Facharbeit: Analyse der Novelle "Erdbeben in Chili" von Heinrich von Kleist und Vergleich der Beziehung (Kabale
Analyse der Novelle "Erdbeben in Chili" und Vergleich der Beziehung zwischen Jeronimo und Josephe einerseits (Erdbeben in Chili) und Ferdinand und Luise (Kabale und Liebe) andererseits
2. Analyse der Novelle "das Erdbeben in Chili"
2.1. Die Einordnung von Kleists Erzählung "das Erdbeben in Chili" in die Literaturgattung Novelle
2.2. Aufbau und Inhalt der Novelle
2.3. Die Erzählsituation
2.4. Sprache und Stil
3. Die Liebesbeziehung zwischen Donna Josephe und Jeronimo
3.1. Historische, soziale und gesellschaftliche Hintergründe
3.2. Die illegitime Beziehung zwischen Donna Josephe und Jeronimo
4. Die Liebesproblematik in Schillers "Kabale und Liebe"
4.1. Sozialgesellschaftliche Hintergründe
4.2. Luises Verständnis von Liebe
4.3. Ferdinands Verständnis von Liebe
4.4. Die Chancen der unstandesgemäßen Liebesbeziehung zwischen Luise und Ferdinand
5. Vergleich der Liebesbeziehungen
6. Anhang
7. Literaturverzeichnis
8. Versicherung
Skandalöse Beziehungen sind heutzutage zwar seltener, allerdings noch immer aufzufinden. Bespiele sind sowohl in Familien adligen Geschlechts, als aber auch in bürgerlichen Familien anzutreffen. Beispiele in einer adligen Familie ist die Hochzeit mit einem Partner, der einen sehr niedrigen Rang besitzt bzw. Kriminell bekannt ist. Bürgerliche Frauen, welche sich in einer fleischlichen Beziehung zu einen Mann mit enormen Altersunterschied befinden werden ebenfalls sehr skeptisch und als skandalös angesehen. Wenn hingegen ein älterer Mann mit einer jungen Frau eine Beziehung eingeht gilt dies als ein annähernd vertrautes und normales Geschehen. Auch homosexuelle Beziehungen werden nicht von allen Mitmenschen toleriert und als unangebracht geachtet.
"Das Erdbeben in Chili" von Heinrich Kleist (1777-1811) wurde im September 1807 erstmals im Tübinger "Morgenblatt für gebildete Stände " veröffentlicht. Damals erschien es unter dem Titel "Jeronimo und Josephe. Eine Scene aus dem Erdbeben zu Chili, vom Jahre 1647.". Man geht davon aus, dass der spätere, uns geläufige Titel in der Absicht Kleists lag, den Schwerpunkt nicht auf die Liebesgeschichte zu legen, sondern auf die Naturkatastrophe und deren Folgen.
Offensichtlich ist, dass Kleist den historisch-gesellschaftlichen Hintergrund seiner Zeit als Anlass zum Verfassen dieser Novelle genommen hat.
Gemäß der Gattungsmerkmale einer Novelle in Gero von Wilperts "Sachwörterbuch der Literatur" lässt sich "das Erdbeben in Chili" auch als Novelle bezeichnen. Wilpert definiert die Novelle als eine "… kürzere Vers- oder meist Prosaerzählung e. neuen, unerhörten, doch im Gegensatz zum Märchen tatsächlichen oder möglichen Einzelbegebenheit mit e. einzigen Konflikt … ." ( S.557 ). Zusätzlich findet man neben einem "… nahezu objektivem Berichtstil ohne Einmischung des Erzählers …" (S.557) die für Kleist typische "tiefe Tragik der Welterfassung" (ebda. S.558).
Kleist selbst bezeichnete sein Werk lediglich als Erzählung. Der Begriff Novelle wurde von ihm nicht benutzt. Über die Einordnung von Kleists Erzählung in die Gattung "Novelle" gibt es eine Vielzahl von Sekundärliteratur. Dies nochmals eingehend darzustellen, würde den Rahmen meiner Arbeit sprengen und sicherlich keine neuen Erkenntnisse bringen.
Dennoch möchte ich zu den oben angesprochenen Merkmalen der Novelle kurz Stellung nehmen.
Das im Text geschilderte Erdbeben -dem historisch wohl das verheerende Erdbeben in Lissabon 1755, bei dem Tausende von Menschen ums Leben kamen, zu Grunde liegt- stellt zweifellos eine unerhörte Einzelbegebenheit (s.o.) dar. Gleichzeitig ist dem Anspruch auf Wahrheit Genüge getan, da Kleist sich auf eine historische Naturkatastrophe bezieht. Die konfliktträchtige Liebesbeziehung zwischen Josephe und Jeronimo bedeutete in der damaligen Zeit der Ständegesellschaft auf eine gewisse Art sicherlich auch eine unerhörte Begebenheit. Ob der Aspekt des objektiven Erzählens erfüllt wird, werde ich im weiteren Verlauf meiner Arbeit noch genauer untersuchen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass sicherlich schon bei einer kurzen ersten Betrachtung entscheidende Merkmale einer Novelle im "Erdbeben in Chili" vorliegen, so dass wir durchaus von einer Novelle sprechen können.
Aufbau und Inhalt der Novelle
Diese Novelle Kleists gliedert sich in drei Teile. Stark vereinfacht könnte man sagen, der erste Teil beinhaltet die Naturkatastrophe und die Vorgeschichte der Situation von Josephe und Jeronimo.
Im zweiten Teil finden wir die sprichwörtliche Ruhe nach –vielleicht auch vor- dem Sturm: die Idylle, die beinahe als Paradies erscheint und fast schon eine neue Gesellschaftsordnung erhoffen lässt, in der gesellschaftliche Schranken und die Ständeordnung aufgehoben scheinen:"Auf den Feldern… zu einer Familie gemacht hätte."
Im dritten Teil stoßen wir auf die menschliche Katastrophe, die in eine Massenhysterie mit willkürlichen Brutalitäten –meist durch Zufälle und Verwechslungen hervorgerufen, so z.B. die Identität der beiden Kinder- ausartet.
Auch die Zeitstruktur weist eine Dreiteilung auf: Im ersten Teil geht es hautsächlich um den Tag des Erdbebens und dessen Folgen. Außerdem wird die Vorgeschichte bezüglich der Liebesgeschichte von Josephe und Jeronimo erzählt. Der zweite Teil beginnt mit dem nächsten Tag ("als sie erwachten…" S.6, Z.26)und der letzte Teil beinhaltet die grausamen Geschehnisse in der Dominikanerkirche, bzw. Den Zug dorthin ("Inzwischen war der Nachmittag herangekommen…" S.9, Z.13).
Kleists Erzählung beginnt in St. Jago, der Hauptstadt der spanischen Kolonie Chiles , im Jahr 1647 und beginnt mit dem Ausbruch des Erdbebens. Gleichzeitig versucht Jeronimo Rugera sich in seiner Gefängniszelle zu erhängen. Er sitzt im Gefängnis, weil er während seiner Stellung als Hauslehrer bei der reichen, adligen Familie Asteron eine Liebschaft mit deren einziger Tochter Josephe eingegangen ist.
Seine Geliebte Josephe wiederrum wird in ein Karmelitinnenkoster gesteckt. Dennoch gelingt es den beiden, sich heimlich im Garten des Klosters zu treffen, und das Ergebnis ist die spätere Geburt ihres Sohnes Philipp, welche ausgerechnet während der Fronleichnamsprozession auf den Stufen zur Kathedrale einsetzt. Dies führt dazu, dass Josephe nun zum Tode durch Enthaupten verurteilt wird.
Aber auch ihr Schicksal wird durch das einsetzende Erdbeben abgewendet.
Im zweiten Teil kann Jeronimo aus den einstürzenden Wänden des Gefängnisses fliehen und bringt sich auf einem Hügel vor der Stadt in Sicherheit, wo er abgekämpft einschläft. Später sucht er stundenlang vergeblich nach seiner Geliebten, bis er sie endlich mit seinem Sohn an einer Quelle findet. Sie berichtet, dass das Beben begonnen hat, als sie auf dem Weg zu ihrer Urteilsvollstreckung gewesen ist. Ihren Sohn konnte sie noch aus dem einstürzenden Kloster retten. Auf ihrer Flucht bemerkte sie, dass die Personen bzw. Institutionen, die ihre Verurteilung beschlossen hatten (Erzbischof, die Kathedrale, Palast des Vizekönigs, ihr väterliches Haus und das Gerichtsgebäude) durch das Erdbeben getötet oder zerstört worden sind.
Am Abend der Naturkatastrophe und ihrem Wiedertreffens beschließen die beiden Verliebten zu Jeronimos Familie nach Spanien zu fliehen, weil sie hoffen dort gemeinsam leben zu können.
Am anderen Morgen treffen sie auf weitere Überlebende. Vor allem auf den Adligen Don Fernando, einen guten Bekannten von Josephes Familie. Auch er hat einen kleinen Sohn, und er bittet Josephe ihn zu stillen, da seine Frau aufgrund einer Verletzung dazu nicht in der Lage ist. Auch von den anderen Verwandten Don Fernandos werden die Liebenden freundlich aufgenommen und es entsteht der Eindruck, als ob die gesellschaftlichen Schranken in dieser Extremsituation keine Rolle mehr spielen. Nun keimt in Josephe und Jeronimo die Hoffnung vielleicht in einer neuen klassenlosen Gesellschaft, in der aufgrund der alles umwerfenden Geschehnisse "alle Versöhnt" seien , sanktionslos leben zu können.
Als man von einem Dankgottesdienst in der noch intakten Dominikanerkirche erfährt, sind die Menschen begierig Gott für ihr Leben zu danken, und auch Josephe möchte den Gottesdienst in der Stadt besuchen. Trotz unguter Vorahnungen der Schwägerin Don Fernandos, Donna Elisabeth, begibt sich die Gruppe zum Gottesdienst.
Im folgenden dritten Teil der Novelle zeigt die Thematik des Gottesdienstes sehr schnell, dass die Auswirkungen des Erdbebens aus kirchlicher Sichtweise keineswegs eine Versöhnung und ein neues, humaneres Menschenbild bewirkt haben. Sondern der Geistliche legt in seiner Predigt dar, dass das Erdbeben als Gottes Strafe für die vergangenen Sünden, vor allem das Geschehen im Klostergarten zu verstehen sei. Da er Josephe und Jeronimo namentlich nennt, liefert er sie dem nun aufkeimenden Hass der Kirchenbesucher aus.
Durch eine unglückliche Verkettung von Zufällen – so trägt z.B. Josephe Juan -den Sohn Don Fernandos- und Jeronimo seinen eigenen Sohn –Philipp- nimmt das Unheil seinen Lauf. Josephe wird erkannt, Don Fernando, der neben ihr geht für Jeronimo gehalten. Es gibt ein heilloses Durcheinander, bei dem im Endeffekt Josephe, Jeronimo –der sich, als er die Gefahr für Don Fernando bemerkt, tapfer zu erkennen gibt- und Juan, den man fälschlich für deren Sohn hält, grausam zu Tode kommen. Auch eine Schwägerin Don Fernandos wird erschlagen.
Philipp, der überlebende Sohn Josephes und Jeronimos, wird am Ende der Novelle von Don Fernando und Donna Elvira als Pflegesohn aufgenommen.
Die Erzählsituation
Überwiegend erzählt Heinrich von Kleist seine Erzählung aus der Sicht des Auktorialen Erzählers. So finden wir im Text auch Einschübe wie z.B. auf Seite 2, Z.18 "wie schon gesagt", in denen der Erzähler sich –ganz der allwissende- in die Geschichte einbringt.
Er springt zwischen den Erlebnissen und Schauplätzen, aber auch Empfindungen und Gefühlen seiner handelnden Personen hin und her, kennt die Vorgeschichte etc..
Man hat teilweise den Eindruck, als ob er von oben, aber jederzeit mit Innensicht, die Figuren betrachtet und das Geschehene berichtet. Dabei bleibt er allerdings nicht immer neutral. Auffällig sind die vielen wertenden Adjektive, die er nutzt, natürlich auch, um die Sympathie oder Antipathie des Lesers zu lenken. Etwa die "hämische Aufmerksamkeit" (S.1, Z.13) von Josephes Bruder, die "wahre, heldenmütige Besonnenheit" Don Fernandos(S.12, Z.21f.), des "göttlichen Helden (S.13, Z.24), der "Löwe" (S.13, Z.27), dem es gelingt, "sieben Bluthunde" (S.13, Z.25) der Gegner zu töten. Für die Gegenspieler der Protagonisten findet er Begriffe wie "der fanatische Mordknecht" (S.13, Z.14), " die satanische Rotte" (S.13, Z.28), der "rasende Haufen" (S.13, Z.2f.)
Die häufigen Wertungen und Einschätzungen im Text können nur von einem auktorialen Erzähler getroffen werden; etwa: "Niemals schlug aus einem christlichen Dom eine solche Flamme der Inbrunst gen Himmel, wie heute aus dem Dominikanerdom zu St. Jago; und keine menschliche Brust gab wärmere Glut dazu her, als Jeronimos und Josephes. " (S. 10, Z. 37-41). Auch die häufigen "als ob" – Formulierungen zeigen den Überblick des allwissenden Erzählers. So erscheint es dem Liebespaar, nachdem sie auf die Gesellschaft um Don Fernando und deren Freundlichkeit getroffen sind, "als ob die Gemüter, seit dem fürchterlichen Schlage, der sie durchdröhnt hatte, alle versöhnt wären." (S. 7, Z.20f.). Das "als ob" und auch der Konjunktiv "wären" zeigen hier den Wissensvorsprung des Erzählers bezüglich der trügerischen Harmonie der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Auch die idyllische Schilderung der "Vereinigung" der "Menschen von allen Ständen" (S. 8., Z.13f.) wird durch das eingangs gesetzte Verb "Schien" (S.8, Z.9) vom Erzähler in Frage gestellt.
Zweifellos liegen die Sympathien des Erzählers aufseiten des Liebespaares und auch Don Fernandos. Seine Formulierungen sind eindeutig dahingehend gewählt, auch das Publikum dementsprechend zu beeinflussen. So stellt er etwa auf Seite 11, Z. 14 mit der Formulierung "unserer beiden Unglücklichen" eine direkte Beziehung zum Publikum her, indem er es durch das Personalpronomen einbezieht.
In einigen Passagen entdecken wir auch einen personalen Erzähler, indem er fast völlig hinter den Personen seiner Handlung verschwindet, so vor allem im zweiten Teil, als die Schilderung des "Tals von Eden" (S.5, Z.35), förmlich die Gedanken, Gefühle und Beobachtungen aus der Sicht des romantischen Liebespaares wiedergibt (S.5, Z.37 ff.).
Sprache und Stil
Für den heutigen- vor allem jungen - Leser bedeutet die Lektüre Kleistscher Texte eine immense Herausforderung. Erst konzentriertes Lesen ermöglicht das … Nachvollziehen der Ereignisse.
Das liegt vor allem an der sehr komplizierten Syntax Kleists, so erstrecken sich die ersten drei Sätze des "Erdbebens in Chili" schon über fünfzehn Zeilen. Diese ungewöhnlich langen Sätze bestehen aus unterschiedlichsten Satzgefügen, unter anderem Relativsätzen und Konjunktionalsätzen. Sie zwingen den Leser genau und konzentriert zu lesen. Natürlich gelingt es Kleist auf diese Weise in komprimierter Form viel zu erzählen. Weiterhin bewirken die vielen Schachtelsätze den Eindruck der Ruhelosigkeit und machen die Erzählung spannend, weil der Erzählstil keine Ruhepausen gönnt und man gezwungen ist, angespannt weiter zu lesen.
In diesem Sinne interpretiert auch Hartmut Kircher die neunmalige Verwendung der Anapher "hier" (S.2., Z.42 bis S. 3, Z.7) als "(…) besonders aussagekräftiges Beispiel für die vorwärtseilende Hast des Kleistschen Stils (…)". (S.69, ).
Wie schon oben erwähnt ist die Sprache Kleists geprägt durch Adjektive, Superlative oder Wendungen, die besonders emotionsgeladen sind und durch ihre Aussagekraft die außergewöhnlichen Ereignisse sowohl im Positiven als auch im Negativen unterstreichen: "außerordentliches Aufsehen" (S.1, Z.24), "ungeheure Wendung der Dinge" (S.2, Z, 4f.), "tiefste Bewusstlosigkeit" (S.3, Z.11f.), "entsetzensvollen Schritte" (S. 4, Z.32), "schönste Nacht" (S.5, Z.43),"""prachtvollen Granatapfelbaum" (S.6Z.8)"grässliches Unglück" (S.7, Z. 26f.),"unaussprechlicher Heiterkeit" (S.8, Z.37), "blutdürstende Tiger" (S.13, Z.18f.), "Satanische Rotte" (S.13, Z.28), etc.
Indem die positiv belegten Wendungen Josephe und Jeronimo und ihren "Freunden" zugeordnet werden, und die negativ belegten Wendungen der Gegenseite, wird die Position des Erzählers klar und durch seine Polarisierung, beeinflusst er natürlich auch seine Leserschaft, bzw. in einer Theateraufführung sein Publikum.
Interessant sind die ironischen Momente in der Novelle. Wenn es Kleist gelingt mit seiner Erzählkunst, obwohl er rein textgemäß nichts Kritisierendes sagt, dennoch fein nuanciert seine eigentliche Meinung kundtut. So gleich zu Beginn, als er von den "frommen Töchtern der Stadt" spricht, die ihre Freundinnen eingeladen haben, (…) um dem Schauspiele, das der göttlichen Rache gegeben wurde, an ihrer schwesterlichen Seite beizuwohnen." (S.2, Z.1f.) Natürlich übt er hier, wenn auch indirekt ironisch Kritik an dem vermeintlich christlichen Verhalten, zu dem Schauspiel einer Hinrichtung einzuladen.
Historische, soziale und gesellschaftliche Hintergründe
Heinrich von Kleists Erzählung spielt in St. Jago, der Hauptstadt des Königreichs Chili, im Jahr 1647. Tatsächlich fand in Santiago, der Hauptstadt Chiles, in diesem Jahr eine Erdbeben statt, das die Stadt fast völlig zerstörte. Kleist ging es hier wohl mehr um einen realen, historischen Zeitbezug für seine "unerhörte Begebenheit" als um eine detailgenaue Schilderung der Naturkatastrophe. "Mit den wahrscheinlich aus Reise und Landesbeschreibungen gewonnen Anregungen und Kenntnissen hat Kleist lediglich den äußeren, historischen und geographischen Rahmen seiner fiktionalen Handlung fixiert. Seine Darstellung Santiagos geht kaum auf spezifische Eigentümlichkeiten der chilenischen Hauptstadt ein, so daß der Schauplatz des Geschehens fast als austauschbar erscheint." (kircher, S.9)
Der Kleist-Forscher Hans- Joachim Kreutzer spricht sehr passend von einem "Niemandsland feinster europäischer Gesellschaft" (Kreutzer, S. 96)
Die beiden Hauptfiguren des "Erdbebens von Chili" –Donna Josephe und Jeronimo- entstammen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Donna Josephe ist die einzige Tochter "eines der reichsten Edelleute der Stadt" (s.1, Z.7) -Don Henrico Asteron. Das heißt, sie gehört dem Adel an.
Gleich im Eingangssatz erfahren wir die soziale Stellung Jeronimo Rugeras: Der Spanier ist bei der Familie Asteron als Lehrer angestellt und hat insofern studiert. Er ist bürgerlicher Abstammung, die Familie seiner Mutter lebt immer noch in Spanien.
Die Beziehung, die sich zwischen den beiden bereits im Hause der Asterons angebahnt hatte, war Mitte des 17. Jahrhunderts sicherlich skandalös und völlig unmöglich, da eine Verbindung zweier Personen aus verschiedenen Ständen in der damaligen Ständeordnung einfach nicht toleriert wurde und nicht vorkommen durfte.
Der Normalfall war sicherlich die Vernunftehe innerhalb desselben Standes, eine Liebesheirat eher Zufall, eine Beziehung aus Leidenschaft über Standesgrenzen hinweg ein Skandal.
Besonders die Konstellation, wie wir sie im Erdbeben in Chili" vorfinden: adlige Frau, bürgerlicher Mann war verpönt, unschicklich und moralisch im höchsten Maße verwerflich.
Im Unterschied dazu war ein adliger Mann, der sich eine Geliebte aus einer unteren Schicht "hielt", sicherlich kein Einzelfall und wurde von der Gesellschaft toleriert, wenn auch nicht als offizielle Verbindung.
Gleich zu Beginn der "moralischen Erzählung" –wie Kleist seine Erzählung betitelte- erfahren wir das Hauptthema der "moralischen Erzählung": die nicht standesgemäße Beziehung zwischen einer Angehörigen des Adels, Donna Josephe, und ihrem spanischen Hauslehrer Jeronimo.
Um dieses "zärtliche Einverständnis" ((s.1, Z.10) zu beenden, verbannte Don Asteron seine Tochter in ein Karmeliterkloster, wo es ihr trotzdem gelang mit Jeronimo "in einer verschwiegenen Nacht" (S.1, Z.17f.) den gemeinsamen Sohn Philipp zu zeugen.
Dieser nicht zu leugnende Beweis der intimen Beziehung zieht sodann die auch rechtliche Verurteilung der beiden Liebenden nach sich.
So stellt Stefanie Marx passend fest: "Der Frevel im Klostergarten hat für Josephe unausweichlich die Hinrichtung zur Folge, für Jeronimo Gefängnishaft." (Marx, S.123)
Regierung und Klerus kannten keine Gnade. Der Erzbischof forderte den "geschärftesten Prozess" (S.1, Z.27), und der Vizekönig wandelte den Feuertod, zu dem Josephe verurteilt worden war, lediglich in eine Enthauptung um. Über diese Abmilderung der Strafe waren die "Matronen und Jungfrauen von St. Jago" sogar noch entrüstet. Die Gesellschaft und öffentliche Meinung kannten kein Mitleid oder Vergebung, nicht einmal mit ihresgleichen.
Den beiden Liebenden war natürlich stets bewusst, welches Risiko sie mit ihrer Liebesbeziehung eingehen. Dennoch scheint es dem Liebespaar sehr ernst mit ihrer gegenseitigen Liebe zu sein. Als Jeronimo vom Todesurteil seiner Geliebten erfährt und anscheinend weder seine Gebete zur Mutter Gottes etwas nützen, noch die Flucht aus dem Gefängnis möglich ist, beschließt er seinem Leben ein Ende zu setzen. Und auch als er nach dem Erdbeben wieder einen klaren Gedanken fassen kann, erscheint ihm, da er Josephe tot wähnt, das Leben nicht mehr lebenswert.
Für Donna Josephe ist Jeronimo "(…) nach dem kleinen Phillipp, der liebste auf der Welt (…)" (S.5, Z. 29f.), und sie vergießt auf der Suche nach ihm zahlreiche Tränen. Zumal sie –als sie das Gefängnis in Trümmern vorfindet- zuerst von seinem Tod überzeugt ist.
Als sie sich "selig" im "von Pinien beschatteten Tal " wiederfinden, kann man die Liebe zwischen den Beiden und ihrem Kind förmlich fühlen. Der Erzähler schmückt die Situation mit Formulierungen wie "die schönste Nacht" , "Voll wundermilden Duftes, so silberglänzend und still, wie nur ein Dichter davon träumen mag." (S.5, Z. 41-43). Die paradiesische Szene scheint symbolisch für die Liebe der beiden, die die kurze Zeit ihres gemeinsamen Glücks überwältigt genießen. Sie schätzen sich glücklich "(…) und waren sehr gerührt, wenn sie dachten, wie viel Elend über die Welt kommen musste, damit sie glücklich würden!" (S.6, Z.17-19). In ihrer Euphorie bedauern sie kaum das Elend der vielen Opfer und deren Angehörigen, vielmehr ignorieren sie das Ausmaß der Katastrophe zugunsten ihrer Liebe.
Sie sind sich bewusst, dass sie das Land verlassen müssen und so beschließen sie, nach La Conception zu fliehen, um dort bei Jeronimos Verwandten in Spanien gemeinsam leben zu können. Im "Tal von "Eden" (S. 5., Z. 35) sind den Liebenden die Erlebnisse vor der Naturkatastrophe so präsent, dass sie realistisch genug sind, ihre Zukunft woanders zu planen.
Erst die Begegnung mit Don Fernando, der Josephe gesellschaftlich gleichgestellt ist, bewirkt das schicksalhafte Umdenken des Liebespaares. Indem Josephe Don Fernandos Sohn stillt, gerät das Paar in die Gesellschaft von Don Fernandos Familie, wo Josephe "(…) auf das Innigste und Zärtlichste von Don Fernandos beiden Schwägerinnen, (…), empfangen ward." (s.7, Z. 6-8).
Der auktoriale Erzähler schildert uns nun, wie sich in Josephe und Jeronimo die Hoffnung entwickelt, dass sich durch die Naturkatastrophe auch in der Gesellschaft etwas verändert hat: "(…) so wussten sie nicht, was sie von der Vergangenheit denken sollten, (...)? Es war, als ob die Gemüter, seit dem fürchterlichen Schlage, der sie durchdröhnt hatte, alle versöhnt wären." (s.7., Z.17-21).
Die sich im Tal abspielende Idylle ("Auf den Feldern, (…), sah man Menschen von allen Ständen durcheinander liegen, (…), als ob das allgemeine Unglück alles, (…), zu einer Familie gemacht hätte." (S.8, Z.12- 19)) weckt in den Liebenden die Hoffnung, nach der Auflösung der ständischen Schranken als Paar akzeptiert zu werden.
"Für die Liebenden ist, so scheint es, das Zeitalter der klassenlosen Gesellschaft, in dem sich die Hoffnung auf reine Menschlichkeit erfüllen sollte, angebrochen." (Oellers S.93)
Nun zeigt sich, dass Josephe die Besonnenere der Beiden ist. Während Jeronimo vom "Umsturz aller Verhältnisse" (S.8, Z.39f.) ausgeht und seinen Entschluss nach Spanien zu fliehen aufgibt und sogar hofft mit ihr in Chili leben zu können, ist Josephe skeptischer.
Zwar ist sie sich sicher, ihren Vater versöhnen zu können, aber sie schlägt vor, "das Versöhnungsgeschäft mit dem Vizekönig" (S.9, Z. 5)-also die Begnadigung- schriftlich von La Conception aus zu betreiben, von wo aus die Flucht leichter zu bewerkstelligen sei. Jeronimo sieht die " Klugheit dieser Maßregel" (S.9, Z.10) ein.
Überhaupt erscheint Josephe in dieser Beziehung die Führende zu sein. Sie erscheint nie als die Passive, vom Hauslehrer verführte Patrizierin, sondern sie ist diejenige, die denkt und handelt. So ist sie nach der Naturkatastrophe schnell wieder handlungsbereit, rettet ihr Kind aus den Flammen und überlegt auch auf ihrer Flucht in das Tal "mutig" (S.5, Z.) jeden ihrer Schritte. Selbstlos versucht sie auch wohlüberlegt ihr Kind zu retten, indem sie Philipp Don Fernando mit den Worten "(…) retten Sie Ihre beiden Kinder (…)" auf den Arm setzt, damit die mordlustige Menge nicht glaubt, es sei ihr Sohn. Jeronimo erscheint viel passiver, auch sein etwas zielloses Umherirren nach dem Erdbeben und seine verworrenen Gedanken, lassen ihn weniger realitätsbezogen als seine Geliebte erscheinen.
Aber obwohl Josephe sehr realistisch und tatkräftig ist, unterschätzt sie die Gefahr, die ihnen in der Dominikanerkirche droht. Die eben noch unter den Menschen erahnte Verbrüderung stellt sich in der Kirche –provoziert durch den Priester, der die Naturkatastrophe als Strafe Gottes für Jeronimo und Josephes gottlosen Frevel deutet- als tragische Verkennung der Tatsachen heraus.
Die Liebe zwischen Jeronimo und Josephe hat keine Chance. Der Leser oder Zuschauer der Novelle, der das Überleben des Liebespaares durch die Naturkatastrophe als eventuelle Möglichkeit gesehen hat, dass das Paar seine Liebe doch leben kann, muss erfahren, dass letztendlich die Gesellschaft (symbolisiert durch die mordlustige Meute in der Kirche) die unerhörte Verbindung im wahrsten Sinne des Wortes doch zerstört.
1.sozialgesellschaftliche Hintergründe
Das bürgerliche Trauerspiel "Kabale und Liebe" geschrieben von Friedrich Schiller wurde im Jahr 1784 uraufgeführt. Schiller übt in seinem Drama indirekt Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Situation seiner Zeit. Deutschland –damals in viele Fürstentümer zersplittert- wurde absolutistisch regiert und die Bevölkerung war den teilweise despotischen Herrschern ausgeliefert. Schiller selbst erlebte unter seinem württembergischen Landesfürsten Herzog Karl Eugen dieses absolutistische Herrschaftsdenken im Besonderen. Sicherlich wäre es interessant, autobiographische Hintergründe auch in der Personenkonstellation herauszufinden, aber dies soll nicht Teil dieser Arbeit sein.
Typisch für die pompöse Lebensweise der Fürsten war das "Mätressenwesen". So hielten sich die jeweiligen Fürsten meist sogar mehrere Geliebte, die später großzügig abgefunden wurden. Dieses Luxusleben wurde finanziert, indem die Untergebenen hohe Steuern zahlen mussten und oft die jungen Männer sogar an andere Länder als Soldaten verkauft wurden (wie auch in "Kabale und Liebe" erwähnt).
Aber allmählich erstarkte das Bürgertum und begann sich zu emanzipieren, es erlangte durch wirtschaftliche Erfolge ein neues wachsendes Selbstbewusstsein. So findet sich auch in der Literatur, vor allem in der Strömung des Sturm und Drang das Aufbegehren vor allem des Kleinbürgertums gegen Standesvorrechte. Man forderte die "Freiheit des Individuums". (S. Textanalyse S.16 -27)
2. Luises Verständnis von Liebe
Die bürgerliche, sechzehnjährige Luise ist die zentrale Figur in diesem Trauerspiel, so trug Schillers Drama ursprünglich auch den Titel "Luise Millerin".
Luises Vorstellung von Liebe unterscheidet sich auffällig von der Ferdinands. Als sie im Drama das erste Mal aufeinandertreffen (I. Akt, Szene 4)zeigen sich diese Unterschiede. In der vorherigen Szene offenbart Luise –gerade aus der Kirche zurückgekehrt- ihren Eltern, dass ihr ganzes Denken sich nur noch um Ferdinand dreht: "Ah! Ich vergaß, dass es noch außer ihm Menschen gibt- (…)" (S.9, Z.4)
Als sie den platonisch Geliebten dann jedoch trifft, zeigt sich ihre realitätsbezogene, vernünftige Persönlichkeit. Indem sie sich selbst als "das bürgerliche Mädchen" bezeichnet, spielt sie auf den Standesunterschied zwischen ihnen an. Aufgewachsenen als einziges Kind in einer kleinbürgerlichen Familie ist sie durch dementsprechende Werte und Moralvorstellungen geprägt. "Das junge Mädchen hat erkannt, dass die faktischen Umstände ihrer Liebe entgegen stehen. Sie davon überzeugt, dass in der Residenz ihre Beziehung zu Ferdinand keine Zukunft hat; und sie ist der festen Meinung, dass die eskapistische Lösung ebenfalls sinnlos wäre."(Michael Hofmann S.59). Luise sieht also, dass die beiden Welten, in denen sie leben, nicht vereinbar sind. Sie kann aufgrund der althergebrachten Konventionen nicht in seiner Welt leben, und sie glaubt, dass Ferdinand im Exil mit dem auf ihm lastenden Fluch seines Vaters nicht glücklich sein könnte (AktIII, 4). Ihre Frage "Und hättest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?" (Akt III) verdeutlicht haargenau ihr bürgerliches Dilemma. Pflichterfüllung und Ehre sind wichtige Bestandteile ihres Denkens, das heißt für sie auch die Bindung an ihre Familie, ihren Vater, (…) der kein Vermögen hat als diese einzige Tochter". Sie sagt es ganz deutlich: " Meine Pflicht heißt mich bleiben und dulden." (ebda). Für Ferdinand ist diese Kausalität nicht nachvollziehbar und weckt in ihm einen Argwohn, auf den ich später –in der Betrachtung von Ferdinands Liebesdefinition- noch genauer eingehen werde.
Ihre Familie –besonders ihr Vater- ist ihr sehr wichtig. Diese Beziehung ist geprägt durch Luises Unterwürfigkeit.
"Die Bereitschaft zur Unterordnung, die sie im Verhältnis zu ihrem Vater gelernt hat und die sie bis zur Selbstaufgabe treibt, prägt auch ihre Beziehung zum Geliebten." (Beyer , S.259)
Sie stellt an Ferdinand keinerlei Forderungen, sieht sich selbst aufgrund dieser Liebe als "Schwere Sünderin" ( S.), Z.1). In Bezug auf Ferdinand zeigt sie wenig Selbstbewusstsein. "Solange sie allein ist oder mit ihren Eltern spricht, zeigt sie sich durchaus in der Lage, sich zu artikulieren und auch ihrer Liebe sprachlich Ausdruck zu verleihen. Doch sie verstummt, sobald sie mit dem Liebhaber konfrontiert ist." (Beyer, S.259) Betrachtet man ihre Eloquenz in den Auseinandersetzungen mit Wurm oder auch Lady Milford, fällt ihre sprachliche Zurückhaltung und ihr Schweigen beziehungsweise eingefordertes Schweigen gegenüber Ferdinand besonders auf (z. B. III,4 : L. zu F.: "Ich bitte dich, höre auf" ; "Brich ab, nichts mehr."; " So schweig und verlass mich").
In diesem Sinne stellt auch Bernd Fischer in seiner Abhandlung über "Kabale und Liebe" aus dem Jahre 1987 passend fest: "In den Szenen, in denen sie weder mit Ferdinand noch mit Miller auftritt, stellt Schiller dem Zuschauer dagegen eine ganz andere Luise vor: schlagfertig, selbstbewußt und mit einem gehörigen Maß an Sozial- und Moralkritik (…)" (Fischer, S.129).
Gleich zu Beginn der vierten Szene im ersten Akt, als Ferdinand Luises Blässe auffällt, hätte sie Gelegenheit gehabt, ihre Probleme mit ihm zu besprechen. Schon da wiegelt sie ab: "Es ist nichts." Sie ist nicht in der Lage dem Geliebten ihre wohlüberlegten Argumente bezüglich ihrer problematischen Beziehung wirklich darzulegen. Sie fühlt sich ihm –Produkt ihrer Herkunft – als Bürgerliche unterlegen und ist natürlich auch aufgrund ihrer Jugend ihm verbal kaum gewachsen. Selbst später (5. Akt, 7. Szene), als er sie als "Teufel" und "Metze" beschimpft, wehrt sie sich nur zaghaft: "O wenn Sie wüssten, Walter, wie ungeheuer Sie meine Seele beleidigen." Hätte sie sich nicht –auch aufgrund ihrer bürgerlichen Moralvorstellung -an den Eid gebunden gefühlt, den sie Wurm bezüglich des von ihr erzwungenen Briefes gegeben hatte, wäre durch ein klärendes Gespräch das Unheil vielleicht noch abzuwenden gewesen.
Wie schon oben ausgeführt sieht Luise keine Chance ihre Liebe zu Ferdinand zu leben. Spätestens zu Beginn des III. Aktes gibt sie dem Ausdruck: "Ich glaube an keine glücklichen Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken." Ich denke, dass der "Auftritt" von Ferdinands Vater in ihrem Elternhaus letzte Hoffnungen in Ferdinands Welt akzeptiert -oder wenigstens geduldet- zu werden, zerstört haben. Nun bleibt für sie wirklich nur noch der Ausweg der Selbsttötung, um im Jenseits, "(…) wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen- wenn von uns abspringen all die verhassten Hülsen des Standes – Menschen nur Menschen sind- (…)" (AktI, 3.Szene), mit dem Geliebten leben zu können. Beinahe patzig thematisiert sie ihre Absicht dann auch gegenüber Lady Milford (IV Akt, 7. Szene), die dem nichts entgegenzusetzen vermag.
3. Ferdinands Verständnis von Liebe
Ferdinand von Walter ist der Sohn Präsident von Walters, welcher ein hoher Minister am Hof eines deutschen Fürsten ist.
Dementsprechend ist er adliger Herkunft und bekleidet die Position eines Majors. Zweifellos ist er kein typischer Angehöriger seines Standes. So zeigt er deutlich seinen Abscheu gegenüber den Taten seines Vaters, die dieser aus Machtgier verübt hat (I. Akt, 7. Szene). Er zeigt hier ein moralisches Gewissen, was nicht typisch für seinen Stand ist. Mutig stellt er sich seinem Vater entgegen und benennt sein Ideal von Glück: "Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben." (I, 7. Szene, S.18) Dennoch widersetzt er sich ihm nicht endgültig, es zeigt sich seine Unterlegenheit, indem er seinem Vater nicht von seiner großen Liebe Luise berichtet, und er fügsam, wenn auch rebellisch gesinnt, sich auf den Weg zu Lady Milford macht.
Unverkennbar hegt Ferdinand ehrliche Absichten gegenüber Luise. Er möchte keine oberflächliche Liebschaft, wie viele andere seines Standes, Luise bedeutet ihm "Alles" (IV, 2. Szene S.81).
So ist es für ihn auch nicht oberste Priorität, sie zu verführen, sondern er akzeptiert ihre Tugendhaftigkeit und betet sie förmlich an. Umso stärker beschleicht ihn später die Eifersucht, als die Intrige Wurms ihn ahnen lässt, das Luise mit dem Hofmarschall intim gewesen ist: "Wenn du genossest, wo ich anbetete. (..) Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!" (IV, 3.Szene, S.61). Schon im III. Akt erleben wir Ferdinands eifersüchtige Seite. Er, der Adlige, dem jegliches Verständnis für die "bürgerlichen Pflichten", die Luise prägen, zu fehlen scheint, kann ihren Verzicht auf die Liebe zu ihm nicht nachvollziehen. Er versucht auch gar nicht ihre Gefühlswelt zu ergründen, sondern beschuldigt sie, dass ein anderer Liebhaber sie "fesselt". "Ferdinand kann mit den moralischen Kategorien Luises nicht umgehen. Ihr Verweis auf "Pflichten", die sie binden und zum Bleiben veranlassen , interpretiert er als mangelnde Liebe." (Beyer, 218)
Obwohl er immer wieder betont, dass sein hoher Stand und die Privilegien ihm nichts bedeuten, sondern nur Luise für ihn zählt: "Mein Vaterland ist, wo Luise mich liebt. (…) Werden wir die Pracht der Stände vermissen?" (III, 4. Szene, S.49), zeigt sein Verhalten deutlich seine adlige, privilegierte Herkunft. Gegenüber Luise zeigt er sich überlegen, er sieht sie in gewisser Hinsicht als seinen Besitz: " Du bist meine Luise" (I.; 4.Szene, S.11), "Mein bist du, und wärfen Höll und Himmel sich zwischen uns." (II,5. Szene, S.33). Er fordert, dass sie nur an ihn denkt, alles für ihn aufgibt und mit ihm flieht. "Immer mehr tritt seine Egozentrik zu Tage. Seine Sichtweise ist die allein gültige. Luises Ängste, Bedenken und Nöte sieht er nicht (vgl. II,5). Hier zeigt sich auch Ferdinands tiefe Verankerung im adligen Denken. Er befiehlt, bestimmt und erwartet ganz selbstverständlich, dass man/Luise ihm gehorcht. Andere Ansichten oder Einwände akzeptiert er nicht. Sie sind für ihn schon fast ein Zeichen von Verrat (vgl. III, 4)." (pdf, S.52). Tatsächlich wird er stets gleich hitzig und vergreift sich im Ton oder in der Wortwahl, wenn Luise nicht so reagiert, wie er es will: "Rede mir Wahrheit." (I, 4. Szene, S.10); " Mädchen! Höre!" (ebda.). Er zeigt seine Unbeherrschtheit, wie ein kleines Kind, dem man sein Spielzeug wegnehmen will, wenn er Ende der 4. Szene im III. Akt aus Wut eine Violine zerstört und unkontrolliert loslacht.
Man fragt sich, ob es ihm wirklich um Luise als Person geht, da er nie wirklich auf sie eingeht und sich auch nicht bemüht, sie und ihre Lebenswelt zu verstehen. "Die Liebe ist dabei für Ferdinand letztlich nur eine große Idee, ein Ideal , das heißt, es kommt ihm weniger auf die reale Liebe zu Luise an als vielmehr darauf, seine Vorstellung von Liebe, Natürlichkeit und Harmonie der Herzen über die Standesgrenzen hinweg in die Tat umsetzen zu können." (Dietmar schäfer.S.44) So nimmt er sie nicht real, wirklich wahr, sondern verklärt sie förmlich, sie muss seinem Theoretischen Ideal von Liebe entsprechen: : "Du Luise, und ich und die Liebe! - - Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes hinzu?" (III, 4.Szene, S.49) Vielleicht liegt der Schlüssel für seine fast fanatische Liebe zu der unstandesgemäßen Luise auch in seiner Ablehnung des Hoflebens, im Abscheu der dort laufenden Intrigen und seiner Gesellschaftskritik. Er will aufbegehren, also auch in der Liebe, in der Wahl seiner "Gemahlin", wie er Luise im II.Akt, 7.Szene (S.39) ja sogar schon nennt.
Die häufigen romantischen Liebesergüsse Ferdinands ("Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt" (III, 4. Szene); "Dieses schöne Werk des himmlischen Bildners" ; "Alles so schön – so voll Ebenmaß – so göttlich vollkommen!" (IV, Szene 7, S.90) etc.) erscheinen dem heutigen Leser /Zuschauer beinahe schon phrasenhaft und ohne wirklichen Gehalt. "Denn er verkörpert einerseits eine Liebesvorstellung, die sich in einem vorromantischen Geist über alle Konventionen und alle Einwände einer realistischen Betrachtung hinweg zu setzen bereit ist; andererseits zeigt sich seine vermeintlich absolute Liebe als äußerst schwach gegenüber Anfechtungen, mit denen sie konfrontiert ist." (M.Hofmann, S.57)
So ist man erstaunt, wenn er nach dem Gespräch mit Lady Milford, die er vorher so entrüstet als "privilegierte Buhlerin" (I.Akt, 7. SzeneS.18) bezeichnet hat, Luise gegenüber Zweifel an seiner Liebe zu ihr gesteht: "Eine Stunde , Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gestalt sich warf – wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblasste – wo meine Luise aufhörte, ihrem Ferdinand alles zu sein –" (II, 6.Szene, S.34). Der hier sich deutlich zeigende Wankelmut Ferdinands spricht nicht unbedingt für die Ernsthaftigkeit und Beständigkeit seiner Liebe zu Luise.
Als er später erkennt, dass sie sich wirklich von ihm lösen will und er einen anderen Liebhaber als Ursache verdächtigt, reagiert er völlig überzogen. Gekränkt durch die scheinbare Zurückweisung kennt er nur seine Wut und Rache. Er hat sich so in den Betrug durch Luise verrannt, dass er nicht erkennt, wie er getäuscht worden ist. Nicht einmal Hofmarschall Kalb, der ihm letztendlich beichtet, dass er Luise nicht einmal kennt, nimmt er noch wahr.
So sieht auch er die Lösung des Problems –genau wie Luise- im Tod. Allerdings will er aus Rache, verschmähter Eitelkeit und sicher auch Verzweiflung, Louise und sich selbst töten. Louise hingegen–wie oben beschrieben- will an "einem dritten Ort" (V. Akt, 1. Szene, S.75) ihre Liebe mit Ferdinand leben, weil sie im Diesseits keine Chance dafür sieht.
Natürlich ist es aus heutiger Sicht schwierig Lebenssituationen aus einer ca. 200 Jahre zurückliegenden Zeit zu beurteilen. Dennoch finde ich, dass das Drama uns auf die Frage, ob die Verbindung zwischen Ferdinand und Luise möglich gewesen wäre, eine Antwort gibt. Betrachten wir die fünfte Szene im IV. Akt, in dem der Präsident seinem Sohn heuchlerisch vorspielt, dass er nun seine Zustimmung zu einer Ehe mit Luise geben würde: "Ist es wert, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe – Sie sei dein!". Hier erkennen wir, dass es sehr wohl die Chance für eine offizielle Verbindung gegeben hätte. So erkennt der Präsidentensohn ja auch hier nicht die Täuschung seines Vaters, sondern glaubt ihm, dass er Luise anerkennen will. Wenn Wurms "Kabale" nicht längst auf fruchtbaren Boden gefallen wäre und jetzt Ferdinand den Vater beim Wort genommen hätte, wer weiß wie es hätte enden können?
" Die sich allmählich etablierende bürgerliche Gesellschaft hatte die Grundlage geschaffen, auf der das bürgerliche Liebesverständnis und das Bedürfnis nach einer Verbindung von Liebe und Ehe entstehen konnte." (Beyer, S.211)
So scheitert meiner Meinung nach die Verbindung nicht an den formal nicht zu überwindenden Standesgrenzen, sondern eher an den jeweiligen Persönlichkeitsmerkmalen der beiden Hauptfiguren, die natürlichen ein Produkt der Konventionen ihrer sozialen Schicht sind.
"So zerstört die Kabale schließlich die Liebe, und sie ist dazu nur in der Lage, weil bereits diese Liebe zwischen Ferdinand und Luisse selbst derart konfliktträchtig und widersprüchliche geworden ist, dass sie tragisch enden muß?" (Beyer, S.203).
Luises verinnerlichtes Pflichtgefühl gegenüber ihren Eltern, ihr bürgerlicher Realitätssinn, aber auch ihr Ehrgefühl z.B. einen Eid nicht zu brechen, typisch bürgerliche Tugenden , sind von Ferdinand nicht nachzuvollziehen.
Wie oben beschrieben unterstellt er Luise eher ihn zu hintergehen, als dass er versteht, was sie bewegt und warum sie ihm entsagt. Er versucht nicht einmal, sich in ihre Gefühlswelt hineinzuversetzen.
Auch Luises natürlicher Respekt vor dem höhergestellten Mann, der sie einschüchtert und hemmt ,das Gespräch mit ihm zu suchen, und ihre Sprachlosigkeit sind ein wichtiger Aspekt für das Scheitern ihrer Beziehung.
(Ort, Datum) (Unterschrift)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung2. Analyse der Novelle "das Erdbeben in Chili"
2.1. Die Einordnung von Kleists Erzählung "das Erdbeben in Chili" in die Literaturgattung Novelle
2.2. Aufbau und Inhalt der Novelle
2.3. Die Erzählsituation
2.4. Sprache und Stil
3. Die Liebesbeziehung zwischen Donna Josephe und Jeronimo
3.1. Historische, soziale und gesellschaftliche Hintergründe
4. Die Liebesproblematik in Schillers "Kabale und Liebe"
4.1. Sozialgesellschaftliche Hintergründe
4.2. Luises Verständnis von Liebe
4.3. Ferdinands Verständnis von Liebe
4.4. Die Chancen der unstandesgemäßen Liebesbeziehung zwischen Luise und Ferdinand
5. Vergleich der Liebesbeziehungen
6. Anhang
7. Literaturverzeichnis
8. Versicherung
Einleitung
Meine Facharbeit beschäftigt sich mit den "skandalösen Beziehungen" aus der Novelle "das Erdbeben in Chili" von Heinrich Kleist und dem bürgerlichen Trauerspiel "Kabale und Liebe" von Friedrich von Schiller. Beginnend werde ich die Novelle "das Erdbeben in Chili" bezüglich der Einordnung als Novelle, auf Aufbau und Inhalt, sowie die Erzählsituation, die Sprache und den Stil analysieren. Anschließend werde ich erst die Beziehung von Donna Josephe und Jeronimo und darauffolgend die Beziehung Luise Millers und Ferdinands beschreiben und anschließend Vergleichen.Skandalöse Beziehungen sind heutzutage zwar seltener, allerdings noch immer aufzufinden. Bespiele sind sowohl in Familien adligen Geschlechts, als aber auch in bürgerlichen Familien anzutreffen. Beispiele in einer adligen Familie ist die Hochzeit mit einem Partner, der einen sehr niedrigen Rang besitzt bzw. Kriminell bekannt ist. Bürgerliche Frauen, welche sich in einer fleischlichen Beziehung zu einen Mann mit enormen Altersunterschied befinden werden ebenfalls sehr skeptisch und als skandalös angesehen. Wenn hingegen ein älterer Mann mit einer jungen Frau eine Beziehung eingeht gilt dies als ein annähernd vertrautes und normales Geschehen. Auch homosexuelle Beziehungen werden nicht von allen Mitmenschen toleriert und als unangebracht geachtet.
Analyse der Novelle "das Erdbeben in Chili"
Die Einordnung von Kleists Erzählung "das Erdbeben in Chili" in die Literaturgattung Novelle"Das Erdbeben in Chili" von Heinrich Kleist (1777-1811) wurde im September 1807 erstmals im Tübinger "Morgenblatt für gebildete Stände " veröffentlicht. Damals erschien es unter dem Titel "Jeronimo und Josephe. Eine Scene aus dem Erdbeben zu Chili, vom Jahre 1647.". Man geht davon aus, dass der spätere, uns geläufige Titel in der Absicht Kleists lag, den Schwerpunkt nicht auf die Liebesgeschichte zu legen, sondern auf die Naturkatastrophe und deren Folgen.
Offensichtlich ist, dass Kleist den historisch-gesellschaftlichen Hintergrund seiner Zeit als Anlass zum Verfassen dieser Novelle genommen hat.
Gemäß der Gattungsmerkmale einer Novelle in Gero von Wilperts "Sachwörterbuch der Literatur" lässt sich "das Erdbeben in Chili" auch als Novelle bezeichnen. Wilpert definiert die Novelle als eine "… kürzere Vers- oder meist Prosaerzählung e. neuen, unerhörten, doch im Gegensatz zum Märchen tatsächlichen oder möglichen Einzelbegebenheit mit e. einzigen Konflikt … ." ( S.557 ). Zusätzlich findet man neben einem "… nahezu objektivem Berichtstil ohne Einmischung des Erzählers …" (S.557) die für Kleist typische "tiefe Tragik der Welterfassung" (ebda. S.558).
Kleist selbst bezeichnete sein Werk lediglich als Erzählung. Der Begriff Novelle wurde von ihm nicht benutzt. Über die Einordnung von Kleists Erzählung in die Gattung "Novelle" gibt es eine Vielzahl von Sekundärliteratur. Dies nochmals eingehend darzustellen, würde den Rahmen meiner Arbeit sprengen und sicherlich keine neuen Erkenntnisse bringen.
Dennoch möchte ich zu den oben angesprochenen Merkmalen der Novelle kurz Stellung nehmen.
Das im Text geschilderte Erdbeben -dem historisch wohl das verheerende Erdbeben in Lissabon 1755, bei dem Tausende von Menschen ums Leben kamen, zu Grunde liegt- stellt zweifellos eine unerhörte Einzelbegebenheit (s.o.) dar. Gleichzeitig ist dem Anspruch auf Wahrheit Genüge getan, da Kleist sich auf eine historische Naturkatastrophe bezieht. Die konfliktträchtige Liebesbeziehung zwischen Josephe und Jeronimo bedeutete in der damaligen Zeit der Ständegesellschaft auf eine gewisse Art sicherlich auch eine unerhörte Begebenheit. Ob der Aspekt des objektiven Erzählens erfüllt wird, werde ich im weiteren Verlauf meiner Arbeit noch genauer untersuchen.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass sicherlich schon bei einer kurzen ersten Betrachtung entscheidende Merkmale einer Novelle im "Erdbeben in Chili" vorliegen, so dass wir durchaus von einer Novelle sprechen können.
Aufbau und Inhalt der Novelle
Diese Novelle Kleists gliedert sich in drei Teile. Stark vereinfacht könnte man sagen, der erste Teil beinhaltet die Naturkatastrophe und die Vorgeschichte der Situation von Josephe und Jeronimo.
Im zweiten Teil finden wir die sprichwörtliche Ruhe nach –vielleicht auch vor- dem Sturm: die Idylle, die beinahe als Paradies erscheint und fast schon eine neue Gesellschaftsordnung erhoffen lässt, in der gesellschaftliche Schranken und die Ständeordnung aufgehoben scheinen:"Auf den Feldern… zu einer Familie gemacht hätte."
Im dritten Teil stoßen wir auf die menschliche Katastrophe, die in eine Massenhysterie mit willkürlichen Brutalitäten –meist durch Zufälle und Verwechslungen hervorgerufen, so z.B. die Identität der beiden Kinder- ausartet.
Auch die Zeitstruktur weist eine Dreiteilung auf: Im ersten Teil geht es hautsächlich um den Tag des Erdbebens und dessen Folgen. Außerdem wird die Vorgeschichte bezüglich der Liebesgeschichte von Josephe und Jeronimo erzählt. Der zweite Teil beginnt mit dem nächsten Tag ("als sie erwachten…" S.6, Z.26)und der letzte Teil beinhaltet die grausamen Geschehnisse in der Dominikanerkirche, bzw. Den Zug dorthin ("Inzwischen war der Nachmittag herangekommen…" S.9, Z.13).
Kleists Erzählung beginnt in St. Jago, der Hauptstadt der spanischen Kolonie Chiles , im Jahr 1647 und beginnt mit dem Ausbruch des Erdbebens. Gleichzeitig versucht Jeronimo Rugera sich in seiner Gefängniszelle zu erhängen. Er sitzt im Gefängnis, weil er während seiner Stellung als Hauslehrer bei der reichen, adligen Familie Asteron eine Liebschaft mit deren einziger Tochter Josephe eingegangen ist.
Seine Geliebte Josephe wiederrum wird in ein Karmelitinnenkoster gesteckt. Dennoch gelingt es den beiden, sich heimlich im Garten des Klosters zu treffen, und das Ergebnis ist die spätere Geburt ihres Sohnes Philipp, welche ausgerechnet während der Fronleichnamsprozession auf den Stufen zur Kathedrale einsetzt. Dies führt dazu, dass Josephe nun zum Tode durch Enthaupten verurteilt wird.
Aber auch ihr Schicksal wird durch das einsetzende Erdbeben abgewendet.
Im zweiten Teil kann Jeronimo aus den einstürzenden Wänden des Gefängnisses fliehen und bringt sich auf einem Hügel vor der Stadt in Sicherheit, wo er abgekämpft einschläft. Später sucht er stundenlang vergeblich nach seiner Geliebten, bis er sie endlich mit seinem Sohn an einer Quelle findet. Sie berichtet, dass das Beben begonnen hat, als sie auf dem Weg zu ihrer Urteilsvollstreckung gewesen ist. Ihren Sohn konnte sie noch aus dem einstürzenden Kloster retten. Auf ihrer Flucht bemerkte sie, dass die Personen bzw. Institutionen, die ihre Verurteilung beschlossen hatten (Erzbischof, die Kathedrale, Palast des Vizekönigs, ihr väterliches Haus und das Gerichtsgebäude) durch das Erdbeben getötet oder zerstört worden sind.
Am Abend der Naturkatastrophe und ihrem Wiedertreffens beschließen die beiden Verliebten zu Jeronimos Familie nach Spanien zu fliehen, weil sie hoffen dort gemeinsam leben zu können.
Am anderen Morgen treffen sie auf weitere Überlebende. Vor allem auf den Adligen Don Fernando, einen guten Bekannten von Josephes Familie. Auch er hat einen kleinen Sohn, und er bittet Josephe ihn zu stillen, da seine Frau aufgrund einer Verletzung dazu nicht in der Lage ist. Auch von den anderen Verwandten Don Fernandos werden die Liebenden freundlich aufgenommen und es entsteht der Eindruck, als ob die gesellschaftlichen Schranken in dieser Extremsituation keine Rolle mehr spielen. Nun keimt in Josephe und Jeronimo die Hoffnung vielleicht in einer neuen klassenlosen Gesellschaft, in der aufgrund der alles umwerfenden Geschehnisse "alle Versöhnt" seien , sanktionslos leben zu können.
Als man von einem Dankgottesdienst in der noch intakten Dominikanerkirche erfährt, sind die Menschen begierig Gott für ihr Leben zu danken, und auch Josephe möchte den Gottesdienst in der Stadt besuchen. Trotz unguter Vorahnungen der Schwägerin Don Fernandos, Donna Elisabeth, begibt sich die Gruppe zum Gottesdienst.
Im folgenden dritten Teil der Novelle zeigt die Thematik des Gottesdienstes sehr schnell, dass die Auswirkungen des Erdbebens aus kirchlicher Sichtweise keineswegs eine Versöhnung und ein neues, humaneres Menschenbild bewirkt haben. Sondern der Geistliche legt in seiner Predigt dar, dass das Erdbeben als Gottes Strafe für die vergangenen Sünden, vor allem das Geschehen im Klostergarten zu verstehen sei. Da er Josephe und Jeronimo namentlich nennt, liefert er sie dem nun aufkeimenden Hass der Kirchenbesucher aus.
Durch eine unglückliche Verkettung von Zufällen – so trägt z.B. Josephe Juan -den Sohn Don Fernandos- und Jeronimo seinen eigenen Sohn –Philipp- nimmt das Unheil seinen Lauf. Josephe wird erkannt, Don Fernando, der neben ihr geht für Jeronimo gehalten. Es gibt ein heilloses Durcheinander, bei dem im Endeffekt Josephe, Jeronimo –der sich, als er die Gefahr für Don Fernando bemerkt, tapfer zu erkennen gibt- und Juan, den man fälschlich für deren Sohn hält, grausam zu Tode kommen. Auch eine Schwägerin Don Fernandos wird erschlagen.
Philipp, der überlebende Sohn Josephes und Jeronimos, wird am Ende der Novelle von Don Fernando und Donna Elvira als Pflegesohn aufgenommen.
Die Erzählsituation
Überwiegend erzählt Heinrich von Kleist seine Erzählung aus der Sicht des Auktorialen Erzählers. So finden wir im Text auch Einschübe wie z.B. auf Seite 2, Z.18 "wie schon gesagt", in denen der Erzähler sich –ganz der allwissende- in die Geschichte einbringt.
Er springt zwischen den Erlebnissen und Schauplätzen, aber auch Empfindungen und Gefühlen seiner handelnden Personen hin und her, kennt die Vorgeschichte etc..
Man hat teilweise den Eindruck, als ob er von oben, aber jederzeit mit Innensicht, die Figuren betrachtet und das Geschehene berichtet. Dabei bleibt er allerdings nicht immer neutral. Auffällig sind die vielen wertenden Adjektive, die er nutzt, natürlich auch, um die Sympathie oder Antipathie des Lesers zu lenken. Etwa die "hämische Aufmerksamkeit" (S.1, Z.13) von Josephes Bruder, die "wahre, heldenmütige Besonnenheit" Don Fernandos(S.12, Z.21f.), des "göttlichen Helden (S.13, Z.24), der "Löwe" (S.13, Z.27), dem es gelingt, "sieben Bluthunde" (S.13, Z.25) der Gegner zu töten. Für die Gegenspieler der Protagonisten findet er Begriffe wie "der fanatische Mordknecht" (S.13, Z.14), " die satanische Rotte" (S.13, Z.28), der "rasende Haufen" (S.13, Z.2f.)
Die häufigen Wertungen und Einschätzungen im Text können nur von einem auktorialen Erzähler getroffen werden; etwa: "Niemals schlug aus einem christlichen Dom eine solche Flamme der Inbrunst gen Himmel, wie heute aus dem Dominikanerdom zu St. Jago; und keine menschliche Brust gab wärmere Glut dazu her, als Jeronimos und Josephes. " (S. 10, Z. 37-41). Auch die häufigen "als ob" – Formulierungen zeigen den Überblick des allwissenden Erzählers. So erscheint es dem Liebespaar, nachdem sie auf die Gesellschaft um Don Fernando und deren Freundlichkeit getroffen sind, "als ob die Gemüter, seit dem fürchterlichen Schlage, der sie durchdröhnt hatte, alle versöhnt wären." (S. 7, Z.20f.). Das "als ob" und auch der Konjunktiv "wären" zeigen hier den Wissensvorsprung des Erzählers bezüglich der trügerischen Harmonie der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Auch die idyllische Schilderung der "Vereinigung" der "Menschen von allen Ständen" (S. 8., Z.13f.) wird durch das eingangs gesetzte Verb "Schien" (S.8, Z.9) vom Erzähler in Frage gestellt.
Zweifellos liegen die Sympathien des Erzählers aufseiten des Liebespaares und auch Don Fernandos. Seine Formulierungen sind eindeutig dahingehend gewählt, auch das Publikum dementsprechend zu beeinflussen. So stellt er etwa auf Seite 11, Z. 14 mit der Formulierung "unserer beiden Unglücklichen" eine direkte Beziehung zum Publikum her, indem er es durch das Personalpronomen einbezieht.
In einigen Passagen entdecken wir auch einen personalen Erzähler, indem er fast völlig hinter den Personen seiner Handlung verschwindet, so vor allem im zweiten Teil, als die Schilderung des "Tals von Eden" (S.5, Z.35), förmlich die Gedanken, Gefühle und Beobachtungen aus der Sicht des romantischen Liebespaares wiedergibt (S.5, Z.37 ff.).
Sprache und Stil
Für den heutigen- vor allem jungen - Leser bedeutet die Lektüre Kleistscher Texte eine immense Herausforderung. Erst konzentriertes Lesen ermöglicht das … Nachvollziehen der Ereignisse.
Das liegt vor allem an der sehr komplizierten Syntax Kleists, so erstrecken sich die ersten drei Sätze des "Erdbebens in Chili" schon über fünfzehn Zeilen. Diese ungewöhnlich langen Sätze bestehen aus unterschiedlichsten Satzgefügen, unter anderem Relativsätzen und Konjunktionalsätzen. Sie zwingen den Leser genau und konzentriert zu lesen. Natürlich gelingt es Kleist auf diese Weise in komprimierter Form viel zu erzählen. Weiterhin bewirken die vielen Schachtelsätze den Eindruck der Ruhelosigkeit und machen die Erzählung spannend, weil der Erzählstil keine Ruhepausen gönnt und man gezwungen ist, angespannt weiter zu lesen.
In diesem Sinne interpretiert auch Hartmut Kircher die neunmalige Verwendung der Anapher "hier" (S.2., Z.42 bis S. 3, Z.7) als "(…) besonders aussagekräftiges Beispiel für die vorwärtseilende Hast des Kleistschen Stils (…)". (S.69, ).
Wie schon oben erwähnt ist die Sprache Kleists geprägt durch Adjektive, Superlative oder Wendungen, die besonders emotionsgeladen sind und durch ihre Aussagekraft die außergewöhnlichen Ereignisse sowohl im Positiven als auch im Negativen unterstreichen: "außerordentliches Aufsehen" (S.1, Z.24), "ungeheure Wendung der Dinge" (S.2, Z, 4f.), "tiefste Bewusstlosigkeit" (S.3, Z.11f.), "entsetzensvollen Schritte" (S. 4, Z.32), "schönste Nacht" (S.5, Z.43),"""prachtvollen Granatapfelbaum" (S.6Z.8)"grässliches Unglück" (S.7, Z. 26f.),"unaussprechlicher Heiterkeit" (S.8, Z.37), "blutdürstende Tiger" (S.13, Z.18f.), "Satanische Rotte" (S.13, Z.28), etc.
Indem die positiv belegten Wendungen Josephe und Jeronimo und ihren "Freunden" zugeordnet werden, und die negativ belegten Wendungen der Gegenseite, wird die Position des Erzählers klar und durch seine Polarisierung, beeinflusst er natürlich auch seine Leserschaft, bzw. in einer Theateraufführung sein Publikum.
Interessant sind die ironischen Momente in der Novelle. Wenn es Kleist gelingt mit seiner Erzählkunst, obwohl er rein textgemäß nichts Kritisierendes sagt, dennoch fein nuanciert seine eigentliche Meinung kundtut. So gleich zu Beginn, als er von den "frommen Töchtern der Stadt" spricht, die ihre Freundinnen eingeladen haben, (…) um dem Schauspiele, das der göttlichen Rache gegeben wurde, an ihrer schwesterlichen Seite beizuwohnen." (S.2, Z.1f.) Natürlich übt er hier, wenn auch indirekt ironisch Kritik an dem vermeintlich christlichen Verhalten, zu dem Schauspiel einer Hinrichtung einzuladen.
Die Liebesbeziehung zwischen Donna Josephe und Jeronimo
Historische, soziale und gesellschaftliche Hintergründe
Heinrich von Kleists Erzählung spielt in St. Jago, der Hauptstadt des Königreichs Chili, im Jahr 1647. Tatsächlich fand in Santiago, der Hauptstadt Chiles, in diesem Jahr eine Erdbeben statt, das die Stadt fast völlig zerstörte. Kleist ging es hier wohl mehr um einen realen, historischen Zeitbezug für seine "unerhörte Begebenheit" als um eine detailgenaue Schilderung der Naturkatastrophe. "Mit den wahrscheinlich aus Reise und Landesbeschreibungen gewonnen Anregungen und Kenntnissen hat Kleist lediglich den äußeren, historischen und geographischen Rahmen seiner fiktionalen Handlung fixiert. Seine Darstellung Santiagos geht kaum auf spezifische Eigentümlichkeiten der chilenischen Hauptstadt ein, so daß der Schauplatz des Geschehens fast als austauschbar erscheint." (kircher, S.9)
Der Kleist-Forscher Hans- Joachim Kreutzer spricht sehr passend von einem "Niemandsland feinster europäischer Gesellschaft" (Kreutzer, S. 96)
Die beiden Hauptfiguren des "Erdbebens von Chili" –Donna Josephe und Jeronimo- entstammen unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Donna Josephe ist die einzige Tochter "eines der reichsten Edelleute der Stadt" (s.1, Z.7) -Don Henrico Asteron. Das heißt, sie gehört dem Adel an.
Gleich im Eingangssatz erfahren wir die soziale Stellung Jeronimo Rugeras: Der Spanier ist bei der Familie Asteron als Lehrer angestellt und hat insofern studiert. Er ist bürgerlicher Abstammung, die Familie seiner Mutter lebt immer noch in Spanien.
Die Beziehung, die sich zwischen den beiden bereits im Hause der Asterons angebahnt hatte, war Mitte des 17. Jahrhunderts sicherlich skandalös und völlig unmöglich, da eine Verbindung zweier Personen aus verschiedenen Ständen in der damaligen Ständeordnung einfach nicht toleriert wurde und nicht vorkommen durfte.
Der Normalfall war sicherlich die Vernunftehe innerhalb desselben Standes, eine Liebesheirat eher Zufall, eine Beziehung aus Leidenschaft über Standesgrenzen hinweg ein Skandal.
Besonders die Konstellation, wie wir sie im Erdbeben in Chili" vorfinden: adlige Frau, bürgerlicher Mann war verpönt, unschicklich und moralisch im höchsten Maße verwerflich.
Im Unterschied dazu war ein adliger Mann, der sich eine Geliebte aus einer unteren Schicht "hielt", sicherlich kein Einzelfall und wurde von der Gesellschaft toleriert, wenn auch nicht als offizielle Verbindung.
Die illegitime Beziehung zwischen Donna Josephe und Jeronimo
Gleich zu Beginn der "moralischen Erzählung" –wie Kleist seine Erzählung betitelte- erfahren wir das Hauptthema der "moralischen Erzählung": die nicht standesgemäße Beziehung zwischen einer Angehörigen des Adels, Donna Josephe, und ihrem spanischen Hauslehrer Jeronimo.
Um dieses "zärtliche Einverständnis" ((s.1, Z.10) zu beenden, verbannte Don Asteron seine Tochter in ein Karmeliterkloster, wo es ihr trotzdem gelang mit Jeronimo "in einer verschwiegenen Nacht" (S.1, Z.17f.) den gemeinsamen Sohn Philipp zu zeugen.
Dieser nicht zu leugnende Beweis der intimen Beziehung zieht sodann die auch rechtliche Verurteilung der beiden Liebenden nach sich.
So stellt Stefanie Marx passend fest: "Der Frevel im Klostergarten hat für Josephe unausweichlich die Hinrichtung zur Folge, für Jeronimo Gefängnishaft." (Marx, S.123)
Regierung und Klerus kannten keine Gnade. Der Erzbischof forderte den "geschärftesten Prozess" (S.1, Z.27), und der Vizekönig wandelte den Feuertod, zu dem Josephe verurteilt worden war, lediglich in eine Enthauptung um. Über diese Abmilderung der Strafe waren die "Matronen und Jungfrauen von St. Jago" sogar noch entrüstet. Die Gesellschaft und öffentliche Meinung kannten kein Mitleid oder Vergebung, nicht einmal mit ihresgleichen.
Den beiden Liebenden war natürlich stets bewusst, welches Risiko sie mit ihrer Liebesbeziehung eingehen. Dennoch scheint es dem Liebespaar sehr ernst mit ihrer gegenseitigen Liebe zu sein. Als Jeronimo vom Todesurteil seiner Geliebten erfährt und anscheinend weder seine Gebete zur Mutter Gottes etwas nützen, noch die Flucht aus dem Gefängnis möglich ist, beschließt er seinem Leben ein Ende zu setzen. Und auch als er nach dem Erdbeben wieder einen klaren Gedanken fassen kann, erscheint ihm, da er Josephe tot wähnt, das Leben nicht mehr lebenswert.
Für Donna Josephe ist Jeronimo "(…) nach dem kleinen Phillipp, der liebste auf der Welt (…)" (S.5, Z. 29f.), und sie vergießt auf der Suche nach ihm zahlreiche Tränen. Zumal sie –als sie das Gefängnis in Trümmern vorfindet- zuerst von seinem Tod überzeugt ist.
Als sie sich "selig" im "von Pinien beschatteten Tal " wiederfinden, kann man die Liebe zwischen den Beiden und ihrem Kind förmlich fühlen. Der Erzähler schmückt die Situation mit Formulierungen wie "die schönste Nacht" , "Voll wundermilden Duftes, so silberglänzend und still, wie nur ein Dichter davon träumen mag." (S.5, Z. 41-43). Die paradiesische Szene scheint symbolisch für die Liebe der beiden, die die kurze Zeit ihres gemeinsamen Glücks überwältigt genießen. Sie schätzen sich glücklich "(…) und waren sehr gerührt, wenn sie dachten, wie viel Elend über die Welt kommen musste, damit sie glücklich würden!" (S.6, Z.17-19). In ihrer Euphorie bedauern sie kaum das Elend der vielen Opfer und deren Angehörigen, vielmehr ignorieren sie das Ausmaß der Katastrophe zugunsten ihrer Liebe.
Sie sind sich bewusst, dass sie das Land verlassen müssen und so beschließen sie, nach La Conception zu fliehen, um dort bei Jeronimos Verwandten in Spanien gemeinsam leben zu können. Im "Tal von "Eden" (S. 5., Z. 35) sind den Liebenden die Erlebnisse vor der Naturkatastrophe so präsent, dass sie realistisch genug sind, ihre Zukunft woanders zu planen.
Erst die Begegnung mit Don Fernando, der Josephe gesellschaftlich gleichgestellt ist, bewirkt das schicksalhafte Umdenken des Liebespaares. Indem Josephe Don Fernandos Sohn stillt, gerät das Paar in die Gesellschaft von Don Fernandos Familie, wo Josephe "(…) auf das Innigste und Zärtlichste von Don Fernandos beiden Schwägerinnen, (…), empfangen ward." (s.7, Z. 6-8).
Der auktoriale Erzähler schildert uns nun, wie sich in Josephe und Jeronimo die Hoffnung entwickelt, dass sich durch die Naturkatastrophe auch in der Gesellschaft etwas verändert hat: "(…) so wussten sie nicht, was sie von der Vergangenheit denken sollten, (...)? Es war, als ob die Gemüter, seit dem fürchterlichen Schlage, der sie durchdröhnt hatte, alle versöhnt wären." (s.7., Z.17-21).
Die sich im Tal abspielende Idylle ("Auf den Feldern, (…), sah man Menschen von allen Ständen durcheinander liegen, (…), als ob das allgemeine Unglück alles, (…), zu einer Familie gemacht hätte." (S.8, Z.12- 19)) weckt in den Liebenden die Hoffnung, nach der Auflösung der ständischen Schranken als Paar akzeptiert zu werden.
"Für die Liebenden ist, so scheint es, das Zeitalter der klassenlosen Gesellschaft, in dem sich die Hoffnung auf reine Menschlichkeit erfüllen sollte, angebrochen." (Oellers S.93)
Nun zeigt sich, dass Josephe die Besonnenere der Beiden ist. Während Jeronimo vom "Umsturz aller Verhältnisse" (S.8, Z.39f.) ausgeht und seinen Entschluss nach Spanien zu fliehen aufgibt und sogar hofft mit ihr in Chili leben zu können, ist Josephe skeptischer.
Zwar ist sie sich sicher, ihren Vater versöhnen zu können, aber sie schlägt vor, "das Versöhnungsgeschäft mit dem Vizekönig" (S.9, Z. 5)-also die Begnadigung- schriftlich von La Conception aus zu betreiben, von wo aus die Flucht leichter zu bewerkstelligen sei. Jeronimo sieht die " Klugheit dieser Maßregel" (S.9, Z.10) ein.
Überhaupt erscheint Josephe in dieser Beziehung die Führende zu sein. Sie erscheint nie als die Passive, vom Hauslehrer verführte Patrizierin, sondern sie ist diejenige, die denkt und handelt. So ist sie nach der Naturkatastrophe schnell wieder handlungsbereit, rettet ihr Kind aus den Flammen und überlegt auch auf ihrer Flucht in das Tal "mutig" (S.5, Z.) jeden ihrer Schritte. Selbstlos versucht sie auch wohlüberlegt ihr Kind zu retten, indem sie Philipp Don Fernando mit den Worten "(…) retten Sie Ihre beiden Kinder (…)" auf den Arm setzt, damit die mordlustige Menge nicht glaubt, es sei ihr Sohn. Jeronimo erscheint viel passiver, auch sein etwas zielloses Umherirren nach dem Erdbeben und seine verworrenen Gedanken, lassen ihn weniger realitätsbezogen als seine Geliebte erscheinen.
Aber obwohl Josephe sehr realistisch und tatkräftig ist, unterschätzt sie die Gefahr, die ihnen in der Dominikanerkirche droht. Die eben noch unter den Menschen erahnte Verbrüderung stellt sich in der Kirche –provoziert durch den Priester, der die Naturkatastrophe als Strafe Gottes für Jeronimo und Josephes gottlosen Frevel deutet- als tragische Verkennung der Tatsachen heraus.
Die Liebe zwischen Jeronimo und Josephe hat keine Chance. Der Leser oder Zuschauer der Novelle, der das Überleben des Liebespaares durch die Naturkatastrophe als eventuelle Möglichkeit gesehen hat, dass das Paar seine Liebe doch leben kann, muss erfahren, dass letztendlich die Gesellschaft (symbolisiert durch die mordlustige Meute in der Kirche) die unerhörte Verbindung im wahrsten Sinne des Wortes doch zerstört.
Die Liebesproblematik in Schillers "Kabale und Liebe"
1.sozialgesellschaftliche Hintergründe
Das bürgerliche Trauerspiel "Kabale und Liebe" geschrieben von Friedrich Schiller wurde im Jahr 1784 uraufgeführt. Schiller übt in seinem Drama indirekt Kritik an der politischen und gesellschaftlichen Situation seiner Zeit. Deutschland –damals in viele Fürstentümer zersplittert- wurde absolutistisch regiert und die Bevölkerung war den teilweise despotischen Herrschern ausgeliefert. Schiller selbst erlebte unter seinem württembergischen Landesfürsten Herzog Karl Eugen dieses absolutistische Herrschaftsdenken im Besonderen. Sicherlich wäre es interessant, autobiographische Hintergründe auch in der Personenkonstellation herauszufinden, aber dies soll nicht Teil dieser Arbeit sein.
Typisch für die pompöse Lebensweise der Fürsten war das "Mätressenwesen". So hielten sich die jeweiligen Fürsten meist sogar mehrere Geliebte, die später großzügig abgefunden wurden. Dieses Luxusleben wurde finanziert, indem die Untergebenen hohe Steuern zahlen mussten und oft die jungen Männer sogar an andere Länder als Soldaten verkauft wurden (wie auch in "Kabale und Liebe" erwähnt).
Aber allmählich erstarkte das Bürgertum und begann sich zu emanzipieren, es erlangte durch wirtschaftliche Erfolge ein neues wachsendes Selbstbewusstsein. So findet sich auch in der Literatur, vor allem in der Strömung des Sturm und Drang das Aufbegehren vor allem des Kleinbürgertums gegen Standesvorrechte. Man forderte die "Freiheit des Individuums". (S. Textanalyse S.16 -27)
2. Luises Verständnis von Liebe
Die bürgerliche, sechzehnjährige Luise ist die zentrale Figur in diesem Trauerspiel, so trug Schillers Drama ursprünglich auch den Titel "Luise Millerin".
Luises Vorstellung von Liebe unterscheidet sich auffällig von der Ferdinands. Als sie im Drama das erste Mal aufeinandertreffen (I. Akt, Szene 4)zeigen sich diese Unterschiede. In der vorherigen Szene offenbart Luise –gerade aus der Kirche zurückgekehrt- ihren Eltern, dass ihr ganzes Denken sich nur noch um Ferdinand dreht: "Ah! Ich vergaß, dass es noch außer ihm Menschen gibt- (…)" (S.9, Z.4)
Als sie den platonisch Geliebten dann jedoch trifft, zeigt sich ihre realitätsbezogene, vernünftige Persönlichkeit. Indem sie sich selbst als "das bürgerliche Mädchen" bezeichnet, spielt sie auf den Standesunterschied zwischen ihnen an. Aufgewachsenen als einziges Kind in einer kleinbürgerlichen Familie ist sie durch dementsprechende Werte und Moralvorstellungen geprägt. "Das junge Mädchen hat erkannt, dass die faktischen Umstände ihrer Liebe entgegen stehen. Sie davon überzeugt, dass in der Residenz ihre Beziehung zu Ferdinand keine Zukunft hat; und sie ist der festen Meinung, dass die eskapistische Lösung ebenfalls sinnlos wäre."(Michael Hofmann S.59). Luise sieht also, dass die beiden Welten, in denen sie leben, nicht vereinbar sind. Sie kann aufgrund der althergebrachten Konventionen nicht in seiner Welt leben, und sie glaubt, dass Ferdinand im Exil mit dem auf ihm lastenden Fluch seines Vaters nicht glücklich sein könnte (AktIII, 4). Ihre Frage "Und hättest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?" (Akt III) verdeutlicht haargenau ihr bürgerliches Dilemma. Pflichterfüllung und Ehre sind wichtige Bestandteile ihres Denkens, das heißt für sie auch die Bindung an ihre Familie, ihren Vater, (…) der kein Vermögen hat als diese einzige Tochter". Sie sagt es ganz deutlich: " Meine Pflicht heißt mich bleiben und dulden." (ebda). Für Ferdinand ist diese Kausalität nicht nachvollziehbar und weckt in ihm einen Argwohn, auf den ich später –in der Betrachtung von Ferdinands Liebesdefinition- noch genauer eingehen werde.
Ihre Familie –besonders ihr Vater- ist ihr sehr wichtig. Diese Beziehung ist geprägt durch Luises Unterwürfigkeit.
"Die Bereitschaft zur Unterordnung, die sie im Verhältnis zu ihrem Vater gelernt hat und die sie bis zur Selbstaufgabe treibt, prägt auch ihre Beziehung zum Geliebten." (Beyer , S.259)
Sie stellt an Ferdinand keinerlei Forderungen, sieht sich selbst aufgrund dieser Liebe als "Schwere Sünderin" ( S.), Z.1). In Bezug auf Ferdinand zeigt sie wenig Selbstbewusstsein. "Solange sie allein ist oder mit ihren Eltern spricht, zeigt sie sich durchaus in der Lage, sich zu artikulieren und auch ihrer Liebe sprachlich Ausdruck zu verleihen. Doch sie verstummt, sobald sie mit dem Liebhaber konfrontiert ist." (Beyer, S.259) Betrachtet man ihre Eloquenz in den Auseinandersetzungen mit Wurm oder auch Lady Milford, fällt ihre sprachliche Zurückhaltung und ihr Schweigen beziehungsweise eingefordertes Schweigen gegenüber Ferdinand besonders auf (z. B. III,4 : L. zu F.: "Ich bitte dich, höre auf" ; "Brich ab, nichts mehr."; " So schweig und verlass mich").
In diesem Sinne stellt auch Bernd Fischer in seiner Abhandlung über "Kabale und Liebe" aus dem Jahre 1987 passend fest: "In den Szenen, in denen sie weder mit Ferdinand noch mit Miller auftritt, stellt Schiller dem Zuschauer dagegen eine ganz andere Luise vor: schlagfertig, selbstbewußt und mit einem gehörigen Maß an Sozial- und Moralkritik (…)" (Fischer, S.129).
Gleich zu Beginn der vierten Szene im ersten Akt, als Ferdinand Luises Blässe auffällt, hätte sie Gelegenheit gehabt, ihre Probleme mit ihm zu besprechen. Schon da wiegelt sie ab: "Es ist nichts." Sie ist nicht in der Lage dem Geliebten ihre wohlüberlegten Argumente bezüglich ihrer problematischen Beziehung wirklich darzulegen. Sie fühlt sich ihm –Produkt ihrer Herkunft – als Bürgerliche unterlegen und ist natürlich auch aufgrund ihrer Jugend ihm verbal kaum gewachsen. Selbst später (5. Akt, 7. Szene), als er sie als "Teufel" und "Metze" beschimpft, wehrt sie sich nur zaghaft: "O wenn Sie wüssten, Walter, wie ungeheuer Sie meine Seele beleidigen." Hätte sie sich nicht –auch aufgrund ihrer bürgerlichen Moralvorstellung -an den Eid gebunden gefühlt, den sie Wurm bezüglich des von ihr erzwungenen Briefes gegeben hatte, wäre durch ein klärendes Gespräch das Unheil vielleicht noch abzuwenden gewesen.
Wie schon oben ausgeführt sieht Luise keine Chance ihre Liebe zu Ferdinand zu leben. Spätestens zu Beginn des III. Aktes gibt sie dem Ausdruck: "Ich glaube an keine glücklichen Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken." Ich denke, dass der "Auftritt" von Ferdinands Vater in ihrem Elternhaus letzte Hoffnungen in Ferdinands Welt akzeptiert -oder wenigstens geduldet- zu werden, zerstört haben. Nun bleibt für sie wirklich nur noch der Ausweg der Selbsttötung, um im Jenseits, "(…) wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen- wenn von uns abspringen all die verhassten Hülsen des Standes – Menschen nur Menschen sind- (…)" (AktI, 3.Szene), mit dem Geliebten leben zu können. Beinahe patzig thematisiert sie ihre Absicht dann auch gegenüber Lady Milford (IV Akt, 7. Szene), die dem nichts entgegenzusetzen vermag.
3. Ferdinands Verständnis von Liebe
Ferdinand von Walter ist der Sohn Präsident von Walters, welcher ein hoher Minister am Hof eines deutschen Fürsten ist.
Dementsprechend ist er adliger Herkunft und bekleidet die Position eines Majors. Zweifellos ist er kein typischer Angehöriger seines Standes. So zeigt er deutlich seinen Abscheu gegenüber den Taten seines Vaters, die dieser aus Machtgier verübt hat (I. Akt, 7. Szene). Er zeigt hier ein moralisches Gewissen, was nicht typisch für seinen Stand ist. Mutig stellt er sich seinem Vater entgegen und benennt sein Ideal von Glück: "Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben." (I, 7. Szene, S.18) Dennoch widersetzt er sich ihm nicht endgültig, es zeigt sich seine Unterlegenheit, indem er seinem Vater nicht von seiner großen Liebe Luise berichtet, und er fügsam, wenn auch rebellisch gesinnt, sich auf den Weg zu Lady Milford macht.
Unverkennbar hegt Ferdinand ehrliche Absichten gegenüber Luise. Er möchte keine oberflächliche Liebschaft, wie viele andere seines Standes, Luise bedeutet ihm "Alles" (IV, 2. Szene S.81).
So ist es für ihn auch nicht oberste Priorität, sie zu verführen, sondern er akzeptiert ihre Tugendhaftigkeit und betet sie förmlich an. Umso stärker beschleicht ihn später die Eifersucht, als die Intrige Wurms ihn ahnen lässt, das Luise mit dem Hofmarschall intim gewesen ist: "Wenn du genossest, wo ich anbetete. (..) Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!" (IV, 3.Szene, S.61). Schon im III. Akt erleben wir Ferdinands eifersüchtige Seite. Er, der Adlige, dem jegliches Verständnis für die "bürgerlichen Pflichten", die Luise prägen, zu fehlen scheint, kann ihren Verzicht auf die Liebe zu ihm nicht nachvollziehen. Er versucht auch gar nicht ihre Gefühlswelt zu ergründen, sondern beschuldigt sie, dass ein anderer Liebhaber sie "fesselt". "Ferdinand kann mit den moralischen Kategorien Luises nicht umgehen. Ihr Verweis auf "Pflichten", die sie binden und zum Bleiben veranlassen , interpretiert er als mangelnde Liebe." (Beyer, 218)
Obwohl er immer wieder betont, dass sein hoher Stand und die Privilegien ihm nichts bedeuten, sondern nur Luise für ihn zählt: "Mein Vaterland ist, wo Luise mich liebt. (…) Werden wir die Pracht der Stände vermissen?" (III, 4. Szene, S.49), zeigt sein Verhalten deutlich seine adlige, privilegierte Herkunft. Gegenüber Luise zeigt er sich überlegen, er sieht sie in gewisser Hinsicht als seinen Besitz: " Du bist meine Luise" (I.; 4.Szene, S.11), "Mein bist du, und wärfen Höll und Himmel sich zwischen uns." (II,5. Szene, S.33). Er fordert, dass sie nur an ihn denkt, alles für ihn aufgibt und mit ihm flieht. "Immer mehr tritt seine Egozentrik zu Tage. Seine Sichtweise ist die allein gültige. Luises Ängste, Bedenken und Nöte sieht er nicht (vgl. II,5). Hier zeigt sich auch Ferdinands tiefe Verankerung im adligen Denken. Er befiehlt, bestimmt und erwartet ganz selbstverständlich, dass man/Luise ihm gehorcht. Andere Ansichten oder Einwände akzeptiert er nicht. Sie sind für ihn schon fast ein Zeichen von Verrat (vgl. III, 4)." (pdf, S.52). Tatsächlich wird er stets gleich hitzig und vergreift sich im Ton oder in der Wortwahl, wenn Luise nicht so reagiert, wie er es will: "Rede mir Wahrheit." (I, 4. Szene, S.10); " Mädchen! Höre!" (ebda.). Er zeigt seine Unbeherrschtheit, wie ein kleines Kind, dem man sein Spielzeug wegnehmen will, wenn er Ende der 4. Szene im III. Akt aus Wut eine Violine zerstört und unkontrolliert loslacht.
Man fragt sich, ob es ihm wirklich um Luise als Person geht, da er nie wirklich auf sie eingeht und sich auch nicht bemüht, sie und ihre Lebenswelt zu verstehen. "Die Liebe ist dabei für Ferdinand letztlich nur eine große Idee, ein Ideal , das heißt, es kommt ihm weniger auf die reale Liebe zu Luise an als vielmehr darauf, seine Vorstellung von Liebe, Natürlichkeit und Harmonie der Herzen über die Standesgrenzen hinweg in die Tat umsetzen zu können." (Dietmar schäfer.S.44) So nimmt er sie nicht real, wirklich wahr, sondern verklärt sie förmlich, sie muss seinem Theoretischen Ideal von Liebe entsprechen: : "Du Luise, und ich und die Liebe! - - Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes hinzu?" (III, 4.Szene, S.49) Vielleicht liegt der Schlüssel für seine fast fanatische Liebe zu der unstandesgemäßen Luise auch in seiner Ablehnung des Hoflebens, im Abscheu der dort laufenden Intrigen und seiner Gesellschaftskritik. Er will aufbegehren, also auch in der Liebe, in der Wahl seiner "Gemahlin", wie er Luise im II.Akt, 7.Szene (S.39) ja sogar schon nennt.
Die häufigen romantischen Liebesergüsse Ferdinands ("Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt" (III, 4. Szene); "Dieses schöne Werk des himmlischen Bildners" ; "Alles so schön – so voll Ebenmaß – so göttlich vollkommen!" (IV, Szene 7, S.90) etc.) erscheinen dem heutigen Leser /Zuschauer beinahe schon phrasenhaft und ohne wirklichen Gehalt. "Denn er verkörpert einerseits eine Liebesvorstellung, die sich in einem vorromantischen Geist über alle Konventionen und alle Einwände einer realistischen Betrachtung hinweg zu setzen bereit ist; andererseits zeigt sich seine vermeintlich absolute Liebe als äußerst schwach gegenüber Anfechtungen, mit denen sie konfrontiert ist." (M.Hofmann, S.57)
So ist man erstaunt, wenn er nach dem Gespräch mit Lady Milford, die er vorher so entrüstet als "privilegierte Buhlerin" (I.Akt, 7. SzeneS.18) bezeichnet hat, Luise gegenüber Zweifel an seiner Liebe zu ihr gesteht: "Eine Stunde , Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gestalt sich warf – wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblasste – wo meine Luise aufhörte, ihrem Ferdinand alles zu sein –" (II, 6.Szene, S.34). Der hier sich deutlich zeigende Wankelmut Ferdinands spricht nicht unbedingt für die Ernsthaftigkeit und Beständigkeit seiner Liebe zu Luise.
Als er später erkennt, dass sie sich wirklich von ihm lösen will und er einen anderen Liebhaber als Ursache verdächtigt, reagiert er völlig überzogen. Gekränkt durch die scheinbare Zurückweisung kennt er nur seine Wut und Rache. Er hat sich so in den Betrug durch Luise verrannt, dass er nicht erkennt, wie er getäuscht worden ist. Nicht einmal Hofmarschall Kalb, der ihm letztendlich beichtet, dass er Luise nicht einmal kennt, nimmt er noch wahr.
So sieht auch er die Lösung des Problems –genau wie Luise- im Tod. Allerdings will er aus Rache, verschmähter Eitelkeit und sicher auch Verzweiflung, Louise und sich selbst töten. Louise hingegen–wie oben beschrieben- will an "einem dritten Ort" (V. Akt, 1. Szene, S.75) ihre Liebe mit Ferdinand leben, weil sie im Diesseits keine Chance dafür sieht.
Die Chancen der unstandesgemäßen Liebesbeziehung zwischen Luise und Ferdinand
Natürlich ist es aus heutiger Sicht schwierig Lebenssituationen aus einer ca. 200 Jahre zurückliegenden Zeit zu beurteilen. Dennoch finde ich, dass das Drama uns auf die Frage, ob die Verbindung zwischen Ferdinand und Luise möglich gewesen wäre, eine Antwort gibt. Betrachten wir die fünfte Szene im IV. Akt, in dem der Präsident seinem Sohn heuchlerisch vorspielt, dass er nun seine Zustimmung zu einer Ehe mit Luise geben würde: "Ist es wert, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe – Sie sei dein!". Hier erkennen wir, dass es sehr wohl die Chance für eine offizielle Verbindung gegeben hätte. So erkennt der Präsidentensohn ja auch hier nicht die Täuschung seines Vaters, sondern glaubt ihm, dass er Luise anerkennen will. Wenn Wurms "Kabale" nicht längst auf fruchtbaren Boden gefallen wäre und jetzt Ferdinand den Vater beim Wort genommen hätte, wer weiß wie es hätte enden können?
" Die sich allmählich etablierende bürgerliche Gesellschaft hatte die Grundlage geschaffen, auf der das bürgerliche Liebesverständnis und das Bedürfnis nach einer Verbindung von Liebe und Ehe entstehen konnte." (Beyer, S.211)
So scheitert meiner Meinung nach die Verbindung nicht an den formal nicht zu überwindenden Standesgrenzen, sondern eher an den jeweiligen Persönlichkeitsmerkmalen der beiden Hauptfiguren, die natürlichen ein Produkt der Konventionen ihrer sozialen Schicht sind.
"So zerstört die Kabale schließlich die Liebe, und sie ist dazu nur in der Lage, weil bereits diese Liebe zwischen Ferdinand und Luisse selbst derart konfliktträchtig und widersprüchliche geworden ist, dass sie tragisch enden muß?" (Beyer, S.203).
Luises verinnerlichtes Pflichtgefühl gegenüber ihren Eltern, ihr bürgerlicher Realitätssinn, aber auch ihr Ehrgefühl z.B. einen Eid nicht zu brechen, typisch bürgerliche Tugenden , sind von Ferdinand nicht nachzuvollziehen.
Wie oben beschrieben unterstellt er Luise eher ihn zu hintergehen, als dass er versteht, was sie bewegt und warum sie ihm entsagt. Er versucht nicht einmal, sich in ihre Gefühlswelt hineinzuversetzen.
Auch Luises natürlicher Respekt vor dem höhergestellten Mann, der sie einschüchtert und hemmt ,das Gespräch mit ihm zu suchen, und ihre Sprachlosigkeit sind ein wichtiger Aspekt für das Scheitern ihrer Beziehung.
Versicherung
Ich versichere, dass ich die vorgelegte Facharbeit ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Ich bestätige ausdrücklich, Zitate und Quellenangaben mit größter Sorgfalt und Redlichkeit in der vorgegebenen Art und Weise kenntlich gemacht zu haben. Die genutzten Internetseiten habe ich alle auf beiliegender Diskette/CD ordnungsgemäß gespeichert.(Ort, Datum) (Unterschrift)
Inhalt
Diese Facharbeit beinhaltet die Analyse der Novelle "Erdbeben in Chili" sowie den Vergleich der Beziehungen zwischen Jeronimo und Josephe einerseits (Erdbeben in Chili) und Ferdinand und Luise (Kabale und Liebe) andererseits. Diese Facharbeit wurde mit 15 Punkten bewertet. Einzige Bemängelung, dass in der Einleitung eine Verbindung zur heutigen Zeit schön gewesen wäre, um die Aktuälität dieser skandalösen Beziehungen zu erfassen. (6440 Wörter)
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von Regina23
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Es handelt sich hier um einen fremden, nutzergenerierten Inhalt für den keine Haftung übernommen wird.
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