Brief 16 an Erucius
Plinius (der jüngere)
Buch 1 - Brief 16
lateinisch / deutsch
C. PLINIVS ERVCIO SVO S.
Aniabam Pompeium Saturninum (hunc dico i nostrum) laudabamque eius ingenium, etiam antequam scirem, quam varium, quam flexibile, quam multiplex esset; nunc vero totum ine tenet, habet, possidet. Audivi causas agentem acriter et ardenter nec z minus polite et ornate, sive meditata sive subita proferret. adsunt aptae crebraeque sententiae, gravis et decora constructio, sonantia verba et antiqua. omnia haec mire placent, cum impetu quodam et flumine pervehuntur, placent, si retractentur. senties, quod ego, cum orationes eius in manus sumpseris, quas facile cuilibct veterum, quorum est aemulus, comparabis. ldem tamen in historia magis satisfaciet vel brevitate vel luce vel suavitate vel splendore etiam et sublimitate narrandi. nam in contionibus eadem quae in orationibus vis est, pressior tantum et circumscriptior et adductior. Praeterea facit versus, qualis Catullus aut Calvus, re vera qualis Catullus aut Calvus. quantum illis leporis, dulcedinis, amaritudinis, amoris! inserit sane, sed data opera, mollibus levibusque duriusculos quosdam, et hoc quasi Catullus aut Calvus. Legit mihi nuper epistulas; uxoris esse dicebat: Plautum vel Terentium metro solutum legi credidi. quae sive uxoris sunt, ut adfirmat, sive ipsius, ut negat, pari gloria dignus, qui aut illa componat aut uxorein, quam virginem accepit, tam doctam politamque reddiderit. Est ergo mecum per diem totum; eundern, antequam scribam, eundem, cum scripsi, eundem etiam, cum remittor, non tamquam eundem lego. quod te quoque ut facias et hortor et monco. neque enim debet operibus eius obesse, quod vivit. an, si inter cos, quos numquam vidimus, floruisset, non solum libros eius, verum etiam imagines conquirerernus, eiusdem nunc honor praesentis et gratia quasi satietate languescit? at hoc pravum malignumque est, non admirari hominem admiratione dignissirnurn, quia videre, adloqui, audire, complecti nec laudare tanturn, veruin etiam amare contioit. Vale.
Pompcius Saturninus - ich meine unsern gemeinsamen Freund liebte ich und pries sein Talent schon, ehe ich wußte, wie vielseitig, wie schmiegsam, wie anpassungsfähig es ist; jetzt aber hält, hat und besitzt er mich ganz. Ich habe ihn plädieren hören, hitzig und leidenschaftlich, dabei aber doch geschmackvoll und anziehend, mochte er wohlvorbereitet oder aus dem Stegreif sprechen. Ein reicher Schatz an treffenden Sentenzen steht ihm zu Gebote, ein wuchtiger, ansprechender Satzbau, klangvolle, altertümliche Worte. All das macht riesigen Eindruck, wenn es wie ein reißender Strom daherbraust, macht Eindruck, wenn man es wieder vornimmt. Du wirst dieselbe Ernpfindung haben wie ich, wenn Du seine Reden zur Hand nimmst, die Du ohne weiteres jedem beliebigen Klassiker, in denen er sein Vorbild sieht, an die Seite stellen wirst. Als Geschichtsschreiber wird er Dich allerdings noch mehr befriedigen durch die Gedrängtheit und Klarheit, die Anmut, den Glanz und die Erhabenheit seiner Darstellung. Denn die eingelegten Reden weisen dieselbe Kraft auf wie seine Gerichtsreden, nur knapper, abgerundeter, beherrschter. Aber er macht auch Verse wie Catull oder Calvus, jawohl, wie Catull oder Calvus 1 Welche Anmut, Süße, Herbheit, Leidenschaft steckt in ihnen! Ab und zu streut er ganz bewußt unter die geschrneidigen, leicht dahinfließenden Verse ein paar härtere, auch dies wie Catull oder Calvus. Kürzlich hat er mir Briefe vorgelesen, angeblich von seiner Frau; ich glaubte, Plautus oder Terenz in Prosa zu hören. Mögen sie nun wirklich von seiner Frau sein, wie er behauptet, oder von ihm selbst, was er bestreitet, auf jeden Fall verdient er Anerkennung, entweder weil er selbst so etwas zustande bringt, oder weil er seiner Frau, die er als ganz junges Mädchen heirngeführt hat, zu solch feiner Bildung verholfen hat. Ich habe ihn also den ganzen Tag bei mir; ihn lese ich, ehe ich mich an den Schreibtisch setze, wieder ihn, wenn ich mein Pensum erledigt habe, ebenso, wenn ich ausspanne, und doch erscheint er mir immer wieder neu. Ich rate Dir dringend, auch Du solltest es so machen. Denn es darf doch seinen Schöpfungen keinen Abbruch tun, daß er noch lebt. Oder ist es so, daß wir, wäre er unter denen hervorgetretcn, die wir nie gesehen haben, nach seinen Schriften, ja, nach Bildnissen von ihm suchen würden, jetzt aber, wo er leibhaftig unter uns ist, sozusagen aus Blasiertheit Dank und Ehre erkalten! Das ist doch nichts weiter als Bosheit und Übelwollen, einen Mann nicht zu bewundern, der höchste Bewunderung verdient, nur weil es uns vergönnt ist, ihn zu sehen, anzusprechen, zu hören, zu umarmen und nicht nur zu loben, sondern auch zu lieben! Leb' wohl!
Inhalt
Brief 16 an Erucius - Lateinischer Orginaltext und Deutsche Übersetzung (723 Wörter)
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