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Überprüfung Gedichtsanalyse zu "Angst" - Alfred Lichtenstein

Frage: Überprüfung Gedichtsanalyse zu "Angst" - Alfred Lichtenstein
(2 Antworten)


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Ich muss bald einen Vortrag in Deutsch über den Expressionismus halten und möchte am Ende exemplarisch ein expressionistisches Gedicht vorstellen und analysieren (mit besonderem Blick auf epochentypische Merkmale). Ich würde dazu gerne ein paar Meinungen einholen zu meiner Analyse des Gedichtes "Angst" von Alfred Lichtenstein:


Das expressionistische Gedicht "Angst" von Alfred Lichtenstein beschäftigt sich mit den Themen Krieg und den Folgen der Industrialisierung. Es besteht aus zwei Quartetten. Das Metrum ist ein 5-hebiger Trochäus, jeweils in den ersten beiden Versen der Strophen und ein 4-hebiger Trochäus in den letzten beiden Versen der Strophen. Die Verse haben immer abwechselnd männliche und weibliche Kadenzen, beginnende mit einer weiblichen Kadenz. Das Reimschema ist abab, also ein Kreuzreim.

Inhaltlich beschäftigt sich das Gedicht mit der Angst vor der Expansion der Städte und einem drohenden Krieg und den daraus entstehenden Folgen.
In der ersten Strophe beginnt Lichtenstein mit einer Beschreibung der Natur, die durch die Industrialisierung zerstört wird ("Wald und Flur liegt tot in Schutt und Scherben", Vers 1). Sie wird geradezu verdrängt von der Stadt und ihrem "Gas", womit wahrscheinlich die Abgase der Industrie gemeint sind.
Im zweiten Teil der ersten Strophe wird der Weltuntergangscharakter des Gedichts deutlich. An dem Satz "Alle Menschen müssen sterben" (Vers 3) erkennt man die Hoffnungslosigkeit des Autors.
In der zweiten Strophe ist von einer Verschmutzung der Umwelt die Rede und wie diese langsam immer mehr zunimmt. "Trübe Flüsse" (Vers 5) und ein "Sumpf" (Vers 6) repräsentieren die trostlose Umwelt.
Im zweiten Teil der zweiten Strophe geht Lichtenstein nochmal verstärkt auf das Sterben der Menschen ein, womit ein Bezug zur ersten Strophe hergestellt wird. Da von "Pistolenschüsse[n]" (Vers 7) die Rede ist, wird spätestens hier deutlich, dass die Menschen ihr Leid selber verantwortlich ist. Menschen sterben durch Menschen und die breite Masse ist machtlos.

Diese negative Darstellung der Situation, einschließlich der Angst vor einem Krieg und dem damit verbundenen Weltende ist typisch für den Expressionismus, der vor allem vor und während des ersten Weltkrieges vorherrschte. Aussagekräftige Adjektive wie "tot" (Vers 1), "matt" und "trüb" (Vers 5) untermalen nochmal die negativen Assoziationen des Autors mit der Situation.

Die Alliterationen "Schutt und Scherben" (Vers 1) und "Glück und Glas" (Vers 4) verdeutlichen den Zusammenhang dieser Begriffe. Gerade bei "Glück und Glas" unterstreicht es erneut die Hoffnungslosigkeit der Menschen. Das Glück wird mit Glas gleichgesetzt und als leicht zerbrechlich dargestellt.
In Vers 5 findet sich eine Metapher: "Stunden rinnen matt wie trübe Flüsse". Die Zeit zieht sich, wie ein Fluss der kaum noch fließt. Diese Metapher verdeutlicht zum Einen die Umweltverschmutzung, zum Anderen zeigt sie, dass die Zeit sich anfühlt, als würde sie nicht vergehen. Zu schlecht ist die Situation, alles zieht sich ewig und kein Leid vergeht. Dieses Motiv ist, genau wie die Verwendung von Metaphern an sich, typisch für die Epoche des Expressionismus.
Durch die rhetorische Frage "Spürst du die Pistolenschüsse?" (Vers 7) wird die Machtlosigkeit der Menschen deutlich. Sie können sich nicht wehren, sondern nur warten, bis sie die Schüsse spüren.
Im letzten Vers findet sich ebenfalls eine rhetorische Frage. "Ist der Kopf noch auf dem Rumpf?", fragt Lichtenstein. Es ist also nicht mehr selbstverständlich zu leben. Wahllos und willkürlich sterben Menschen. Es gibt keine Hoffnungen auf ein langes Leben mehr. Man kann in diesen beiden letzten Versen sogar erkennen, dass das lyrische Ich lebensmüde ist und in dieser Welt gar nicht mehr leben möchte. Es wartet nur darauf, zu sterben bzw. getötet zu werden und hat jegliche Hoffnung verloren.
Das gesamte Gedicht ist im für den Expressionismus sehr typischen Reihenstil geschrieben. Eindrücke und rhetorische Mittel werden scheinbar wahllos und unsortiert aneinander gereiht, um dem Leser einen Einblick in die direkte Gefühlswelt des lyrischen Ich zu gewähren und das in der Welt herrschende Chaos zu verdeutlichen, denn im Krieg herrscht auch häufig Unordnung und Willkür.

zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht ein typisch expressionistisches Gedicht ist. Die Thematiken der Verstädterung, Verdrängung der Natur, des Krieges und eines nahenden Weltuntergangs sind in nahezu allen Schriften dieser Epoche zu finden, da diese Themen die Menschen zu der Zeit beschäftigt haben. Der Expressionismus war eine Zeit der Industrialisierung, neuer Erfindungen und daraus entstehende Skepsis. Trotzdem trieb es viele Menschen vom Land in die neuen Städte.
Gleichzeitig war der Expressionismus eine Zeit des Krieges. Der erste Weltkrieg erschütterte die Menschen, löste Angst aus und forderte unzählige Opfer. Dies im Zusammenhang mit dem Untergang der Titanic und die Angst um den Haley´schen Kometen wurde als Vorboten einer nahenden Apokalypse und eines Weltuntergangs gesehen und löste noch mehr Angst bei den Menschen aus. Diese Angst, vor allem in Bezug auf den Krieg und den Weltuntergang, beschreibt Lichtenstein in seinem Gedicht, dem er auch passenderweise den Titel "Angst" gab.

Ich würde mich über einige Rückmeldungen zu dieser Analyse freuen.
Frage von Aiai | am 10.03.2018 - 10:42


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Antwort von Ritchy (ehem. Mitglied) | 10.03.2018 - 12:12
Also ich finde die Gedichtanalyse sehr umfangreich und aussagekräftig. Du behandelst alle Aspekte wie Stilelemente,
Aufbau des Gedichts, Interpretation und Einordnung in den Expressionismus. Ich finde Deine Arbeit eigentlich hervorragend...
Ich bin aber in diesem speziellen Gebiet kein Experte.


Autor
Beiträge 40293
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Antwort von matata | 10.03.2018 - 13:35
Hier findet man den Text des Gedichtes

http://www.mumag.de/gedichte/lic_a11.html
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