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Johann Wolfgang von Goethe 'Der Bräutigam'

Alles zu Werke

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)


Der Bräutigam (1824)
Um Mitternacht, ich schlief, im Busen wachte
Das liebevolle Herz, als wär‘ es Tag;
Der Tag erschien, mir war, als ob es nachte,
Was ist es mir, so viel er bringen mag.
Sie fehlte ja, mein emsig Tun und Streben
Für sie allein ertrug ich’s durch die Glut
Der heißen Stunde, welch erquicktes Leben
Am kühlen Abend! lohnend war’s und gut.
Die Sonne sank, und Hand in Hand verpflichtet
Begrüßten wir den letzten Segensblick,

Und Auge sprach, ins Auge klar gerichtet:
Von Osten, hoffe nur, sie kommt zurück.
Um Mitternacht! der Sterne Glanz geleitet
In holdem Traum zur Schwelle, wo sie ruht.
O sei auch mir dort auszuruhn bereitet,
Wie es auch sei das Leben, es ist gut.

Gliederung:
A Einleitung: Liebe – ein ewig aktuelles Thema in der Lyrik

B Hauptteil:
1 Analyse des Gedichts nach Inhalt und Form
Beschreibung der poetischen Grundsituation
Untersuchung von Aufbau und Struktur des Gedichts
Die Klangmittel im lyrischen Werk
Untersuchung der inhaltlichen Aussagen unter besonderer Berücksichtigung der sprachkünstlerischen Gestaltungsmittel und deren Wirkung
2 Gedankliche Auseinandersetzung mit der Textproblematik
2.1 Einstellung des lyrischen Ichs zur Liebe
2.2 Einstellung des lyrischen Ichs zum Leben
2.3 Verfasserintention mit diesem Gedicht aus persönlicher und historischer Sicht
C Schluss: Die Wirkung dieses Gedichts auf mich als jungen Rezipienten
Das Gedicht „Der Bräutigam“ von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) entstand 1824, in der Zeit der Klassik. Es beschreibt die Liebe und Sehnsucht eines Mannes zu einer Frau innerhalb einer Beziehung, die am Ende aber zerbricht. Trotz dieser schmerzhaften Erfahrung verliert das lyrische Ich nicht seine Lebensfreude.
Johann Wolfgang von Goethe setzt in seinem Gedicht „Der Bräutigam“ ein männliches lyrisches Ich als Vermittlungsinstanz ein.
Das lyrische Ich reflektiert über seine Liebe zu einer Frau. Er beschreibt, wie er die Nächte genießt, in denen er im Traum mit ihr zusammen ist. Seine Arbeit am Tag übersteht er nur in Hoffnung auf den Abend, den er mit seiner Geliebten verbringt. Sein Denken und Handeln ist durch sie geprägt und stellt somit die Motivation für sein Leben dar. Der Hoffnungsgedanke – mit ihr verbunden und zusammen zu sein – zieht sich durch das ganze Gedicht, wird aber am Ende von einem genügsamen lyrischen Ich überdeckt, das mit dem dargestellten Abschied einen Neuanfang ohne Trauer wagt. Es akzeptiert das Leben, so wie es ist, in einer positiven Art und Weise.
Das Gedicht ist regelmäßig aufgebaut: vier Strophen mit je vier relativ gleichlangen Verszeilen. Diese Vierzeiler erinnern an Volkslieder.
Der Gegensatz zwischen der heftigen Liebe des lyrischen Ichs und dem dargestellten Abschied und gleichzeitigen Neuanfang bildet die Grundlage der antithetischen Bauform des Gedichts. Ihre gemeinsame Liebe lebt nur in seinen Träumen weiter.
Formal gesehen ist die zweite Strophe auffällig: sie besteht aus zwei Sätzen, wobei sich der erste über fast vier Verszeilen erstreckt. Die Interpunktion beschränkt sich auf das Versinnere, somit ist diese Strophe reich an Enjambements, im Gegensatz zu den anderen Strophen, in denen man jeweils nur einen Zeilensprung finden kann.
Die Metrik dieses Gedichts wird von einem fünfhebigen Jambus gebildet, der mit dem fließenden Rhythmus kombiniert ist und somit die Schnelligkeit und Abwechslungsreiche der Liebe verdeutlicht.
Als Endreimform findet man den Kreuzreim, der jedoch in Vers 10 und 12 unrein ist (Segensblick – zurück). Bei der Untersuchung der Kadenzen lässt sich keinerlei Dominanz feststellen (männlich stumpf: 6, weiblich klingend: 5, reich: 5 >> ausgewogenes Verhältnis).
Johann Wolfgang von Goethe wählte für sein lyrisches Werk eine sehr bildhafte Sprache, dies zeigt sich bereits in der ersten Verszeile mit den kontrastiv gebrauchten Verben „schlafen“ und „wachen“. Mit Hilfe dieses Gegensatzes zeigt Goethe die Verwirrtheit seines lyrischen Ichs in Bezug auf die Liebe. Diese starke Gefühlsempfindung spiegelt sich auch in der metaphorischen Personifikation „im Busen wachte / Das liebevolle herz“ (Z.1-2) wider. Mit diesem Ausdruck beschreibt Goethe die innere Unruhe seines lyrischen Ichs. Es kommt nicht einmal in der Nacht zur Ruhe. Hierbei setzt er das Substantiv „Herz“ als Zentrum der Gefühle bewusst ein. Auffällig ist der wiederholte Ausdruck seiner Verwirrtheit mit dem Gebrauch des Konjunktiv II für den Ausdruck der reinen Nichtwirklichkeit: „als wär‘ es Tag“ (Z.2). Die in Verszeile 4 formulierte Frage „Was ist es mir, so viel er bringen mag.“ besticht durch das fehlende Fragezeichen.
In der zweiten Strophe benennt das lyrische Ich das erste Mal seine Geliebte mit dem Personalpronomen „sie“ (Z.5). In Verszeile 6 verstärkt er seine ehrliche Liebe zu ihr, indem er das Adverb „allein“ in den Kontext einfügt. Er nimmt alle Strapazen und Leiden der Welt auf sich und erträgt sie in Hoffnung auf seine Geliebte. Diese Strapazen verdeutlicht er gleich im Anschluss mit der Metapher „die Glut / Der heißen Stunde“ (Z.6-7), die die sengende Hitze über Mittag und die Beschwerlichkeit während dieser Zeit arbeiten zu müssen, beschreibt. Auffällig ist wieder das kontrastive Setzen von Wörtern: in Verszeile 7 und 8 findet man „der heißen Stunde“ beziehungsweise „Am kühlen Abend“. Die positive Konnotation von „kühler Abend“ verstärkt Goethe durch das gesetzte Ausrufezeichen am Satzende und die darauffolgende Inversion und somit die Betonung des ersten Wortes: „lohnend war’s und gut.“ (Z.8) Die Kleinschreibung des Satzanfangs ist mit der künstlerischen Freiheit Goethes zu deuten.
Der Autor beginnt die dritte Strophe seines Gedichts mit der Alliteration „Die Sonne sank“ (Z.9) und verdeutlicht somit den anbrechenden Abend und lässt damit das Ende der Beziehung beziehungsweise den Abschied assoziieren. In der selben Verszeile fällt die positiv klingende a-Assonanz auf: „Die Sonne sank, und Hand in Hand verpflichtet“, wobei man mit dem Verb „jemanden verpflichten“ eher eine Art Zwang als freiwillige Bereitschaft zur Liebe assoziiert. Auf der anderen Seite steht der Ausdruck „Hand in Hand“ für eine Art Zusammengehörigkeit, die in der nächsten Verszeile durch das Personalpronomen „wir“ (Z.10) verstärkt wird. Auffällig ist der Neologismus „Segensblick“ (Z.10), den die beiden ein letztes Mal gemeinsam begrüßten. Mit diesem sprachlichen Bild weist Goethe auf den letzten Sonnenstrahl bei deren Untergang am Abend hin. Im weiteren Verlauf des Gedichts fällt die Personifikation „Und Auge sprach“ (Z.11) auf, die durch das Repetitio mit dem Substantiv „Auge“ bekräftigt wird. Goethe bediente sich hier dem Sinnesorgan Auge, um die Vielschichtigkeit der deutschen Sprache zu nutzen, zum Beispiel können Augen sprechen („Deine Augen sagen alles!“), man kann in ihnen lesen oder man kann einen Blick hinein werfen und natürlich der normalste Gebrauch des Auges, das Sehen. Die letzte Verszeile der Strophe, die durch einen Doppelpunkt angekündigt wurde, besticht durch ihren Hoffnungscharakter: „Von Osten, hoffe nur, sie kommt zurück.“ (Z.12) Die Andeutung der Herkunft „Von Osten“ in Verbindung mit dem Personalpronomen „sie“, das bisher für seine Geliebte stand, lässt die Deutung der Sonne in diesem Vers zu. Die im Osten aufgehende Sonne leitet einen neuen Tag ein und vielleicht auch eine neue und erfüllte Liebe.
Die letzte Strophe wird mit einer Ellipse eingeleitet: „Um Mitternacht!“ (Z.13) Auffällig daran ist das gesetzte Ausrufezeichen als Hervorhebung und Verdeutlichung der Mitternacht als den Höhepunkt der Nacht. Der Ausdruck „Um Mitternacht“ in der letzten Strophe bildet einen Kreis mit dem selbigen zu Beginn der ersten Strophe. Die Verszeile 15 wird mit der Interjektion „O“ begonnen und drückt sein Wunschdenken bei ihr zu sein stärkend aus. Dies wird durch die Verwendung des Konjunktiv I unterstrichen: „O sei auch mir dort auszuruhn bereitet, / Wie es auch sei das Leben, ...“ (Z.15-16).
Die Einstellung des lyrischen Ichs zur Liebe und zum Leben lässt sich bereits an der poetischen Stimmung im Gedicht festmachen. So zieht sich eine positive Stimmung als Grundeinstellung zur Liebe und zum Leben durch das gesamte Gedicht. Allem Negativen nimmt er die Grausamkeit, ein Abschied stellt für ihn kein Hindernis im Leben dar – er sieht es vielmehr als Neuanfang, als eine neue Chance, der er mit Hoffnung entgegensieht. Somit stehen die Liebe und das Leben für ihn in einem engen Zusammenhang, indem das eine das andere beeinflusst und untrennbar miteinander verknüpft sind.
Die Liebe ist für das lyrische Ich ein fester und schöner Bestandteil des Lebens, die für ihn eine Bereicherung darstellt. Wenn er liebt, dann vergisst er alles um sich herum und kann sich am Tag kaum auf seine Arbeit konzentrieren und nachts kann er, wenn sie getrennt sind, vor Sehnsucht kaum zur Ruhe kommen. Für seine Geliebte erträgt er den Alltag mit all seinen Lasten und Qualen. Für ihn gibt es nur eine Motivation – seine Liebe. Wenn das lyrische Ich liebt, lebt es nur für seine Liebe. Alles andere, für ihn in dieser Zeit unwichtige, rückt in den Hintergrund.
Trotz alledem verliert das lyrische Ich nicht seine Lust am Leben, wenn er nicht liebt. Für ihn stellt diese Phase aber nur einen Übergang dar. Abschiede und Neuanfänge gehören für ihn zum Leben und bereichern es vielmehr.
Goethe verarbeitete mit seinem Gedicht „Der Bräutigam“ seine Liebe zu Anna Elisabeth Schönemann, als Lili unsterblich geworden. „Sie war sechzehn Jahre alt, als Goethe sich in sie verliebte. Das Alter ist bezeichnend. Es war das Alter, in welchem die Mädchen einen Zauber der Gestalt und des Reizes, der Schönheit und der Frische besitzen“ (S.193). „Auch war Lilis Charakter keine Ausnahme von der Regel. Jung, graziös und reizend, war sie eine entschiedene Kokette.“ (S.1941) Ihre Liebe hatte es von innen und außen schwer. So waren Lilis Eltern, der Vater war ein angesehener Bankier, von der Wahl ihrer Tochter nicht unbedingt angetan. Sie wünschten sich, dass Lili in eine reiche und adlige Familie heiratete. Auch Goethes Vater war von der Hochzeit nicht zu begeistern, er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, eine elegante Weltdame zur Schwiegertochter zu bekommen. Auch war Goethes Liebe nicht mehr so stark wie vor seiner Reise in die Schweiz beziehungsweise nach Italien. „Er war während dieser Monate unruhig und unglücklich, denn er war weder stark genug, sie aufzugeben, noch verliebt genug, um sie zu heiraten; eifersüchtig auf die, welche sie umgeben, durch ihre Kälte verletzt, ward er immer von Neuem durch ihre Zärtlichkeit hingerissen. Es gab Augenblicke, wo vergangene Tage noch einmal wiedergekehrt schienen, bis sie plötzlich wie Geister wieder versanken.“ (S.2011) Ihre Liebe löste sich mit Goethes Weggang aus Frankfurt hin nach Weimar im Jahr 1775 auf.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Goethe sein Gedicht „Der Bräutigam“ im Jahr 1824 als Erinnerung und Vergangenheitsbewältigung geschrieben hat. Es ist anzunehmen, dass er sich auf seine Zeit der Zwiespältigkeit in Bezug auf seine Liebe zu Lili bezieht.
Des Weiteren kann dieses Gedicht auch auf seine Alterszuneigung zur jungen Ulrike von Lewetzow gesehen werden, die er in Marienbad im Jahr 1823 traf. „Eine Leidenschaft erwuchs zwischen ihnen, die von ihrer Seite allerdings nicht mit derselben Heftigkeit erwidert, ihn noch einmal in die Schwärmerei seiner Wertherzeit versetzte. Er wollte sie heiraten, aber Ulrike soll den Antrag abgelehnt haben.“ (S.3342)
Goethes Gedicht ist in meinen Augen eine sehr schöne Liebes- und Sehnsuchtsschilderung aus männlicher Sichtweise in einer emotionalen Schreibweise. Seine Lyrik „...erweist sich so als eine künstlerische Leistung von überzeugender und einzigartiger Eindringlichkeit. Vor Goethe nicht möglich und nach ihm unwiederholbar, strahlt diese Lyrik das Fluidum einer spezifischen ästhetischen Attraktion aus und wirkt beinahe unvermindert fort.“ (S.LXXXIII3)
Goethes Leben und Werke, G. H. Lewes, Erster Band, Verlag von Carl Krabbe, 1886
2 Goethes Leben und Werke, G. H. Lewes, Zweiter Band, Verlag von Carl Krabbe, 1886
3 Walter Dietze (Einleitung), Goethes Werke in zwölf Bänden, Erster Band, Gedichte I, herausgegeben von den nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar, Aufbau-Verlag Berlin, 1988
Inhalt
Gedichtinterpretation als Hausaufgabe unter besonderer Berücksichtigung der Einstellung des lyrischen Ichs zur Liebe und zum Leben! (1880 Wörter)
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