Facharbeit: Victoriasee
Mitte der 50er Jahre wurde im afrikanischen Viktoriasee der Nilbarsch (lates niloticus) ausgesetzt. Er sollte als Speisefisch der Fischereiwirtschaft zu Aufschwung verhelfen und als Nahrungsquelle für die heimische Bevölkerung dienen. In weniger als 40 Jahren hat der Nilbarsch jedoch seine Population dermaßen vergrößert, dass er die ungeheure Vielfalt der heimischen Buntbarscharten aus dem See verdrängt und das ökologische Gleichgewicht des Viktoriasees unwiderruflich gestört hat.
1. Allgemeine Informationen zum Viktoriasee
Der Viktoriasee liegt im Osten Afrikas und ist mit 68.800 km² der zweitgrößte Süßwassersee weltweit. Trotz seiner Größe ist er mit einer maximalen Tiefe von 84 m und durchschnittlich 40 m sehr flach. Mit seinem Nordufer grenzt der See an den Äquator. Aufgrund dieser tropischen Lage beträgt die Wassertemperatur ganzjährig zwischen 23,5 und 29,0°C.
Die drei angrenzenden Staaten Kenia, Uganda und Tansania zählen den Viktoriasee zu ihrem Staatsgebiet, wobei 6% an Kenia, 45% an Uganda und 49% an Tansania fallen. Der Viktoriasee wurde 1858 von dem britischen Forscher John Speke entdeckt, der auf der Suche nach dem Ursprung des Nils war. Der See hat mehrere Zuflüsse, jedoch als einzigen Abfluss den Nil.
2. Die Bewohner des Viktoriasees
Der Viktoriasee war schon sehr früh unter Forschern als ein See mit unglaublicher Artenvielfalt bekannt. Die Fischfauna des Sees wird von den Cichliden (Buntbarsche) dominiert, vor allem von der artenreichen Gattung Haplochromis. Diese Fische sind den Einheimischen als Furu bekannt, wobei nicht in Arten unterschieden wird. Die Radiationen der Cichliden sind im Vergleich zu denen der Darwin-Finken ein wahres Wunderwerk der Natur. Das Alter des Viktoriasees wird auf ca. 25.000 - 30.000 Jahre datiert. Dies zeigt auch die unheimlich kurze Zeitspanne, in der sich die Cichliden zu dieser Artenvielfalt entwickelt haben.
Die Cichliden werden häufig aufgrund ihrer Nahrung klassifiziert. Sie besetzen alle erdenklichen Nischen, die dieser See zu bieten hat:
Schlammschnapper ernähren sich von organischem Abfall vom Grunde des Sees und von Kiesel- und Blaualgen. Sie kommen in einer Tiefe von zwei bis über dreißig Meter vor.
Algenfresser schaben Algen von Felsen ab. Sie leben an der Felsküste oder in der Nähe von Felsinseln.
Zooplanktonfresser leben in allen Wasserschichten und im offenen Wasser.
des Weiteren gibt es Schneckensprenger, Insektenfresser, Schuppenfresser Garnelenfresser, Fischfresser und Pädophage (Brutfresser).
Insgesamt sind ca. 400 Arten bekannt, einige davon sind jedoch noch nicht beschrieben.
Pundamilia nyererei Haplochromis chilotes Haplochromis nigricans
3. Der Nilbarsch verändert die Ökologie des Viktoriasees
1954 wurde der Nilbarsch (lates niloticus) aus dem Albertsee von einem Beamten der kenianischen Fischereibehörde in den Viktoriasee ausgesetzt. Dieser Fisch war ursprünglich nicht in diesem See heimisch. Aufgrund seines enormen Gewichts von bis zu 200 kg und seiner Verwendung als Speisefisch wurde der Nilbarsch zur Verbesserung der Wirtschaft eingeführt. Gleichzeitig sollte die Versorgung der Bevölkerung gesichert sein, welche sich bisher vom Fang der kleinen und weniger schmackhaften Furu ernährte.
Die Bevölkerung zeigte sich begeistert über die Aussichten auf eine starke Fischproduktion, dachte jedoch nicht daran, dass diese hohe Produktion nur von kurzer Dauer sein könnte. Viele Ökologen und Forscher protestierten gegen den Nilbarsch und wiesen auf mögliche Folgen für die heimische Fauna hin – jedoch ohne Erfolg. Zwischen 1954 und 1962 wurden an verschiedenen Stellen in Uganda, Kenia und Tansania Nilbarsche in den Viktoriasee eingeführt.
Tijs Goldschmidt äußert sich in seinem Buch „Darwins Traumsee“ über diesen Vorgang wie folgt: „Jedes Mal wenn ich daran denke, bin ich erneut erschüttert, dass für die völlige Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts des größten tropischen Sees der Welt nicht mehr als ein Mann mit einem Eimer erforderlich war.“ (S. 260)
Mit dem Einsetzen des Nilbarsches ging die Zahl der einheimischen Barscharten schlagartig zurück. Ohne natürliche Fressfeinde und einem großen Nahrungsangebot konnte sich der Nilbarsch rasch ausbreiten. Die daraus resultierende Menge an Nilbarschen führte zu einem Massensterben unter der Haplochromis – Population. Besonders bedroht sind die Arten, die nur in einem ganz bestimmten Teil des Viktoriasees vorkommen. Aufgrund dieser räumlichen Begrenzung sind sie der größten Gefahr der Ausrottung ausgesetzt.
Im offenen Wasser verschwanden die Fischfresser als erstes, jedoch folgten Schneckensprenger, Insektenfresser und Schlammschnapper. Die Zooplanktonfresser konnten sich am längsten behaupten. 93% der Arten, die im offenen Wasser leben, sind mittlerweile verschwunden. An seichteren Stellen sind noch ungefähr 30% der Arten anzutreffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich hier die Furu besser an der Felsküste verstecken konnten oder der Nilbarsch in die ganz flachen Seeabschnitte und den Uferbereich weniger vordrang.
Innerhalb weniger Jahre, d.h. innerhalb einiger Furu – Generationen, starben fast alle Arten im offenen Gewässer aus. Diese kurze Zeitspanne und der hohe Selektionsdruck des Nilbarsches ließen keine evolutionären Veränderungen zu, d.h. eine Anpassung an die neuen Umstände war nicht möglich.
Durch die Ausrottung der Algen- und Pflanzenfressenden Furu kam es zusätzlich zu einem starken Anstieg des Algenwachstums und vermehrtem organischen Abfall (Detritis), der sich am Grunde des Sees ablagerte. Dadurch gelangte weniger Sauerstoff in die tiefen Wasserschichten, wodurch sich ein eutrophes Milieu bildete und die hier lebenden Barscharten in höhere Wasserschichten ausweichen mussten. Mittlerweile ist dieser Prozess soweit fortgeschritten, dass ab einer Wassertiefe von 30 Metern kein Fisch mehr leben kann.
4. Heutiger Fischbestand
Mitte der 80er Jahre bestand mehr als 80% der Fischbiomasse im kenianischen Nyanzagolf aus Nilbarsch. In anderen Teilen des Viktoriasees sah die Bilanz nicht viel besser aus. Wenn der Räuber an der Spitze der Nahrungspyramide die größte Biomasse darstellt, muss das irgendwann unweigerlich dazu führen, dass die Population zusammenbricht. Jedoch kam eine neue Energiequelle zum Vorschein,
an die kein Forscher oder Biologe gedacht hatte. Nachdem die Garnelen fressenden Furu vom Nilbarsch ausgerottet worden waren, nahm die Anzahl der Garnelen (Caridina nilotica) explosionsartig zu. So musste der Räuber nur seine Nahrungsquelle ändern, um weiterhin zu überleben. Nach dem starken Rückgang der Furu ist die Garnele zur wichtigsten Beute geworden.
Neben dem Nilbarsch wurde in den 50er Jahren die Niltilapie (Oreochromis niloticus) eingeführt, die die heimischen Tilapien (Oreochromis esculentus und Oreochromis variabilis) verdrängte.
Demnach kam es zu folgenden Veränderungen im Ökosystem des Viktoriasees:
Die Nilbarsche nehmen im Ökosystem die Position der Fischfressenden Furu und der Furufressenden Welse (Bagrus dokmac und Clarias gariepinus) ein. Damit ersetzt ein Raubfisch mehr als hundert Raubfischarten.
Die Garnele (Caridina niloticus) hat die massenhaft vorkommenden Abfallfressenden Furu (mind. 13 Arten) ersetzt.
Die Niltilapie (Oreochromis niloticus) hat die einheimischen Tilapien (Oreochromis esculentus und Oreochromis variabilis) ersetzt.
(vgl. Goldschmidt, Tijs: Darwins Traumsee, S.304)
Das alte Nahrungsnetz vor dem Einsatz des Nilbarsches war sehr differenziert. Sowohl Furu als auch Insekten, Mollusken und andere Fischarten spielten eine Rolle. Im heutigen Nahrungsnetz verlaufen die Nahrungsketten wie folgt:
über die Garnele zum Nilbarsch
über Insektenlarven zum juvenilen Nilbarsch
über Zooplankton zur Sardine und zum juvenilen Nilbarsch
von den Algen und vom Abfall zur eingeführten Niltilapie
(vgl. Goldschmidt, Tijs: Darwins Traumsee, S.307)
Der Grund dafür, dass Garnele, Nilbarsch und Niltilapie koexistieren können, ist die Besetzung unterschiedlicher ökologischer Nischen. Sie stellen keine Konkurrenz innerhalb der Nahrungskette dar.
Die folgende Grafik zeigt die jährlichen Fangquoten des Nilbarschs. Hieraus wird die schnelle Zunahme des Nilbarsches deutlich. Zwischenzeitlich betrug die Menge des gefangenen Nilbarschs über 80% des Gesamtfangs aus dem Viktoriasee. Jedoch ist aus der Grafik ersichtlich, dass die Fangmenge rückläufig ist. Mittlerweile werden weniger und vor allem kleinere Nilbarsche gefangen. Dies kann ein Hinweis auf Überfischung sein. Unter den Nilbarschen wird immer öfter Kannibalismus beobachtet, da andere Nahrungsquellen knapp geworden sind. Es bleibt die Frage offen, wie lange noch größere Mengen Nilbarsch gefangen werden können.
5. Fortschreitende Verschmutzung des Viktoriasees
Die zunehmende Waldrodung ist eine weitere Konsequenz der Einführung des Nilbarschs. Die kleineren Furu - Arten wurden an der Sonne getrocknet, der Nilbarsch muss allerdings mittels Feuer getrocknet oder geräuchert werden. Durch die Abholzung kommt es zur Erosion des Bodensubstrats. Dies führt zur Verschlammung des Sees und zu zunehmender Wassertrübung. So wurde mittlerweile auch der Lebensraum der von Sumpfpapyrus lebenden Flusspferde zerstört.
6. Die Wasserhyazinthe - eine weitere Neozoa
Ein weiteres Problem des Viktoriasees ist die Ausbreitung der eingeschleppten Dickstieligen Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes). Die Pflanze wurde aus Südamerika importiert, um als Zierpflanze in Gartenteiche eingesetzt zu werden. Ohne Fressfeinde konnte sich die Wasserhyazinthe schnell im See ausbreiten und wurde zu einer günstigen Brutstätte für Moskitos und Schnecken, die Malaria und Bilharziose übertragen.
Die Pflanze verdoppelt ihre Flächen innerhalb von zwei Wochen und ist am Seeufer oder als schwimmende Matten auf der Wasseroberfläche anzutreffen. Die Wasserhyazinthe verdrängt andere Wasserpflanzen und entzieht dem Wasser Sauerstoff, wodurch der Säuregehalt des Wassers steigt. Zusätzlich schafft sie lichtlose Verhältnisse, sodass in diesen Bereichen keine Fische leben können.
Als Gegenmaßnahmen werden Mähmaschinen und als biologische Lösung der Rüsselkäfer (Neochetina eichhorniae und N. bruchi) eingesetzt. Dieser Käfer ernährt sich von lebenden oder abgestorbenen Pflanzenteilen und ist monophag. In einem kenianischen Teil des Viktoriasees konnte so die Fläche mit Wasserhyazinthen innerhalb von 5 Jahren von 20.000 auf 2.000 ha reduziert werden.
7. Maßnahmen zur Rettung des Viktoriasees
Mehrere Organisationen setzen sich seit Jahren für die Rettung des Viktoriasees ein. So wies zum Beispiel der Global Nature Fund (GNF) den Viktoriasee als „Bedrohter See des Jahres 2005" aus, um auf die Umweltprobleme aufmerksam zu machen. Der GNF arbeitet auch eng mit der nicht-kommerziellen Organisation OSIENALA zusammen. OSIENALA (Friends of Lake Victoria) ist ein Zusammenschluss von Fischern, Umweltschützern, Genossenschaften und wissenschaftlichen Institutionen der Region mit ca. 150 Mitgliedern. Ziel dieser Organisation ist es, durch Einrichtung von Schutzgebieten die weitere Zerstörung möglichst zu stoppen. Der GNF und OSIENALA fördern den Erhalt von Ufervegetation und bieten verschiedene Umweltbildungsmaßnahmen an.
Des Weiteren wurden in den 90er Jahren bedrohte Cichliden-Arten an Zoos und Aquarien in der ganzen Welt verschickt, um diese Arten zu erhalten. So ist es mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass einige Haplochromini in der Natur ausgestorben und nur noch in der Zucht anzutreffen sind.
Tabelle3
Tabelle2
Tabelle1
Diagramm1
Nile perch
Kenia
Tanzania
Uganda
k. A.
capture production
1950,00
1960,00
1970,00
1976,00
1980,00
1985,00
1990,00
1995,00
2004,00
97,00
4310,00
53011,00
71930,00
102546,00
57235,00
1000,00
4174,00
43440,00
179262,00
155860,00
98000,00
5300,00
21900,00
41400,00
55000,00
72450,00
80700,00
120334,00
92722,00
156301,00
Kenia
Tanzania
Uganda
in Tonnen
Kenia
Tanzania
Uganda
in Tonnen
1950,00
1950,00
1950,00
1960,00
1960,00
1960,00
1970,00
1970,00
1970,00
1976,00
1976,00
1976,00
1980,00
1980,00
1980,00
1985,00
1985,00
1985,00
1990,00
1990,00
1990,00
1995,00
1995,00
1995,00
2004,00
2004,00
2004,00
5300,00
21900,00
1000,00
41400,00
97,00
4174,00
55000,00
4310,00
0,00
72450,00
53011,00
43440,00
80700,00
71930,00
179262,00
120334,00
102546,00
155860,00
92722,00
57235,00
98000,00
156301,00
Tabelle3
Tabelle2
Tabelle1
Diagramm1
13m bis 15m
7m bis 8m
2m bis 6m
52,00
34,00
38,00
18,00
9,00
2,00
vor dem Einsetzen des Nilbarschs
nach dem Einsetzen des Nilbarschs
Wassertiefe
Zahl der Haplochromis-Arten
Verringerung der Zahle der Furu-Arten im Mwanzagolf
vor dem Einsetzen des Nilbarschs
nach dem Einsetzen des Nilbarschs
Wassertiefe
Zahl der Haplochromis-Arten
Verringerung der Zahle der Furu-Arten im Mwanzagolf
2m bis 6m
2m bis 6m
7m bis 8m
7m bis 8m
13m bis 15m
13m bis 15m
52,00
18,00
34,00
9,00
38,00
2,00
1. Allgemeine Informationen zum Viktoriasee
Der Viktoriasee liegt im Osten Afrikas und ist mit 68.800 km² der zweitgrößte Süßwassersee weltweit. Trotz seiner Größe ist er mit einer maximalen Tiefe von 84 m und durchschnittlich 40 m sehr flach. Mit seinem Nordufer grenzt der See an den Äquator. Aufgrund dieser tropischen Lage beträgt die Wassertemperatur ganzjährig zwischen 23,5 und 29,0°C.
2. Die Bewohner des Viktoriasees
Der Viktoriasee war schon sehr früh unter Forschern als ein See mit unglaublicher Artenvielfalt bekannt. Die Fischfauna des Sees wird von den Cichliden (Buntbarsche) dominiert, vor allem von der artenreichen Gattung Haplochromis. Diese Fische sind den Einheimischen als Furu bekannt, wobei nicht in Arten unterschieden wird. Die Radiationen der Cichliden sind im Vergleich zu denen der Darwin-Finken ein wahres Wunderwerk der Natur. Das Alter des Viktoriasees wird auf ca. 25.000 - 30.000 Jahre datiert. Dies zeigt auch die unheimlich kurze Zeitspanne, in der sich die Cichliden zu dieser Artenvielfalt entwickelt haben.
Die Cichliden werden häufig aufgrund ihrer Nahrung klassifiziert. Sie besetzen alle erdenklichen Nischen, die dieser See zu bieten hat:
Schlammschnapper ernähren sich von organischem Abfall vom Grunde des Sees und von Kiesel- und Blaualgen. Sie kommen in einer Tiefe von zwei bis über dreißig Meter vor.
Zooplanktonfresser leben in allen Wasserschichten und im offenen Wasser.
des Weiteren gibt es Schneckensprenger, Insektenfresser, Schuppenfresser Garnelenfresser, Fischfresser und Pädophage (Brutfresser).
Insgesamt sind ca. 400 Arten bekannt, einige davon sind jedoch noch nicht beschrieben.
Pundamilia nyererei Haplochromis chilotes Haplochromis nigricans
3. Der Nilbarsch verändert die Ökologie des Viktoriasees
1954 wurde der Nilbarsch (lates niloticus) aus dem Albertsee von einem Beamten der kenianischen Fischereibehörde in den Viktoriasee ausgesetzt. Dieser Fisch war ursprünglich nicht in diesem See heimisch. Aufgrund seines enormen Gewichts von bis zu 200 kg und seiner Verwendung als Speisefisch wurde der Nilbarsch zur Verbesserung der Wirtschaft eingeführt. Gleichzeitig sollte die Versorgung der Bevölkerung gesichert sein, welche sich bisher vom Fang der kleinen und weniger schmackhaften Furu ernährte.
Die Bevölkerung zeigte sich begeistert über die Aussichten auf eine starke Fischproduktion, dachte jedoch nicht daran, dass diese hohe Produktion nur von kurzer Dauer sein könnte. Viele Ökologen und Forscher protestierten gegen den Nilbarsch und wiesen auf mögliche Folgen für die heimische Fauna hin – jedoch ohne Erfolg. Zwischen 1954 und 1962 wurden an verschiedenen Stellen in Uganda, Kenia und Tansania Nilbarsche in den Viktoriasee eingeführt.
Tijs Goldschmidt äußert sich in seinem Buch „Darwins Traumsee“ über diesen Vorgang wie folgt: „Jedes Mal wenn ich daran denke, bin ich erneut erschüttert, dass für die völlige Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts des größten tropischen Sees der Welt nicht mehr als ein Mann mit einem Eimer erforderlich war.“ (S. 260)
Mit dem Einsetzen des Nilbarsches ging die Zahl der einheimischen Barscharten schlagartig zurück. Ohne natürliche Fressfeinde und einem großen Nahrungsangebot konnte sich der Nilbarsch rasch ausbreiten. Die daraus resultierende Menge an Nilbarschen führte zu einem Massensterben unter der Haplochromis – Population. Besonders bedroht sind die Arten, die nur in einem ganz bestimmten Teil des Viktoriasees vorkommen. Aufgrund dieser räumlichen Begrenzung sind sie der größten Gefahr der Ausrottung ausgesetzt.
Im offenen Wasser verschwanden die Fischfresser als erstes, jedoch folgten Schneckensprenger, Insektenfresser und Schlammschnapper. Die Zooplanktonfresser konnten sich am längsten behaupten. 93% der Arten, die im offenen Wasser leben, sind mittlerweile verschwunden. An seichteren Stellen sind noch ungefähr 30% der Arten anzutreffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich hier die Furu besser an der Felsküste verstecken konnten oder der Nilbarsch in die ganz flachen Seeabschnitte und den Uferbereich weniger vordrang.
Innerhalb weniger Jahre, d.h. innerhalb einiger Furu – Generationen, starben fast alle Arten im offenen Gewässer aus. Diese kurze Zeitspanne und der hohe Selektionsdruck des Nilbarsches ließen keine evolutionären Veränderungen zu, d.h. eine Anpassung an die neuen Umstände war nicht möglich.
Durch die Ausrottung der Algen- und Pflanzenfressenden Furu kam es zusätzlich zu einem starken Anstieg des Algenwachstums und vermehrtem organischen Abfall (Detritis), der sich am Grunde des Sees ablagerte. Dadurch gelangte weniger Sauerstoff in die tiefen Wasserschichten, wodurch sich ein eutrophes Milieu bildete und die hier lebenden Barscharten in höhere Wasserschichten ausweichen mussten. Mittlerweile ist dieser Prozess soweit fortgeschritten, dass ab einer Wassertiefe von 30 Metern kein Fisch mehr leben kann.
4. Heutiger Fischbestand
Mitte der 80er Jahre bestand mehr als 80% der Fischbiomasse im kenianischen Nyanzagolf aus Nilbarsch. In anderen Teilen des Viktoriasees sah die Bilanz nicht viel besser aus. Wenn der Räuber an der Spitze der Nahrungspyramide die größte Biomasse darstellt, muss das irgendwann unweigerlich dazu führen, dass die Population zusammenbricht. Jedoch kam eine neue Energiequelle zum Vorschein,
an die kein Forscher oder Biologe gedacht hatte. Nachdem die Garnelen fressenden Furu vom Nilbarsch ausgerottet worden waren, nahm die Anzahl der Garnelen (Caridina nilotica) explosionsartig zu. So musste der Räuber nur seine Nahrungsquelle ändern, um weiterhin zu überleben. Nach dem starken Rückgang der Furu ist die Garnele zur wichtigsten Beute geworden.
Neben dem Nilbarsch wurde in den 50er Jahren die Niltilapie (Oreochromis niloticus) eingeführt, die die heimischen Tilapien (Oreochromis esculentus und Oreochromis variabilis) verdrängte.
Demnach kam es zu folgenden Veränderungen im Ökosystem des Viktoriasees:
Die Nilbarsche nehmen im Ökosystem die Position der Fischfressenden Furu und der Furufressenden Welse (Bagrus dokmac und Clarias gariepinus) ein. Damit ersetzt ein Raubfisch mehr als hundert Raubfischarten.
Die Garnele (Caridina niloticus) hat die massenhaft vorkommenden Abfallfressenden Furu (mind. 13 Arten) ersetzt.
Die Niltilapie (Oreochromis niloticus) hat die einheimischen Tilapien (Oreochromis esculentus und Oreochromis variabilis) ersetzt.
(vgl. Goldschmidt, Tijs: Darwins Traumsee, S.304)
Das alte Nahrungsnetz vor dem Einsatz des Nilbarsches war sehr differenziert. Sowohl Furu als auch Insekten, Mollusken und andere Fischarten spielten eine Rolle. Im heutigen Nahrungsnetz verlaufen die Nahrungsketten wie folgt:
über die Garnele zum Nilbarsch
über Insektenlarven zum juvenilen Nilbarsch
über Zooplankton zur Sardine und zum juvenilen Nilbarsch
von den Algen und vom Abfall zur eingeführten Niltilapie
(vgl. Goldschmidt, Tijs: Darwins Traumsee, S.307)
Der Grund dafür, dass Garnele, Nilbarsch und Niltilapie koexistieren können, ist die Besetzung unterschiedlicher ökologischer Nischen. Sie stellen keine Konkurrenz innerhalb der Nahrungskette dar.
Die folgende Grafik zeigt die jährlichen Fangquoten des Nilbarschs. Hieraus wird die schnelle Zunahme des Nilbarsches deutlich. Zwischenzeitlich betrug die Menge des gefangenen Nilbarschs über 80% des Gesamtfangs aus dem Viktoriasee. Jedoch ist aus der Grafik ersichtlich, dass die Fangmenge rückläufig ist. Mittlerweile werden weniger und vor allem kleinere Nilbarsche gefangen. Dies kann ein Hinweis auf Überfischung sein. Unter den Nilbarschen wird immer öfter Kannibalismus beobachtet, da andere Nahrungsquellen knapp geworden sind. Es bleibt die Frage offen, wie lange noch größere Mengen Nilbarsch gefangen werden können.
5. Fortschreitende Verschmutzung des Viktoriasees
Die zunehmende Waldrodung ist eine weitere Konsequenz der Einführung des Nilbarschs. Die kleineren Furu - Arten wurden an der Sonne getrocknet, der Nilbarsch muss allerdings mittels Feuer getrocknet oder geräuchert werden. Durch die Abholzung kommt es zur Erosion des Bodensubstrats. Dies führt zur Verschlammung des Sees und zu zunehmender Wassertrübung. So wurde mittlerweile auch der Lebensraum der von Sumpfpapyrus lebenden Flusspferde zerstört.
6. Die Wasserhyazinthe - eine weitere Neozoa
Ein weiteres Problem des Viktoriasees ist die Ausbreitung der eingeschleppten Dickstieligen Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes). Die Pflanze wurde aus Südamerika importiert, um als Zierpflanze in Gartenteiche eingesetzt zu werden. Ohne Fressfeinde konnte sich die Wasserhyazinthe schnell im See ausbreiten und wurde zu einer günstigen Brutstätte für Moskitos und Schnecken, die Malaria und Bilharziose übertragen.
Die Pflanze verdoppelt ihre Flächen innerhalb von zwei Wochen und ist am Seeufer oder als schwimmende Matten auf der Wasseroberfläche anzutreffen. Die Wasserhyazinthe verdrängt andere Wasserpflanzen und entzieht dem Wasser Sauerstoff, wodurch der Säuregehalt des Wassers steigt. Zusätzlich schafft sie lichtlose Verhältnisse, sodass in diesen Bereichen keine Fische leben können.
Als Gegenmaßnahmen werden Mähmaschinen und als biologische Lösung der Rüsselkäfer (Neochetina eichhorniae und N. bruchi) eingesetzt. Dieser Käfer ernährt sich von lebenden oder abgestorbenen Pflanzenteilen und ist monophag. In einem kenianischen Teil des Viktoriasees konnte so die Fläche mit Wasserhyazinthen innerhalb von 5 Jahren von 20.000 auf 2.000 ha reduziert werden.
7. Maßnahmen zur Rettung des Viktoriasees
Mehrere Organisationen setzen sich seit Jahren für die Rettung des Viktoriasees ein. So wies zum Beispiel der Global Nature Fund (GNF) den Viktoriasee als „Bedrohter See des Jahres 2005" aus, um auf die Umweltprobleme aufmerksam zu machen. Der GNF arbeitet auch eng mit der nicht-kommerziellen Organisation OSIENALA zusammen. OSIENALA (Friends of Lake Victoria) ist ein Zusammenschluss von Fischern, Umweltschützern, Genossenschaften und wissenschaftlichen Institutionen der Region mit ca. 150 Mitgliedern. Ziel dieser Organisation ist es, durch Einrichtung von Schutzgebieten die weitere Zerstörung möglichst zu stoppen. Der GNF und OSIENALA fördern den Erhalt von Ufervegetation und bieten verschiedene Umweltbildungsmaßnahmen an.
Des Weiteren wurden in den 90er Jahren bedrohte Cichliden-Arten an Zoos und Aquarien in der ganzen Welt verschickt, um diese Arten zu erhalten. So ist es mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass einige Haplochromini in der Natur ausgestorben und nur noch in der Zucht anzutreffen sind.
Tabelle3
Tabelle2
Tabelle1
Diagramm1
Nile perch
Kenia
Tanzania
Uganda
k. A.
capture production
1950,00
1960,00
1970,00
1976,00
1980,00
1985,00
1990,00
1995,00
2004,00
97,00
4310,00
53011,00
71930,00
102546,00
57235,00
1000,00
4174,00
43440,00
179262,00
155860,00
98000,00
5300,00
21900,00
41400,00
55000,00
72450,00
80700,00
120334,00
92722,00
156301,00
Kenia
Tanzania
Uganda
in Tonnen
Kenia
Tanzania
Uganda
in Tonnen
1950,00
1950,00
1950,00
1960,00
1960,00
1960,00
1970,00
1970,00
1970,00
1976,00
1976,00
1976,00
1980,00
1980,00
1980,00
1985,00
1985,00
1985,00
1990,00
1990,00
1990,00
1995,00
1995,00
1995,00
2004,00
2004,00
2004,00
5300,00
21900,00
1000,00
41400,00
97,00
4174,00
55000,00
4310,00
0,00
72450,00
53011,00
43440,00
80700,00
71930,00
179262,00
120334,00
102546,00
155860,00
92722,00
57235,00
98000,00
156301,00
Tabelle3
Tabelle2
Tabelle1
Diagramm1
13m bis 15m
7m bis 8m
2m bis 6m
52,00
34,00
38,00
18,00
9,00
2,00
vor dem Einsetzen des Nilbarschs
nach dem Einsetzen des Nilbarschs
Wassertiefe
Zahl der Haplochromis-Arten
Verringerung der Zahle der Furu-Arten im Mwanzagolf
vor dem Einsetzen des Nilbarschs
nach dem Einsetzen des Nilbarschs
Wassertiefe
Zahl der Haplochromis-Arten
Verringerung der Zahle der Furu-Arten im Mwanzagolf
2m bis 6m
2m bis 6m
7m bis 8m
7m bis 8m
13m bis 15m
13m bis 15m
52,00
18,00
34,00
9,00
38,00
2,00
Inhalt
Das Thema ist der afrikanische Viktoriasee.
Inhalt:
-Allgemeine Informationen zum Viktoriasee
-Die Bewohner des Viktoriasees
-Der Nilbarsch verändert die Ökologie des Viktoriasees
-Heutiger Fischbestand
-Fortschreitende Verschmutzung des Viktoriasees
-Die Wasserhyazinthe - eine weitere Neozoa
-Maßnahmen zur Rettung des Viktoriasees
Dieser Text umfasst . (1770 Wörter)
Inhalt:
-Allgemeine Informationen zum Viktoriasee
-Die Bewohner des Viktoriasees
-Der Nilbarsch verändert die Ökologie des Viktoriasees
-Heutiger Fischbestand
-Fortschreitende Verschmutzung des Viktoriasees
-Die Wasserhyazinthe - eine weitere Neozoa
-Maßnahmen zur Rettung des Viktoriasees
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