Facharbeit: Menschenwürde und Lebensschutz am Beispiel der Präimplantationsdiagnostik
Facharbeit: Wann darf der Mensch in das menschliche Leben
eingreifen?
Menschenwürde und Lebensschutz am Beispiel der Präimplantationsdiagnostik
Gymnasium Rheinkamp Europaschule Moers
Grundkurs Philosophie
(Alle Quellenangaben sind im Original-Dokument zu finden, nicht in dieser Vorschau)
Inhalt
Einleitung
1. Vorwort
Im Jahre 2020 stehen dem Menschen zahlreiche technologische Hilfsmittel zur Verfügung, die nicht nur seinen Alltag in Form von mobilen Helfern wie Smartphones erleichtern, sondern es ihm unter anderem ermöglichen, die Grenzen der Natur zu überschreiten. Wie weit man gehen darf, ohne dass es gesellschaftlich-moralisch verwerflich wird, ist (zumindest in Deutschland) streng geregelt.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." So schreibt es das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dabei stellen sich jedoch folgende Fragen: Was ist der Mensch? Und besonders: Wann ist der Mensch? Wann besitzt er eine Würde? Im Laufe dieser Facharbeit sollen primär die letzteren beiden Fragen aufgeführt und diskutiert werden, um die titelgebende Frage zu beantworten: "Wann darf der Mensch in das menschliche Leben eingreifen?"
Persönlich habe ich mir dieses Thema aufgrund der aktuellen Debatte um Schwangerschaftsabbrüche in dem Zeitraum um den Weltfrauentag am 8. März 2020 ausgesucht, da es bei moralischen Fragen wie der, ab wann jemand ist und was damit verbunden ist, keine "richtige" oder "falsche" Auffassung aufgrund der fehlenden Beweislage dazu, wann und ob ein Mensch denn eine Seele hat und inwiefern das seine Ansprüche auf eine "Würde" beeinflusst, gibt.
Da ich im Hinblick auf die moralische Urteilung über Abbrüche von bereits bestehenden Schwangerschaften in meiner Meinung schon stark gefestigt bin, habe ich mich dazu entschieden, mich mit der Methode der sogenannten "Präimplantationsdiagnostik" auseinanderzusetzen, die mir zu Beginn der Erarbeitungsphase noch sehr unbekannt war, um einer Voreingenommenheit meinerseits und einer Verfälschung des aufgeführten Meinungsbildes vorzubeugen.
Im Laufe dieser Facharbeit wird zunächst die Methode der sogenannten Präimplantationsdiagnostik erläutert und von ähnlichen Untersuchungsmethoden an Ungeborenen abgegrenzt. Um ein umfassendes Meinungsbild zu erhalten, werden
im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 1 Abs. 1 Argumentationen von Befürwortern sowie Opponenten der Präimplantationsdiagnostik aufgeführt sowie durch Sichtweisen von Philosophen und Medizinern ergänzt. Im Anschluss werden die Argumente gegeneinander aufgewogen um eine abschließende Beurteilung um die ethische Korrektheit der Methodik durchführen zu können.
2.1. Die Präimplantationsdiagnostik (im Folgenden teilweise mit " PID ” abgekürzt)
bezeichnet ein wissenschaftliches Verfahren, mithilfe dessen ein Embryo im Zuge einer In-Vitro-Fertilisation oder auch " künstlicher Befruchtung ” ab dem 8-Zell-Stadium vor seiner Einpflanzung in die Gebärmutter auf verschiedene genetische Anlagen untersucht werden kann - also zu dem Zeitpunkt, an dem sicher ist, dass sich aus den Zellen nur ein einziges Individuum entwickeln kann.
In Deutschland ist das Verfahren seit dem 21. November 2011 ausschließlich zur frühzeitigen Erkennung schwerer Erbkrankheiten zugelassen und unterliegt einer strengen Gesetzeslage,
wohingegen beispielsweise die USA mit lockereren Regulierungen unter anderem die
die Präimplantationsdiagnostik mit der Präfertilisationsdiagnostik, in dessen Rahmen überschüssige Polkörper5 der Eizelle nach dem Eindringen des Spermiums, aber vor der Kernverschmelzung, entnommen und auf ihre Erbmerkmale untersucht werden. Diese Untersuchung kann nur für den genetischen Anteil der Frau erfolgen und sind im Embryonenschutzgesetz auch nicht zu einem Fötus entwickelt. Dabei ist es nicht relevant, ob die Untersuchung am oder im Leibe der Schwangeren (nicht-invasiv oder invasiv) erfolgen.
2.2. Alle drei Methoden der Früherkennung von Auffälligkeiten und Krankheiten am ungeborenen, potentiellen Menschen sind in Deutschland zulässig.8 Wird durch eine von ihnen eine schwerwiegende Krankheit im Erbgut der Eizelle, des Embryos oder des Fötus festgestellt, darf jederzeit (nach Einschätzung der Ethikkommission des jeweiligen Landes darüber, wie schwerwiegend der individuelle Fall ist) terminiert werden – unabhängig davon, ob es lediglich die Einsetzung der Eizelle betrifft oder eine weit vorangeschrittene Schwangerschaft.
Laut Artikel 2 Absatz 2 aus dem Grundgesetz Deutschlands, hat "Jeder […] das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Daraus geht jedoch nicht, ab wann es gilt ein "Jemand" zu sein, der unter "Jeder" zu fassen ist. Am 8. Juli 2004 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg definiert, dass es zum erlangen dieses Grundrechtes (und von Grundrechten grundsätzlich) weniger um das Potential zum Mensch-werden ginge, sondern eher um das existierende Sein als Person.
Auch das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt, dass die Rechtsfähigkeit des Menschen mit Vollendung der Geburt beginne, jenes zuvor genannte Recht auf den Schutz seiner Würde also von diesem Zeitpunkt an greife. Die großen Weltreligionen argumentieren alle unterschiedlich: Im Judentum gilt die PID nicht als verwerfliche Methodik, da die Beseelung des Kindes durch den Schöpfer erst am 40. Tag nach der Befruchtung stattfindet. Auch vorher hat der Embryo schon den Status des Lebens, gilt jedoch noch als seelenlos. Außerdem hat das Kind nicht "den gleichen Personenstatus […] wie die Mutter", was auch Spätabtreibungen rechtfertigt, welche die Mutter gefährden würden.12 Ähnlich ist es im Islam, wobei es kein genaues Übereinkommen darüber gibt, wann der Embryo eine Seele erlangt. Dabei wäre der frühste Zeitpunkt der 40. Tag und der späteste der 120.
Obwohl man Abtreibungen sehr ablehnend gegenübersteht, steht das Wohl der Mutter (besonders bis zum 40. Tag) über dem des potentiellen Menschen. Die Kirche vertrat bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine ähnliche Ansicht nach Aristoteles, dass der männliche Embryo nach 40 Tagen und der weibliche nach 80 Tagen beseelt würde, hat sich jedoch mit Erkenntnis neue wissenschaftlicher Tatsachen darauf geeinigt, dass das Leben ab der Verschmelzung von Eizelle und Samen als schützenswert gelte, da es sich ab diesem Zeitpunkt "nach […] individuellem Bauplan als Mensch" entwickele. Sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus sind jegliche Eingriffe in das entstehende Leben aus verschiedenen Gründen verpönt. Der Buddhismus findet, dass selbst eine Empfängnis durch einen Gewaltakt "keine Gewalt gegen ein anderes Individuum" rechtfertige16 und dass der Schutz allen Lebens die zentrale ethische Grundhaltung des Buddhismus darstelle.17 Im Hinduismus wird nicht der Verlust eines potentiellen Lebens betrauert, da dessen Seele durch den Verlauf der Wiedergeburt einen neuen Ort findet, sondern die Leichtfertigkeit kritisiert, mit der die Entscheidung der Verwerfung eines Embryos unternommen wird sowie die Unsicherheit der Tatsache, dass auch Personen, die aus nicht gerechtfertigten Motiven handeln, einen solchen Schritt mit der PID gehen können.
Die Debatte über die ethische Richtigkeit der Präimplantationsdiagnostik wird nicht erst seit ihrer offiziellen "Einführung" in Deutschland heiß diskutiert, sondern findet auch global besonders in der Politik Beachtung, da in vielen Ländern keine eindeutige Gesetzeslage herrscht, obwohl die PID zunehmend Verwendung findet. Verschiedene Gruppen haben ihren Standpunkt zur ethischen Lage der Methodik und Durchführung der Präimplantationsdiagnostik veröffentlicht und sich dazu geäußert, wann das Leben ihrer Auffassung nach beginne. Einige davon werden im Folgenden aufgeführt.
3.1. Eine Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz hat kurz vor Erlass der Änderung am Embryonenschutzgesetz zur Genehmigung der PID20 vermittelt, dass im Christentum die Überzeugung herrsche, die Würde des Menschen sei in jeder seiner sogenannten "Existenzphasen" zu schützen – unabhängig davon, ob der sich entwickelnde Mensch gesund oder krank sei. Man könne den Wunsch werdender Eltern nach einem gesunden Kind nachvollziehen und man unterstütze "alle ethisch verantwortbaren Möglichkeiten, diesen Wunsch zu erfüllen", jedoch fiele die PID außerhalb dieser Möglichkeiten, da auch jedes behinderte Kind ein Geschenk Gottes sei und demnach ein Recht auf den Schutz seiner Würde und (s)ein Leben habe. Des Weiteren wird kritisiert, dass ein Urteil darüber, wann ein Leben denn des Lebens würdig und wann eine Krankheit den Lebenswert mindere, unmöglich und darüber hinaus diskriminierend sei, womit sich die bisherige Gesetzeslage, welche eine Durchführung der PID im Falle des Vorhandenseins schwerer Erbkrankheiten erlaubt, da sich die Schwere nicht pauschal festlegen ließe, wie beispielsweise im Vereinigten Königreich, wo eine Liste Auskunft darüber gibt, welche Krankheiten für die PID qualifizieren, also nicht ausreichend für den Schutz des entstehenden Lebens einsetze.
Ferner wird in Fachbereichen diskutiert, dass die Präimplantationsdiagnostik eine "Methode der Selektion" sei, welche die Grenzen der Moral schon beinahe tückisch überschreite. Aufgrund einer schweren Behinderung oder Erkrankung am Fötus während einer bestehenden Schwangerschaft darf nämlich lediglich terminiert werden, wenn die körperliche und seelische Gesundheit der Mutter zusätzlich gefährdet ist. Demnach wird der Methode vorgeworfen, zu unsorgfältig mit entstehendem Leben umzugehen und die Embryonen als Wergwerfmaterialien absolut zu entwürdigen. Durch das Vermeiden von ungewollten, behinderten Kindern werden außerdem die Parallelen zur radikalen Eugenik der Zeit des Nationalsozialismus stark kritisiert, wobei diese hier aufgrund ihrer Komplexität und Themenirrelevanz nicht weiter erläutert werden wird. Außerdem sei diese Behandlungsmethode unfair, da sie der Oberschicht eine Monopolposition verschafft, aufgrund der Tatsache, dass die hohen Kosten der InVitro-Fertilisation, der PID sowie der Tagung des Ethikrates von bis zu 10.000 Euro komplett alleine getragen werden müssen und somit nur von jenen mit entsprechenden Mitteln in Anspruch genommen werden können. Dazu kommt, dass die Erfolgsrate von 19 Prozent oft eine wiederholte Anwendung erfordert.
3.2. Befürworter argumentieren zumeist mit Zurückweisungen der gegebenen Kritikpunkte. Durch den Rückgang der Anhängerschaft der (katholischen) Kirche in Deutschland finden die zuvor genannten Anhaltspunkte zur moralischen Bewertung der PID aus christlicher Sicht immer weniger Unterstützer, nicht zuletzt da jeder Mensch heutzutage frei ist sich selber eine Meinung zu bilden und unabhängig von der gesellschaftlichen Moral zu urteilen. Dem Missbrauch der Methodik wird durch strenge Regulierungen vorgebeugt, wobei jeder individuelle Fall von einer sogenannten Ethikkommission begutachtet wird. Jedes Bundesland besitzt seine eigene Ethikkommissionen, die jeweils aus vier medizinischen Sachverständigen, zwei Sachverständigen aus den Sachbereichen Ethik und Recht, einer Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten sowie einer Interessenvertretung der Selbsthilfe der Menschen mit Behinderung bestehen.
Gesellschaftliche Konsequenzen scheinen sich aus der Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik nicht ergeben zu haben, da seit dem 21. November 2011 keine signifikante Steigerung einer Ausgrenzung von behinderten Menschen stattgefunden hat. Außerdem haben Paare, deren Fruchtbarkeit grundsätzlich eingeschränkt ist, das Recht auf eine Beteiligung ihrer Krankenkasse an den Kosten der künstlichen Befruchtung. Ihnen wird die PID also nicht vorenthalten, sondern der Zugang, wenn nötig, sogar erleichtert. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass es nicht nur psychisch, sondern besonders physisch weniger belastend und problematisch sei, einen Embryo in-vitro zu befruchten und zu untersuchen, als eine bestehende Schwangerschaft im Zweifelsfall abzubrechen, beziehungsweise pränatale Maßnahmen zu ergreifen.
Im Folgenden wird die Präimplantationsdiagnostik aus philosophischer Sicht ethisch eingeordnet und beurteilt. Dabei werden die ethischen Prinzipien des Utilitarismus von Jeremy Bentham, welcher besagt, dass man so handeln solle, dass das größtmögliche Glück entstehe, sowie der kategorischen Imperativ des deutschen Philosophen Immanuel Kant, nach dem eher die Intention des Handels als das Resultat von Bedeutung hat, als Grundlage dienen. Im Anschluss daran wird eine medizinisch-moralische Fachmeinung zur Präimplantationsdiagnostik durch den Ärzteverband "Ärzte fürs Leben" wiedergegeben und ausgewertet.
4.1. Der kategorische Imperativ besagt in seinem Wortlaut: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, da[ss] sie ein allgemeines Gesetz werde." Wie auch der Utilitarismus ist er ein ethischer Grundsatz, um moralische Entscheidungen gewissenhaft zu treffen. Einfacher ausgedrückt besagt Kant, dass man sich für jede Situation die Frage stellen sollte: Wenn ich das immer mache und wenn jeder es macht … ist es richtig? Würde nun der Zugang zur PID erleichtert und diese fände häufiger von Verwendung, wäre das gut und richtig?
Auf der einen Seite kann man nun argumentieren, dass es gerechtfertigt sei, Embryonen zu verwerfen, da diese ohnehin kein angenehmes Leben gehabt hätten und den werdenden Eltern bliebe Leid erspart. Auf der andern Seite gilt es, der Embryos Würde zu schützen. "Allein der Mensch als Person betrachtet, d.i. als Subje[k]t einer moralischpraktischen Vernunft, ist über allen Preis erhaben; denn als ein solcher ist er [...] als Zweck an sich selbst zu schätzen, d.i. er besitzt Würde (einen inneren absoluten Wert)" Damit schreibt Kant, dass, wenn man einen Embryo schon als Mensch bezeichnen mag (wozu er sich in seinen Schriften leider nicht weiter geäußert hat), ihm eine des Schutzes bedürftige Würde zustünde. Demnach wäre die PID seiner Meinung (und Maxime) nach wahrscheinlich, ist er doch schon lange vor Einführung der Methodik verstorben, unmoralisch und falsch.
Dadurch, dass natürlich jeder in seiner Meinungsbildung frei ist, steht der kategorische Imperativ als solcher jedoch weder für noch gegen die Präimplantationsdiagnostik. Der Utilitarismus hingegen leitet danach, welche Handlung am Ende das meiste Glück für die Betroffenen bedeutet und wiegt Freude und Leid ab. Nach Bentham ist es nämlich das, was Glück ausmacht: Mehr Freude entspricht weniger Leid. Betrachtet man nun das angerichtete Leid im Zuge der PID, steht an erster Stelle ganz klar der Verlust des potentiellen Lebens mehrerer Embryos. Außerdem bringt die Behandlung einige Risiken mitsich, welche sowohl für das entstehende Leben als auch für die Mutter eine Glücksminderung darstellen. Auf der anderen Seite bleibt der Mutter eine Fehlgeburt oder Belastung durch die Behinderung ihres Kindes erspart und sie muss kein schlechtes Gewissen haben, ihre "schlechten" genetischen Anlagen weitergegeben zu haben. Darüber hinaus kommt das Glück des gesunden Kindes selber. Nun ist es individuell, wie schwer man diese Umstände in ihrer Gewichtung einordnen möchte.
Um ein anschauliches Bild zu liefern, wird dies hier anhand der aufgeführten Argumente numerisch anhand meiner persönlichen Einschätzung geschehen: Ihres Gewichtes nach werden die Umstände mit einer Zahl von 1 bis 5 bewertet, wobei 5 die höchste Wertung und 1 die niedrigste einhält.
Dem Verlust bzw. dem nicht-Zustandekommen seines Lebens ist für den Embryo einen Wert von 5 auf der Leidesseite hinzuzufügen. Hinzu kommen Leid durch eventuelle Behandlungsfehler oder Nebeneffekte, die aufgrund ihrer Spontanität hier mit 2 bewertet werden.
Hat das geborene, gesunde Kind 5 Punkte an Glück auf der positiven Seite hinzuzufügen und das gute Gewissen der Mutter 2, so stehen beide Seiten unentschieden.
Da Glück nicht mathematisch bestimmbar ist, bleibt diese Darstellung natürlich eine rein subjektive Einschätzung, welche mit anderen Argumenten und Moralvorstellungen anders zu bewerten ist.
Nimmt man diese jedoch so an wie sie steht, geht nicht klar hervor, was nun richtig ist oder falsch, da laut einem Ergebnis von 0 weder Glück noch Leid entstehen. Des Weiteren lässt sich grundsätzliche Kritik am Prinzip des Utilitarismus äußern, da die Annahme, dass jeder nach dem größtmöglichen Glück strebe, alssolche nicht ganz richtig ist. Masochisten wie Sadisten wirken auf ihr eigenes Unglück oder das anderer hin, wie sind ihre Handlungen nach dem utilitaristischen Grundsatz also zu bewerten? (Sollen sie ihre numerische Bewertung etwa mit -2 zum Ausgleich als Anfangswert beginnen?)
Haben die Eltern nun eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, sind sie vielleicht sogar glücklicher über ein behindertes Kind, da es unabdinglich dazu führt, dass sie mehr Aufmerksamkeit und Mitleid bekommen.
Beide philosophischen Entscheidungsgrundsätze sind nicht allgemein auf die moralische Urteilung über die PID anzuwenden, da sie stark von den persönlichen Wertvorstellungen des Betrachters abhängen. Möchte man einen der beiden zur Unterstützung der Entscheidungsfindung herziehen, empfiehlt sich hier wohl eher der kategorische Imperativ, da der subjektivierende Aspekt der Anwendung auf die Allgemeinheit gegeben ist und er nicht so fehlerhaft scheint, wie der Utilitarismus sich in unserem Beispiel bewiesen hat.
4.2.
Weiter zur medizinisch-moralischen Einschätzung: In einer Stellungnahme zur vorgeburtlichen Diagnostik stellt der Verein "Ärzte fürs Leben" das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik schnell als "Hightech-Varianten der klassischen eugenischen Selektion" dar. Im Zuge dessen wird erläutert, dass es sich bei der PID nicht um assistierte Reproduktion handele, als welche man sie schnell missverstehen könnte, sondern um eine rein selektive Methode zur Vermeidung der Entstehung behinderter Kinder und der damit einhergehenden Diskriminierung dieser. Diese Tatsache ginge zu oft unter mit dem Gedanken, dass wenn die Krankenkassen Teile der Behandlung übernehmen, sie ja nicht so "schlimm" und abwegig sein könne. Des Weiteren wird kritisiert, dass einige Krankheiten, welche für die PID zugelassen werden, das Leben der entstehenden Person nicht genug einschränken würden, als dass sie das Potential eines solchen sofort eliminieren dürften. "Jede Art der Selektion steht in eklatantem Widerspruch zur begrüßenswerten Forderung der Inklusion in unserer Gesellschaft", sagt Prof. Paul Cullen, der erste Vorsitzende des Vereins. Dadurch, dass ethische Standards immer mehr gelockert und Behandlungen der PID stetig günstiger würden, sähe der Ärzteverein eine Gefahr der Normalisierung dieser "neu-eugenischen" Methode, welche unbedingt verhindert werden müsse. "Es kann doch keiner sich eine Gesellschaft wünschen, in dem die Eltern behinderter Kinder sich fragen lassen müssen, "ob so was heute sein muss" kritisiert er.
Damit stellen sich die "Ärzte fürs Leben" klar gegen die PID auf und begründen dies primär damit, dass eine Vermeidung behinderter Kinder nicht wünschenswert und hilfreich, sondern absolut diskriminieren dieser Menschengruppe gegenüber wäre und dass eine Gesellschaft, welche solche Methoden begrüßt, klar nicht willkommen zu heißen sei.
Schlussteil
5. Fazit
Nach Betrachtung einiger Argumente zur Bildung eines moralischen Meinungsbildes über die Präimplantationsdiagnostik aus verschiedenen Positionen und auf verschiedenen moralischen Grundlagen lässt sich feststellen, dass es weder auf die beiden Leitfragen "Wann ist der Mensch" und "Wann hat er eine Würde" noch auf die Titelfrage "Wann darf der Mensch in das menschliche Leben eingreifen" eine eindeutige Antwort gibt.
Die heutigen Technologien sind ein großer Fortschritt für die Gesundheitsindustrie. Leid wird gemindert, aus einer tödlichen Diagnose wird Leben. Aber aus Leben wird auch Tod – sei es auch "nur" potentielles Leben.
Am Anfang dieser Arbeit habe ich einige Gespräche über den Lebensschutz der Embryonen im Allgemeinen geführt, wobei in einer Konversation folgende hypothetische Entscheidungssituation aufkam: Jemand steht am Fenster, in einer Hand eine Petrischale mit einem Embryo, auf dem anderen Arm ein Baby und droht, eines von beiden hinauszuwerfen. Man hat die Möglichkeit, eines von beiden zu retten – das Baby oder den Embryo. Bis dahin war ich persönlich der Überzeugung, dass ein Embryo genau denselben Wert hätte wie ein geborenes Kind. Doch im Bruchteil einer Sekunde entschied ich mich anders. Warum? Weil ein Embryo ein potentielles Leben darstellt, das Baby jedoch bereits geboren ist und fühlt, sieht, empfindet. Es hat Angst, will zu seiner Mutter. Dem Embryo sind seine Umstände nicht bewusst. Das ist natürlich nicht seine Schuld und mit der Entwicklung würde auch er diese Fähigkeiten erlangen. Eventuell.
Wie zuvor erwähnt, hat die Methode der PID eine Erfolgsrate von nur 19%, wobei das Baby zu 100% schon hier ist und auch hierbleiben
7. Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.
Insbesondere versichere ich, dass ich alle wörtlichen und sinngemäßen Übernahmen aus anderen Werken als solche kenntlich gemacht habe.
Moers, den 15.03.2020
Ort, Datum
________________________________
Unterschrift
eingreifen?
Menschenwürde und Lebensschutz am Beispiel der Präimplantationsdiagnostik
Gymnasium Rheinkamp Europaschule Moers
Grundkurs Philosophie
(Alle Quellenangaben sind im Original-Dokument zu finden, nicht in dieser Vorschau)
Inhalt
- Vorwort
- Begriffsklärung
2.1 Definition der PID und Abgrenzung zur PFD und PND
2.2 Wann beginnt das Leben? - Argumentation und ethische Problemstellung
3.1 Argumente der Opposition
3.2 Argumente der Befürworter - Herangehensweise und Lösungsansätze
4.1 Philosophisch - Anhand des kategorische Imperativs und des Utilitarismus
4.2 Medizinisch-Ethisch - Ärzte fürs Leben - Fazit
- Literaturverzeichnis
- Eigenständigkeitserklärung
Einleitung
1. Vorwort
Im Jahre 2020 stehen dem Menschen zahlreiche technologische Hilfsmittel zur Verfügung, die nicht nur seinen Alltag in Form von mobilen Helfern wie Smartphones erleichtern, sondern es ihm unter anderem ermöglichen, die Grenzen der Natur zu überschreiten. Wie weit man gehen darf, ohne dass es gesellschaftlich-moralisch verwerflich wird, ist (zumindest in Deutschland) streng geregelt.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." So schreibt es das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dabei stellen sich jedoch folgende Fragen: Was ist der Mensch? Und besonders: Wann ist der Mensch? Wann besitzt er eine Würde? Im Laufe dieser Facharbeit sollen primär die letzteren beiden Fragen aufgeführt und diskutiert werden, um die titelgebende Frage zu beantworten: "Wann darf der Mensch in das menschliche Leben eingreifen?"
Persönlich habe ich mir dieses Thema aufgrund der aktuellen Debatte um Schwangerschaftsabbrüche in dem Zeitraum um den Weltfrauentag am 8. März 2020 ausgesucht, da es bei moralischen Fragen wie der, ab wann jemand ist und was damit verbunden ist, keine "richtige" oder "falsche" Auffassung aufgrund der fehlenden Beweislage dazu, wann und ob ein Mensch denn eine Seele hat und inwiefern das seine Ansprüche auf eine "Würde" beeinflusst, gibt.
Da ich im Hinblick auf die moralische Urteilung über Abbrüche von bereits bestehenden Schwangerschaften in meiner Meinung schon stark gefestigt bin, habe ich mich dazu entschieden, mich mit der Methode der sogenannten "Präimplantationsdiagnostik" auseinanderzusetzen, die mir zu Beginn der Erarbeitungsphase noch sehr unbekannt war, um einer Voreingenommenheit meinerseits und einer Verfälschung des aufgeführten Meinungsbildes vorzubeugen.
Im Laufe dieser Facharbeit wird zunächst die Methode der sogenannten Präimplantationsdiagnostik erläutert und von ähnlichen Untersuchungsmethoden an Ungeborenen abgegrenzt. Um ein umfassendes Meinungsbild zu erhalten, werden
im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 1 Abs. 1 Argumentationen von Befürwortern sowie Opponenten der Präimplantationsdiagnostik aufgeführt sowie durch Sichtweisen von Philosophen und Medizinern ergänzt. Im Anschluss werden die Argumente gegeneinander aufgewogen um eine abschließende Beurteilung um die ethische Korrektheit der Methodik durchführen zu können.
2. Begriffsklärung
2.1. Die Präimplantationsdiagnostik (im Folgenden teilweise mit " PID ” abgekürzt)
bezeichnet ein wissenschaftliches Verfahren, mithilfe dessen ein Embryo im Zuge einer In-Vitro-Fertilisation oder auch " künstlicher Befruchtung ” ab dem 8-Zell-Stadium vor seiner Einpflanzung in die Gebärmutter auf verschiedene genetische Anlagen untersucht werden kann - also zu dem Zeitpunkt, an dem sicher ist, dass sich aus den Zellen nur ein einziges Individuum entwickeln kann.
In Deutschland ist das Verfahren seit dem 21. November 2011 ausschließlich zur frühzeitigen Erkennung schwerer Erbkrankheiten zugelassen und unterliegt einer strengen Gesetzeslage,
wohingegen beispielsweise die USA mit lockereren Regulierungen unter anderem die
die Präimplantationsdiagnostik mit der Präfertilisationsdiagnostik, in dessen Rahmen überschüssige Polkörper5 der Eizelle nach dem Eindringen des Spermiums, aber vor der Kernverschmelzung, entnommen und auf ihre Erbmerkmale untersucht werden. Diese Untersuchung kann nur für den genetischen Anteil der Frau erfolgen und sind im Embryonenschutzgesetz auch nicht zu einem Fötus entwickelt. Dabei ist es nicht relevant, ob die Untersuchung am oder im Leibe der Schwangeren (nicht-invasiv oder invasiv) erfolgen.
2.2. Alle drei Methoden der Früherkennung von Auffälligkeiten und Krankheiten am ungeborenen, potentiellen Menschen sind in Deutschland zulässig.8 Wird durch eine von ihnen eine schwerwiegende Krankheit im Erbgut der Eizelle, des Embryos oder des Fötus festgestellt, darf jederzeit (nach Einschätzung der Ethikkommission des jeweiligen Landes darüber, wie schwerwiegend der individuelle Fall ist) terminiert werden – unabhängig davon, ob es lediglich die Einsetzung der Eizelle betrifft oder eine weit vorangeschrittene Schwangerschaft.
Laut Artikel 2 Absatz 2 aus dem Grundgesetz Deutschlands, hat "Jeder […] das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Daraus geht jedoch nicht, ab wann es gilt ein "Jemand" zu sein, der unter "Jeder" zu fassen ist. Am 8. Juli 2004 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg definiert, dass es zum erlangen dieses Grundrechtes (und von Grundrechten grundsätzlich) weniger um das Potential zum Mensch-werden ginge, sondern eher um das existierende Sein als Person.
Auch das Bürgerliche Gesetzbuch schreibt, dass die Rechtsfähigkeit des Menschen mit Vollendung der Geburt beginne, jenes zuvor genannte Recht auf den Schutz seiner Würde also von diesem Zeitpunkt an greife. Die großen Weltreligionen argumentieren alle unterschiedlich: Im Judentum gilt die PID nicht als verwerfliche Methodik, da die Beseelung des Kindes durch den Schöpfer erst am 40. Tag nach der Befruchtung stattfindet. Auch vorher hat der Embryo schon den Status des Lebens, gilt jedoch noch als seelenlos. Außerdem hat das Kind nicht "den gleichen Personenstatus […] wie die Mutter", was auch Spätabtreibungen rechtfertigt, welche die Mutter gefährden würden.12 Ähnlich ist es im Islam, wobei es kein genaues Übereinkommen darüber gibt, wann der Embryo eine Seele erlangt. Dabei wäre der frühste Zeitpunkt der 40. Tag und der späteste der 120.
Obwohl man Abtreibungen sehr ablehnend gegenübersteht, steht das Wohl der Mutter (besonders bis zum 40. Tag) über dem des potentiellen Menschen. Die Kirche vertrat bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine ähnliche Ansicht nach Aristoteles, dass der männliche Embryo nach 40 Tagen und der weibliche nach 80 Tagen beseelt würde, hat sich jedoch mit Erkenntnis neue wissenschaftlicher Tatsachen darauf geeinigt, dass das Leben ab der Verschmelzung von Eizelle und Samen als schützenswert gelte, da es sich ab diesem Zeitpunkt "nach […] individuellem Bauplan als Mensch" entwickele. Sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus sind jegliche Eingriffe in das entstehende Leben aus verschiedenen Gründen verpönt. Der Buddhismus findet, dass selbst eine Empfängnis durch einen Gewaltakt "keine Gewalt gegen ein anderes Individuum" rechtfertige16 und dass der Schutz allen Lebens die zentrale ethische Grundhaltung des Buddhismus darstelle.17 Im Hinduismus wird nicht der Verlust eines potentiellen Lebens betrauert, da dessen Seele durch den Verlauf der Wiedergeburt einen neuen Ort findet, sondern die Leichtfertigkeit kritisiert, mit der die Entscheidung der Verwerfung eines Embryos unternommen wird sowie die Unsicherheit der Tatsache, dass auch Personen, die aus nicht gerechtfertigten Motiven handeln, einen solchen Schritt mit der PID gehen können.
Hauptteil
3. Argumentation und ethische Problemstellung
Die Debatte über die ethische Richtigkeit der Präimplantationsdiagnostik wird nicht erst seit ihrer offiziellen "Einführung" in Deutschland heiß diskutiert, sondern findet auch global besonders in der Politik Beachtung, da in vielen Ländern keine eindeutige Gesetzeslage herrscht, obwohl die PID zunehmend Verwendung findet. Verschiedene Gruppen haben ihren Standpunkt zur ethischen Lage der Methodik und Durchführung der Präimplantationsdiagnostik veröffentlicht und sich dazu geäußert, wann das Leben ihrer Auffassung nach beginne. Einige davon werden im Folgenden aufgeführt.
3.1. Eine Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz hat kurz vor Erlass der Änderung am Embryonenschutzgesetz zur Genehmigung der PID20 vermittelt, dass im Christentum die Überzeugung herrsche, die Würde des Menschen sei in jeder seiner sogenannten "Existenzphasen" zu schützen – unabhängig davon, ob der sich entwickelnde Mensch gesund oder krank sei. Man könne den Wunsch werdender Eltern nach einem gesunden Kind nachvollziehen und man unterstütze "alle ethisch verantwortbaren Möglichkeiten, diesen Wunsch zu erfüllen", jedoch fiele die PID außerhalb dieser Möglichkeiten, da auch jedes behinderte Kind ein Geschenk Gottes sei und demnach ein Recht auf den Schutz seiner Würde und (s)ein Leben habe. Des Weiteren wird kritisiert, dass ein Urteil darüber, wann ein Leben denn des Lebens würdig und wann eine Krankheit den Lebenswert mindere, unmöglich und darüber hinaus diskriminierend sei, womit sich die bisherige Gesetzeslage, welche eine Durchführung der PID im Falle des Vorhandenseins schwerer Erbkrankheiten erlaubt, da sich die Schwere nicht pauschal festlegen ließe, wie beispielsweise im Vereinigten Königreich, wo eine Liste Auskunft darüber gibt, welche Krankheiten für die PID qualifizieren, also nicht ausreichend für den Schutz des entstehenden Lebens einsetze.
Ferner wird in Fachbereichen diskutiert, dass die Präimplantationsdiagnostik eine "Methode der Selektion" sei, welche die Grenzen der Moral schon beinahe tückisch überschreite. Aufgrund einer schweren Behinderung oder Erkrankung am Fötus während einer bestehenden Schwangerschaft darf nämlich lediglich terminiert werden, wenn die körperliche und seelische Gesundheit der Mutter zusätzlich gefährdet ist. Demnach wird der Methode vorgeworfen, zu unsorgfältig mit entstehendem Leben umzugehen und die Embryonen als Wergwerfmaterialien absolut zu entwürdigen. Durch das Vermeiden von ungewollten, behinderten Kindern werden außerdem die Parallelen zur radikalen Eugenik der Zeit des Nationalsozialismus stark kritisiert, wobei diese hier aufgrund ihrer Komplexität und Themenirrelevanz nicht weiter erläutert werden wird. Außerdem sei diese Behandlungsmethode unfair, da sie der Oberschicht eine Monopolposition verschafft, aufgrund der Tatsache, dass die hohen Kosten der InVitro-Fertilisation, der PID sowie der Tagung des Ethikrates von bis zu 10.000 Euro komplett alleine getragen werden müssen und somit nur von jenen mit entsprechenden Mitteln in Anspruch genommen werden können. Dazu kommt, dass die Erfolgsrate von 19 Prozent oft eine wiederholte Anwendung erfordert.
3.2. Befürworter argumentieren zumeist mit Zurückweisungen der gegebenen Kritikpunkte. Durch den Rückgang der Anhängerschaft der (katholischen) Kirche in Deutschland finden die zuvor genannten Anhaltspunkte zur moralischen Bewertung der PID aus christlicher Sicht immer weniger Unterstützer, nicht zuletzt da jeder Mensch heutzutage frei ist sich selber eine Meinung zu bilden und unabhängig von der gesellschaftlichen Moral zu urteilen. Dem Missbrauch der Methodik wird durch strenge Regulierungen vorgebeugt, wobei jeder individuelle Fall von einer sogenannten Ethikkommission begutachtet wird. Jedes Bundesland besitzt seine eigene Ethikkommissionen, die jeweils aus vier medizinischen Sachverständigen, zwei Sachverständigen aus den Sachbereichen Ethik und Recht, einer Interessenvertretung der Patientinnen und Patienten sowie einer Interessenvertretung der Selbsthilfe der Menschen mit Behinderung bestehen.
Gesellschaftliche Konsequenzen scheinen sich aus der Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik nicht ergeben zu haben, da seit dem 21. November 2011 keine signifikante Steigerung einer Ausgrenzung von behinderten Menschen stattgefunden hat. Außerdem haben Paare, deren Fruchtbarkeit grundsätzlich eingeschränkt ist, das Recht auf eine Beteiligung ihrer Krankenkasse an den Kosten der künstlichen Befruchtung. Ihnen wird die PID also nicht vorenthalten, sondern der Zugang, wenn nötig, sogar erleichtert. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass es nicht nur psychisch, sondern besonders physisch weniger belastend und problematisch sei, einen Embryo in-vitro zu befruchten und zu untersuchen, als eine bestehende Schwangerschaft im Zweifelsfall abzubrechen, beziehungsweise pränatale Maßnahmen zu ergreifen.
4. Herangehensweise und Lösungsansätze
Im Folgenden wird die Präimplantationsdiagnostik aus philosophischer Sicht ethisch eingeordnet und beurteilt. Dabei werden die ethischen Prinzipien des Utilitarismus von Jeremy Bentham, welcher besagt, dass man so handeln solle, dass das größtmögliche Glück entstehe, sowie der kategorischen Imperativ des deutschen Philosophen Immanuel Kant, nach dem eher die Intention des Handels als das Resultat von Bedeutung hat, als Grundlage dienen. Im Anschluss daran wird eine medizinisch-moralische Fachmeinung zur Präimplantationsdiagnostik durch den Ärzteverband "Ärzte fürs Leben" wiedergegeben und ausgewertet.
4.1. Der kategorische Imperativ besagt in seinem Wortlaut: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, da[ss] sie ein allgemeines Gesetz werde." Wie auch der Utilitarismus ist er ein ethischer Grundsatz, um moralische Entscheidungen gewissenhaft zu treffen. Einfacher ausgedrückt besagt Kant, dass man sich für jede Situation die Frage stellen sollte: Wenn ich das immer mache und wenn jeder es macht … ist es richtig? Würde nun der Zugang zur PID erleichtert und diese fände häufiger von Verwendung, wäre das gut und richtig?
Auf der einen Seite kann man nun argumentieren, dass es gerechtfertigt sei, Embryonen zu verwerfen, da diese ohnehin kein angenehmes Leben gehabt hätten und den werdenden Eltern bliebe Leid erspart. Auf der andern Seite gilt es, der Embryos Würde zu schützen. "Allein der Mensch als Person betrachtet, d.i. als Subje[k]t einer moralischpraktischen Vernunft, ist über allen Preis erhaben; denn als ein solcher ist er [...] als Zweck an sich selbst zu schätzen, d.i. er besitzt Würde (einen inneren absoluten Wert)" Damit schreibt Kant, dass, wenn man einen Embryo schon als Mensch bezeichnen mag (wozu er sich in seinen Schriften leider nicht weiter geäußert hat), ihm eine des Schutzes bedürftige Würde zustünde. Demnach wäre die PID seiner Meinung (und Maxime) nach wahrscheinlich, ist er doch schon lange vor Einführung der Methodik verstorben, unmoralisch und falsch.
Dadurch, dass natürlich jeder in seiner Meinungsbildung frei ist, steht der kategorische Imperativ als solcher jedoch weder für noch gegen die Präimplantationsdiagnostik. Der Utilitarismus hingegen leitet danach, welche Handlung am Ende das meiste Glück für die Betroffenen bedeutet und wiegt Freude und Leid ab. Nach Bentham ist es nämlich das, was Glück ausmacht: Mehr Freude entspricht weniger Leid. Betrachtet man nun das angerichtete Leid im Zuge der PID, steht an erster Stelle ganz klar der Verlust des potentiellen Lebens mehrerer Embryos. Außerdem bringt die Behandlung einige Risiken mitsich, welche sowohl für das entstehende Leben als auch für die Mutter eine Glücksminderung darstellen. Auf der anderen Seite bleibt der Mutter eine Fehlgeburt oder Belastung durch die Behinderung ihres Kindes erspart und sie muss kein schlechtes Gewissen haben, ihre "schlechten" genetischen Anlagen weitergegeben zu haben. Darüber hinaus kommt das Glück des gesunden Kindes selber. Nun ist es individuell, wie schwer man diese Umstände in ihrer Gewichtung einordnen möchte.
Um ein anschauliches Bild zu liefern, wird dies hier anhand der aufgeführten Argumente numerisch anhand meiner persönlichen Einschätzung geschehen: Ihres Gewichtes nach werden die Umstände mit einer Zahl von 1 bis 5 bewertet, wobei 5 die höchste Wertung und 1 die niedrigste einhält.
Dem Verlust bzw. dem nicht-Zustandekommen seines Lebens ist für den Embryo einen Wert von 5 auf der Leidesseite hinzuzufügen. Hinzu kommen Leid durch eventuelle Behandlungsfehler oder Nebeneffekte, die aufgrund ihrer Spontanität hier mit 2 bewertet werden.
Hat das geborene, gesunde Kind 5 Punkte an Glück auf der positiven Seite hinzuzufügen und das gute Gewissen der Mutter 2, so stehen beide Seiten unentschieden.
Da Glück nicht mathematisch bestimmbar ist, bleibt diese Darstellung natürlich eine rein subjektive Einschätzung, welche mit anderen Argumenten und Moralvorstellungen anders zu bewerten ist.
Nimmt man diese jedoch so an wie sie steht, geht nicht klar hervor, was nun richtig ist oder falsch, da laut einem Ergebnis von 0 weder Glück noch Leid entstehen. Des Weiteren lässt sich grundsätzliche Kritik am Prinzip des Utilitarismus äußern, da die Annahme, dass jeder nach dem größtmöglichen Glück strebe, alssolche nicht ganz richtig ist. Masochisten wie Sadisten wirken auf ihr eigenes Unglück oder das anderer hin, wie sind ihre Handlungen nach dem utilitaristischen Grundsatz also zu bewerten? (Sollen sie ihre numerische Bewertung etwa mit -2 zum Ausgleich als Anfangswert beginnen?)
Haben die Eltern nun eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, sind sie vielleicht sogar glücklicher über ein behindertes Kind, da es unabdinglich dazu führt, dass sie mehr Aufmerksamkeit und Mitleid bekommen.
Beide philosophischen Entscheidungsgrundsätze sind nicht allgemein auf die moralische Urteilung über die PID anzuwenden, da sie stark von den persönlichen Wertvorstellungen des Betrachters abhängen. Möchte man einen der beiden zur Unterstützung der Entscheidungsfindung herziehen, empfiehlt sich hier wohl eher der kategorische Imperativ, da der subjektivierende Aspekt der Anwendung auf die Allgemeinheit gegeben ist und er nicht so fehlerhaft scheint, wie der Utilitarismus sich in unserem Beispiel bewiesen hat.
4.2.
Weiter zur medizinisch-moralischen Einschätzung: In einer Stellungnahme zur vorgeburtlichen Diagnostik stellt der Verein "Ärzte fürs Leben" das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik schnell als "Hightech-Varianten der klassischen eugenischen Selektion" dar. Im Zuge dessen wird erläutert, dass es sich bei der PID nicht um assistierte Reproduktion handele, als welche man sie schnell missverstehen könnte, sondern um eine rein selektive Methode zur Vermeidung der Entstehung behinderter Kinder und der damit einhergehenden Diskriminierung dieser. Diese Tatsache ginge zu oft unter mit dem Gedanken, dass wenn die Krankenkassen Teile der Behandlung übernehmen, sie ja nicht so "schlimm" und abwegig sein könne. Des Weiteren wird kritisiert, dass einige Krankheiten, welche für die PID zugelassen werden, das Leben der entstehenden Person nicht genug einschränken würden, als dass sie das Potential eines solchen sofort eliminieren dürften. "Jede Art der Selektion steht in eklatantem Widerspruch zur begrüßenswerten Forderung der Inklusion in unserer Gesellschaft", sagt Prof. Paul Cullen, der erste Vorsitzende des Vereins. Dadurch, dass ethische Standards immer mehr gelockert und Behandlungen der PID stetig günstiger würden, sähe der Ärzteverein eine Gefahr der Normalisierung dieser "neu-eugenischen" Methode, welche unbedingt verhindert werden müsse. "Es kann doch keiner sich eine Gesellschaft wünschen, in dem die Eltern behinderter Kinder sich fragen lassen müssen, "ob so was heute sein muss" kritisiert er.
Damit stellen sich die "Ärzte fürs Leben" klar gegen die PID auf und begründen dies primär damit, dass eine Vermeidung behinderter Kinder nicht wünschenswert und hilfreich, sondern absolut diskriminieren dieser Menschengruppe gegenüber wäre und dass eine Gesellschaft, welche solche Methoden begrüßt, klar nicht willkommen zu heißen sei.
Schlussteil
5. Fazit
Nach Betrachtung einiger Argumente zur Bildung eines moralischen Meinungsbildes über die Präimplantationsdiagnostik aus verschiedenen Positionen und auf verschiedenen moralischen Grundlagen lässt sich feststellen, dass es weder auf die beiden Leitfragen "Wann ist der Mensch" und "Wann hat er eine Würde" noch auf die Titelfrage "Wann darf der Mensch in das menschliche Leben eingreifen" eine eindeutige Antwort gibt.
Die heutigen Technologien sind ein großer Fortschritt für die Gesundheitsindustrie. Leid wird gemindert, aus einer tödlichen Diagnose wird Leben. Aber aus Leben wird auch Tod – sei es auch "nur" potentielles Leben.
Am Anfang dieser Arbeit habe ich einige Gespräche über den Lebensschutz der Embryonen im Allgemeinen geführt, wobei in einer Konversation folgende hypothetische Entscheidungssituation aufkam: Jemand steht am Fenster, in einer Hand eine Petrischale mit einem Embryo, auf dem anderen Arm ein Baby und droht, eines von beiden hinauszuwerfen. Man hat die Möglichkeit, eines von beiden zu retten – das Baby oder den Embryo. Bis dahin war ich persönlich der Überzeugung, dass ein Embryo genau denselben Wert hätte wie ein geborenes Kind. Doch im Bruchteil einer Sekunde entschied ich mich anders. Warum? Weil ein Embryo ein potentielles Leben darstellt, das Baby jedoch bereits geboren ist und fühlt, sieht, empfindet. Es hat Angst, will zu seiner Mutter. Dem Embryo sind seine Umstände nicht bewusst. Das ist natürlich nicht seine Schuld und mit der Entwicklung würde auch er diese Fähigkeiten erlangen. Eventuell.
Wie zuvor erwähnt, hat die Methode der PID eine Erfolgsrate von nur 19%, wobei das Baby zu 100% schon hier ist und auch hierbleiben
7. Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst und keine anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenen Hilfsmittel verwendet habe.
Insbesondere versichere ich, dass ich alle wörtlichen und sinngemäßen Übernahmen aus anderen Werken als solche kenntlich gemacht habe.
Moers, den 15.03.2020
Ort, Datum
________________________________
Unterschrift
Inhalt
In der vorliegenden Facharbeit wurde zunächst die Methodik der Präimplantationsdiagnostik der Pränataldiagnostik sowie der Präfertilisationsdiagnostik abgegrenzt sowie im weiteren Verlauf aus Sicht der Opponenten wie Befürworter moralisch bewertet. U.a. religiöse wie medizinische, aber auch philosophische Ansichten wurden hier untergebracht und ausgewertet. Anschließend wird eine "Lösung" diskutiert, woraufhin die Facharbeit in einem Fazit ihren Schluss findet. Quellenangaben sind zur einfacheren Lesbarkeit im PDF-Dokument der Vollversion zu finden. (4206 Wörter)
Hochgeladen
09.08.2020 von e.brv
Bearbeitet: 17.01.2021
Bearbeitet: 17.01.2021
Schlagwörter
kategorischer Imperativ | Präimplantationsdiagnostik | Pränataldiagnostik | Menschenwürde | Lebensschutz | Ethik | Philosophie | Facharbeit | Kant | PID | PDF | PND | Utilarismus | Pro | Contra
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