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Facharbeit: Die Lazarettstadt Mindelheim

Alles zu Sozialgruppen

Maristenkolleg Mindelheim Kollegstufenjahrgang 1995/97


F A C H A R B E I T
aus dem Fach

Geschichte/Sozialkunde
„Die Lazarettstadt Mindelheim. Bedeutung der Einrichtung für Mindelheim, dargestellt anhand von Erlebnissen und Problemen der Gesichts- und Kieferverletzten.“
Verfasser: Alexander Hauk
Leistungskurs: Geschichte/Sozialkunde

Kursleiter:

Abgabetermin:

Erzielte Note: in Worten:

Erzielte Punkte: in Worten:
Abgabe beim Kollegstufenbetreuer am
_______________________
(Unterschrift des Kursleiters)
Gliederung
Vorwort
Mindelheim, Lazarettstadt während und nach dem II.
Weltkrieg
2.1 Lazarette in Mindelheim
Einrichtung und Bestand des Lazaretts auf der Mindelburg
und in der ehemaligen Oberschule
Bedeutung des Lazaretts auf der Burg für die Stadt
Mindelheim bei Kriegsende
Zahlen und Fakten
Die Ärzte der Versehrten
Professor Dr. Dr. Martin Herrmann
Dr. Johannes Müller
5. Verwundungen und Operationsarten
Das Lazarett für Gesichts- und Kieferverletzte aus der
Sicht eines Betroffenen
6.1 Individuelles Schicksal
6.2 Persönliche Problemsituationen
6.3 Verein der Gesichts und Kieferverletzten
7. Schlußwort
8. Anhang
8.1 Anmerkungen
8.2 Quellenverzeichnis
8.2.1 Bücher
8.2.2 Zeitungstexte
8.2.3 Sonstige schriftliche Quellen
8.2.4 Interviews

1. Vorwort
Schon während meiner Grundschulzeit fielen mir die verblaßten, großen, roten Kreuze an der alten Knabenschule auf. Erst Jahre später habe ich von dem Lazarett, das darin einmal war, erfahren. Auch in meiner späteren Schule, dem Maristenkolleg, war während des Zweiten Weltkriegs ein Lazarett untergebracht. Diese Tatsache brachte mich auf den Gedanken, mich näher mit der Geschichte der Lazarettstadt Mindelheim zu beschäftigen.
Ab und zu begegnet man auf der Straße noch einem jener Menschen, die vor über 50 Jahren in Mindelheim so etwas wie ein neues Zuhause gefunden haben. Freiwillig sind sie, die Kriegsverletzten, nicht in die Frundsbergstadt gekommen. Sie sind hierher in Lazarette gebracht worden, damit die Verwundungen, die sie aus den schrecklichen Kämpfen des Zweiten Weltkrieges davongetragen haben, ausheilen können. Von ihnen, hauptsächlich von den Gesichts- und Kieferverletzten, und der Lazarettstadt Mindelheim soll meine Facharbeit handeln. Die Recherchen dazu gestalteten sich schwieriger als ursprünglich erwartet, weil nahezu alle amtlichen Unterlagen kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs vernichtet worden sind. So schreibt mir auf eine schriftliche Anfrage Verwaltungs-Oberamtsrat Manfred Putz vom Landratsamt Unterallgäu: „Das von Ihnen angepeilte Thema ist, so interessant es heimat- und regionalgeschichtlich erscheint, um so problematischer in der Quellenlage. ... sind die entsprechenden Unterlagen - sofern sie sich beim Landratsamt (Mindelheim) befanden, zum Kriegsende restlos vernichtet worden...“. Das Bundesmilitärarchiv in Freiburg teilt mir in einem Schreiben mit: „Von den Lazaretten in Mindelheim (seinerzeit Wehrkreis VII - München) liegen hier aus der Zeit vor 1945 keinerlei Dokumente vor. (...) Die Überlieferungen der Sanitätsabteilungen des Wehrkreises VII gerieten vollständig in Verlust.“ Eine ähnliche Antwort erhielt ich ebenfalls vom Amt für Versorgung und Familienförderung in Augsburg, und auch das Bayerische Hauptarchiv in München konnte mir nicht weiterhelfen. Durch intensive Nachforschungen und zahlreiche Telefonate ist es mir trotzdem gelungen an wichtige Informationen zu gelangen. Für meine Facharbeit stützte ich mich vor allem auf einige Kopien des Staatsarchivs Augsburg, zahlreiche Artikel und Aussagen von persönlich Betroffenen.
2. Mindelheim, Lazarettstadt während und nach dem Zweiten Weltkrieg
Ab 1939 erfolgte in unserem Raum die vereinzelte, kriegsbedingte Einrichtung von Hilfs-, Reserve-, und Heimlazaretten, verstärkt ab dem Jahre 1942.
1940 werden die ersten verwundeten Soldaten nach Mindelheim ins damalige Kreiskrankenhaus, das nun als Reservelazarett unter der Leitung von Oberstabsarzt Dr. Hofmann, Dr. Hirte und Dr. Feldmaier steht, gebracht. Maria Malinowski, damals Sekretärin im Krankenhaus, erinnert sich noch genau an die Ankunft der ersten Soldaten: „Viele waren verlaust und hatten ansteckendes Fleckfieber, so daß sie erstmal gebadet wurden, und dann in Quarantäne kamen.“ Ab Februar 1942 steigt die Zahl der Kriegsverletzten, die Mindelheim erreichen, rapide an. Man hat mit weniger Opfern gerechnet, denn schon am 21. April 1942 schreibt der Landrat von Mindelheim an das Staatliche Gesundheitsamt Mindelheim: „(...) Die Krankenhäuser des Kreises sind, besonders da das Kreiskrankenhaus Mindelheim, wegen seiner Beanspruchung als Reservelazarett fast völlig ausfällt, ständig sehr stark belegt, so daß oft Schwierigkeiten mit der Unterbringung von ernstlich krankenhauspflegebedürftigen Patienten eintreten.“ Er empfiehlt deshalb, die Ärzteschaft des Landkreises darauf aufmerksam zu machen, daß Entbindungen grundsätzlich nicht in Krankenhäusern durchgeführt werden, sondern „zu Hause zu erfolgen haben“. Lediglich bei Geburten, bei denen vorhersehbare Komplikationen zu erwarten sind, könne eine Ausnahme gemacht werden.
2.1 Lazarette in Mindelheim
Gedenktafel am Internat des Maristenkollegs
In Mindelheim bestand eine größere Anzahl von Militärlazaretten. Insgesamt waren es acht , davon eines im Kloster Lohhof, das ebenfalls zur Frundsbergstadt gerechnet wurde. Wie unüberschaubar ihre Anzahl kurz nach Kriegsende war, zeigt eine Meldung von Bezirksarzt Jaesche. Er schreibt am 6. Juni 1945: „Unter den gegenwärtigen Umständen ist die Zahl der Lazarette sehr wechselnd, ebenso die Bettenzahl. Ich verweise auf die täglichen Meldungen durch die Lazarette selbst.“
Neben dem Teillazarett im Kreiskrankenhaus Mindelheim, das ab 1943 als Hauptlazarett genutzt wurde, waren in folgenden Gebäuden der Frundsbergstadt Lazarette untergebracht: Englisches Institut (Reservelazarett), Maximillianstr. 63, Ehemalige Mädchenvolksschule (Teillazarett für Ohrenkrankheiten), Maximillianstr. 60, Josefsstift (Teillazarett), Krumbacher Str. 18, Maristen-Oberschule (Teillazarett), Alte Knabenschule (Teillazarett), Reichenwallerstr., Arbeitsdienstlager (Teillazarett), Georgenstr., und in auf der Mindelburg (Teillazarett). In den vier zuletzt aufgezählten Lazaretten wurde ab Februar 1945 die Gesichts- und Kieferverletzten-Abteilung des Reservelazaretts IV aus Breslau untergebracht.
2.2 Einrichtung und Bestand des Lazaretts auf der Mindelburg und in der

Oberschule
Im Januar 1945 erreichte die russische Armee Breslau. Der Geschützdonner war bereits im Osten und Norden der Stadt, die am 20. Januar zur Festung erklärt wurde, zu hören, als ihr Leiter Prof. Dr. Dr. Martin Herrmann noch am selben Tag den Entschluß zur Evakuierung traf. Im Reservelazarett IV in Breslau, in dem Hunderte von Kiefer- und Gesichtsverletzten lagen, hieß es über Nacht aufbrechen, und eine neue Zufluchtstätte suchen. Gemeinsam und ohne jede fremde Hilfe retteten 35Ärzte, etwa 100 Schwestern, Angestellte, Helfer und 300 Lazarettinsassen selbst die wertvollen Instrumente und Einrichtungen. Auf sechzehn zweirädrigen Holzkarren wurden die Instrumente, die Medikamente und Verbandsmittel in der Nacht vom 20. auf 21. Januar verpackt. Gegen acht Uhr verließ der große Treck am nächsten Morgen die Südstadt in Richtung Westen. Je zwanzig Verwundete und ein Arzt zogen die schweren Karren ohne Motor und ohne Pferd über die schneebedeckten Landstraßen Schlesiens. Der Marsch über Sachsen, Oschatz und Franken war überaus mühsam und beschwerlich. Besonders die notwendigen Verbandswechsel und Behandlungen bereiteten unterwegs große Schwierigkeiten. Immer wieder mußten Erholungspausen eingelegt werden, weil die Flüchtlinge erschöpft und übermüdet waren. Obwohl der Treck am Tag nur 15 Kilometer zurücklegte, geschah das Wunder: Zwar sehr erschöpft, aber ohne Verluste kamen die Verwundeten, die vielfach schwere plastische Operationen hinter sich hatten, oder frische Kriegswunden trugen, nach Mindelheim. Das Städtchen an der Mindel war glücklicherweise von den Kriegswirren verschont geblieben, so daß Schulen und öffentliche Gebäude zur Aufnahme von Verletzten bereitgestellt werden konnten.
In der Oberschule, dem heutigen Maristenkolleg, später auch in der Knabenschule, fand das Lazarett eine neue Unterkunft. Auf eigene Initiative Prof. Herrmanns wurden in den kritischen Apriltagen 1945 das ehemalige RAD-Lager und die Mindelburg als provisorische Lazarette eingerichtet und so vor Übergriffen geschützt (siehe auch Punkt 2.3). Auf der Mindelburg und im Cafe Engel entstanden eigene Lazarettapotheken. Die folgenden Monate waren für das Lazarett eine harte Notzeit. Daß die Versorgung der Patienten auch weiterhin sichergestellt war, ist wiederum Prof. Herrmann zu verdanken. Bedingt durch die langsame Abnahme der Lazarettbelegschaft, wurde eine Verschmelzung der Lazarette ermöglicht. Am 30. Juni 1946 wurde das „Kriegsgefangenenlazarett Mindelheim“ in seiner Konstitution aufgelöst, und unter dem Namen „Staatliches Versehrtenkrankenhaus“ vom bayerischen Staat übernommen. Am selben Tag wurde das Lazarett in der Oberschule geschlossen. Die Patienten wurden auf die Mindelburg verlegt.
2.3 Bedeutung des Lazaretts auf der Mindelburg für die Stadt Mindelheim
Als „Retter der Mindelburg“ ist Prof. Dr. Dr. Martin Herrmann in die Mindelheimer Geschichte eingegangen. Ihm ist es zu verdanken, daß Mindelheim, vor allem die Mindelburg, vor Zerstörung und Verwüstung bewahrt blieb. Weil der Burgberg die Grenze zum Flachland bildet, war er ein guter Stellungspunkt. Bis zum 21. April 1945 war die Burg von Hitlerjungen besetzt, die sie bis zum letzten verteidigen wollten.
Erst in den frühen Morgenstunden gaben die Jungen nach Zusprache von Dr. Herrmann ihr sinnloses Vorhaben auf. Gleich nach deren Aufgabe und teilweisen Abzug ließ er das Zeichen des Roten Kreuzes auf dem Dach der Burg hissen. Etwa zur selben Zeit bezog eine bayerische Batterie 150 Meter südwestlich Stellung und ging in Bereitschaft, das Feuer gegen die heranrückenden Amerikaner zu eröffnen. Der Batterieführer konnte sich jedoch dem Argument, er verstoße gegen internationale Bestimmungen, wonach kämpfende Einheiten nicht den Schutz eines Lazaretts als Deckung ausnutzen dürfen, nicht verschließen. Samt Batterie mußte er nach Osten abrücken. Für seine oft schwerverletzten Patienten richtete Dr. Hermann daraufhin weitere Operations- und Pflegebereiche in dem alten Burggemäuer ein.
Am 26. April 1945, wenige Stunden vor Ankunft der ersten Amerikaner in Mindelheim spitzte sich nochmals eine gefährliche Situation zu. Blockadematerial hatte sich im Laufe des Tages an einer Straße oberhalb der Stadt angesammelt. Eine Panzersperre sollte errichtet werden, und einige Mindelheimer fuhren Kies den Burgberg hinauf. Auch Baumstämme lagen auf der Straße. Wieder soll es Dr. Herrmann gewesen sein, der den Leuten gut zuredete. Mit einer weißen Fahne kam er von der Burg und sagte den Männern, daß sie durch ihre Aktion nicht die ganze Stadt am Schluß doch noch gefährden sollten. Daraufhin sei der Ausbau der Panzersperren unterblieben. Ein Anlaß zu Kampfhandlungen bei der Übergabe der Stadt bestand somit nicht mehr.

3. Zahlen und Fakten
Wie bereits im Vorwort erwähnt, wurden am Kriegsende nahezu alle Akten vernichtet. Verständlich, daß nach 50 Jahren die Betroffenen selbst nur noch vage Informationen, zum Beispiel über Bettenanzahl, Belegungsstärke oder Medikamentenverbrauch

geben konnten. Hier haben mir vor allem das Staatsarchiv in Augsburg, und der Beitrag von Manfred Putz in der „Landkreis Unterallgäu“-Chronik weitergeholfen. Zuerst möchte ich auf die Lazarette, ihren Bestand, und die Patienten eingehen:
Reservelazarett Englisches Institut und Teillazarett Kreiskrankenhaus Mindelheim (ab 1943 Hauptlazarett), sowie Kloster Lohhof: 116 Verwundete, Belegung zunächst mit Soldaten von der Ostfront, rund 300 nachfolgende Verwundete aus Nordafrika, der Halbinsel Krim, Sizilien und Monte Cassino. Ab Dezember 1944 wurden Verwundete aus dem gesamten Reichsgebiet in die beiden Lazarette eingeliefert. Unter der Leitung von Oberfeldarzt Dr. Brüning, Dr. Schmidbauer und Stabsarzt Dr. Brenner arbeiteten mehrere Hilfsärzte, rund 53 Ordensschwestern, vier Sanitäter, vier Rot-Kreuz-Schwestern und neun sonstige Kräfte. Die beiden Lazarette bestanden vom 10. 3. 1942 bis zu ihrer Auflösung am 15. 8.1945.
Im Kreiskrankenhaus, dem Teillazarett für Schwerverletzte standen etwa 80 Betten. Während der Bestandzeit von 1939-1947 hatten unter anderem Stabsarzt Dr. Hofmann, Dr. Hirte und Dr. Feldmaier die Leitung inne.
In der ehemaligen Mädchenvolksschule in der Maximillianstraße 60 waren durchschnittlich 60 Betten belegt. Unter der Leitung von Dr. Rudert wurden vor allem Ohrenkrankheiten behandelt. Zum zeitlichen Bestand habe ich keine genauen Zahlen gefunden.
Das Teillazarett Josefsstift in der Krumbacher Straße 18 war durchschnittlich mit 200 Betten belegt. Dr. Schorer, Dr. Schleier, Ordensschwestern und drei zivile Angestellte kümmerten sich um die Patienten während des Frühjahrs 1945.

Die vier folgenden Lazarette waren speziell für Gesichts- und Kieferverletzte eingerichtet:
Der Altbau der Maristen-Oberschule, das heutige Internat, war mit etwa 800 Betten belegt. Vom 22. Februar 1945 bis zum 19. September 1950 wurden dort, wie auch in den anderen drei Lazaretten die Gesichts- und Kieferverletzten von Prof. Dr. Dr. Herrmann und Dr. Johannes Müller, sowie anderen Ärzten behandelt (siehe Punkt 4). Die Maristen-Oberschule diente bis zum 15. Juli 1946 als Kieferlazarett und sollte dann als Tbc-Krankenhaus genutzt werden.
In der Alten Knabenschule in der Reichenwallerstraße sowie im Arbeitsdienstlager in der Georgenstraße standen je 200 Betten.
Auf der Mindelburg waren durchschnittlich 160-180 Betten belegt. So kamen 1945 insgesamt rund 1200 Patienten auf die Burg. 1948 waren es bereits nur noch etwa 60 Patienten. Circa 35 Ärzte und Zahnärzte kümmerten sich in dieser Zeit um die Gesichts- und Kieferverletzten. Von wann, bis wann die Lazarette in der Alten Knabenschule und dem Arbeitsdienstlager bestanden haben, konnte ich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Ab Anfang 1946 wurde nur noch die Mindelburg mit Gesichtsverletzten belegt, so daß anzunehmen ist, daß die übrigen Speziallazarette bis dahin aufgelöst wurden.

Auf eine Regierungsentschließung vom 30. 11. 1945 berichtet der Bezirksarzt Dr. Jaesche in Mindelheim zum vorhandenen Kieferfachlazarett Oberschule Mindelheim:
Bettenzahl: 700
Belegungsstärke: 587 ehemalige Wehrmachtsangehörige
Ärzte: 4
Sonstiges Personal: 82

Zahntechniker: 13
Auch eine Liste vom 27. 09. 1946 über das Inventar, das bei der teilweisen Auflösung des Versehrtenkrankenhauses Mindelheim, Oberschule freigeworden ist, hat sich ebenfalls erhalten.
Von 1400 Verwundeten war die Zahl der Verletzten bis zur Besatzungszeit am 26. April 1945 auf 1100 zurückgegangen. Am Jahresende waren es noch 575. 38 Ärzte und Zahnärzte, 80 Schwestern und 36 Zahntechniker versorgten die Verwundeten. Bis 1957 griffen die Ärzte in 921 größeren und 226 kleineren Operationen und in 9800 Spezialbehandlungen heilend ein, und gaben vielen Verwundeten wieder neue Lebenshoffnung.
Die beiden Lazarettapotheken verarbeiteten im Zeitraum eines knappen Jahres 20 Zentner Pulver zu Lösungen, Salben, und Pudern. Mit dem Mull- und
Gipsbinden hätte man eine Eisenbahnstrecke von 10 000 Kilometern bedecken können. An flüssigen Arzeimitteln wurden 8000 Liter verbraucht.
1940: Die ersten verwundeten Soldaten werden ins Kreiskrankenhaus
Mindelheim eingeliefert.
1945: Bis zum 21. April war die Mindelburg mit Hitlerjungen und Wehrmachts-
soldaten besetzt.
Am 26. April besetzen amerikanische Truppen Mindelheim
1946: Am 30. Juni wird das Lazarett vom Land Bayern als Staatliches
Versehrtenkrankenhaus übernommen. Dies hat vor allem finanzielle
Vorteile. Am selben Tag wird das Lazarett in der Oberschule aufgelöst.
Die Patienten werden auf die Mindelburg verlegt.
1948: Im Oktober verläßt Chefarzt Dr. Herrmann Mindelheim und praktiziert in
Mainz. Sein Nachfolger wird Dr. Müller.
1949: führte das Versehrtenkrankenhaus auf der Mindelburg über 500
Operationen durch. Dabei wurden 102 Brücken und 191 Prothesen
eingegliedert.
1950: Im Herbst wird die Mindelburg als Versehrtenkrankenhaus aufgelöst. Der
Rest der Patienten wird nach Bad Tölz verlegt.
1976: Im März stirbt Prof. Dr. Dr. Martin Herrmann
1986: Dem Verein der Gesichts- und Kieferverletzten wird die Gemeinnützigkeit
zuerkannt.
1996: Dr. Johannes Müller verstirbt im Alter von 86 Jahren in Bad Tölz.

4. Die Ärzte der Versehrten
Rund 35 Ärzte und Zahnärzte behandelten die Gesichts- und Kieferverletzten in Mindelheim. Zwei, die sich besonders verdient gemacht haben, sind Professor Dr. Dr. Martin Hermann und Dr. Johannes Müller.
4.1 Professor Dr. Dr. Martin Herrmann
Sein Name und sein Wirken sind mit dem Namen Mindelheim der Nachkriegszeit eng verbunden. Hingebungsvoll, überragend in seiner ärztlichen Kunst und seiner menschlichen Mitfühlsamkeit, oblag das Kieferlazarett auf der Mindelburg seiner Leitung. Es gelang ihm, unzähligen Verwundeten, die schwerste Gesichtsverletzungen erlitten hatten, durch schwierige Operationen ein menschliches Aussehen wiederzugeben.
Der Mindelheimer Redakteur Martin Moest hat einmal über ihn geschrieben: „Sein ärztliches Bemühen ist unvergessen, sein Menschentum setzte ein Beispiel, das wie ein Leuchturm in einer dunklen Zeit wirkte.“ In Penzing, Schlesien, als dritter Sohn eines Kontors und Hauptlehrers geboren, besucht Herrmann das Humanistische Gymnasium in Görlitz.
Nach dem Abitur mußte er 1914 am Ersten Weltkrieg teilnehmen, aus dem er, mehrmals verwundet, 1918 zurückkehrte. Anschließend studierte er in Breslau Medizin und Zahnheilkunde und ließ sich in seiner Heimatstadt als Zahnarzt nieder. Zu weiteren medizinischen Studien ging er 1929 nach Breslau zurück, wo er 1931 als Oberarzt der Zahn-Mund-Kieferklinik der Universität einen ministeriellen Lehrauftrag erhielt und sich später habilitierte. In Breslau eröffnete er 1934 eine eigene Praxis und wurde Leiter der Städtischen Kieferklinik. 1939 wurde Herrmann eingezogen und mit dem Aufbau der Kiefer- und Gesichtsverletzten-Abteilung im Reserve-Lazarett IV in Breslau vertraut. Von dort floh er am 21. Januar 1945 mit seinen Patienten und Angestellten nach Mindelheim. Im Oktober 1948 verließ Chefarzt Dr. Herrmann das Versehrtenkrankenhaus Mindelheim, das inzwischen viele Patienten als geheilt entlassen konnte. Bis 1949 übernahm Dr. Johannes Müller, der seit 1939 Herrmanns Mitarbeiter war, die Leitung der Mindelburg. Herrmann hat über 200 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Er starb 1976. Zur Erinnerung an seine Arbeit benannte die Stadt Mindelheim eine Straße nach ihm.

4.2 Dr. Johannes Müller
Im Alter von 86 Jahren verstarb Dr. Johannes Müller im Jahre 1996. Seine Patienten nannten ihn liebevoll „Vater der Gesichtsverletzten“. Müller studierte Zahnheilkunde. Nachdem Dr. Herrmann einem Ruf an das Ordinariat der Zahn-Mund-Kiefer-Heilkunde der neu gegründeten Universität Mainz gefolgt war, wurde sein langjähriger Mitarbeiter Dr. Johannes Müller Leiter des Versehrtenkrankenhauses in Mindelheim.
Der Vorsitzende des Vereins der Gesichts- und Kieferverletzten, Friedrich Wendorf.
Etwa 60 Patienten gingen mit Müller 1949 nach Bad Tölz, wohin das Spezialkrankenhaus verlegt wurde. Ihnen half er durch seine Operationen und auch durch seine psychische und physische Kraft zu einem „neuen Leben“. In Gesprächen mit Betroffenen hatte ich das Gefühl, daß Müller bei allen mehr als „nur“ beliebt war. Im Juni dieses Jahres enthüllte der Vorsitzende des Vereins der Gesichts- und Kieferverletzten, Friedrich Wendorf, eine Gedenktafel am Grab von Dr. Müller.
5. Verwundungen und Operationsarten
Es ist für einen Laien schwer, sich von der Art der Gesichts- und Kieferverletzungen eine auch nur einigermaßen richtige Vorstellung zu machen. Auch ich war von der Kunst der Ärzte außerordentlich positiv überrascht, als mir einige ehemalige Patienten alte Aufnahmen von sich zeigten.
Während der Behandlung sahen viele wie „Monster“ aus. Verständlich, das mir niemand sein Foto geben wollte, weil ich glaube, daß die Scham auch heute noch in den Köpfen sitzt. Trotzdem ist die Art, mit der die Verletzten mit ihren Verwundungen umgingen und -gehen bewundernswert.
Dr. Brunier, einer der Ärzte.
Manche der Verwundeten hatten, als sie eingeliefert wurden, ganze Teile des Gesichts verloren. In einem langwierigen Heilungsprozess, bis zu 30 Operationen in drei bis vier Jahren, wurden an Wunder grenzende Ergebnisse erzielt. Die Voraussetzung für den Heilungserfolg einer Gesichtsplastik ist die Wiederherstellung des knöchernen Gesichtsschädels. Einfachere Kieferbrüche heilten meist in sechs bis acht Wochen. Oftmals handelte es sich aber bei den Kieferschußverletzungen um komplizierte Brüche mit Zungenzerreißungen, Gaumendachdefekten und größeren Weichteilverlusten. Wegen des Verlustes größerer Knochenpartien konnten die Bruchstücke häufig nicht zusammenwachsen, so daß vorerst erhebliche Knochendefekte, manchmal von einem Kiefergelenk bis zum anderen, blieben. Indem man je nach Bedarf ein 1-15 cm langes Knochenstück aus der Rippe, dem Schienbein, meistens aber aus dem „Beckenkamm“ entnahm, konnten diese Knochenlücken nach entsprechender plastischer Formung und Vorbereitung an der gewünschten Stelle eingepflanzt werden. Bis 1943 mußte dabei noch mit bis zu 20 Prozent mit einem Mißerfolg der Operation gerechnet werden, weil das Implantat nicht einwuchs und sich von selbst durch Eiterung abstieß. Bis Mitte 1946 sank diese Quote durch die Verbesserung der Operationsmethoden auf 1-2 Prozent. Knochentransplantationen wurden in lokaler Betäubung durchgeführt und waren für das Leben der Patienten ungefährlich. Beschwerlich waren vor allem die Wochen danach. Feste Drahtverschnürungen an gegenüberliegenden Zähnen sorgten dafür, daß das Kiefer für längere Zeit stillgestellt war, hinderten den Patienten aber gleichzeitig am Kauen und Öffnen der Kiefer. Die Ernährung bestand dann längere Zeit nur aus flüssiger Kost. Hier erwies sich Mindelheim gegenüber einer Großstadt als vorteilhafter. Eier, Frischmilch usw. waren leichter auf dem Land zu beschaffen. Am 13. Dezember 1946 schreibt das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an das Staatliche Versehrtenkrankenhaus für Gesichts- und Kieferverletzte in Mindelheim, daß Reis, Grieß, Suppen und Fruchtsäfte beim Verpflegungslager München künftig laufend zur Verfügung stünden. In eigenen Laboratorien des Lazaretts wurden Zahnersätze, Brücken und Prothesen angefertigt und hergestellt.
Erst nachdem durch die Knochenimplantationen das knöcherne Gerüst des Gesichtsschädels wiederhergestellt war, konnten die Gesichtsweichteile behandelt werden. Kleinere Wunden ließen sich oft durch Gewinnung von Muskel-Fett-Hautlappen aus der unmittelbaren Nachbarschaft schließen. Bei größeren Defekten waren mehrere Operationen nötig. Zuerst gewinnt der Arzt bei einer Operation aus Brust, Bauch, Armen oder dem Rücken einen großen Hautfettlappen, der wurstförmig gerollt wird. Diesen konnte man aber nicht sofort vollständig z. B. an das Kinn annähen, da er ständig durchblutet sein mußte. So war der „Wurstlappen“ z. B. mit einem Ende an der Brust, mit dem anderen Ende am Kinn angenäht. Erst bei der nächsten Operation löste man das eine Ende an der Brust, und nähte es ebenfalls am Kinn an. Auf diese Weise erhielt mancher Patient sein fehlendes Gaumendach aus Bauch- oder Brusthaut, Wangenteile, die Nase oder die Lippen aus Brust-, Rücken-, Stirn- oder Armhaut.
In einem Artikel der Mittelschwäbischen Tagespost von 1950 fand ich folgende Beispiele: „...Da ist u. a. der Patient N., dem an der Ostfront ein Explosivgeschoß den ganzen Unterkiefer weggerissen hat. Sein Anblick vor der Operation war geradezu erschütternd. Er sah kaum noch menschenähnlich aus und konnte kaum sprechen und nur in liegender Stellung essen und trinken. Wegen seines traurigen Körperzustandes war er auch seelisch in schlimmster Verfassung. Durch eine ausgezeichnet gelungene Operation wurden diesem Manne die fehlenden Bruchteile des Unterkiefers neu aufgebaut, so daß er den Mund wieder schließen konnte. Einige Monate später erhielt er den fehlenden Unterkieferknochen durch einen großen Knochenspan aus der Hüfte ersetzt, wodurch die Grundlage für die Neugestaltung des Unterkiefers geschaffen wurde. Der jetztigen Gestaltung des Gesichtes ist von der Schwere der Verletzung nichts mehr anzumerken; die Operationen hinterließen nur unbedeutende Narben. Der Behandelnde steht wieder in Arbeit. ... Ein anderer Kriegsbeschädigter hatte durch Granatsplitter sein rechtes Auge und einen Großteil der Schleimhaut der Augenhöhle verloren. Die Vernarbungen in der Augenhöhle waren so stark, daß ein künstliches Auge niemals hätte eingeführt werden können. Um dies doch zu ermöglichen, wurden die Narben aus der Augenhöhle operativ entfernt und es wurde ein Hautstückchen vom Unterarm als Ersatz für die Schleimhaut in die Augenhöhle eingepflanzt. Über diesen Schleimhaut-Ersatz wurde dann das Augenlid, das das Kunstauge hält neu aufgebaut. ...“
6. Das Lazarett für Gesichts- und Kieferverletzte aus der Sicht eines Betroffenen
Es ist ein sonniger Septembertag, als ich Werner M. in Schwabmünchen besuche. An den Tag kurz vor Kriegsende, der sein Leben veränderte, erinnert sich der rüstige Rentner noch genau. Drei Jahre lag M. auf der Mindelburg. Geboren wurde M. am 12. Juli 1926 in der schlesischen Provinzhauptstadt Liegnitz. Anfang September 1942 kam er zur Luftwaffe.
Vor seiner Gesichtsverletzung am 13. März 1945 war er bereits mehrmals verwundet, unter anderem hatte er einen lebensgefährlichen, doppelten Lungendurchschuß, einen Steckschuß im Hals und einen im Herzen. Da er aber immer wieder für kriegsverwendungsfähig eingestuft wurde, kam er stets wieder als Pilot an die Front.
Werner M. (siehe Bild) hatte den Rang eines Oberfähnrich, als er im Frühjahr 1945 auf dem Flugplatz Braunsberg/Königsberg stationiert war.
An den Tag seines letzten Einsatzes, den 13. März 1945, erinnert er sich lebhaft. Die Front lag 10-15 Kilometer entfernt, als die Flieger gegen sechs Uhr geweckt wurden. „Saukalt“ sei es gewesen. Nachdem sich die Soldaten zurechtgemacht hatten, wurden die Maschinen vom Typ H 111 „vermunitioniert“ und gegen acht Uhr angeschmissen. Vier Personen, Pilot, Copilot, Funker und Bordschütze, fanden in dem Flugzeug Platz. Der Auftrag lautete, den 80-100 Kilometer entfernten Bahnhof Kownow, der ein wichtiger Nachschubbahnhof für die Russische Armee war, zu bombardieren. Die Flugzeit betrug 25 Minuten, dann wurde der „Rotz“, wie die Bomben bei den Soldaten hießen, abgeschmissen. Beim Rückflug geschah dann das Unglück. Die russischen Soldaten hatten inzwischen eine deutsche Flakeinheit überrannt, und mehrere Geschütze fielen in ihre Hände. Doch trotz der klaren Sicht und einer eisigen Temperatur von -30 Grad habe man davon „oben“ nichts mitbekommen. So sei die „Überraschung“ auch sehr groß gewesen, als auf einmal, gegen neun Uhr, links und rechts von der Kanzel zwei Granaten krepierten. Sofort sackte die flugfähige Maschine in Senkflug. Eine Scheibe war seitlich eingeschlagen, das Bein des Copiloten war ab, Funker und Bordschütze hatten leichtere Verletzungen. Wegen der „inneren Anspannung“ merkte Werner M. zunächst nichts von seiner Gesichtsverletzung. Er habe es gerade noch geschafft, die Maschine zum 2,5 Kilometer entfernten Flughafen zu bringen und dort ausrollen zu lassen. Ab da „fehlen“ ihm 2-3 Stunden. In einem alten Bauernhaus war die erste Verbandsstelle. Von dort kam M. in ein Lazarett in Königsberg und dann nach Frederizia in Dänemark. Dann sollte er im Juli mit einigen Kameraden nach Deutschland verlegt werden, doch die dänische Heimwehr weigerte sich zunächst. Bei Kriegsende war Werner M. also nicht in Mindelheim. In das örtliche Speziallazarett kam er erst nach 16 Operationen. Das erste, was M. zu Mindelheim einfällt, sind die dreistöckigen Feldbetten mit strohgefüllten Matratzen und blaukarierten Decken. Als er in die Mindelburg eingeliefert wurde, gab es zehn große Zimmer für Verwundete, einen Operationssaal, ein Labor, eine Küche, einen Apotheken- und einen Verwaltungsraum. Zu der Zeit waren aber bereits keine amerikanischen Soldaten mehr auf der Burg. Die Zeit vertrieb er sich, wie viele seiner Leidgenossen mit Karten- oder Schachspielen und Spaziergängen. Eine Zahnpasta hätte er gerne gehabt, aber bei 50 Pfennig, die sie pro Tag erhalten hätten, wäre dieser Luxus nicht erschwinglich gewesen. Eine Semmel kostete bereits fünf Pfennig. Gern erinnert sich M. an einen Bäcker, der ihm öfters Semmel schenkte. Nebenzu arbeitete er als Operationshelfer. Geld bekam er dafür allerdings nicht, vielleicht ab und zu mal ein Freßpaket. 1947 erfuhr der ehemalige Flieger, wo seine
Mutter war, die er nach seiner Entlassung 1950 in Krumbach aufsuchte. 1954 heiratete er seine Frau, mit der er auch heute noch in einem Haus mit großem Garten in Schwabmünchen lebt.
6.1 Persönliche Problemsituationen
Es gab viele Verwundete, die schwer unter den Entstellungen des Krieges litten, die den Glauben an sich selbst und jegliche Lebenshoffnung verloren hatten. Insofern hatten es die Gesichts- und Kieferverletzten besonders schwer, weil man die schrecklichen Verwundungen nicht einfach mit einem Kleidungsstück bedecken kann. Nicht nur die teilweise Ablehnung, aufgrund der Verletzung, bei den Mitmenschen, auch das eigene Seelenleben machte den Versehrten zu schaffen. Sie mußten lernen mit dummen Bemerkungen oder verletzenden Blicken zu leben. Einer von den Versehrten sagte mir auf der Weihnachtsfeier, daß Kinder grausam sein können, weil sie einfach die Wahrheit freiheraus sagen. Auch Werner M. schämte sich anfänglich wegen seines Aussehens. Geholfen haben ihm seine Kameraden, die oft viel „Galgenhumor“ bewiesen hätten. „Einen Selbstmord hat es in Mindelheim keinen gegeben“, sagt Werner M., „doch da gab es einen ganz jungen Burschen, der sehr unter Depressionen litt.“ Durch ständige Beschäftigung hat man versucht ihn von dummen Gedanken abzuhalten. Gottesdienste, eine eigene Musikkapelle, eine Theatergruppe, Rundfunk, Bastelstube, Schreibmaschinen-, Steno- und Sprachunterricht sowie Spaziergänge, Gartenarbeit und Kinobesuche wurden von den Ärzten als „Arbeitstherapie“ entwickelt.
Die Versehrten hatten auch mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Wie bereits erwähnt erhielten sie bis, und auch noch nach der Währungsreform, nur 50 Pfennig am Tag. Kleidung oder Schuhe waren unerschwinglich. Als Werner M. mal nach gebrauchten Schuhen im Mindelheimer Sozialamt nachfragte, habe man seine Bitte mit der Bemerkung, daß es keine gäbe, abgelehnt. Der Mindelheimer hinter ihm aber habe welche erhalten. Ganz im Gegensatz dazu wurden die Versehrten nach der Währungsreform behandelt: „Wir wurden direkt umworben.“ Werner M. arbeitete beim Sachonverlag auf der Mindelburg. Dort schnitt und heftete er Zeitungen. Ein Teil des Lohnes wurde in Materialien, z.B. in Bügeleisen, ausbezahlt. Diese wurden dann als Tauschmittel hergenommen, denn „was soll man schon mit vier Bügeleisen?“ Mit dem Versorgungsamt muß Werner M. sich auch heute noch schriftlich auseinandersetzen. „Eine Gesichtsverletzung ist halt was anderes, als wenn ein Bein oder ein Arm fehlt.“ betont er. Viele der Versehrten seien als Behinderte zu niedrig eingestuft worden. Krankheiten, die erst lange Zeit nach der Verwundung auftreten, würden oft nicht als Spätfolge anerkannt. Und wie soll man das dann beweisen? Trotz des schweren Schicksalsschlages blickt der passionierte Mineraliensammler und Hobbyforscher mit guter Erinnerung auf sein Leben zurück.
6.2 Der Verein der Kiefer- und Gesichtsverletzten
Alle zwei Jahre treffen sich die Gesichts- und Kieferverletzten in Mindelheim. Das erste große Treffen fand 1984 statt. Rund 200 Gäste aus allen Teilen der Bundesrepublik, und auch aus Berlin, sind damals in den Kolpingsaal gekommen, um ein Wiedersehen zu feiern. Am 24. Februar 1986 wurde dem Verein die Gemeinnützigkeit zuerkannt. Eine Stadtbesichtigung und der Austausch von gemeinsamen Erlebnissen gehören natürlich mit zu jedem Treffen. Am 26. März 1996 besuchte ich die Jahreshauptversammlung des Vereins. Unter anderem wurde dort auch der Vorstand neu gewählt. Hier knüpfte ich meine ersten Kontakte zu den Versehrten. Zum 1. Vorstand und Schriftführer wurde Friedrich Wendorf, zum 2. Vorstand und Kassenwart Gottfried Stäger gewählt. Die beiden Mindelheimer beteiligen sich schon jahrelang aktiv am Vereinsleben. Im Dezember besuchte ich die Advent- und Weihnachtsfeier der Gesichts- und Kieferverletzten im St.-Josef-Stift. Auch ein Arzt, Dr. Brunier,
war gekommen. Mit ihm führte ich ein sehr reges Gespräch über die Art der Verwundungen und ihre Ausheilung. Da die Mitglieder des Vereins altersbedingt nach und nach sterben, wird er wohl nur noch einige Jahre existieren. Schon jetzt müssen die Mitglieder in der Vorstandschaft mehrere Aufgaben übernehmen.

7. Schlußwort
Leicht hatten es die Mindelheimer Gesichts- und Kieferverletzten bestimmt nie in ihrem Leben. Um so bewundernswerter bleibt, wie sie mit ihrem Schicksal fertig wurden. Das Resümee, das ich nach fast einjähriger, intensiver Auseinandersetzung mit den Versehrten ziehen kann, lautet: „Nie wieder Krieg!“
Anhang

Anmerkungen
Besonders danken möchte ich Erwin Holzbaur, der mir im Stadtarchiv geholfen hat, die passenden Artikel zu finden, und allen Versehrten , die mir von ihren Erlebnissen erzählt haben.
Quellenverzeichnis
Bücher
Landkreis Unterallgäu, S. 776ff, Manfred Putz
Heimatbrief, Ausgabe von 1970, S. 56 , Martin Moest
Heimatbrief, Ausgabe von 1976, S. 60, Martin Moest
Heimatbrief, Ausgabe von 1986, S. 32, Martin Moest
Heimatbrief, Ausgabe von 1988, S. 20/21, Martin Moest
Heimatbrief, Ausgabe von 1995, S. 17-19, Martin Moest
Heimatbrief, Ausgabe von 1996, S. 55, Andrea Magg
Zeitungstexte
Mittelschwäbische Tagespost vom 3. 11. 1948, „Ein Arzt und Menschenfreund scheidet“, Autor unbekannt
Mittelschwäbische Tagespost von 1950, „Menschen finden ihr Anlitz wieder“, Autor unbekannt
Lokalzeitung von 1957, „Als 1400 Kiefer- und Gesichtsverletzte nach Mindelheim kamen“, Autor unbekannt
Mindelheimer Zeitung vom 20./21. 3. 1976, „Er war auch der Retter der Mindelburg Trauer um Professor Dr. Dr. Herrmann“, Martin Moest
Mindelheimer Zeitung vom 8. 5. 1984, „Wiedersehen nach 40 Jahren Kriegsverletzte erinnern sich zurück“, Helga Acker
Mindelheimer Zeitung vom 5. 5. 1986, „Versehrte haben Lebensmut bewiesen“, Helga Acker
Mindelheimer Zeitung, Erscheinungsdatum unbekannt, „Wie das Versehrten-Krankenhaus nach Mindelheim kam“, Autor unbekannt
Mindelheimer Zeitung vom 28. 4. 1995, „Lazarett schützte die Mindelburg“, Pit Schurian
Mindelheimer Zeitung, 1996, „Große Trauer um Dr. Johannes Müller“, Helga Acker
Mindelheimer Zeitung vom 29./30. 6. 1996, „Kieferverletzte haben Dr. Müller viel zu verdanken“, Wilhelm Unfried
8.2.3 Sonstige schriftliche Quellen
Brief vom 29.11.96 vom Landratsamt Mindelheim
Aktenkopien des Staatlichen Gesundheitsamtes Mindelheim aus dem Archiv des Staatsarchivs Augsburg. Sämtliche Unterlagen, sind dem Ordner beigefügt.
Brief des Landrats an den Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes, 21. 4. 1942
Auflistung des Bezirksarztes, 16. 10. 1946
Nachricht des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 13. 12. 1946
Einnahmebescheinigung, 4. 1. 1947
Brief des Staatlichen Gesundheitsamtes Mindelheim, 24. 1. 1947
Brief des Staatlichen Gesundheitsamtes Mindelheim, 8. 4. 1947
Brief des Bezirksarztes an den Regierungspräsidenten von Schwaben, Datum unbekannt
Interviews
mit: Erwin Holzbauer, Mindelheim
Maria Malinowski, Mindelheim
Karl Spieß, Mindelheim
Friedrich Wendorf, Mindelheim
Gottfried Stäger, Mindelheim
Dr. Brunier
Werner M., Schwabmünchen
und zahlreichen anderen Versehrten während der Weihnachtsfeier der
Gesichts- und Kieferverletzten
Ich erkläre hiermit, daß ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Mindelheim, den 3. Februar 1997
Ich erkläre hiermit, daß ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Mindelheim, den 3. Februar 1997
Brief vom 29. November 1996
Brief vom 20. Dezember 1996
Telefongespräch am 12. Dezember 1996
Brief des Landrates an den Leiter des Staatl. Gesundheitsamtes, 21. April 1942
Manfred Putz, Landkreis - Unterallgäu - Buch, S.776ff
Mindelheimer Zeitung, Pit Schurian, 28. April 1995
Örtliche Lokalzeitung, 1957
Zeitungsartikel von 1948
Artikel aus der „Mittelschwäbischen Tagespost“, 1950
Mindelheimer Zeitung, 20./21. März 1976
Mindelheimer Zeitung, 29./30. Juni 1996
Aus einem Gespräch mit Dr. Brunier auf der Weihnachtsfeier im Dezember 1996
Inhalt
Die Lazarettstadt Mindelheim. Bedeutung der Einrichtung für Mindelheim, dargestellt anhand von Erlebnissen und Problemen der Gesichts- und Kieferverletzten.
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