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Büchner-Woyzeck: Maries Selbstbildnis?

Frage: Büchner-Woyzeck: Maries Selbstbildnis?
(12 Antworten)


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Müsste man nicht Maries verzweifelten Ausruf: "Das Kind gibt mir einen Stich ins Herz" im Hinblick auf eine wörtlich gemeinte Lesart diskutieren? Immerhin kauft sich Woyzeck in der unmittelbar vorausgehenden Szene überflüssigerweise ein Messer, der Narr äußert in unmittelbarem Zusammenhang dieses Satzes eine Antizipation ("morgen") und die Stimme aus dem Boden fordert Woyzeck auf, Marie zu erstechen.
Kann Büchner dieser Satz quasi unabsichtlich hineingerutscht sein, obwohl er als Metapher nicht wirklich einen Sinn ergibt, denn das (nur) uneheliche Kind kann die Verzweiflung (und auch die rituelle Hinrichtung) nicht begründen. Zudem denkt Woyzeck in der folgenden Szene ausgerechnet an seine Mutter, und zwar keineswegs sentimental. Falls Büchner den Satz unabsichtlich geschrieben hätte, müsste man das zumindest ausführlich plausibel machen, andernfalls stellt er die ganze Woyzeck-Rezeption auf den Kopf.
Frage von Hermeneutiker | am 05.09.2019 - 15:04


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Antwort von matata | 08.09.2019 - 09:37
Mit dieser Auslegung des Woyzeck habe ich wirklich Mühe. Der Autor Milz scheint mir ziemlich festgefahren auf der Schiene, alles und jedes in Büchners Werk auf Sexualität abzuklopfen und daran festzumachen. Man kann den Woyzeck sicher frei interpretieren, weil es ja keine Anleitung von Büchner gibt, wie sein Werk zu verstehen sei. Aber dann müssen die herkömmlichen Interpretationen des Woyzeck auch ihre Berechtigung haben und können genau so gut richtig sein. Was genaues weiß man nicht...


Mit meiner Kritik an Milz bin ich zum Glück nicht allein:

http://www.eckhard-ullrich.de/buecher-buecher/1060-christian-milz-georg-buechner-dichter-spoetter-raetselsteller

https://www.georg-buechner.net/manfred-koch-in-der-nzz/

https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/erotische-obsessionen-revolutionaerer-fleiss-1.18114317

https://literaturkritik.de/id/18434
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Antwort von matata | 05.09.2019 - 15:20
Willst du mit uns deine Auffassung diskutieren? Oder ist das die Lösung einer Aufgabe? Wie lautet diese?
Sollen wir diesen Text korrigieren?
Leider hast du vergessen, uns genauer zu informieren...
Hol das bitte nach im nächsten Antwortfeld.
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Antwort von Hermeneutiker | 05.09.2019 - 16:16
Auffassung trifft es nicht ganz. Der besagte Satz steht wörtlich im Text. Marie identifiziert sich mit der Sonne, Woyzeck seine Mutter auch. Was meint ihr dazu?


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Antwort von matata | 05.09.2019 - 17:25
Kannst du bitte die genaue Textstelle angeben, wo du das gefunden hast? Stammt das aus der ersten oder zweiten Fassung des Woyzeck? Aus welchem Kapitel, aus welcher Szene ?

http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCchner,+Georg/Dramen/Woyzeck

https://gutenberg.spiegel.de/buch/woyzeck-419/1
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Antwort von Hermeneutiker | 05.09.2019 - 18:20
H4 (sogenannte Hauptfassung, lt. Zeno)

Szene 15: ... WOYZECK. Was kost das Messer? ...
Szene 16: MARIE blättert in der Bibel ... Schlägt die Hände zusammen. Herrgott! Herrgott! Ich kann nicht. Herrgott gieb mir nur soviel, daß ich beten kann. Das Kind drängt sich an sie. Das Kind giebt mir einen Stich in`s Herz. Karl! Das brüst sich in der Sonne! NARR liegt und erzählt sich Mährchen an den Fingern. Der hat die golden Kron, der Herr König. Morgen hol` ich der Frau Königin ihr Kind. Blutwurst sagt: komm Leberwurst! Er nimmt das Kind und wird still.
Szene 17: Woyzeck Mei Mutter fühlt nur noch, wenn ihr die Sonn auf die Händ scheint. Das thut nix.

These: Selbstverständlich handelt es sich bei Maries Ausruf um eine Metapher. Sie ist aber sozusagen an den Haaren herbeigezogen, im Gegensatz zu dem wörtlichen Verständnis, das eigens durch den Kontext unterstrichen wird und erst die abgrundtiefe Verzweiflung erklärt. (Und Woyzecks Ausspruch: "Jeder Mensch ist ein Abgrund.)

Warum sollte Woyzeck, der mit dem Leben abgeschlossen hat und logischerweise in der Kontinuität des Mordauftrags der Stimme aus dem Boden steht in Szene 17 plötzlich an seine Mutter denken, wenn es sich dabei nicht um das Opfer handelt und die durch das Stichwort Sonne mit Marie direkt assoziiert wird? Des Weiteren kommt in der Szene H3 das Kind zu Woyzeck, bei dem es allerdings nicht bleibt, wie vorausgesagt holt es sich der Narr:

H3

Szene 2: ... WOYZECK. Bub, Christian ... KARL jauchzend. Hop! hop! Roß! Roß! Läuft mit dem Kind weg.

Ergo: Leberwurst = Kind Christian, Blutwurst = Woyzeck (Bestätigung der Antizipation in H 16)


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Antwort von Hermeneutiker | 08.09.2019 - 08:15
E-Hausaufgaben.de hat mich eben angemailt, ob meine Frage beantwortet wurde und dass ich die besten Antworten auswählen soll. Ich muss dagegen feststellen: Schweigen im Walde. Sind die Experten überfordert? Freilich hilft das Schulwissen hier nicht weiter. Aber ich habe mir das Problem nicht ausgedacht, es existiert eben und manchmal sind Schulbücher auch falsch.


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Antwort von matata | 08.09.2019 - 08:31
Ich weiß es schlicht und einfach nicht, wie diese Stelle auszulegen ist und kann mir auch keinen Reim drauf machen...
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Antwort von Hermeneutiker | 08.09.2019 - 08:39
Dann schau mal hier: www.georg-buechner.net


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Antwort von matata | 08.09.2019 - 09:37
Mit dieser Auslegung des Woyzeck habe ich wirklich Mühe. Der Autor Milz scheint mir ziemlich festgefahren auf der Schiene, alles und jedes in Büchners Werk auf Sexualität abzuklopfen und daran festzumachen. Man kann den Woyzeck sicher frei interpretieren, weil es ja keine Anleitung von Büchner gibt, wie sein Werk zu verstehen sei. Aber dann müssen die herkömmlichen Interpretationen des Woyzeck auch ihre Berechtigung haben und können genau so gut richtig sein. Was genaues weiß man nicht...


Mit meiner Kritik an Milz bin ich zum Glück nicht allein:

http://www.eckhard-ullrich.de/buecher-buecher/1060-christian-milz-georg-buechner-dichter-spoetter-raetselsteller

https://www.georg-buechner.net/manfred-koch-in-der-nzz/

https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/erotische-obsessionen-revolutionaerer-fleiss-1.18114317

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Antwort von Hermeneutiker | 08.09.2019 - 10:20
Nun ja, ein Argument in Bezug auf meine Frage ist das nicht, sondern ein Ausweichen auf andere, die gleichfalls nicht weiter wissen. Ob ich "auf einer Schiene festgefahren" bin oder nicht müsste man argumentativ belegen und zwar nicht durch den Verweis auf Gleichgesinnte, deren Kompetenz völlig unausgewiesen ist. Beispielsweise gibt es in "Germanistik 54" eine Besprechung, in der der Rezensent, ein Professor, meiner Argumentation zustimmt. Mit dem Hinweis auf sogenannte Mehrheitsmeinungen widerlegt man kein Argument. Frei interpretieren kann man ein Werk, solange man seinem expliziten Wortlaut nicht widerspricht. Die Grenzen liegen dort, wo etwas schwarz auf weiß im Text steht. Wischiwaschi kann kein Nachdenken ersetzen, auch wenn es, sogar im Deutschunterricht und auf der Universität üblich ist.
Wenn Büchner im Woyzeck in einem Kontext von metaphorischer Verklammerung mit dem Element "Stich" schreibt, "das Kind gibt mir einen Stich ins Herz", dann hat er das entweder mit einer bestimmten Absicht gemacht, ergo Woyzeck Maries Kind, oder er hat diesen Satz unabsichtlich missverständlich hineingeschrieben, wobei dann immer noch die Option, dass er es unbewusst doch wie oben gemeint hat, offen bliebe. Wenn die Forschung dieses Problem ignoriert, dann ist das ein Defizit, das zu beheben wäre.
Und wer sagt denn, dass Sexualität nicht in jedem von Büchners literarischem Werk (sogar im Hessischen Landboten übrigens) ein Thema ist? Darf Büchner das nicht? Ist es unwahrscheinlich oder verboten?
Aber wenn matata damit zufrieden ist, mit ihrer "Kritik" (die keine ist, sondern eine Vergewisserung einer Gruppenzugehörigkeit) nicht alleine zu sein, dann sei ihr dieses Gefühl gegönnt. Ich persönlich bin lieber allein und habe etwas herausgefunden und etwas zu sagen.


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Antwort von matata | 08.09.2019 - 14:16
Du bist also der Autor des Werkes, das mir Bauchweh bereitet. Ich bin nicht zufriedener deswegen, weil ich der Gruppe angehöre, die dein Werk "kritisiert". Ich sehe es bloß nicht als meine Aufgabe, für dich persönlich eine Werkbesprechung zu machen. Das ist eine Hausaufgabenseite mit anderen Zielen. Werbung für dein Buch gehört zum Beispiel nicht dazu.
Wir haben schon viele Probleme gewälzt rund um Büchners Woyzeck. Aber keine der schulischen Fragestellungen kam auch nur annähernd zu dem Problemkreis, den du angeschnitten hast. Aber Abituraufgaben und auch andere Deutschaufgaben werden nicht von armen Unwissenden erfunden und unters Volk gebracht. Ich billige den Damen und Herren Autoren einigen Sachverstand zu, wenn sie Interpretations- und Erwartungshorizonte für ihre Fragen formulieren.
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Antwort von Hermeneutiker | 08.09.2019 - 14:25
Ich bin selbst Lehrer, und weiß was im Deutschunterricht passiert. Dass keine der schulischen Fragestellungen an den von mir angesprochenen Problemkreis kamen, ist bezeichnend. Die von mir gestellte Frage betrifft kein Detail, sondern den Kern der letzten drei Szenen der sogenannten Hauptfassung, die Stimme aus dem Boden, die als einzige Instanz den Namen des weiblichen Opfers nennt und den Mordkomplex mit seinen rituellen Zügen. Davon abgesehen ist die Büchner-Forschung und - Rezeption kein Ruhmesblatt des Literaturbetriebs. Erstere ist total zerstritten und diskutiert iimmer noch die Mordszene, weil sie nicht zum vermeintlichen Sozialdrama passt. Aber bringe mal einem Lehrer etwas bei oder ändere etwas an dem Schultrott ... Übrigens betrifft das Problem auch Goethes "Erlkönig" und Hauptmanns "Bahnwärter Thiel".


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Antwort von matata | 08.09.2019 - 14:38
Ich habe 40 Jahre lang daran gearbeitet, dass die Schule sich verändert und auch neue Ideen darin Platz haben. Aber die grundlegenden Probleme der Schule löst du nicht mit der Interpretation eines Dramas in diese oder in eine andere Richtung.


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