Liebe ("das Böse", Strophe 4, Vers 3) nicht abwehren kann. Es wirkt nicht wie typische frisch Verliebte, sondern eher wie jemand, der genug von der Liebe hat. Trotzdem bleibt weiterhin klar, dass das lyrische Ich sich dessen bewusst ist, dass es keinen Sinn macht sich zu wehren, denn das Herz macht, was es möchte.
Das Gedicht ist in 5 Strophen mit je 4 Versen gegliedert. In den ersten 3 Strophen liegt ein klares Reimschema von abba, also einem umarmenden Reim, vor. Die 4. und 5. Strophe wirken auf das Reimschema bezogen unstrukturiert. In diesen beiden Strophen reimen sich zwar Vers 1 und Vers 4, Vers 2 und Vers 3 bilden jedoch keinen sauberen Reim. Dies könnte zum einen vom Dichter so gewählt sein, weil das lyrische Ich gerade in der 4. Strophe sehr verärgert wirkt. Das nicht richtig vorhandene Reimschema könnte also ausdrücken, dass sich das lyrische Ich nicht mehr richtig unter Kontrolle hat, gerade als es im letzten Vers aufgibt sich zu wehren. Nach dieser Entscheidung wirkt das lyrische Ich wieder etwas besänftigter, jedoch ziemlich melancholisch. Auch hier fehlt die Struktur durch das Reimschema, da das lyrische Ich nun sehr niedergeschlagen wirkt und seinen eigenen Gefühlen als "getragene Gefühle" einordnet, die es nicht kontrollieren kann, die einfach so "getragen" sind, obwohl das lyrische Ich dies gar nicht möchte.
Die Kadenzen des Gedichtes sind sehr unterschiedlich. In der ersten Strophe endet der erste Vers mit einem männlichen Reim, die drei folgenden Reime sind jedoch reich. Es ist auffällig, dass im gesamten Gedicht nur 2 weibliche Reime auftreten ("Netzen", Strophe 2, Vers 2 und "bleiben", Strophe 3, Vers 3). Alle anderen Reime sind entweder männlich oder reich, also sehr kontrastreich. Dies passt wiederum sehr gut zu dem Gedicht, da auch dieses aus dem Kontrast der Liebe als Glücksgefühl und der Liebe als Gefahr und als Plage besteht.
Das Gedicht besitzt kein Metrum.
Im Bezug auf die sprachliche Gestaltung ist zunächst die Überschrift des Gedichtes "Liebe da capo..." zu nennen. Diese beschreibt eine Liebe, die von vorne beginnt. Verwendet wurde genau diese Überschrift vermutlich, weil ein Bezug zu Mascha Kalékos Leben besteht. Denn Mascha Kaléko verliebte sich nach der Ehe mit ihrem ersten Mann in einen Musiker, deshalb wurde der Begriff "da capo" verwendet, der sich normalerweise auf ein Musikstück bezieht.
Des weiteren wird das Gedicht dominiert von negativen Verben ("verloren", Strophe 1, Vers 2; "strafversetzen", Strophe 2, Vers 3; "fortzutreiben", Strophe 3, Vers 2; "zerstören", Strophe 4, Vers 2; "abzuwehren", Strophe 4, Vers 3). Diese werden dazu verwendet, um zu verdeutlichen, dass das lyrische Ich viel mehr die negativen Seiten der Liebe sieht. Die Liebe wird durch die Wortwahl des Gedichtes sehr abgewertet, zum Beispiel in Strophe 5, Vers 4, wo die Liebe als Spiel mit negativen Konsequenzen beschrieben wird. Auch wird die Liebe als "das Böse" (Strophe 4, Vers 3) genannt, wodurch der Eindruck entsteht, dem lyrischen Ich sei ein Unheil geschehen, anstatt etwas Schönes.
Die stilistisch rhetorische Gestaltung des Gedichtes erfolgt unter anderem durch zwei Personifikationen. Die erste Personifikation "Seele strafversetzen" (Strophe 2, Vers 3) beschreibt, dass sich das lyrische Ich wünscht, es können die eigene Seele einfach bestrafen und dem Einfluss des Geliebten entziehen. Dies wäre allerdings nur möglich, wäre die Seele wirklich eine Person, von der sich das lyrische Ich trennen könnte. Die Seele ist jedoch fest im lyrischen Ich verankert und somit schwer beeinflussbar und schon gar nicht einem bestimmten Einfluss zu entziehen.
In Strophe 5, Vers 1f wird das Herz personifiziert ("ein Herz, (...) reist"). Es wird verdeutlicht, dass das Herz etwas ist, das in der Lage ist, sich zu wandeln und sich verschiedenen Menschen zuzuwenden. Es reist von Geliebtem zu Geliebtem und verliert dabei seine getragenen Gefühle gar nicht mehr, so dass es sich in neue Partnerschaften stürzen möchte.
Die letzte Strophe wird durch eine Anapher gestaltet. Beide Sätze dieser Strophe beginnen mit dem Wort "und". Nachdem das lyrische Ich in Strophe 4 aufgegeben hat, möchte es nun noch ergänzen, was es über die Liebe und das Herz weiß. Es zählt dies durch das "und" auf und zeigt, dass es sich der Gefahren des Herzens und der Liebe durchaus bewusst ist, auch wenn es sich dagegen nicht mehr wehrt.
Den Satzteil "Liebe spielen" in Strophe 5, Vers 4 kann man als Metapher sehen, da dies eine bildliche Beschreibung der Liebe ist. Eigentlich hat die Liebe keine richtige Gestalt, jedoch kann man sie sich nun als Spiel vorstellen. Dadurch entsteht ein ganz anderes Bild der Liebe, nämlich die Liebe als etwas, das man gewinnen und verlieren kann. Weitere Interpretationsmöglichkeit wäre das "vorspielen" von Liebe. Außerdem sind Spiele im Normalfall etwas nicht allzu wichtiges, während wir von der Liebe als etwas Lebensnotwendigem sprechen.
Es ist also auch der Ansatz einer Antithese zu erkennen, die sich im gesamten Gedicht widerspiegelt, da die Liebe stets im Kontrast zum eigentlichen Verständnis von Liebe dargestellt wird.
Nun werde ich das Gedicht inhaltlich, formal, sprachlich und stilistisch beurteilen. Inhaltlich ist das Gedicht leicht verständlich, da meistens eine alltägliche Sprache verwendet wird und selten rhetorische Mittel. Die Sprache ist modern gehalten, da das Gedicht aus einer noch ziemlich gegenwartnahen Epoche stammt. Der Kontrast durch die oft negativen Worte, die sich allerdings auf das Thema Liebe beziehen, macht schnell klar, dass es sich nicht um die normalen Gefühle von Liebe handelt. Die Fragen innerhalb des Gedichtes werden sinnvoll eingesetzt und ermöglichen ein leichtes Verständnis der Gefühlslage des lyrischen Ichs. Stilistisch wurden nicht allzu viele rhetorische Mittel verwendet, jedoch sind die Personifikationen dieses Gedichtes ausdrucksstark und notwendig um manche Gedanken des lyrischen Ichs deutlich zu machen.
Thematisch finde ich das Gedicht gut gelungen, denn es ist nötig alle Dinge sowohl von der guten Seite als auch von der schlechten Seite zu betrachten. Jeder weiß, wie schön, aber auch wie verletzend Liebe sein kann, das Gedicht spricht also jeden an. Es warnt davor, alles durch eine rosarote Brille zu sehen und macht nachdenklich. Der thematische Schwerpunkt ist nach wie vor aktuell, denn Liebe gab es immer und wird es auch immer geben. Allerdings ist es wichtig, auch an die schönen Seiten der Liebe zu denken, die im Gedicht leider nicht genannt werden.
Zusammenfassend finde ich, dass das Gedicht einen guten thematischen Schwerpunkt besitzt und die Epoche der neuen Sachlichkeit gut charakterisiert. Der Inhalt ist gehaltvoll und ernst zu nehmen, jedoch ist auch die positive Seite der Liebe zu beachten.
Inhalt
Es handelt sich um eine Analyse des Gedichtes "Liebe da capo" von Mascha Kaleko. Die Analyse wurde während der Oberstufe in einem Zeitraum von 2 Schulstunden als Klausur verfasst. Ich habe einen Deutsch Grundkurs belegt. (1854 Wörter)
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von unbekannt
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Mascha | Kaleko | Liebe da capo | Kaléko | Analyse | Inhaltsangabe | Metrum | Stilmittel | persönliche Meinung
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