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Szenenanalyse "Besuch der alten Dame": Letzes Gespräch des Bürgermeisters mit Ill (Klausur)

Alles zu Werke

Deutschklausur: Analytische Interpretation BESUCH DER ALTEN DAME


(120 Minuten; verbessert; Note: 14NP)

Szene: Letzes Gespräch des Bürgermeisters mit Ill (S.106ff)

Arbeitsauftrag: Interpretieren Sie die gegebene Textstelle. Beziehen Sie hierbei die sprachlichen und dramatische Gestaltung ein.

"Geld korrumpiert - vor allem jene, die nichts haben." Dieses Zitat von Sir Peter Ustinov spiegelt die Hauptthematik der 1956 uraufgeführten tragischen Komödie "Der Besuch der alten Dame" des schweizerischen Autors Friedrich Dürrenmatt beispielhaft wieder. In dem Drama geht es darum, wie die ökonomische Situation Menschen dazu bringt, von ihrer Moral abzukommen.Die in Mitteleuropa liegende, vormals prosperierende Kleinstadt Güllen erwartet die Milliardärin Claire Zachanassian. Als geborene Klara Wäscher lebte sie in Güllen, bis ihre Jugendliebe Ill sie schwängerte und anschließend verleugnete. Daraufhin musste sie die Kleinstadt verlassen und wurde im Laufe ihres Lebens sehr reich und mächtig. Sie schwor sich Rache und kaufte alle Firmen in Güllen auf, ließ diese in Konkurs gehen, um die Stadt finanziell zu ruinieren. Als nun alte Frau kommt Claire nach Güllen , um den Bürgern ein unmoralisches Angebot zu machen: Eine Milliarde für "ihre Gerechtigkeit", die aus dem Tod Ills besteht. Im Namen der Gerechtigkeit lehnen die Güllener das Angebot ab. Doch der Ausblick auf Wohlstand korrumpiert die Bürger sukzessive,sodass Ill schlussendlich hingerichtet wird.

Die vorliegende Szene ist im dritten Akt des Dramas situiert. Da Ill sah, dass die gesamte
Einwohnerschaft mit seinem Tod rechnet, indem sie über ihre Verhältnisse lebt, ersuchte er beim Polizisten und beim Bürgermeister vergeblich um Hilfe. Danach bekam er vom Pfarrer den Rat, zu fliehen, weil er sie in Versuchung führe, wonach er sich entschloss, zu fliehen. Dies tat er aber schließlich nicht, da er befürchtete, er würde in dem Moment, in dem er in den Zug steigt, angegriffen. Später versucht der Lehrer, als einziger, die Güllener davon zu überzeugen, dass der Mord an Ill falsch sei, wird aber nicht ernst genommen, da er betrunken ist. Darauf folgt die gegebene Szene.

In dieser kommt der Bürgermeister zu Ill in seinen Laden. Er teilt diesem mit, dass sie, die
Güllener, bei einer Gemeindeabstimmung über Ill urteilen werden und fragt ihn, ob er das Urteil
annehmen werde. Ferner sagt er, dass sie die Abstimmung über Ills Tod nach außen als
Abstimmung darüber, ob sie die Stiftung Claires annehmen wollen, darstellen werden, da die
Presse anwesend sei. Daraufhin sagt Ill, er werde das Urteil annehmen. Der Bürgermeister sagt Ill, er solle sich zum Wohle der Allgemeinheit selbst richten, was Ill aber ablehnt, da er ihnen diese Bürde nicht abnehmen könne.

In der vorliegenden Textstelle wird zum einen das Nicht-eingestehen der eigenen Schuld seitens
der Güllener, auf der anderen Seite jedoch das Eingestehen der Schuld seitens Ill deutlich. Dieses möchte ich im Folgenden analytisch wie interpretativ aufzeigen.

Die Textstelle kann man in vier Phasen unterteilen: In der ersten Phase, von Z.1 bis Z.31, setzt der Bürgermeister Ill von der Abstimmung in Kenntnis. In der zweiten Phase, von Z.35 bis Z.61 erklärt er, dass die Güllener das Urteil über ihn nach außen als Stiftung darstellen werden. In der dritten Phase von Z.65 bis Z.67 fordert der Bürgermeister, dass Ill sich für die Allgemeinheit opfern solle. D ieser legt dem Bürgermeister in der vierten Phase, von Z.87 bis Z.105, dar, warum er dies nicht tun könne. Der Bürgermeister hat keinen Namen, so wie die anderen Güllener, da er für ein ganzes Kollektiv steht. Für die Bürger.

Von der ersten bis zur dritten Phase überwiegen die Redeanteile des Bürgermeisters. Er teilt mit und fordert. Ill antwortet dabei meistens mit Ellipsen. In der vierten Phase erklärt sich Ill jedoch ausführlich, während der Bürgermeister nur kurz protestiert. Zuallererst ist das Anlehnen des Gewehrs (Z.1) als versteckte Warnung zu verstehen. Mit Erwähnung des Bürgermeisters, dass sie in einer "gewissen Zwangslage" (Z.7) bezüglich seines Falls seien, möchte dieser seine eigene Verantwortung als Oberhaupt der Gemeinde relativieren. Mit den Ellipsen, mit denen Ill in den ersten beiden Phasen zumeist antwortet, möchte er das vorherig gesagte lächerlich machen und sich ironisch davon distanzieren. Auch das Wiederholen von einzelnen Wörtern ("freilich", Z.12) führt zu einem Eindruck der Groteske. Mit dem, für Politiker üblichen Solidaritätsversprechen, man werde das Angebot ablehnen (Z.9) zeigt sich ebenfalls die groteske Scheinheiligkeit des Bürgermeisters, da er ja dies anschließend ja wieder relativiert (Z.11). Dadurch, dass der Bürgermeister in Z.16 vorsichtig fragt (Regieanweisung), wird seine eigene Furcht davor, als Bürgermeister zu scheitern deutlich. Er möchte in den Medien als guter Bürgermeister dargestellt werden. Aus dem selben Grund, stellt er die Abstimmung über ein Todesurteil als Abstimmung über die Annahme der Stiftung Claires dar (Z.35f). Außerdem kann sich der Bürgermeister so als gnädig betrachten, indem er es einfach als "Reinwaschen" Ills (Z.40) betrachtet, ihn als Vermittler dieser Stiftung bekannt zu machen. Durch das Bezeichnen von Ills Familie als "kreuzbrav" (Z.43), das seine Gegensätzliche Meinung bezüglich Ill unterstreicht, kann der Bürgermeister sich einreden, wie schlimm Ill doch gewesen sei. Ferner droht der Bürgermeister Ill, indem er meint, falls Ill sich an die Presse wende, müsse man "das Ganze" auch ohne Gemeindeversammlung machen (Z.49), womit Ills Hinrichtung gemeint ist. Als Ill dies daraufhin völlig richtig als eine Drohung betrachtet, streitet der Bürgermeister das einfach mit einer kausalen Umkehrung ab: Nicht er drohe, sondern Ill (Z.54), wodurch er die Schuld abermals völlig Ill zuschiebt. Als dann der Bürgermeister in der dritten Phase andeutet, dass Ill das Gewehr vielleicht doch brauchen würde (Z.72), zeigt sich, dass er es am liebsten hätte, wenn Ill sich selbst töten würde. So könnten die Güllener sich einreden, unschuldig zu sein, denn sie töteten ihn ja nicht. Der Bürgermeister behauptet sogar, es sei Ills Pflicht, sich für die Allgemeinheit zu opfern (Z.81). Hier spiegelt sich das Dilemma, inwieweit das Allgemeinwohlheit über dem Individualwohl steht, wieder. Jedoch verschließt der Bürgermeister seine Augen völlig vor seiner eigenen Schuld: Sie, die Güllener, haben Claire damals verstoßen und als Flittchen abgestempelt. Sie sind somit mit schuld am Elend der jungen Claire, aus welchem ihre Rache hervorging.

Die dritte Phase erscheint als Wende: Ill äußert sich nun und schildert, wie entsetzlich es für ihn war, durch die Verschuldung der Stadt seinen eigenen Tod näherkommen zu sehen (Z.88-Z.90), eben das, was Claires Absicht war. Doch dies brachte Ill zur Einsicht, dass sein Handeln falsch war. Was ihm nun widerfährt, sei "Gerechtigkeit" (Z.98). Dies erwartet er nun aber auch von den Güllenern; wenn diese ihre Schuld aber nicht eingestehen, kann Ill ihnen auch nicht weitere Schuld abnehmen, wie das Töten von ihm (Z.99). Schlussendlich sieht der Bürgermeister dies aber nicht ein, sondern wirft Ill sogar Unanständigkeit vor (Z.105). Die durch die mangelnde Einsicht der Güllener, repräsentiert durch den Bürgermeister, verursachte Resignation Ills zeigt sich abschließend: Er möchte nur noch rauchen (Z.107).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass meine Interpretationshypothese durch die Analyse der
Szene bestätigt wurde: Ill sieht seine eigene Schuld ein, während sich die Güllener weiterhin als unschuldig betrachten. Im Gesamtkontext hat die Szene eine nur bedingt wichtige Bedeutung: Ills Tod war schon früher, durch die Kündigung der Freundschaft durch den Bürgermeister und letzten Endes durch das Ignorieren der aufklärenden Rede des Lehrers, besiegelt worden. Für die Entwicklung von Ills Seelenleben hatte die Szene jedoch eine bedeutende Rolle, da er nun seine eigene Schuld einsieht. Auch wurde die mangelnde Einsicht der Güllener nochmals deutlich.

Mir persönlich hat die Gesamtaussage des Dramas gefallen, da sie immer sehr aktuell ist: Die Frage der eigenen Schuld und die Abwägung von Gemeinwohl und Individualwohl. Letzteres ist beispielsweise beim Thema Steuern brandaktuell.
Inhalt
Klausur Nr. 3 (120 Minuten; verbessert;Note: 14NP)
Szene: Letzes Gespräch des Bürgermeisters mit Ill (S.106ff)
Arbeitsauftrag: Interpretieren Sie die gegebene Textstelle. Beziehen Sie hierbei die sprachlichen
und dramatische Gestaltung ein. (1347 Wörter)
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