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Interpretationsaufsatz "Abschied" J. von Eichendorff

Alles zu Joseph von Eichendorff  - Gedichte

Interpretation des Gedichts "Abschied" von Eichendorff



Charakteristisch für die literarische Epoche der Romantik sind verschiedene Motive welche die Autoren nutzten, um den damaligen Zeitgeist auszudrücken. So wurde zum Beispiel durch das Motiv der Natur eine ruhige oder mystische Gegenwelt geschaffen, die in direktem Gegensatz zu dem belebten und hektischem Umfeld des menschlichen Lebens steht. In der Natur fand der Mensch schon damals Ruhe und Geborgenheit, ja sogar Schutz vor den belebten, geschäftigen und lebhaften Einflüssen der Mitmenschen, deren Leben niemals still zu stehen schienen. Dies machten sich die Autoren der Romantik in vielerlei Hinsicht zu Nutze; so gingen sie in die unberührte Natur, um über ihre Werke nachzudenken oder dichteten ihren lyrischen Sprecher zum Beispiel direkt in eine geheimnisvolle und ruhige Mondnacht hinein (Vgl. „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff). Auch in dem 1810 erschienenen Gedicht „Abschied“ von Joseph von Eichendorff wird dieses Motiv besonders deutlich.

Schon in der ersten Strophe unverkennbar aufgezeigt, dass sich der lyrische Sprecher in der freien Natur befindet, genauer in einem Wald. Zudem macht uns das lyrische Ich bereits zu Beginn des Werks den gewaltigen Kontrast zwischen der natürlichen und menschlichen Welt klar. Im weiteren Verlauf des Gedichts beschreibt der lyrische Sprecher einen Sonnenaufgang und wie sich infolge dessen die Natur beginnt, sich zu regen. Es scheint, als würde es durch den Moment des Beginns eines neuen Tages alle seine Sorgen und Nöte für einen Moment lang vergessen. Auch werden hier die Menschen als deutlich als ein Störfaktor für die Erde dargestellt, woraus eine gewisse Distanziertheit des lyrischen Sprechers zum Rest der Menschheit aufkommt. Dies wird in der dritten Strophe weitergeführt, in welcher das lyrische Selbst davon spricht, dass die Natur - im Gegensatz zu den Menschen - niemals lügt oder täuscht, sondern schlicht natürlich ist. In der letzten Strophe werden erstmals deutliche Parallelen zum Titel des Gedichts „Abschied“ gezogen, denn in diesen letzten Versen kündigt das lyrische Ich seinen Weggang von der Natur an. Es beschreibt, dass es sich trotz seiner Abneigung gegen sie, wieder unter Menschen begeben will, dass es jedoch trotzdem den Wald in all seiner prächtigen Natürlichkeit nie vergessen wird und sich immer an ihn erinnern wird.

Das Gedicht besteht im Allgemeinen aus vier Strophen mit je acht Versen. Kennzeichnend sind der sich durch das gesamte Werk durchziehende Kreuzreim sowie der dreihebige Jambus. Männliche und weibliche Kadenz wechseln sich alternierend ab, wobei anzumerken ist, dass jeder ungerade Vers eine weibliche und somit jeder männliche Vers eine männliche Endung hat. Es ist ebenfalls anzumerken, dass man jeweils zwei einfache Liedstrophen erhält, wenn man eine Strophe nach vier Versen „teilen“ würde, da jeweils die ersten vier und die letzten vier Verse jeder Strophe durch den Kreuzreim miteinander, aber nicht untereinander verknüpft sind. Diese Strukturen geben dem Gedicht eine gewissen Regelmäßigkeit, die das Lesen und Verstehen erleichtert. Auffallend sind ebenfalls die Zeilenstile, die in den ersten beiden Strophen nur selten von Enjambements unterbrochen werden. In den letzten beiden Strophen gleicht sich das Verhältnis beider Satzstrukturen aus. Markant sind ebenfalls die verwendeten Nomen, welche sehr ausdrucksstark gewählt wurden und maßgeblich die Stimmung bestimmen, welche innerhalb des gesamten Gedichts deutlich erkennbar umschlägt. In der ersten Strophe wählte der Autor Substantive wie z.B. „Höhen“ (V. 1), „Lust“ (V.3) et cetera, welche von einer optimistischen Stimmung zeugen. Diese hält in der zweiten Strophe an, was man anhand von dem ausdrucksstarkem Wort „Herrlichkeit“ (V. 16) festmachen kann. Allerdings macht sich hier schon ein kleiner Einbruch der glückseligen Verfassung des lyrischen Ichs sichtbar: „Erdenleid“ (V. 14). In der vorletzten Strophe ist der Umschwung sehr deutlich zu spüren, bis hin zur vierten und letzten Strophe, in der negativ assoziierte Substantive den Großteil der Worte ausmachen, so zum Beispiel „Fremde“ (V. 26), „Ernst(…)“ und „Gewalt“ (beide V. 30). So werden die letzten acht Zeilen auch von eher dunkleren Vokalen wie „e“ verwendet, um dieser Stimmungslage Ausdruck zu verleihen.

Es geht in dem vorliegenden Gedicht also um eine Person, welche sich in der Natur befindet und sich von dem Wald verabschiedet, um in die hektische und unnatürliche Welt der Menschen zurückzukehren. Dabei beinhaltet das Motiv der Natur offensichtlich einen Aspekt der Gegenwelt und des Schutzes vor dem chaotischen Alltagsleben und den vielen gesellschaftlichen Zwängen der Menschen, welche aber doch nicht dazu beitragen, dass man glücklicher wird, sondern vielmehr das Gegenteil bewirken.

Dass sich das lyrische Ich in der Natur sehr wohl und geborgen fühlt, wird bereits zu Beginn deutlich. Durch die Anapher in Vers eins und zwei, „O Täler weit, o Höhen,/ O schöner, grüner Wald“ wird die Liebe des lyrischen Sprechers besonders zum Wald deutlich. Mit Wörtern wie „O“ (V. 1) wird in diesem Kontext zusätzlich eine gewisse Festlichkeit assoziiert, wodurch die Herrlichkeit des Waldes und die Liebe des lyrischen Ichs zu diesem erneut zum Ausdruck gebracht wird. Dies unterstreicht gleichzeitig die große Bedeutung, den die Natur als schutzgebender Raum hat und den Kontrast von ihr und der hektischen Menschenwelt. Das lyrische Ich scheint den Wald zu „duzen“ und ihn direkt anzureden (Vgl. V. 3). Dies wird besonders an der Verwendung vieler Personifikationen klar, welche teilweise auch einen metaphorischen Charakter haben: „Schlag noch einmal die Bogen/ Um mich, du grünes Zelt!“ (V. 7 und 8). Außerdem werden in diesem Kontext viele Personalpronomen wie zum Beispiel „du“ (V. 3) verwendet. Somit scheint der lyrische Sprecher seine Umwelt und im Speziellen den Wald weniger als einen Ort wahrzunehmen, sondern mehr als ein Wesen mit Gefühlen und Herz (Vgl. V. 12). Das lyrische Ich drückt seine positive und optimistische Gefühlslage durch vorwiegend ungetrübte Wörter wie „schön“ (V. 2) und „grün“ (V. 8) aus. Allerdings wird hier zum ersten Mal der Aspekt des Abschieds (Vgl. Titel des Gedichts) durch die Wortgruppe „noch einmal“ (V. 7) aufgegriffen, welche von einem endgültigen und baldigen Abschied zeugen.

In der zweiten Strophe wird, wie bereits erwähnt, der Sonnenaufgang besonders thematisiert. Dies ist die einzige Strophe, in welcher das lyrische Ich seine Mitmenschen und deren Gewohnheiten, die es sonst als störend kristallisiert hat, nicht direkt erwähnt. Infolgedessen scheint es, als wäre der lyrische Sprecher so fasziniert von dem Moment des Tagesanbruchs, dass er alles Schlechte vergisst. Es ist die Rede von dem neuen Blinken der Erde (V. 10) und den Vögeln, die „lustig schlagen“ (V. 11), sodass das Herz „erklingt“ (V. 12). Er spricht allerdings auch kurz über ein „trübe(s) Erdenleid“ (V. 14), welches aber bald wieder vorüber sein wird, fast schon wie eine Krankheit. Damit meint er zweifellos die Menschen, die der Erde, seinen natürlichen Bewohnern und sich selbst ohne Rücksicht schaden.

Die dritte Strophe beginnt mit den Versen „Da steht im Wald geschrieben/ Ein stilles, ernstes Wort“ (V. 17 und 18). Dies soll die Tatsache zum Ausdruck bringen, dass die Natur ehrlich ist und dem lyrischen Selbst nichts vormacht oder es anlügt, sondern einfach natürlich ist, „schlicht und wahr“ (V. 22). Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, wie falsch und zerstörerisch die Menschen sind, da sie die einzigen Lebewesen auf der Erde sind, die bewusst lügen und so ihren Mitmenschen Schaden zufügen können, siehe dazu auch Vers 5 und 6: „Da draußen, stets betrogen, / Saust die geschäft’ge Welt“. Durch diese Äußerung wird die Distanziertheit des lyrischen Sprechers zum Rest der Allgemeinheit deutlich und begründet. Durch die letzten beiden Verse der dritten Strophe - „Und durch mein ganzes Wesen/ Ward’s unaussprechlich klar.“ (V. 22 und 23) - werden auf der anderen Seite aber auch die tiefe Verbundenheit des lyrischen Sprechers und der Natur deutlich. Er scheint das Gefühl zu haben, sich blind, ohne Worte mit dem Wald zu verstehen und erklärt somit auch seine Liebe zu ihm.

In der letzten Strophe des Gedichts werden eindeutige Parallelen zum Titel gezogen. Schon mit dem beginnenden Vers 25: „Bald werde ich dich verlassen“ weißt das lyrische Ich sehr direkt auf einen Abschied hin. Des Weiteren nimmt es mit dem Pleonasmus „Fremd in der Fremde gehn“ (V. 26) weiteren Abstand von der normalen, ihm allerdings unbekannten Welt. Dass es sich selbst als „anders“ bezeichnet macht deutlich, dass es sich nicht sehr häufig unter Menschen begibt oder regelmäßig soziale Kontakte pflegt. Es hat allerdings trotz seiner scheinbaren abwesenden Stellung in der Gesellschaft erkannt, dass sich die Menschen untereinander etwas vorspielen, sich anlügen, wie in einem Theater: „Des Lebens Schauspiel“ (V. 28). In den letzten vier Versen des Gedichts wendet sich das lyrische Ich ein letztes Mal an den Wald und macht ihm deutlich, dass es sich immer an ihn erinnern werde, „mitten in dem Leben“ (V. 29), welches es von da an führen werde. Denn durch die Erinnerungen an eine ruhige und natürliche Welt „wird (s)ein Herz nicht alt“ (V. 32).

Das lyrische Ich in Joseph von EichendorffsAbschied“ zeigt ein eindeutiges Problem der Gesellschaft auf und enthält somit deutliche gesellschaftskritische Aspekte, die sich aus dem 19. Jahrhundert bis heute gehalten und bestätigt haben. Denn bis heute sind die meisten Menschen noch rücksichtslos ihren Mitmenschen gegenüber. Die Welt wird in dem Gedicht aber auch als lebhaft und hektisch gekennzeichnet, mit Menschen, welche nie zur Ruhe kommen.

Auch wenn eins der globalsten und wichtigsten Probleme des 21. Jahrhunderts der Klimawandel zu sein scheint, ist auch zu bedenken, dass dieser durch den ständigen Bewegungsdrang der Menschen ausgelöst sein könnte, dadurch, dass wir alle arbeiten, um Geld zu erlangen - und dabei rücksichtslos die Natur und unsere Mitmenschen ausbeuten. Besonders treffend scheint mir in diesem Zusammenhang das metaphorische Bild des „trübe(n) Erdenleid(s)“ (V. 14) zu sein. Joseph von Eichendorff hat mit diesem Werk ein zu seiner Zeit markantes Problem angesprochen, das uns bis heute nicht losgelassen hat.
Inhalt
Sehr ausführlicher Interpretationsaufsatz zu dem Gedicht "Abschied" von Joseph von Eichendorff (1810).

Einziges Manko (bitte beachten!): ein lyrisches Ich, wie ich es verwendet habe, gibt es nicht. Korrigieren! (1628 Wörter)
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von chrn29
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