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Interpretation: F. Hebbel:"Maria Magdalena"(1843), bürgerliches Trauerspiel

Alles zu Friedrich Hebbel  - Maria Magdalena

Interpretation von "Maria Magdalena" (1843) von Hebbel



Ein Beziehungsstreit ist dank vieler Daily-Soaps und realer Beziehungsprobleme auch im 21. Jahrhundert ein aktuelles Thema; erst kürzlich kam in meiner Familie eine verheimlichte Affäre ans Licht, welche die Scheidung nach mehr als 10 Jahren Ehe mit sich brachte. Eine Trennung ist für alle Beteiligten eine schwierige Zeit und nicht selten versuchen die Eltern, ihren Kindern möglichst wenig Schaden zuzufügen.

In dem bürgerlichen TrauerspielMaria Magdalena“ (1843) von Friedrich Hebel (1813 - 1863) wird im gegebenen Auszug der zweiten Szene des dritten Aktes jedoch deutlich, dass in diesem Fall die Rollen umgedreht sind. Die Tochter des Tischlermeisters Anton, mit Namen Klara, war mit Leonhard liiert, von welchem sie ein Kind erwartet. Jedoch ist Klaras Bruder dem Juwelendiebstahls bezichtigt worden, weswegen Leonhard nun von einer Hochzeit absehen will. Es wird zu Anfang deutlich, dass Leonhard Klara einen Brief geschrieben hat, in dem er ihr alles erklären wollte. Das Gespräch der beiden beginnt damit, dass sie ihn auffordert, diesen Brief erneut zu lesen. Daraufhin erklärt er ihr ihre Lage, indem er ihr deutlich macht, dass ein Mann von einer scheinbar angesehenen sozialen Stellung wie er nicht in eine Familie einharten könne, zu der ein Verbrecher gehört. Klara macht ihm daraufhin deutlich, dass sie als Tochter eines alten Mannes vor ihm steht und nicht als die Schwester eines Verklagten. Sie fordert ihn des Weiteren auf, sie zu heiraten, da ihr Vater sich sonst die Kehle durchschneiden würde. Leonhard versucht sie zu beschwichtigen, doch Klara lässt sich nicht von ihrer Meinung abbringen. Sie fordert ihn weiterhin auf, sie zu heiraten, woraufhin er sie fragt, ob sie ihn lieben würde. Sie soll ihm ihre vollkommene Liebe schwören, was sie beantwortet, indem sie sagt, er solle nie erfahren, ob das der Fall sei. Stattdessen zählt Klara auf, was sie alles für ihn tun würde, dass sie sich ihm vollkommen unterordnen würde, auch wenn das ihren Tod bedeuten sollte. Leonhard antwortet daraufhin knapp, dass es sie nicht enttäuschen würde, wenn er trotzdem nein sagen würde. Sie erklärt ihm, warum sie lieber sterben würde, als ihrem Vater von der geplatzten Hochzeit zu erzählen. Schlussfolgend gibt Leonhard Klara zu verstehen, sie sei nicht die Einzige, die eine solche Situation durchmachen muss, und dass sich ihr Vater schon wieder einkriegen würde. Den letzten Satz in diesem Gespräch hat Klara, als sie entgegnet, sie glaube gern, dass er sie nicht verstehen würde.

Das Gespräch zwischen Klara und Leonhard ist in der ersten Hälfte symmetrisch, denn beide haben ungefähr die gleichen Redeanteile. Ab Zeile 27 verläuft es dann jedoch asymmetrisch; Klara hat viel größere Redeanteile als Leonhard und sagt viel mehr am Stück, während er nur einmal mehrere Sätze hintereinander sagt. Während des ersten großen Redeanteils Klaras finden sich viele Wiederholungen der Worte „ich will“ (Vgl. Z. 28, 29, 30, 35, 37) an Anfängen von einzelnen Teilen der Sätze, die sowohl als Aufzählung, als auch als Alliteration gewertet werden können. Des Weiteren finden wir eine Inversion in Zeile 13: „Und du willst?“ Zudem ist das von Klara häufig verwendete „Heirate mich“ eine Ellipse. Leonhard sagt in Zeile 18, dass Hand und Hals nahe Vettern seien, die einander nichts zu Leide tun, was eine Personifikation darstellt. Ebenfalls Leonhard stellt eine rhetorische Frage an Klara: „Ein Mensch, von dem du dies alles erwartest, überrascht dich doch nicht, wenn er nein sagt?“ (Z. 43-44) Klara verwendet gern Hyperbeln, um ihr Anliegen zu verdeutlichen und ihre Lage zu dramatisieren. Eine Hyperbel findet sich in Zeile 14 und 15: „Mein Vater schneidet sich die Kehle ab, wenn ich-``. Im Allgemeinen werden die Anliegen beider Gesprächspartner durch ihre jeweilige Art zu sprechen sehr deutlich. Es wird auch klar, dass diese Diskussion keinesfalls die erste Unterhaltung zwischen den beiden jungen Menschen war. Und doch ist diese Szene sehr wichtig, da sowohl Klara, als auch Leonhard Klartext sprechen und ihre jeweilige Meinung klar vertreten und auch verteidigen.

Die Beziehung beider war deutlich ein intimeres Verhältnis; ein Beweis dafür ist Klaras Schwangerschaft, ein weiterer die ursprünglich geplante Hochzeit. Jedoch haben beide verschiedene Ansichten hinsichtlich des weiteren Verlaufs ihrer Verbindung: während Leonhard schon fast mit der Sache abgeschlossen zu haben scheint (Vgl. Z. 3-5), versucht Klara auch noch mit aller Macht, Leonhard zu einer Hochzeit zu bringen: „Mein Vater schneidet sich die Kehle durch, wenn ich - heirate mich! (…) Er hats geschworen - heirate mich“ (Z. 14 - 15 und 20). Im Verlauf dieses Gesprächs zeichnet sich Klara als eine dickköpfige, aber verzweifelte Person aus, die alles dafür tun würde, um an ihr Ziel zu kommen: „Ich will dir dienen, ich will für dich arbeiten, ich will mich selbst ernähren, ich will bei Nachtzeit nähen (…), ich will lieber in meinen eigenen Arm hineinbeißen, als zu meinem Vater gehen“ (Z. 28-31). Sie will sich vollkommen aufopfern, um ihren Vater davon abzuhalten, sich selbst etwas anzutun. Klara versucht, bei Leonhard Mitleid für sich und ihren Vater zu erwecken, welcher nach der Anschuldigung ihres Bruders keinen weiteren Schlag verkraften könnte: „nur als Tochter eines alten Mannes, der mir das Leben gegeben hat, stehe ich hier!“ (Z. 12). Ihre Aussage: „ob ich dich liebe, ob ich dich nicht liebe,, nie sollst du es erfahren!“ (Z. 27-28) macht deutlich, dass sie außer einer Hochzeit mit Leonhard keinen anderen Ausweg mehr zu sehen scheint, denn das ist es, was sie unbedingt will, ungeachtet jeder Gefühle: eine sichere Umgebung. Daraus lässt schließen, dass Klara nicht viel Auswahlmöglichkeiten hat, was die Wahl eines Ehemanns angeht. Sie scheint also aus keiner höheren Schicht zu kommen, sondern eher aus der Mittelschicht - einer sozialen Umgebung, in welcher es im 19. Jahrhundert verschrien war, ein Kind zu bekommen, ohne geheiratet zu haben. Ihre Verzweiflung rührt als vielleicht auch aus ihrer Angst, gesellschaftlich ausgestoßen zu werden; sowohl von ihrem Vater als auch von der Gesellschaft.

Klara macht sich also Gedanken darüber, was andere Leute von ihr halten. Ebenso scheint sie sich Sorgen um ihre Familie zu machen, besonders um ihren Vater. Sie will im Gegensatz zu ihrem Bruder, über den man nicht gern zu sprechen scheint (Vgl. Z. 4-5), für ihren Vater die perfekte Tochter sein, bei der alles klappt; Familie, Ehe, und so weiter. In Leonhard hat sie vielleicht ihre Möglichkeit gesehen, mehr Ansehen von ihrem Vater zu bekommen, denn Töchter standen zu dieser Zeit eher an zweiter Stelle nach den Söhnen. Sie ist so konzentriert darauf, Leonhard zu einer Hochzeit zu bewegen, dass sie nicht auf ihre - oder seine - Gefühle zu achten scheint. Ihr geht es vielmehr um die Heirat, den guten Schein. Denn selbst, wenn sie noch lange danach leben würde, so solle Leonhard ihr Gift kaufen „und stells hin, als obs für deine Ratten wäre, ich wills, auch daß du auch nur zu zwinkern brauchst, nehmen und im Sterben zu den Nachbarn sagen, ich hätts für zerstoßenen Zucker gehalten!“ (Z. 40-42)

Im Gegensatz zu Klara geht es Leonhard nicht nur um den (kurzen) guten Schein einer Hochzeit. Ihm sind Gefühle wichtig: „Kannst du schwören daß du mich (…) so liebst, wie ein Mädchen den Mann lieben muß, der sich auf ewig mit ihr verbinden soll?“ (Z. 25 und 26). Zwar scheint er auch um seine Stellung zu fürchten: „Wie kann ein Mann, dem die öffentlichen Gelder anvertraut sind, in eine Familie einheiraten, zu der (…) dein Bruder gehört?“ (Z. 3 und 4), doch er wäre bereit, eine Lösung für diese Lage zu finden, jedoch nur, wenn Klaras Herz sie leiten würde. Somit zeigt sich Leonhard als clever und weltgewandter als Klara, welche sich durch ihre Oberflächlichkeit und Sturheit auszeichnet. Leonhard macht auch deutlich, dass er sich auch um Klara kümmert, falls beide nicht heiraten sollten: „Mach dir keine Gedanken!“ (Z. 18 - 19). Demnach scheint er alles immer genauestens zu überlegen und eine diplomatische Lösung finden zu wollen. Klara hingegen hat sich auf eine Lösung versteift und ist nicht bereit, Kompromisse einzugehen: „O, ich glaubs gern, daß du nicht begreifst“ (Z. 60). Leonhard hingegen bleibt stets sehr realistisch und auf dem Boden der Tatsachen: „Tausende haben das vor dir durchgemacht“ (Z. 53-54). Er wirkt im Allgemeinen erwachsener und vernünftiger als Klara, welche zum Ende hin sogar noch schnippisch reagiert (Vgl. Z. 60 und 61).

Das Gespräch bringt nicht die von Klara erhoffte Einigung auf eine baldige Hochzeit, sondern verläuft vielmehr ins Leere, was nicht zuletzt an Klaras Sturheit liegen mag. Nachdem Leonhard versucht hat, sie ein letztes Mal zu beruhigen, weist Klara ihn jedoch eingeschnappt ab und das Gespräch, welches auf eine Einigung hinauslief und in einem Streit endete, ist beendet. Beide Gesprächspartner haben ihren Standpunkt vertreten und alles in ihrer Macht stehende versucht zu nutzen, um ihr Ziel zu erreichen. Klara zugegebenermaßen mehr als Leonhard. Was beide erreicht habe, ist jedoch fern von jeglichem Glück, sondern nur ein weiterer Konfliktpunkt.

Der genaue Ausgang dieses Gespräches, bzw. der ganzen Beziehung wird nicht weiter ausgeleuchtet. Jedoch ist aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein bürgerliches Trauerspiel handelt, nicht von einem glücklichen Ende auszugehen.
Inhalt
Aufgabenstellung: Interpretieren Sie den folgenden Textauszug. Bearbeiten Sie dabei folgende Aufgaben: 1. Analysieren Sie das Gesprächsverhalten. 2. Charakterisieren Sie die Figuren, vor allem Klara, und deren Beziehung.

Textauszug: dritter Akt. zweite Szene. (1548 Wörter)
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von chrn29
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