Menu schließen

Platon - Gerechtigkeit

Frage: Platon - Gerechtigkeit
(9 Antworten)


Autor
Beiträge 3320
20
Was haltet ihr von der Auffassung von Platon gegenüber dem Staat? Was zieht ihr vor? Platons Ansicht oder die moderne, bei der jeder das selbe Recht hat.
Frage von shiZZle | am 09.02.2009 - 18:10

 
Antwort von GAST | 09.02.2009 - 18:32
shiZZle macht das nächste Fass auf! ;)

Ein nigerianischer Gastprofessor, dem ich mal zugehört habe, formulierte es in einer Vorlesung zur Demokratie mal so: Dass in einer Demokratie die Stimme eines weisen Mannes genauso viel/wenig zählen würde wie die Stimme eines Idioten, das könne er nicht nachvollziehen.
Dass wir Westeuropäer immer der Meinung wären, unsere Form der Demokratie wäre das Non-plus-ultra, wäre ihm ebenfalls schleierhaft.

So ganz abzutun ist das nicht, ganz ehrlich; auch wenn uns das sauer aufstößt.

Die Idee, dass bestimmten Menschen bestimmte Fähigkeiten zugeteilt sind, geht letztlich auf eine Grundüberzeugung zurück: wir sind eben nicht alle gleich. Auch wenn heute in weiten Teilen der Versuch unternommen wird, genau das zu propagieren, z.B. in Kampagnen für sog. "Einheitsschulen" - furchtbar! NEIN, nicht alle Kinder haben die gleichen Talente, Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten - sie haben allerdings sehr wohl die gleichen Rechte, wenn es darum geht, ihre individuellen Fähigkeiten, Talente etc. zu entwickeln und zu entfalten sowie so, wie sie es individuell brauchen, gefordert und gefördert zu werden. Wenn wir gewährleisten können, dass allen Kindern tatsächlich (und nicht nur auf dem Papier) dieselben Bildungschancen offenstehen, dann stellt sich Platos Frage nicht mehr in dem Ausmaß, in dem sie sich stellte, als er seine Gedanken zum Thema formulierte.

Abzulehen ist selbstverständlich Platos Idee, Kinder ihren Eltern zu entziehen, um diese gleichen Chancen zu gewähren. Wobei: so manche Tendenzen in der heutigen politischen Landschaft à la ganztätige Kitabetreuung für Kinder ab 3 Monaten usw. gehen ja fast schon in diese Richtung. Ganz schwierig. Andere Aspekte seines idealen Staates sind ebenfalls aus heutiger Sicht abzulehnen. Wieder anderen könnte allerdings auch heute noch jeder zustimmen (hoffe ich doch): nur die Besten sollten herrschen.

Platos Ideen waren, in der ein oder anderen Form, hier und dort in der Geschichte durchaus schonmal Vorbild für Weiterentwicklungen ähnlicher Theorien. Britische Wirtschaftswissenschaftler, Theologen u.ä. zur Zeit der Industrialisierung etwa waren ebenfalls der Meinung, die besser Gebildeten (bedeutete damals ganz klar: die Reicheren) sollten das Sagen haben. Auch wenn das erstmal schockierend klingt, war die Idee dahinter durchaus ein gut gemeinte: die Gebildeten würden so handeln, dass es für alle das Beste wäre. Dahinter steht die Vorstellung eines "guten Vaters", der für das Wohl seiner gesamten Familie sorgt.

Und jetzt kommst du. :)


Autor
Beiträge 3320
20
Antwort von shiZZle | 09.02.2009 - 18:45
Poah da haste aber jetzt was gebracht gemmson ^^

Zitat:

Ein nigerianischer Gastprofessor, dem ich mal zugehört habe, formulierte es in einer Vorlesung zur Demokratie mal so: Dass in einer Demokratie die Stimme eines weisen Mannes genauso viel/wenig zählen würde wie die Stimme eines Idioten, das könne er nicht nachvollziehen. Dass wir Westeuropäer immer der Meinung wären, unsere Form der Demokratie wäre das Non-plus-ultra, wäre ihm ebenfalls schleierhaft


ICh finde das nicht unvorstellbar. Ich persönlich finde nämlich, dass Menschen gleichbehandelt werden sollten. Wieso sollte dann die MEinung eines Idoten weniger Wert sein, als die eines Genies? Denn wenn man letzteres vollzieht, sollte man sich klar machen, dass man ein gleiches Wesen bzw. ein "gleiches" Individuum auf eine untere Ebene stuft. Doch wahre Weißheit sollte doch die sein, dass man jede Stimme eines jeden Menschen gleich gewichtet und ernst nimmt.


Zitat:


Abzulehen ist selbstverständlich Platos Idee, Kinder ihren Eltern zu entziehen, um diese gleichen Chancen zu gewähren. Wobei: so manche Tendenzen in der heutigen politischen Landschaft à la ganztätige Kitabetreuung für Kinder ab 3 Monaten usw. gehen ja fast schon in diese Richtung. Ganz schwierig. Andere Aspekte seines idealen Staates sind ebenfalls aus heutiger Sicht abzulehnen. Wieder anderen könnte allerdings auch heute noch jeder zustimmen (hoffe ich doch): nur die Besten sollten herrschen.


Da bin nicht ganz deiner Meinung. Eltern, die selbst eine schlechte Erziehung hintersich haben und keine Ahnung haben, wie man "richtig" erzieht, sollte man den Kindern für den halben bzw.3/4 Tag berauben und diese lehren.

Zitat:

u.ä. zur Zeit der Industrialisierung etwa waren ebenfalls der Meinung, die besser Gebildeten (bedeutete damals ganz klar: die Reicheren) sollten das Sagen haben. Auch wenn das erstmal schockierend klingt, war die Idee dahinter durchaus ein gut gemeinte: die Gebildeten würden so handeln, dass es für alle das Beste wäre. Dahinter steht die Vorstellung eines "guten Vaters", der für das Wohl seiner gesamten Familie sorgt.


Du sagst bzw. Platons Idee war, dass die gebildeten den Staat führen sollte, um dessen Interessen besser zu vertreten. Außerdem würden die Philosophen (Gebildeten) würden so handeln, dass es das Beste für eine Gesellschaft ist. Doch sagt Platon auch, dass es sehr wenige Gebildete gibt und dafür mehr Unwissende. Doch um das Beste einer Gesellschaft zu wollen, muss ich doch aus der Sicht der Gesellschaft handeln. Wie kann also ein Gebildeter die größere Anzahl (nämlich die Ungebildeten) besser vertreten, als einer dieser Menschen selbst?

Würde es nicht besser sein, dass ich selbst einen meiner Leute vorschicke, der mich vertritt, als jemanden, der sich selbst durch irgendwelche Einstufungen der Kategorien für besser hält? Wer kann schon wirklich behaupten, er sei gebildet und wissend? Sagt Sokrates nicht selbst: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." ?

 
Antwort von GAST | 09.02.2009 - 18:57
shiZZle, du weißt ich mag dich. ^^

Deswegen bin ich jetzt mal provokant und verteidige Mr.... müsste den Namen nachschlagen:
Zitat:
Wieso sollte dann die MEinung eines Idoten weniger Wert sein, als die eines Genies?

Weil das Genie Zusammenhänge versteht, Hintergründe kennt, mehr Weitsicht hat...? Es hieß ja auch nicht, dass man die Stimmen der "Idioten" ignorieren sollte (das wäre Diktatur), sondern dass man sie anders gewichten sollte. Zumindest in der Theorie, gemeinsam mit der Idee des "guten Vaters", würden die Interessen der "Idioten" dann also durchaus nicht unter den Tisch fallen gelassen, sondern gehört und berücksichtigt.

Zitat:
Eltern, die selbst eine schlechte Erziehung hinter sich haben und keine Ahnung haben, wie man "richtig" erzieht, sollte man den Kindern für den halben bzw. 3/4 Tag berauben und diese lehren.


Wäre auch durchaus mein Impuls! Mir tut´s nur ehrlich in der Seele weh. Ich finde, man darf Eltern nicht aus ihrer Verantwortung entlassen - das stößt mir einfach auf. Es kann nicht sein, dass Leute der Meinung sind, mit dem Kinder-in-die-Welt-setzen wäre ihr Job getan. Ich setze mich jetzt mal politisch unkorrekt für den Elternführerschein ein, so. Provokant allerdings von der Gegenseite gefragt: wer bestimmt denn, was "richtige" Erziehung ist? Nicht meine Frage, aber ein z.T. berechtigter Einwand.

Zitat:
Wie kann also ein Gebildeter die größere Anzahl (nämlich die Ungebildeten) besser vertreten, als einer dieser Menschen selbst?


Der wirklich Gebildete/Weise, siehe deine These oben!, hört alle. ;) Plato will, dass das Gute verwirklicht wird - nicht der wie auch immer geartete Wille eines Individuums; im Idealfall fällt beides zusammen.

"Ich weiß, dass ich nichts weiß" bezieht sich auf das Wissen des Gebildeten, dass sein Wissen begrenzt ist und er mit diesem vorsichtig umgehen sollte bzw. nicht pauschalisieren, übertreiben usw. sollte. Die Idee der weniger-Mündigen finden wir doch in jeder Familie wieder: die Eltern entscheiden, weil die Kinder (noch) nicht dazu in der Lage sind. Auf Plato übertragen: die Gebildeten entscheiden, weil die weniger Gebildeten (noch) nicht dazu in der Lage sind. Die Idee der - nennen wir sie mal: gestuften Demokratie ist ja nicht, dass Interessen komplett wegfallen. Somit stünde dem Vorschicken einem "meiner Leute" überhaupt nichts im Wege.

 
Antwort von GAST | 09.02.2009 - 19:00
Platon hat ja nicht umsonst gesagt: wahrhaft gerecht ist, wenn der vernunftbegabte Seelenteil über die anderen beiden Seelenteile regiert


Autor
Beiträge 3320
20
Antwort von shiZZle | 09.02.2009 - 19:07
Ich stimme dir fast vollkommen zu gemmson. Doch ich musste jetzt mal die Stellung einnehmen, denn ich bin der MEinung, dass man erst beide Seiten einer Theorie kennen sollte und gegeneinander abwägt, bevor man voreilige Schlüsse zieht.

Natürlich sehe ich ein, dass ein gebildeter Mann die Bedürfnisse der Menschen besser beurteilen kann, als ein Idiot. Doch Vorsicht muss geboten werden, damit die Macht des Einzelnen nicht zu groß wird.

Es ist für mich persönlich logisch, dass der Philosoph beide Seiten kennt und natürlich Alternativ-Wege. Deswegen sind wir hier wirklich einer Meinung.

Warum ich den Thread aufgemacht habe:

So lernt man besser, wenn man eine Position bezieht und sich gegenseitig kritisiert.

 
Antwort von GAST | 09.02.2009 - 19:11
In dieser hinsicht könntest du Platon auch mit John Stuart Mill vergleichen, in bezug auf Mills Ausführungen zum Wahlrecht und der Position von Abgeordneten.


Autor
Beiträge 3320
20
Antwort von shiZZle | 09.02.2009 - 19:14
Ich persönlich kann John Stuart Mills Werke nicht würdigen. Sein utilitaristisches denken bringt zwar viele gute Ansichten und Perspektiven in eine Staatsreform, doch halte ich nicht vom Utilitarismus ^^

 
Antwort von GAST | 09.02.2009 - 19:14
... und mit Thomas Carlyle und Konsorten.

Das Diskutieren bzw. Meinungen abwägen klappt hier im Philosophieforum ja auch bestens, wenn ich das richtig überblicke. In anderen Threads (hust, hust, hust) leider nicht immer. :)

Freu mich ja immer, wenn sich Leute auch über Hausaufgaben hinaus Gedanken zu Themen machen, die sie interessieren - und noch dazu, wenn im Unterricht mal ein Thema behandelt wurde, dass zum Nachdenken anregt. Ob`s jetzt die alten Griechen sind oder vernünftiges Aufwärmen vor`m Basketball - jaja, verschiedene Fähigkeiten, Talente und Interessen.


Autor
Beiträge 3320
20
Antwort von shiZZle | 09.02.2009 - 20:31
So hab das alles mal schriftliche verfasst. Denn man könnte sowas immer wieder gebrauchen. (das mache ich fast zu allen threads)

Eure Meinung + Verbesserungsvorschläge (man kann nur dazu lernen)

Zitat:

Platons Idee einer Staatsregierung ist zurückzuführen auf die Grundidee, dass die Menschen eben nicht alle gleich sind, sondern vielmehr Individuen mit verschiedenen Erfahrungen, Wissen und Normen. Sodass er auf die Idee kommt, dass nur ein Gelehrter, ein Wissender, ein Philosoph an der Spitze sein kann, um die Interessen eines jeden zu befriedigen. Denn nur der Philosoph ist gebildet genug, den Staat so zu lenken, dass die Mehrheit der Gesellschaft zufrieden ist.
Die moderne Auffassung besagt hingegen, dass jeder das gleiche Recht hat und somit Gleichberechtigt sein sollte. Auch wenn alle Menschen Individuen sind, müssen ihnen die gleichen Rechte zugesprochen werden.
Doch Platons Sicht der Dinge geht zwar über Toleranz und Gleichberechtigung hinaus, erzielt aber dafür einen höheren Zweck. Nämlich den Zweck der Glückseligkeit eines Staates. Man könnte Platons Auffassung auch mit die von John Stuart Mill vergleichen, der ebenfalls Utilitaristische Ansichten vertritt.
Man kommt also zu dem Ergebnis, dass Platons Auffassung zwar einige Werte der menschlichen Würde verletzt, dennoch günstiger zu gestalten ist, als die moderne Vorstellung eines Staates, denn diese modernen Vorstellungen könnten ungünstige Auswirkungen haben. Es sei aber gesagt, dass beide Vorstellungen gefährlich sein können, denn zu viel Macht in den falschen Händen, wie auch in weisen Händen, können Menschen zu großen Dummheiten verlocken.

Verstoß melden
Hast Du eine eigene Frage an unsere Philosophie-Experten?

> Du befindest dich hier: Support-Forum - Philosophie
ÄHNLICHE FRAGEN:
BELIEBTE DOWNLOADS: