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Interpretation zu "Lesebuchgeschichten" von Wolfgang Borchert

Alles zu Wolfgang Borchert  - Lesebuchgeschichten

Interpretationsaufsatz


„Lesebuchgeschichten“, Wolfgang Borchert
Wolfgang Borchert ist einer der bedeutendsten Autoren der Nachkriegsliteratur. Als er am 20.November 1947 in Basel stirbt, hinterlässt er ein Gesamtwerk, das als vergleichsweise klein zu bezeichnen ist.
Zu den Erzählungen, die der Nachwelt erhalten bleiben, zählt auch die Erzählung: „Lesebuchgeschichten“. Sie beinhaltet verschiedene kleine Episoden ohne Überschriften, die zwar nicht direkt zusammenhängen, sich aber dennoch mit dem Krieg als solches, bzw. dem II. Weltkrieg beschäftigen.
Ich möchte mich in dieser Ausarbeitung jedoch nur mit einer dieser Episoden befassen. Im Folgenden möchte ich also beweisen, dass sich der Autor eindeutig auf die Verblendung, unfassbare Begeisterung und Leichtfertigkeit der Zivilbevölkerung im II. Weltkrieg bezieht.
Borchert beschreibt das Gespräch zweier Männer auf einer Kegelbahn. Der Leser erfährt aus der Sicht eines neutralen Erzählers von der Verabschiedung junger Männer „an die Front“ (Z.: 3), die von einem der beiden, einem Studienrat, begleitet wurde. Der Studienrat berichtet wenn auch in knappen Sätzen, so doch sehr ergriffen von der Feier. Dies jedoch ruft die Abscheu des anderen der beiden Männer hervor, von dessen Identität der Leser aber nichts erfährt. Zum Schluss beschreibt der Autor den gelungenen Kegelwurf des Studienrats.
Die Erzählung stellt einen typischen Prosatext Borcherts dar, der bis auf Punkt und Komma gänzlich auf Satzzeichen verzichtet. Der Text ist in drei Abschnitte geteilt: eine Situationsbeschreibung (Zeile: 1), eine elliptische Rede (Zeile: 2-8), eine abschließende Beschreibung der Emotionen der Beteiligten aus Sicht des Erzählers (Zeile: 9-13).
Die einleitende Situationsbeschreibung enthält außer ihrer Kürze keinerlei Besonderheiten in sprachlicher bzw. erzählerischer Form. In den folgenden Zeilen befasst sich Borchert allerdings mit dem genannten Geschehen. Auf die Frage des Unbekannten an den Studienrat: „[…] dunklen Anzug an. Trauerfall […]“ (Z.:2) antwortet dieser: „[…] keineswegs. Feier gehabt. Jungens gehn an die Front.“ (Z.:3). Der Autor bezieht sich mit dieser Allegorie auf die Diskrepanz zwischen der feierlichen Form der Verabschiedung und der Grausamkeit des Krieges. Denn: Schwarz ist die Farbe der Trauer – und nicht der Freude. Für Wolfgang Borchert scheinen die Jungen mit ihren Lehrern ihre eigene Beerdigung gefeiert zu haben. Denn als unerfahrene, jugendliche Soldaten dürften sie wohl mehr dem Tod geweihtes „Kanonenfutter“ darstellen als siegreich heimkehrende Soldaten. Auch die guten und von Glanz und Gloria erfüllten Worte des Studienrats können daran nichts ändern. Der Autor beschreibt in Zeile drei und vier den Inhalt der Rede des Studienrates. Dieser berichtet stolz: „Sparta erinnert. Clausewitz zitiert. Paar Begriffe mitgegeben: Ehre, Vaterland, Hölderlin lesen lassen. Langemarck gedacht.“ (Z.:4-5) Die Periphrase des „Langemarck gedacht“ (Z.:5) weißt dabei auf den Zeitpunkt der Unterhaltung, nämlich den II. Weltkrieg hin. Langemarck stellt eine der größten Schlachten des I. Weltkrieges dar, ihr wurde aber erst nach Beendigung des ersten Weltkrieges gedacht. Nach der Einbeziehung der Lebensdaten Borcherts kommt man also zum Schluss, dass sich das Gespräch während des II. Weltkrieges abspielt. Die Figur des Studienrates tritt hier als sehr selbstbewusst auf und ist von ihrem guten Beitrag zum Krieg – und dem Endsieg – überzeugt. Man muss sich aber fragen, ob die vielgebrauchten Begriffe: Gott, Ehre, Vaterland den Soldaten im Schützengraben helfen. Veteranen verneinen dies, und beschreiben den Krieg als Überlebenskampf auf dessen Schlachtfeldern niemanden solche Begriffe interessieren. Aber dennoch: die Jugend, von der Hitler einmal meinte: „Die […] Jugend ist zäh wie Leder, verbissen wie Wüstenhunde und hart wie Kruppstahl.“ lässt sich immer wieder im Laufe der Geschichte mit solchen Begriffen ködern. Es ist die Verharmlosung des Krieges mithilfe einer romantischen Verklärung, auf die Borchert hinweisen will. Borchert weißt darauf eindeutig mit der Allegorie des: „Hölderlin lesen lassen.“ hin. Hölderlin, der als vaterländischer und schwärmerisch-frommer Schriftsteller beschrieben wird, lässt unzweifelhaft ein Bild in den Köpfen der Jungen entstehen, was mit der blutigen und harten Realität sicherlich wenig gemeinsam hat.
Im dritten Teil der Erzählung wird abermals die Verblendung des Studienrates deutlich, der den Unbekannten nach dessen Einwurf: „Mein Gott Studienrat, hören Sie auf. Das ist ja grässlich.“ (Z.:8), „entsetzt“ (Z.:9)anblickt. Er scheint die Abscheu des anderen nicht zu begreifen. Es wirkt unsicher, als er aufsteht „und lacht(e)“ (Z.:11). Der Autor nimmt im dritten Teil der Erzählung noch ein letztes Mal bezug auf das Schicksal der „Jungens“ (Z.:3). Der Studienrat steht, nachdem er auf das Papier „lauter kleine Kreuze“ (Z.:10) gemacht hat, lachend auf. Er nimmt „eine neue Kugel“ (Z.:11) und wirft. „Es donnerte leise. Dann stürzten hinten die Kegel. Sie sahen aus wie kleine Männer.“ (Z.:12-13) Borchert macht mit dieser Allegorie noch einmal die Schuld des Studienrates deutlich. Des Weiteren zeigt er auch auf, dass für die Generalität alle Soldaten gleich sind. Denn sieht man den Studienrat hier als Stratege an, der die „Kugel“ (Z.: 11) über die Bahn rollen bzw. das Kampfgetümmel ins rollen bringt, so sind es für den General immer die namenlosen Soldaten, und nicht er, die von der „Kugel“ getroffen und dadurch verletzt oder gar getötet werden. Er, der General ist sicher. Für ihn sind es ein paar Tote – „[…] lauter kleine Kreuze […]“ (Z.:10) – mehr oder auch weniger.
Am Ende der Geschichte ist der Leser geneigt die Personen bestimmten Bevölkerungsteilen, oder auch Schichten zuzuordnen. Der Studienrat verkörpert dabei die vom Krieg begeisterte Menge der Daheimgebliebenen, die Unwissend und fanatisch der Verblendung verfällt. Der Unbekannte scheint auf Grund seiner Ablehnung bzw. Abscheu zum Gesagten des Studienrates über di Grausamkeiten informiert zu sein. Er gehört zu der wissenden Menge, die aber dennoch nichts unternimmt. Sie legt nur einen kurzen, verbalen Widerspruch ein. Der Unbekannte verhindert nicht dass noch weitere Kegel fallen.
Diese Kurzgeschichte hat – auch nach rund 50 Jahren der Veröffentlichung – eine sich beim Leser einschneidende Prägnanz. Es ist nicht nur die kurze, elliptische Sprache Borcherts.
Es ist auch die Aktualität. Borchert schrieb diese und andere Erzählungen kurz nach dem II. Weltkrieg. Seitdem gab, oder gibt es ca. 110 kriegerische Konflikte auf der Welt. Oft genug war und ist es die Jugend, die sich dafür bereitwillig ködern lässt.
„Aber stell dir vor: Es ist Krieg und niemand geht hin!“
Wörter: 968
Markus Thormann
Inhalt
Analyse und Interpretation 1 Lesebuchgeschichte von Wolfgang Borchert. Wörter:968, Note:13P (980 Wörter)
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