Facharbeit: Vor- und Nachteile des Kirchhof'schen Einkommenssteuermodells von 2011
Einleitung
Das derzeitige Steuerrecht in Deutschland ist kaum zu durchschauen. Es umfasst etwa 33.000
Paragraphen, welche zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen enthalten. Dieses radikal
zu ändern hat sich der Professor aus Heidelberg und ehemalige Verfassungsrichter Paul
Kirchhof zum Ziel gemacht. Nachdem sein erster Reformvorschlag 2005 während des
Bundestagwahlkampfes plötzlich aus der Diskussion fiel, obwohl er zunächst viele
Unterstützer aus Union und FDP bekam, veröffentlichte Kirchhof 2011 eine überarbeitete
Version seines Modells. Doch was taugt sein Konzept? Wäre es eine radikale, mit der
führe, wie Kirchhof ganz unbescheiden meint? Oder handelt es sich doch um realitätsferne
Träume? Dies werde ich im Folgenden versuchen herauszufinden.
Zuerst werde ich Kirchhofs Einkommenssteuerkonzept kurz mit dem aktuellem Recht
vergleichen. Anschließend zeige ich seine Vor- und Nachteile gegenüber diesem auf. Zum
Schluss ziehe ich daraus ein Fazit.
Hauptteil
Kirchhofs und das aktuelle Steuerrecht im Vergleich
In dem Modell von Kirchhof werden die aktuell sieben unterschiedlichen Einkommenssteuern
(für Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger
Arbeit, aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und
Verpachtung, und sonstige Einkünfte) zu einer Einkommenssteuer zusammengefasst und es
werden alle Ausnahmen und Absetzmöglichkeiten abgeschafft. Die Einkommen werden dann
nach einheitlichem Tarif besteuert: Alle Einkünfte oberhalb des Grundfreibetrages, der bei
10.000¤ pro Kopf und 8.000¤ pro Kind liegt, bis zu einem Einkommen von 15.0000¤ werden
gilt dann ein Satz von 20%. Von dort an werden alle Einkünfte mit einem konstanten
Grenzsteuersatz (Flat-Tax) von 25% versteuert.
Kirchhofs Modell verabschiedet sich demzufolge vom aktuellen linear-progressiven
Einkommensteuertarif. Hier steigt der Grenzsteuersatz ab dem Grundfreibetrag, der bei
8.004¤ pro Kopf und 7.008¤ pro Kind liegt, in zwei Progressionszonen lineal an, erst steiler,
dann weniger steil, bis zum Spitzensteuersatz von 42%. Für Einkünfte, die oberhalb von
250.731¤ liegen, kommt die Reichensteuer hinzu, welche 45% beträgt.
Vorteile
Mit der stärkste Vorteil des Kirchhof'schen Steuermodells wäre die im Vergleich zum jetzigen
Recht enorme Vereinfachung. Die Verschlankung von ca. 33.000 zu nur noch 146
Paragraphen führt zu einer Transparenz, die dem Bürger Vertrauen in den Rechtsstaat und
Autonomie liefert: Er kann sich selbst über das Steuerrecht informieren und ist nicht mehr auf
einen Steuerberater angewiesen.
Das einhergehende Wegfallen von Ausnahmen und Abschreibemöglichkeiten führt außerdem
dazu, dass reiche Personen sich nicht mehr durch gute Steuerberater, welche die
Schlupflöcher des Rechts perfekt kennen, arm rechnen können. So ist es weit verbreitet, dass
Unternehmer private Urlaubsreisen als Geschäftsreisen deklarieren, die sie steuerlich absetzen
können. Dazu führt die Abschaffung von Ausnahmeregeln zu einem Gerechtigkeitsgewinn, da
so dem Eindruck entgegengewirkt werden kann, die Gesetzgeber privilegieren einzelne
Berufsgruppen.
Ebenfalls wird die Bevormundung durch den Staat verhindert. Durch die aktuell
unterschiedliche Besteuerungen verschiedener Geschäfte vermittelt der Staat dem Bürger, in
eine bestimmte Industrie zu investieren sei klüger, als in ein andere; z. B. gibt es für
Schiffsbeteiligungen steuerliche Ermäßigungen. So bekommt im Kirchhof'schen Steuerrecht
jeder einzelne wieder seine Entscheidungsfreiheit zurück und kann allein anhand
ökonomischer Kriterien entscheiden, welche Investition er als sinnvoll erachtet.
Ein weitere Vorteil ist, dass ein transparentes, für jeden nachvollziehbares Steuerrecht den
Anreiz, Steuern zu hinterziehen, senkt. Weniger Steuerhinterziehung führt wiederum neben
mehr Staatseinnahmen zu mehr Gerechtigkeit.
Der Bürokratieabbau würde außerdem den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken: Da
weniger Bürokratie den Verwaltungsaufwand der Unternehmen senkt, wird das Land
attraktiver für diese. Dass die Dividenden steuerfrei bleiben, da sie ja als Gewinn des
Unternehmens schon versteuert wurden, macht das Land für Investoren sehr begehrt. Mehr
Investitionen könnten zu mehr Wirtschafswachstum führen, was wiederum zu mehr
Steuereinnahmen führt.
Zuletzt bringen die höheren Freibeträge in Kirchhofs Modell eine Entlastung für Familien mit
Kindern, was angesichts der demographischen Entwicklung ein wichtiges Signal ist.
Nachteile
Ein Punkt, der wohl politischen Sprengstoff birgt, ist, dass in Kirchhofs Modell wie gesagt
Dividenden völlig steuerfrei bleiben. So könnte ein Aktionär völlig steuerfreie Einkünfte
erhalten, während ein normaler Arbeiter sein Einkommen voll versteuern muss. Das ist
schlichtweg ungerecht.
Auch ist es fraglich ob es wirklich gerecht wäre, alle Möglichkeiten der steuerlichen
Absetzbarkeit abzuschaffen, wie z. B. Krankheitskosten: So müsste ein Rollstuhlfahrer, der
nur Teilzeit arbeiten kann sein Gehalt voll versteuern.
Ein sehr zentraler Kritikpunkt an Kirchhofs Steuermodell ist die Flat-Tax ab 20.000¤:
Während kinderlose Paare bis zu einem Jahreseinkommen von ca. 40.000¤ in Kirchhofs
Modell schlechter dastehen würden, würden z. B. Einkommensmillionäre auch in
Einberechnung von Ausnahmeregelungen überproportional zu andern Einkommensgruppen
profitieren. Dieser im Vergleich zu aktuellem Recht geringere Umverteilungseffekt könnte
den Trend zu stärkerer Einkommensungleichheit wiederbeleben.
Ob die Staatseinnahmen wirklich gleich bleiben, wie Kirchhof behauptet, darf außerdem
hinterfragt werden. Während er erklärt, die wegfallenden Ausnahmen und Privilegien,
würden den niedrigeren Spitzensteuersatz wettmachen, erläutert der baden-württembergische
Finanzminister Nils Schmid, seinen Berechnungen zu Folge, seien mit bis zu 40 Milliarden ¤
Einnahmeausfällen pro Jahr zu rechnen.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass eine Vereinfachung des Einkommenssteuerrechts nach
dem Konzept Kirchhofs im Sinne der Bürger wäre. Vor allem die Einfachheit und Transparenz
ist hervorzuheben. Auch die Ausnahmeregelungen sollten grundlegend gestrichen werden, mit
Ausnahme von wenigen notwendigen und gerechten Sonderregelungen, wie z. B. die
Absetzbarkeit von Krankheitskosten. Außerdem sollte man der Einkommensschere und den
steigenden Staatsausgaben entgegenwirken, indem man besonders hohe Einkommen mit
einem höheren Satz als 25% besteuert. Auch könnte man parallel zum jetzigen Steuerrecht ein
Reformmodell, ähnlich wie Kirchhofs, als sog. Schattensystem einführen: Die Einkommen
würden unverändert besteuert, jedoch würden Computer auch die theoretische Besteuerung
mit dem alternativen Steuergesetz ausrechnen. Dies würde zwar aufwändig sein, bringt aber
die Chance, dass die Regierung wüsste wie sich Steuereinnahmen nach einer Reform
verhalten würden. Die politische Umsetzbarkeit einer so radikalen Steuerreform ist aber
aufgrund der Einflussnahme der Lobbys, nicht zuletzt der Steuerberaterlobby, stark zu
bezweifeln.
Quellen
>; http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/konzept-zur-steuerreform-so-radikal-stutztder-
professor-das-steuerrecht-1.1113185-3
>; http://www.ftd.de/politik/deutschland/:einkommensteuer-kirchhofs-plan-fuer-einesteuerrevolution/
60070596.html
>; http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/steuerkonzept-wer-von-kirchhofs-plaenenprofitiert-
und-wer-nicht-a-771115.html
>; http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/buerger-entlastung-oekonomenpreisen-
kirchhofs-radikales-steuermodell/4332900.html
Inhalt
Hausarbeit: Erörterung: Vor- und Nachteile des Kirchhof'schen Einkommenssteuermodells von 2011
J1, Wirtschaft, Note: 15NP (1035 Wörter)
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