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Interpretation: Einsamkeit von Andreas Gryphius

Alles zu Werke

Interpretation: Andreas Gryphius „Einsamkeit“


Dreißigjähriger Krieg, Zerfall des Reiches, Herausbildung des Absolutismus und Gegenreformation - die Zeit des Barock entfaltet sich vor dem Hintergrund einer krisenhaften geschichtlichen Periode. Diese historische Umbruchssituation bewegte Dichter wie Martin Opitz, Paul Fleming, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Andreas Gryphius dazu, Werke, aufbauend auf dem Vanitasgedanken, sowie Carpe diem und Memento Mori, zu verfassen. Letzterer war der bedeutendste deutsche Dichter und Dramatiker des Barock. Andreas Gryphius, eigentlich Andreas Greif, verdeutlicht in seinen Gedichten die Vergänglichkeit allen irdischen Glücks. So schrieb der Dichter auch „Einsamkeit“, ein Sonett, welches die Unsicherheit der Beständigkeit allen Lebens auf Erden und den Weg der einzigen Errettung durch Gott, verdeutlicht.
Einem Sonett typisch, wurde das Gedicht aus 14, in vier Strophen gefassten, Zeilen verfasst, welche aus zwei Quartetten und Terzetten bestehen. Ein weiteres Merkmal sind der umarmende Reim in den ersten zwei und der Schweifreim in den letzten beiden Strophen. Das dem Sonett typische Metrum ist der Alexandriner. Schon der negativ konnotierte Titel erlaubt dem Leser einen ersten Einblick in Gryphius' Gedanken. „Einsamkeit“ bedeutet, alleine in der Welt und ohne jegliche Begleitung oder Hilfe zu sein. Diese Situation macht einen Menschen hilflos und oft traurig. Ebensolche Grundstimmung durchzieht das Gedicht, welches in Gedankenlyrik verfasst wurde, bis zur letzten Zeile.
In der ersten Strophe wird die Ausgangsposition beschrieben: Der Sprecher ist einsam und schildert seine Gefühle dazu. „Der mehr denn öden Wüsten“ (Zeile 1) verdeutlicht, wie stark diese Abgeschiedenheit ist. Mehr noch als eine Wüste erscheint dem Sprecher der Schauort. Denkt man an eine Wüste, so sieht man verlassene, vertrocknete Stätten vor sich. Es fehlen lebenswichtiges Wasser und die Hitze ist unerträglich. Hier überlebt kaum ein Lebewesen und wenn, dann nur mit großen Einschränkungen. Das Bild einer solchen Einöde könnte also für den Tod und die Einsamkeit stehen. Auf „wildem Kraut“ (Zeile 2) liegt der Sprecher gestreckt, welches dem Leser abermals verdeutlicht, dass sich das Lyrische-Ich entfernt von jeglicher Zivilisation befindet. Ungehindert wuchert es über den Boden dahin, wo es ungestüm Erde und Steine bedeckt. Keine Menschenseele scheint in der Umgebung zu sein. Von hier aus beschaut die Person nun „jenes Thal und dieser Felsen Höh'“ (Zeile 3). Sie scheint sich an einem übergeordneten Standpunkt zu befinden, von wo aus sie ein größeres Gebiet überblicken kann. Auch Eulen und „stille Vögel“ (Zeile 4), können das Lyrische-Subjekt nicht stören. Eulen nämlich sind nachtaktive Tiere. Sie kommen nur bei Dunkelheit aus ihren Nestern. Auch die stillen Vögel geben am Tage kaum einen Laut von sich.
Das zweite Quartett verdeutlicht nun, wie der Sprecher die Welt, die er betrachtet, sieht. Dabei wird der Anfangsgedanke erweitert und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens deutlich. „Fern von dem Pallast; weit von deß Pövels Lüsten“ (Zeile 5), befindet er sich und scheint darüber nicht gerade traurig zu sein. Die Epoche des Barock war Zeit von Prunk und Fülle. Die Präsentation der eigenen Person war, vor allem dem Adel und der hohen Geistlichkeit, wichtig. Diese schwelgten in Pracht und Reichtum, während der dritte Stand am Rande des Existenzminimums zu leben hatte. Auch Gryphius war ärmlicher Herkunft, worauf man schließen kann, dass ihm das Notleiden niedererer Bevölkerungsschichten wohl bekannt ist. Das Lyrische-Ich scheint sich vom Adel zu distanzieren, da dieser nur seinen Lüsten frönt. Das negative Wort „Pövel“ steht für den Pöbel, eine Gruppe von Menschen, die man als ungebildet, gemein und sogar aggressiv betrachtet. So sieht auch der Sprecher das Volk, das er im Tal erblickt. Sicherlich ist er angewidert von dem Verhalten der Menschen, vielleicht sogar enttäuscht von solch Unsittlich- und Verschwenderischkeit. Er betrachtet auf der einen Seite also Prunk und Reichtum im Überfluss auf der anderen Seite aber auch Armut und niedere Verhaltensweisen. All dies jedoch vergeht in Eitelkeit. Alles also, Klerus, Adel und Volk, sind, unabhängig ihrer Stände, sterblich. Hier spiegelt sich der Vanitasgedanke, die Vergänglichkeit alles Irdischen, wieder. Auch die Antithese wird im Zusammenspiel von Adel und Pöbel, reich und arm, deutlich. Das menschliche Leben ist also Gryphius zufolge, schnell und vergänglich. Jedes Tun schein, angesichts des Todes, nichtig und bedeutungslos. Betrachtet man diese anscheinende Sinnlosigkeit des Lebens zur Zeit des Barock, so wird klar, dass die Hoffnung der einzige Halt für die Menschen von damals war. Doch diese stand „auff nicht festem Grund“ (Zeile 7). Ohne sicheren Grund und Boden jedoch, hat man keinen Platz, ein sicheres und standhaftes Gebäude zu errichten. So hatten auch die Menschen damals keine Grundlage, auf welcher sie Hoffnungen und Träume aufbauen konnten. Der „Grund“ ist also Metapher für Halt und Sicherheit, welche fehlten. Der Dreißigjährige Krieg tötete, verwüstete und zerstörte. Da Deutschland als Verlierer aus diesem hervorging, hatte es mit den verheerenden Konsequenzen zu leben. Pest und Armut, Angst und Trauer waren Alltag.
„Wie die vor Abend schmähn/ die vor dem Tag uns grüßten“ (Zeile 8), beschreibt das Lyrische-Subjekt, wobei abermals die Antithetik zum Vorschein kommt. Der Tag ist Metapher für Licht und Leben. „Vor dem Tag“, also vor dem richtigen Leben, hat man noch eine lange Zeit vor sich, welche sich auch nutzen lässt. Vor allem als Kind startet man fröhlich in das Leben, will die Welt kennen lernen und sich entfalten. Diese Möglichkeit wurde den Menschen des Barock jedoch genommen. Der Krieg ließ wenig Raum, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und nahm Lebenslust und Glück. Den Tag, also das Leben begrüßt man, solange man noch jung ist. Doch hat man erst einmal die Leiden des Lebens erkannt, so wird bewusst wie schnell und vergänglich das Dasein ist. Der Abend kommt, das Licht verschwindet und man legt sich zu Bett. Die Nacht steht einerseits für Ruhe, jedoch aber auch für Dunkelheit und somit den Tod. Zwar sahen die Menschen des Barock das Ableben als Erlösung aus den irdischen Qualen des Lebens, doch hatten sie auch Angst. Was passiert, wenn man stirbt? Wird danach wirklich alles besser? Solche Fragen bewegten und beunruhigten.
Das erste Terzett bestätigt nun die Vergänglichkeit allen Seins. Es beginnt mit einer Kumulation: „Die Höl', der raue Wald, der Todtenkopff, der Stein“ (Zeile 9). All dies sind Begriffe, die im Leser ein Gefühl der Monotonie, der Einsamkeit und der inneren Kälte auslösen. Durch die Aufreihung karger, sterblicher Gegenstände, wird der immer näherrückende Tod verdeutlicht. Die Höhle ist ein grausiger dunkler Ort, in welchem sich ein Mensch ohne Licht kaum zu orientieren weis. Dieses nämlich weißt einem den Weg und spendet Wärme. Auch im Leben fehlte vielen der genügende Halt und Geborgenheit. Jeder hatte sich um die eigene Existenz zu kümmern. Dasselbe drückt auch der „raue Wald“ aus. Voller Bäume und Büsche ist er, so dass die Orientierung leicht zu verlieren ist. Es stellt sich die Frage: Wohin soll man gehen? Rau war auch die Welt im Barock. Es war nichts wirklich Neues mehr, wenn jemand im Krieg fiel oder an der Pest verendete. Die Menschen wurden abgestumpft, sehnten sich aber auch nach einem Ausweg hinaus aus dem rauen Wald des Lebens. „Der Todtenkopff“ ist klares Bild des Todes. Er stellt etwas menschliches dar, das einst dachte, redete, lebte. Nun jedoch ist nur noch weißer Knochen übrig. Dass selbst ein robuster, fester Stein von der Zeit aufgefressen wird, zeigt, wie stark die Vergänglichkeit aller Dinge ist. Die Personifikation der auffressenden Zeit, stellt etwas sehr negatives dar. Die Zeit frisst wie ein wildes Tier unser Leben auf, sie wirkt bedrohlich und mächtig. Niemand kann sich ihr widersetzen. Ein Enjambement verbindet zehnte und elfte Zeile. „Die abgezehrten Bein“ (Zeile 10), stehen für müde, viel gelaufene Beine. Diese Laufwerkzeuge des Menschen bringen ihn von einem zum anderen Ort. Auch im Leben bewegt man sich weiter. Da die Zeit, wie im selben Vers beschrieben, schnell und hektisch ist, wird man gedrungen durch das Leben zu rennen. Es geht so schnell vorbei, doch hat man einen langen Weg vor sich, von welchem man so viel wie möglich mitzunehmen versucht. Davon jedoch werden die Beine müde und schmerzen. Müde vom langen und harten Lebensweg waren auch die Menschen zwischen 1600 und 1720. Dies entwirft im „Mutt“ (Zeile 11), dem Gefühl und dem Denken, „unzehliche Gedancken“ (Zeile 11). Das stressige und raue Leben von damals, brachte die Menschen also dazu, viel über ihr Dasein nachzudenken. „Warum lebe ich überhaupt?“ und „Wann werde ich sterben?“ waren sicherlich häufige Fragen.
Die letzte Strophe des Sonetts fasst schlussendlich Inhalt des Gedichtes und darauf folgende Erkenntnis zusammen. Der Dichter beschreibt nochmals den Vanitasgedanken und das Resultat, dass ohne Gott alles haltlos ist und somit der Glaube den einzigen Weg zur Erlösung bedeutet. „Der Mauren alter Grauß“ (Zeile 12) steht im Gegensatz zu dem „ungebau'ten Land“ (Zeile 12). Die geborstenen Mauern zeigen dem Leser, dass alles, auch das vom Menschen geschaffene, verfallen wird. Was gestern erst erbaut wurde kann heute schon zerfallen. Alles ist vergänglich. Auch das ungebaute Land war vielleicht einst Untergrund für ein prächtiges Schloss, welches nun aber nicht mehr existiert. Das Lyrische-Subjekt ist zwar umgeben von Einsamkeit, doch diese lässt es erkennen „daß alles / ohn ein Geist / den Gott selbst hält / muß wancken“ ( Zeile 14). Gott also ist der einzige Halt, der Fixpunkt der Menschen des Barock. Auf ihn konnten sie ihre Hoffnungen setzen. Selbst wenn das Leben noch so rau und schwer war, selbst wenn es noch so wenig genossen werden konnte, ist man doch am Ziel angekommen. Nach dem Tod, so glaubte man, finde sich die Erlösung in der Nähe bei Gott. So schließt auch Gryphius das Gedicht mit der Synthese und Schlussfolgerung: Gott ist der einzige Halt.
Das Sonett „Einsamkeit“ von Andreas Gryphius stellt das typische Gefühl barocker Lebensweise dar – den Vanitasgedanken. „Alles wird vergehen“, so denkt auch der Dichter und drückt dies gefühlvoll und tiefgründig in seinem Werk aus. Ich selbst finde, dass das ganze Gedicht sehr gut auf das finale Ende hin gestaltet wurde. Der Leser gelangt nach und nach zu der Erkenntnis, dass das von Elend erfüllte irdische Leben nur ein Weg ist, welcher letztendlich zu Gott führt. Mir gefällt das Sonett „Einsamkeit“, da es einen guten Einblick in die Denkweise der Menschen im Barock ermöglicht. Zwar wirkt es sehr pessimistisch, betrachtet man aber den Hintergrund einer krisenhaften geschichtlichen Periode im Barock, so ist verständlich, warum das Sonett eher düster und hoffnungslos wirkt. Ich persönlich jedoch finde, dass alles auf der Welt, selbst wenn es noch so vergänglich ist, doch einen Sinn hat. Lese ich das Gedicht von Gryphius, so bin ich froh, in der heutigen, sichereren und offeneren Zeit zu leben. Man kann etwas aus dem eigenen Leben machen und das anderer bereichern. Die Möglichkeit, dem Dasein einen Sinn zu geben, sollte sich niemand entgehen lassen. Denn wer weiß ob diese Chance jemals wiederkehrt?
Sarah Weiß
Wörter: 1758
Inhalt
Andreas Gryphius verdeutlicht in seinen Gedichten die Vergänglichkeit allen irdischen Glücks. So schrieb der Dichter auch „Einsamkeit“, ein Sonett, welches die Unsicherheit der Beständigkeit allen Lebens auf Erden und den Weg der einzigen Errettung durch Gott, verdeutlicht. (1754 Wörter)
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