Menu schließen

Texterörterung zu: "Literatur hilft leben"

Alles zu Mario Vargas Llosa  - Literatur hilft leben

Renate Welsh Was geht’s dich an?


s. 181 Nr. 3 a)

Fortsetzung
Es wurde immer heißer in der Straßenbahn. Doris kam sich vor wie ein gegrilltes Hühnchen, das kurz vor dem Verkauf steht. Sie wünschte sich in diesem Moment nichts desto trotz lieber als ins Freibad zu gehen, wie die Bosnierinnen. Sie stellte sich vor, kurz vor dem Absprung in ein großes Schwimmbecken mit kaltem klarem Wasser zu sein.
Doch dann unterbrachen die quietschenden Bremsen der zum Stehen kommenden Straßenbahn Doris’ Illusionen.
Als sich die Türen öffneten wurde die dumpfe Luft in der Straßenbahn sofort aufgewirbelt. Doris beobachtete eine alte Dame beim Einsteigen in die Straßenbahn, die anscheinend ein wenig Schwierigkeiten hatte sich auf den Beinen zu halten. Doris ahnte nun was folgen würde und es bewahrheitete sich. Alle Fahrgäste blickten von neuem auf den Boden um ihren Platz nicht freigeben zu müssen. Zumindest fast alle. Denn ganz unerwartet erhoben sich zwei junge Leute von ihren Sitzplätzen. Es waren zwei, etwa 20-jährig-aussehende, Jungen, die das ganze bisherige Gespräch über die Bosnierinnen mitverfolgt hatten. Nachdem die beiden nett aussehenden Studenten den Dank der alten Dame für den Sitzplatz entgegengenommen hatten, stellten sie sich zu den Bosnierinnen.
Eine Mistfliege zog ihre Bahnen durch das Abteil bis sie sich nach langer Suche endlich für einen Ruheplatz entschieden hatte. Langsam ließ sie sich mit einem schwindenden Brummen auf Doris’ Kopf nieder. Doris ignorierte die Fliege und war bloß froh, dass dieses ständige Gebrumme ein Ende hatte. Trotzdem lag immer noch Spannung in der Luft. Niemand sagte ein Wort. Doch dann wurde das Schweigen von einer tiefen aber zugleich hohen Stimme unterbrochen. Mit Doris’ Kopf wandte sich auch Hemma’s sofort in die Richtung der Bosnierinnen. Die Stimme kam von einem der beiden Jungen: „Ich verstehe nicht wieso so viele Leute in dieser Straßenbahn etwas gegen die Bosnierinnen vorzuweisen haben. Sie haben niemandem etwas getan. Außerdem sehen sie doch ganz freundlich aus.“
Daraufhin antwortete ein alter Mann aus der letzten Reihe: „ Sehen sie: Er sagt sie sehen ‚freundlich’ aus. Ich sage doch, so wie die sich schminken und kleiden ziehen sie die Aufmerksamkeit aller Männer auf sich ist. Da ist es kein Wunder wenn...“.
„Wenn was passiert?“ fragte ein wutentbrannter Mann, der in der Sitzreihe vor Doris und Hemma saß. „Nicht die Mädchen sind Schuld wenn so etwas passiert. Die Straftäter, die sich nicht unter Kontrolle haben sind Schuld. Ausserdem leben wir im 21. Jahrhundert. Wenn sie gleich aus dieser Straßenbahn steigen, dann achten sie mal darauf, wie viele deutsche Mädchen und Frauen sich heutzutage Schminken. Sogar 11-jährige laufen schon angemalt durch die Straßen. Und ich bezweifle doch sehr, dass dies auch der Fall in Bosnien ist. Dass die beiden Mädchen sich Schminken ist doch nur ein Zeichen für Anpassung an unser Land. Sie wollen nicht benachteiligt und ausgegrenzt werden. Sie sehr geehrter Mann versuchen aber das Gegenteil zu erreichen!“
Daraufhin brach Gerede aus. Bis eine ältere Dame sich zaghaft zu Wort meldete: „Als bei uns Krieg war hat sich niemand geschminkt. Das wäre doch unter aller Würde gewesen.“ Doris konnte nicht glauben was sie hörte. Was hatten die ganzen Leute nur gegen die drei Bosnierinnen? Ihre Wut wurde immer stärker.
Der erwachsene Mann musterte die alte Dame: „Das war doch damals eine ganz andere Situation.“
Jetzt war es am Zeitpunkt angelangt, dass sich Doris auch zu Wort meldete. Es brodelte schon die ganze Zeit über vor Wut in ihr und nun glaubte sie die Sätze des Mannes, in denen sie Zustimmung fand, weiterführen zu können: „Genau!“ schoss es aus ihr heraus. „Der Mann hat Recht. Die drei Mädchen sind doch aus ihrem eigenen Land geflohen um das Elend, das sie vielleicht schon erlebt haben zu vergessen. Sie wollen nicht an die Gräuel, die in Bosnien herrschen erinnert werden. Sie wollen hier einfach nur glücklich und in Frieden leben.“ „Und dabei bedienen sie sich an unserer Staatskasse. Sie als Jugendliche wissen doch genau wie viel diese ganze Schminke und diese trendy Klamotten kosten“ brachte ein schnäuzbärtiger geiziger alter Mann von sich. Plötzlich öffnete eine der Bosnierinnen ihren Mund: „Wieso Geld aus der Staatskasse? Unsere Eltern arbeiten hier in Deutschland und müssen genauso Steuern bezahlen wie alle anderen Leute auch!“
Dann flüsterte Hemma Doris zu, dass sie schon längst ihre Haltestelle verpasst hätten. Doch Doris war so in die Diskussion vertieft, dass sie Hemma einfach ignorierte. Die ältere Dame sagte wieder mit leicht zittriger Stimme: „Durch die ganzen Flüchtlinge, die in unser schönes Deutschland reisen, steigt die Arbeitslosenzahl mehr und mehr. Letzte Woche hat mein jüngster Sohn Frank seinen Arbeitsplatz verloren.“ „Aber Helga“, murmelte ein Mann neben der alten Dame, „wir haben doch nur eine Tochter!“.
Doris äußerte sich wieder, diesmal noch aufgebrachter: „Gucken sie sich doch mal die Arbeitsverteilung in Deutschland an. Die Ausländer übernehmen doch die Jobs, für die sich Deutschen einfach zu schade sind. Sie brauchen sich doch nur die Arbeiter auf den Erdbeer- oder Spargelfeldern anzuschauen.“
In dem Moment fuhr die Straßenbahn an der Müllabfuhr vorbei. Hemma meldete sich erstaunlicherweise zu Wort: „Haben sie schon mal einen deutschen Müllmann gesehen?“
Ihre Stimme wurde von einer aus dem Lautsprecher kommenden Stimme übertönt: „Endstation Baumthal. Wir bitten alle Fahrgäste auszusteigen.“
Doris und Hemma entschlossen sich gemeinsam zu den Bosnierinnen hinzugehen. Doris sagte: „Lasst euch nicht von dem was die Leute sagen unterkriegen!“. Dann kamen die beiden Jungen auf die fünf Mädchen zu: „Ich glaube unsere Argumentationen haben gesiegt, oder?“ meinte der eine. Daraufhin schaute der andere der beiden auf die fünf Mädchen und sagte: „Zur Feier des Tages laden wir euch alle auf ein Eis ein.“ Bis auf Hemma stimmten alle zu: „Und der Physiktest?“ meinte sie zu Doris, die erwiderte „Der spielt doch jetzt keine Rolle mehr!“. Und alle stiegen gemeinsam aus der Straßenbahn und gingen Eis essen.
Inhalt
Es handelt sich hierbei um eine Texterörterung des Textes "Literatur hilft leben" von Mario Vargas Llosa.

(Deutsch, ) (955 Wörter)
Hochgeladen
von unbekannt
Optionen
Hausaufgabe herunterladen: PDFPDF, Download als DOCDOC
  • Bewertung 3.9 von 5 auf Basis von 32 Stimmen
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
3.9/5 Punkte (32 Votes)



Seite drucken | Melden
Kostenlos eine Frage an unsere Deutsch-Experten stellen:

0 weitere Dokumente zum Thema "Mario Vargas Llosa - Literatur hilft leben"
1474 Diskussionen zum Thema im Forum
Wenn du dieses Dokument verwendest, zitiere es bitte als: "Texterörterung zu: "Literatur hilft leben"", https://e-hausaufgaben.de/Hausaufgaben/D2473-Welsh-Texteroerterung-zu-Literatur-hilft-leben.php, Abgerufen 29.03.2024 13:35 Uhr

Es handelt sich hier um einen fremden, nutzergenerierten Inhalt für den keine Haftung übernommen wird.
Download: PDFPDF, Download als DOCDOC
PASSENDE FRAGEN: