Facharbeit: Familie Mann: "Elisabeth und ihr Vater Thomas Mann"
Elisabeth Mann und ihr Vater Thomas Mann:
Vorwort:
Elisabeth Mann, letztes Dichterkind und große Gelehrte, galt als Lieblingstochter des großen und berühmten Schriftstellers Thomas Mann. Zunächst einmal ist zu sagen, dass es zu diesem Thema wirklich schwer war Literatur zu finden. Ich war einige Male in der Landesbibliothek, dort habe ich aber leider nur Sekundärliteratur gefunden. Woher also die Literatur bekommen? Schließlich versuchte ich es über die Fernleihe. Vergebliches Warten... nach einem Anruf bei der Bibliothek wusste ich dann bescheid... die Fernleihe war schief gelaufen! Nur noch 3 Wochen bis zur Abgabe, was für eine Chance hatte ich noch? Mir blieb also nur noch eine Möglichkeit: Ich musste ein Buch über Elisabeth Mann bestellen. Als das Buch dann endlich angekommen war, begann das Herausarbeiten. Und dann konnte endlich mit dem Schreiben begonnen werden.
Ein Kurzer Überblick über die Familie Mann:
Alles begann mit der Hochzeit von Thomas Mann und Katia Pringsheim am 11. Februar 1905. In diesem Jahr kam dann auch schon die erste Tochter Erika zur Welt. Ihr folgte ein Jahr später der Bruder Klaus. 1909 folgte dann das zweite „Pärchen“: Angelus, genannt Golo, und Monika. Am 24. April 1918 erblickte dann Elisabeth Veronika Mann in der Münchner Frauenklinik das Licht der Welt. Es war das Jahr in dem der erste Weltkrieg endete und die deutsche Republik ausgerufen wurde.
Alle Familienmitglieder standen im Schatten Thomas Manns. Sie versuchten alle, bis auf Elisabeth, mit Schreiben die Aufmerksamkeit des Vaters zu erlangen.
Katia, die Mutter, die von allen zärtlich „Mielein“ genannt wurde soll den Kindern
bemühte sich immer die Familie zusammenzuhalten, war immer für andere da, wenn es Streit gab und war sehr mitfühlend. Auch Elisabeth konnte gut mit ihrer Mutter reden. Klaus beschreibt Katia im Wendepunkt als praktisch, aber unordentlich, den Vater jedoch als weltfremd und verträumt, aber auch als ordentlich bis ins kleinste Detail. Weiterhin schreibt Klaus, dass es quälend gewesen sei beim Vater in Ungnade zu sein, obwohl oder gerade weil sein Missmut sich nicht in Worten zu äußern pflegte. Sein Schweigen war schlimmer als eine Strafpredigt und es war nicht immer vorauszusehen, was er bemerken und wie er reagieren würde... somit war die väterliche Autorität als unberechenbar.
Klaus, Erika und Elisabeth zählten zu den beliebteren Kindern der Familie, während Golo, Monika und Michael, der jüngste von allen, eher den weniger geliebten Kindern zugeordnet wurden und Thomas Mann mehr oder weniger auf die Nerven fielen. Golo oder Monika hätten nie über eine körperliche Vater-Erfahrung gesprochen, wenn es überhaupt eine gab. Golo wehrte sich vehement gegen aufsteigende Bilder und auch Monika war im Alter noch ein verstörtes Kind.
Übersicht über Elisabeths Leben:
Elisabeth Veronika galt, wie schon in der Einleitung erwähnt, als Lieblingskind von Thomas Mann. Sie scheint wirklich das Einzige der sechs Mann-Kinder zu sein, das von sich sagen kann, dass es ein glückliches Leben geführt hat. Sie war ein lebhaftes, aufgewecktes Mädchen, das nicht sehr viel Mühe machte und das sich immer fügte. Mit ihren dunklen Augen und dem konzentrierten, ernsten Gesichtchen ähnelte Elisabeth der Mutter von allen Kindern am meisten und Katia präsentierte sie den vielen Gästen dann auch mit Stolz. Intimere Freunde hat sie sogar ans Bett der Kleinen gebeten, um deren ausführlichen Traum-Plappereien zu lauschen. Elisabeth war ein sehr scheues Mädchen, wenn Gäste eingeladen waren, sagte sie meistens kein Wort. Es war nicht so, dass den Kindern das Reden verboten
wurde, nein! Sie wurden sogar dazu ermuntert an den Konversationen teilzunehmen. Meist erzählten die beiden Ältesten über ihre Reisen und Abendteuer. Elisabeth hatte dann immer das Gefühl nicht mitreden zu können, deshalb nahm sie fast nie an Gesprächen teil.
Dabei konnte man das gar nicht verstehen, weil Elisabeth eine gute Schülerin war, viel wusste und leicht lernte. Sie übersprang sogar 2 Klassen. Auch heute noch sieht sich Elisabeth als „das Kind mit dem geringsten Selbstbewusstsein.“ Wenn sich zum Beispiel ein junger Mann um sie bemühte, wie es einst Grets Bruder Hans oder ihr Freund Nico Kaufmann taten, dachte sie, „mit dem könne etwas nicht stimmen.“ Sie erzählt auch, dass sie wahnsinnig schüchtern
war; sollte sie zum Beispiel am Konservatorium vorspielen, bekam sie furchtbare Panik. Sie sagt: „Es war katastrophal, nur mit Michael ging es einigermaßen.“ (1)
Im Gegensatz zu Erika und Klaus verlief ihre Schulzeit problemlos und sie war das Einzige der sechs Kinder, dass niemals ein Internat oder ein Landerziehungsheim besuchte. Nach ihrer Schulzeit studierte Elisabeth dann Musik doch das hatte keine weitere Bedeutung für ihr Leben.
Beziehung von Elisabeth zu ihren Geschwistern:
Als kleines Kind stand sie ihrem Bruder Michael natürlich am nächsten, da er ja nur ein Jahr später zur Welt kam als sie. Sie teilte mit ihm das Kinderzimmer, buddelte mit ihm im Sandkasten ein sehr tiefes Loch, um, animiert vom Lesen Karl Mayscher Indianergeschichten, bis nach Amerika durchzudringen.
Elisabeth bewunderte die großen Geschwister für ihre Auftritte im Haus. Vor allem für die dreizehn Jahre ältere, hochgewachsene und aparte Erika schwärmte sie und war stolz, wenn sie dieser und deren Gästen, nach dem Essen den Kaffee aufs Zimmer bringen und noch etwas zuhören durfte. Erika soll „furchtbar nett“ (1) zu den Kleinen gewesen sein. Sie hat Geschichtchen und Theaterstücke für sie geschrieben, die sie dann bei festlichen Gelegenheiten aufsagen und vorspielen sollten. Doch nicht nur das: Sie hat die Kleinen auch zum Lachen gebracht und ihnen Geschichten vorgelesen. Sie war eine „wunderbare ältere Schwester“ (1) so Elisabeth. Erika widmete den Beiden Jüngsten sogar ihr Kinderbuch „Stoffel fliegt übers Meer“. Dennoch war die große Schwester nicht nur zur Belustigung da.
Elisabeth konnte sich gut mit ihr unterhalten, manchmal sogar besser, als mit der Mutter. Besonders, wenn es um Liebesdinge ging, war die große, erfahrene Schwester diejenige, der sich Elisabeth anvertraute.
Auch Klaus hatte verschiedene Spiele mit denen er die Kleinen unterhielt. Das eine Spiel hieß: „ das durstige Damenschnappen“ (1), bei diesem Spiel mimte er eine feine Dame, die durch ständige Gesprächseinwürfe und die von ihr erwartete Antwort vom Nippen an ihrem Tee abgehalten wird und immer hastiger und verzweifelter nach ihrer Tasse greift.
Am schönsten fand Elisabeth jedoch Klaus’ Imitation von Tante Lula, der Schwester von Thomas Mann. „ Die Zwillingsmädchen von Tante Lula waren oft sehr ungezogen, und Tante
Lula fing an, sie traurig-vorwurfsvoll, ganz vornehm zu rügen mit den langsamen Worten: ‚Wie könnt ihr mich denn so betrüben?’ Das Ganze begann ruhig, wurde dann immer heftiger
und schriller und endete schließlich in wüstem Geschrei und Ohrfeigen. Das musste er uns immer wieder vormachen.“
Den neun Jahre älteren Bruder Golo bezeichnete Elisabeth ebenfalls als „liebenswürdig“. (1) Auch mit ihm machte sie ihre Witze. Er küsste sie zum Beispiel in den Nacken, nur um immer wieder ein verzückt – entsetztes: „ Der Golo ist wi-iderlich“ (1) zu hören. Das war eine der seltenen körperlichen Zärtlichkeiten unter den Geschwistern.
Monika, acht Jahre älter als Elisabeth, blieb ihr Leben lang ein Außenseiter. Mit dieser Schwester, die verloren war zwischen den genialen Großen und den verzärtelten Kleinen, entwickelte sich nie ein wirklich nahes Verhältnis. Monika war ein Sonderling, sie war schrecklich faul.
Charakterisierung von Thomas Mann:
Thomas Mann war kein schlechter Vater, sagt Elisabeth in vielen Interviews. Dagegen schreibt Golo in seinen Erinnerungen die bitteren Worte: „ Was hatten wir doch für eine elende Kindheit!“ (1) Auch seine Tochter Monika behauptete in späteren Jahren, sich nie an ein Gespräch mit dem Vater erinnern zu können. Das lässt darauf schließen, dass Thomas Mann in dieser Familie oft sehr abgeschottet gewirkt haben muss.
Die Kinder mussten auf die Arbeits- und Ruhezeiten sehr viel Rücksicht nehmen. Vormittags arbeitete der Vater, nachmittags las er, danach ruhte er. Bei keiner dieser Beschäftigungen wollte er gestört werden. So mussten sich die Kinder also still verhalten und es soll zu einem fürchterlichen Donnerwetter gekommen sein, wenn sie gegen diese Vorschrift handelten. Sein Arbeitszimmer lag im Mittelteil des Erdgeschosses und war für die Kinder absolut tabu! Sie durften diesen Raum nur betreten, wenn der Vater ihnen etwas vorlas.
Nun stellt sich einem natürlich die Frage: Hatten die Mann-Kinder eine unterdrückte Kindheit? Elisabeth antwortete auf diese Frage, dass man das so nicht sagen könnte, weil ein großer Garten da war, in dem man spielen konnte, weiterhin konnten sie im oberen Stockwerk auch all das machen was andere Kinder auch machten. Und dann gab es ja auch noch den Park vor der Haustüre. Thomas Mann las auch allen sechsen leidenschaftlich gerne vor. Danach wollte er immer wissen, wie es ihnen gefiel. „Wenn es komisch war“ erzählt Elisabeth, „lachte er selbst so, dass er unterbrechen musste.“ (1) Überhaupt unternahm Thomas viel mit den Kindern. Er ging mit ihnen in die Oper, buk mit ihnen Sandkuchen oder gab bei Tisch vor, er sei ein gedankenverlorener Professor, der sich auf einen Stuhl setzte, auf dem bereits ein Kind saß, um sich dann „verwundert über das eigenartige Kissen unter kindlichem Gejuchze und Geschrei aufklären zu lassen“ (1). Doch das alles war kein Alltag, es waren eher Feststunden.
Auch seine Tagebücher zeigten, dass er, die Kinder betreffend, an jeder Kleinigkeit Anteil genommen hatte. Ob es nun ein neuer Haarschnitt von Golo war, oder ob es um Erikas einsetzende Unpässlichkeit ging oder um Klaus’ nasse Augen beim Vorlesen – „er beobachtete seinen Nachwuchs sehr genau.“ (1) Und nicht ohne Vatergefühl: Einmal musste er einschreiten, als die anderen, den zehn Jahre alten Golo bis zu Tränen der Angst festgehalten und gekitzelt haben. Der Vater konnte sich noch am nächsten Tag nicht über diese Frechheit beruhigen.
„Die Tagebücher“, so Elisabeth „haben mich sehr in meiner Überzeugung gestärkt, dass die Familie für meinen Vater von ungeheurer Wichtigkeit war – und dass er ein leidenschaftlicher Familienmensch war.“ (1)
Die Beziehung von Elisabeth zu ihrem Vater:
Aber es war auch kein Wunder, dass Elisabeth so etwas sagte, denn sie war von Anfang an willkommen, erwünscht und geliebt gewesen, ohne dass sie sich diese Zuneigung durch mehr verdienen musste, als dadurch, dass sie da war. Für Thomas Mann war es Liebe auf den ersten Blick, wie er selbst in seiner Erzählung „Unordnung und frühes Leid“, welche er Elisabeth widmete, schreibt. Er schreibt weiterhin, dass das Gefühl ungekannt, unerwartet und unerhofft von ihm Besitz ergriff.
Thomas Mann war zu Elisabeths Geburt schon dreizehn Jahre Vater gewesen, doch muss die Geburt von Elisabeth eine neue und frappierende Erfahrung gewesen sein und die Intensität seines eigenen Gefühls schien ihn selbst zu rühren. Vom ersten Augenblick an habe ihn Zärtlichkeit für sein fünftes Kind überwältigt, notierte Thomas Mann in seinem Tagebuch. In dieses schrieb er jede Ohrenentzündung, jedes Lächeln und jeden Sprechversuch der Kleinen. „Für keines der früheren Kinder“ habe er „so empfunden wie für dieses“ (1) , berichtete er in
einem Brief. In einem anderen Brief schrieb Thomas Mann, dass er Elisabeth von Anfang an mehr liebte, als die anderen vier Kinder zusammen.
Während Thomas begeistert war von der Kleinen, hielt sich Katias Freude eher in Grenzen. Sie hatte es schließlich schon zu Kriegszeiten schwer genug gehabt mit vier hungrigen Kindern und musste immer dafür sorgen, dass der Haushalt lief. Sie radelte sogar durch halb München um ihren Lebensmittelvorrat immer auf gleichem Niveau zu halten.
Elisabeth erinnert sich daran, dass ihre Mutter vital war, einen eisernen Willen hatte und außerdem eine leidenschaftliche Mutter war und dass sie damit die Familie zusammen hielt. Katia Mann hätte niemals eines ihrer Kinder so bevorzugt, wie es ihr Mann tat. „Jeder ist ein Liebling auf seine Art“ pflegte sie immer zu sagen, so Elisabeth (1). So ließ es die Mutter auch nicht zu, dass Elisabeth, als Einzige von allen, zu ihrem Vater „Thommy“ sagte, während die anderen Geschwister ihn alle „Zauberer“ nannten. Daraufhin ließ sich Elisabeth den Namen „Herrpapale“ einfallen und auch Jahrzehnte später unterschrieb ihr Vater seine Briefe an sie noch mit diesem Ausdruck.
Thomas Mann schien auf die kleine Elisabeth geradezu fixiert gewesen zu sein. Ihm machte es nichts auf, beim Baden, beim Wickeln, beim Füttern dabei zu sein und er litt sogar bei jeder Krankheit des „Kindchens“ mit: „Furchtbar“, schrieb er, „meine bis zur Erschöpfung gehende Aufregung gestern abend mit dem Kindchen: das „Fräulein“ auf Urlaub, Katia auf
Besorgungen, ich allein mit dem geliebten Wesen, das nass war und bloß, und dem ich die feucht-kalten Stücke abnahm, aber nicht weiter zu helfen wusste, und das erschreckend schrie, wahrscheinlich unter dem Einfluss meiner Hilflosigkeit. Fürchtete sein Vertrauen zu verlieren.“ (11. September 1918) „ Das freudig-freundliche, herzenshöfliche Lachen des Kindchens, wenn ich an seinen Wagen trete und zu ihm spreche, entzückt und erquickt mein Herz immer wieder aufs Neue.“ (11. September 1918) (1)
So geht es die Jahre 1918 und 1919 unaufhörlich weiter. „Holte das Kindchen aus dem Garten... und trug es in meinem Zimmer herum, zeigte ihm namentlich die Uhr, die es sehr fesselt.“ (1) Bis auf gelegentliche Krankheiten, waren die ersten Jahre mit dem Sonnenschein recht unproblematisch. Elisabeth war stets gut gelaunt und aufgeweckt. „Tiefer Erheiterung“, heißt es im Tagebuch am 26. Oktober 1919, „über seine Art zu plappern.“ (1)
Der Vater spielte viel mit der Kleinen, ging mit ihr „im Esszimmer spazieren, wie sie es gern hat“ (22. April 1920) und buk mit ihr „Eimer-Sandkuchen im Garten“ (21. Mai 1921). (1)
Er war stolz und selig, wenn Elisabeth „soviel Zärtlichkeit ihrerseits mit besonderer Anhänglichkeit honorierte: „Lisa, äußerst zärtlich, wollte von mir weder zu Erika noch zu Katia.“ (18.Juni 1919) (1)
Es ist schon ein komisches Bild, wenn man sich den Großschriftsteller vorstellt, wie er im Sandkasten sitzt und mit feuchtem Sand panscht. Nach den Erzählungen seiner anderen Kinder ist das nicht gerade das, was man ihm zutraut... Elisabeth gegenüber muss er jedoch ein überschwängliches Vatergefühl gehabt haben.
Thomas Mann widmete seiner Tochter noch ein zweites Buch, nämlich den „Gesang vom Kindchen.“ Bis zu dieser Veröffentlichung hatte er seine Vernarrtheit in die kleine Elisabeth immer nur diskret in seinen Tagebüchern erwähnt, mit dieser Erzählung jedoch machte er sie öffentlich. Das Werk war eine reinste Liebeserklärung. Er bezeichnet in dem Werk das „Kindchen“ als sein eigentlich „Erstgeborenes.“ (1) Da fragt man sich natürlich: Und was ist mit den anderen Kinder? Darauf antwortet Thomas Mann: „ Doch, die liebe er auch, doch er liebte sie um der Mutter, der Märchenbraut willen von einstmals, / Die sich der Jüngling erschaut und erworben, - sie waren ihr Glück, ja.“ (1)
Klaus wird in dem Buch als „schönen, besonderen Knaben genannt“, aber die wahre Liebe zu einem Kind hätten ihn erst die Zeit und Reife gelehrt: „ Da denn nun, da innerlich alles also bestellt war, / Keimstest du und wardst mir geboren, teuerstes Leben, /Liebes Kindchen! Und
wie anders war mein Gemüt nun/ Vorbereitet für solchen Empfang auf mancherlei Weise! / ... du erst mein Liebling, / Warest Frucht der männlichen Liebe, teuren Gefühls, / Langer Gemeinschaft in Glück und Leid.“ (1)
Katia war von vielen Teilen der Erzählung berührt gewesen. Dennoch hatte sie Angst, dass die anderen Geschwister sich durch die Lobpreisungen ihres Schwesterchens zurückgesetzt fühlen könnten.
In den Versen fand sich wirklich all das wieder, was Thomas Mann in seinem Tagebuch schrieb: der väterliche Besuch im Bad, die Ohrenkrankheit, das Herumtragen im Bücherzimmer, einfach alles. Der Vater beschrieb, wie er sich vom Kindchen ins Gesicht fassen ließ, sich „mit Brummen und Schnappen“ (1) gefährlich stellte, und vergaß auch das Muttermal links zwischen Schläfe und Stirne nicht. Als er sein Werk beendete schien ihm soviel Hingabe etwas peinlich gewesen zu sein, denn er notierte im Tagebuch die Befürchtung, dass das Ganze einen „lächerlich privaten Charakter“ haben könnte; deshalb
gehöre „großes Selbstbewusstsein, eine unerschütterlich Würde“ (1) dazu, es zu veröffentlichen. Doch auch daran mangelte es dem „Zauberer“ nicht. Wenn man dieses Werk gelesen hat, kommt einem die Frage in den Sinn: Hatten die ersten vier Kinder in den ersten Lebensjahren genauso viel Aufmerksamkeit wie Elisabeth? Diese Frage kann man jedoch nicht genau
beantworten, da Thomas Mann seine Tagebücher aus der Zeit vor 1933, im Garten seines kalifornischen Hauses, alle vernichtete, bis auf eben diese von 1918 bis 1921. Man vermutet allerdings, dass diese Frage mit Nein zu beantworten ist, da es weder bei den Großen noch bei den Mittleren eine literarische Umsetzung von seinen Gefühlen wie jenen „Gesang vom Kindchen“ gibt.
Elisabeth wurde jedoch nicht nur in diesem Werk bevorzugt, sondern auch in der Erzählung „Unordnung und frühes Leid“, die 1925 entstanden ist. In dieser Geschichte spielt Elisabeth die tragikomische Heldin der Familie, die den Manns genau nachempfunden ist. Die Geschichte handelt von einem eifersüchtigen Vater, Geschichtsprofessor Abel Cornelius, der erleben muss, wie seine fünfjährige Lieblingstochter Lorchen sich auf einer Abendgesellschaft, die von ihren älteren, fast erwachsenen Geschwistern veranstaltet wird, leidenschaftlich und wenig erfolgverheißend in den Gast Max Hergesell verliebt. Dieser Gast tanzt höflich ein wenig mit der Kleinen und als diese dann ins Bett geschickt wird, weint sie bitterliche Tränen, die nicht einmal der Vater stoppen kann! Wenn man dieses Portrait nun auf die Familie Mann übertragen würde, hieße das soviel wie: Elisabeth ist immer noch der
Liebling des Vaters, doch es mischen sich nun auch noch Selbstironie und Belustigung in die Zärtlichkeit des Vaters. In der Geschichte zieht Cornelius Lorchen ihrem Bruder „Beißer“ entschieden vor, genauso wie es Thomas Mann tat, indem er seinem jüngstem Sohn Michael immer sehr viel weniger Aufmerksamkeit schenkte, als der nur ein Jahr älteren Elisabeth. Michael war labil und reizbar und neigte zu Wutausbrüchen, deshalb war er der besondere Pflegling der Mutter. Michael hat sehr unter den Ereignissen und den Umständen seiner ersten Lebenswochen gelitten. Vor allem die große Liebe des Vaters zum „Kindchen“ hat ihm immer zu schaffen gemacht. Doch, wie man aus Thomas Manns Tagebüchern herauslesen kann, hat er sich nie wirklich Gedanken darüber gemacht, dass es vielleicht an seiner übertriebenen Liebe zur ein Jahr älteren Schwester liegen könnte, die Michael so fertig machte. Er schob damals die Wutanfälle auf Michaels Nervensystem und konnte sich so wieder ganz seinem Liebling widmen. „ (...) gehegt und geboren in wüsten, verstörten Zeiten, hat er ein recht labiles Nervensystem mitbekommen, leidet schwer an den Misshelligkeiten
des Lebens, neigt zu Jähzorn und Wutgetrampel, zu verzweifelten und erbitterten Tränenergüssen über jede Kleinigkeit und ist schon darum der besondere Pflegling der Mutter.“ (2)
Michael las die Erzählung schon mit elf Jahren und er sagte in einem Interview, er habe dem
Vater das Bild des Beißers nicht leicht nachgesehen.
Die Manns spiegeln sich aber auch noch in kleinen Passagen in der Erzählung. Zum Beispiel tragen die Kinder die gleichen Russenkittel, wie die Mannschen Kinder, ziegelrot und bestickt. Sie haben auch die Pagenfrisur und Lorchens Ohren sind wie Elisabeths Kinderohren unterschiedlich groß. Weiterhin drückt sich Lorchen genau so possierlich aus wie Elisabeth, indem sie sich selbst sagt, dass das Gesichtchen nichts besonderes sei und dass „das Figürle“ hingegen recht nett sei. Auch Lorchen macht alles besser, als der kleine Bruder, den sie immer zu nachsprechen aufforderte und ihn auch in anderen Dingen unterrichtete. Und wenn er mal nicht aufpasste, stellte sie ihn in die Ecke. Elisabeth erinnerst sich noch heute daran, Michael bei dieser Gelegenheit einmal eine Ohrfeige gegeben zu haben. Wie in der Erzählung hat sie sich dann selbst in die Ecke gestellt.
Was ebenfalls auf wahren Tatsachen beruht ist, dass Elisabeth sich, genau wie Lorchen, die wackelnden Zähnchen immer vom Vater mit einem Taschentuch herausbiegen ließ. Alle Spiele die in „Unordnung und frühes Leid“ beschrieben werden haben ebenfalls stattgefunden... zum Beispiel ist Elisabeth immer mit ihrem Vater im Esszimmer spazieren
gegangen. Sie gingen Hand in Hand, der Vater mit krummen Knien, Elisabeth „mit ernsten Schritten, als ob es ein richtiger Spaziergang sei“(1) , am oberen Ende des Esstischs auf und ab. Und selbst nachdem sie dieses Spiel einige Male gespielt hatten, verlor es nicht an Reiz.
Typisch sind auch die Familienfotos, auf denen Elisabeth meistens auf dem Schoß des Vaters sitzt, neben ihm steht, ihre Hand in seiner, oder auch von ihm zärtlich umfasst wird.
Für die kleine Elisabeth war der Vater ein Beschützer. Einmal ging zum Beispiel die ganze Familie zum Oktoberfest und sie wollten sich die Attraktion einer schauerlichen Missgeburt nicht entgehen lassen: Wenn sich Elisabeth richtig erinnert, handelte es sich um ein zweiköpfiges Wesen in Spiritus. Das Kindchen saß auf den Knien des Vaters und wurde von ihm getröstet. Sie Kniff während der ganzen Vorstellung die Augen zusammen und musste nach der Vorstellung vom Vater, mit immer noch verschlossen Augen aus der Schaubude
geführt werden. Einmal allerdings, besinnt sich Elisabeth, habe sie des Vaters Grausamkeit erschreckt. Das war, als er Michael, der sich vor dem Kruzifix fürchtete, aus pädagogischen
Gründen, mit einer Radikalkur von diesem Trauma befreien wollte. Er nagelte ihm ein Bild eines Kreuzes direkt übers Bett.
Eine weitere große, wahrscheinlich sogar die größte Leidenschaft ihres Lebens teilte sie mit ihrem Vater: die Liebe zum Meer. Diese Leidenschaft hatte ihren Ursprung ebenfalls in
Elisabeths Kindheit. Alles hat damit angefangen, dass Katia und Thomas mit ihren jüngsten Kindern (die anderen waren im Internat oder auf Weltreise) nach Italien ans Meer gefahren sind. Einmal abends standen sie dann zusammen am Strand, Michael, Elisabeth und der Vater. Elisabeth fragte den Vater, was denn hinter dem Horizont sei. Darauf antwortete er: „Der Horizont und dahinter wieder der Horizont.“ (1) Die Leidenschaft zum Meer wirkte sich dann auch auf ihren späteren Beruf aus. Sie war nämlich Meeresforscherin und lehrte an der Universität in Halifax in Kanada Seerecht, ohne dies jemals studiert zu haben.
Auch als Erwachsene Frau war Elisabeth noch die Lieblingstochter des Zauberers. Sie war die Einzige, die bis zur Hochzeit zu Hause lebte. Nachdem sie geheiratet hatte, zog sie nach Halifax, wo sie vor ca. 2 Monaten starb. Nach ihrem Umzug bestand nur noch reger Kontakt zwischen ihr und ihren Eltern. Sie schrieben sich Briefe, oder telefonierten ab und zu einmal.
Schlusswort:
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Elisabeth dem Vater wirklich viel mehr bedeutete als die anderen Kinder. Nicht, dass der Vater die anderen nicht liebte, er hatte nur nicht die Beziehung zu ihnen, die er zu Elisabeth hatte. Ich denke schon, dass das passieren kann, jedoch hätte er es den anderen nicht zu stark zeigen dürfen!
Meiner Meinung nach war die Familie Mann vielleicht ein wenig anders als andere Familien dieser Zeit. Aber ich finde es war auch mal ganz interessant herauszufinden, warum sie so waren und die Hintergründe der Familie waren auch ganz interessant. Wenn man mal tiefer in das Thema eingedrungen ist, sieht man alles mit ganz anderen Augen. So kann ich es jetzt auch ein klein wenig verstehen, dass Michael Selbstmord begangen hat... denn, ich wollte auch nicht unbedingt gesagt bekommen, dass ich eigentlich nicht hätte leben sollen. Ich denke das war ein sehr tiefer Schlag für ihn. Im Gegensatz konnte Elisabeth natürlich sagen, dass sie eine schöne Kindheit hatte, denn sie war der Liebling des Vaters und wurde immer, egal in welchen Dingen, bevorzugt. Das war mit Sicherheit für die anderen Kinder nicht leicht, was
sich ja auch in ihren Erzählungen dann letztendlich zeigt. Und auch für die Mutter war das eine schwere Aufgabe, denn sie musste ja dann wieder die anderen Kinder trösten, die nicht
so viel Aufmerksamkeit des Vaters bekamen. Ich denke aber nicht, dass Thomas Mann deshalb ein schlechter Vater war. Er war einfach nur begeistert von Elisabeth und sah nicht, wie die anderen darunter litten. Man könnte sagen, dass er blind vor Liebe zu der Kleinen war. Ich glaube aber auch, dass es besser gewesen wäre ihm das einmal zu sagen, denn vielleicht hätte sich dann etwas an seinem Verhalten geändert.
Literaturverzeichnis:
Bücher:
(1)
Holzer, Kerstin:
Elisabeth Mann Borgese- ein Lebensportrait.
Berlin (Kindler Verlag GmbH) 2001,
S: 9,11, 12, 13, 14, 22, 25, 26, 27, 28, 29, 31, 32, 34,
(2)
Krüll, Marianne:
Im Netz der Zauberer- eine andere Geschichte der Familie Mann.
Zürich (Arche) 1992 ,
S: 239-248. (Landesbibliothek 92A5398)
(3)
Berger, Beate, Beuthie, Tanja:
„Ich bin die Einzige, die das noch weiß“
FAZ, 04.12.2001
Internet:
(4)
Krause, Tilmann:
Die Lieblingstochter des Zauberers: Elisabeth Mann-Borgese.
In: Die Welt,
Berlin, 05.12.2001,
http://www.welt.de.
(5)
Fuhr, Eckhard:
Familienidyll und Familienhölle.
In: Die Welt,
Berlin, 05.12.2001,
http://www.welt.de.
-14-
Inhalt
Die Fachtarbeit ist in 7 Bereiche gegliedert.
1. Vorwort
2. Ein kurzer Überblick über die Familie
3. Übersicht über Elisabeths Leben
4. Beziehung von Elisabeth zu ihren Geschwistern
5. Charakterisierung von Thomas Mann
6. Beziehung von Elisabeth zu ihrem Vater
7. Schlusswort (4087 Wörter)
1. Vorwort
2. Ein kurzer Überblick über die Familie
3. Übersicht über Elisabeths Leben
4. Beziehung von Elisabeth zu ihren Geschwistern
5. Charakterisierung von Thomas Mann
6. Beziehung von Elisabeth zu ihrem Vater
7. Schlusswort (4087 Wörter)
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Es handelt sich hier um einen fremden, nutzergenerierten Inhalt für den keine Haftung übernommen wird.
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