Facharbeit: Langzeitaufgabe - Seneca, de providentia
Langzeitaufgabe: Seneca, de providentia
Im Folgenden sind die Kapitel 1, 1 + 5; 2, 1 - 6; 6, 1 + 2 der "de providentia", verfasst von Seneca, übersetzt ins Deutsche und inhaltlich zusammengefasst. Zudem liegt eine Stilmittelanalyse zum 6. Kapitel vor.
[1, 1] Du hast von mir (besser: mich) gefragt, Lucilius, warum so, wenn die Welt durch die Vorhersehung getrieben (besser: gelenkt) werde, den guten Männern (besser: Menschen) viel Leid (eigl. Plural) widerfahre (Prädikate im Konj.). Dies würde leichter im Zusammenhang der Arbeit zurückgegeben (besser: beantwortet) werden, nachdem (besser: wenn) wir beweisen (cum + Konj.), dass eine Vorhersehung das Weltall leitet und dass Gott an uns Anteil nimmt; aber da es (Seneca = mir) ja gefällt, aus dem Ganzen ein Teilchen herauszureißen und einen Widerspruch zu lösen, während (besser: indem) das Problem unangetastet bleibt, werde ich keine schwierige Sache (besser: Aufgabe) machen (besser: übernehmen) und werde die Götter verteidigen.
Zusammenfassung:
Seneca möchte Lucilius' empörte Fragestellung (wieso eigentlich den guten Menschen viel Lied zustoße, wenn die Welt von der göttlichen Vorhersehung gelenkt werde) widerlegen (Z.1 - 2), indem er den Zusammenhang zwischen Gott, Kosmos und Mensch erklärt (Z. 3 - 4).
Kurz: Fragestellung und Eingrenzung des Vorhabens.
[1, 5] Ich werde dich wieder mit den Göttern versöhnen, die Besten gegenüber den Besten. Die Beschaffenheit der Dinge lässt es nicht zu, dass Gutes jemals Guten schade; während eine Freundschaft zwischen den guten Männern (besser: Menschen) und den Göttern durch vereinigte Tapferkeit ist (besser: besteht) (eigl. Abl.abs.). Sage ich Freundschaft? Ja sogar Verwandtschaft und Ähnlichkeit, da sich ein Guter gewiss ja nur durch die Zeit (besser: Lebenszeit) von Gott unterscheidet, dessen Schüler, Nachahmer und echter Nachkomme, den jener großartige Vater, ein nicht sanfter Einforderer der guten Eigenschaften (virtus), wie gewissenhafte Väter ziemlich streng erzieht.
Zusammenfassung:
Seneca ist überzeugt, den "Kläger" (Lucilius) mit den "Beklagten" (Götter) versöhnen zu können (Z.9 - 10). Gute Menschen und Götter sind befreundet, wobei die "virtus" als Bindeglied fun¬giert (Z.11 - 12), nach der die Nachkommen streben sollen (Z.14 - 17). Es ist nicht nur Freundschaft, sondern eher Verwandtschaft und Ähnlichkeit (Z.13), wobei sie sich durch ihre Lebenszeit unterscheiden (Z.14).
[2, 1] "Weshalb ereignen sich (besser: passiert) den guten Männern (besser: Menschen) viel Unglück?" Dem guten Mann kann nichts Schlechtes widerfahren: Gegensätze werden nicht vermischt. Wie so viele Flüsse, so viel an oben befindlichen herabstürzendem Regen, so viel die Kraft der heilkräftigen Quellen den Geschmack des Meeres nicht verändern und gewiss nicht abmildern - so wendet der Ansturm der widrigen Dinge die Seele des tapferen Mannes nicht: Er bleibt in Stellung und gibt, was auch immer geschieht, einer Sache seine persönliche Färbung; er ist in der Tat mächtiger als alle äußeren Dinge (Adiaphora).
Zusammenfassung:
Da Gegensätze sich nicht vermischen, kann guten Menschen nichts Schlechtes passieren (Z.18 - 19). Seneca untermauert den unumstößlichen Lehrsatz ("non miscentur contraria") mit Vergleichen, die aber auch zur Charakterisierung des "vir bonus" dienen (Z.20 - 25). Seneca äußert seine Vorstellung vom "vir bonus" mit der Neuformulierung "vir fortis" (Z.23).
[2, 2] Und ich sage dies nicht: Er nimmt jenes nicht wahr, sondern übertrifft es und erhebt sich (besser: lehnt sich auf), sonst ruhig und friedlich, gegen die unvorhergesehenen Ereignisse (Ansturm). Er hält alle feindlichen Dinge (besser: alles Unglück) für Übungen. Wer aber, sofern er nur ein zu ehrenhaften Dingen aufrechter Mann ist, ist nicht strebend nach gerechter Arbeit und bereit zu Aufgaben mit Gefahr? Welchem (besser: für welchen) Eifrigen ist Muße keine (eigl. nicht eine) Strafe?
Zusammenfassung:
Der "vir fortis" sieht sein Unheil als Training an ("omnia adversa exercitationes putat") und wünscht sie somit geradezu herbei (Z.27 - 30).
[2, 3] Wir sehen die Athleten, denen an der Sorge der Kräfte gelegen ist, und durch die sie mit den Stärksten kämpfen und fordern von diesen, durch diese sie auf den Wettkampf vorbereitet werden, dass sie die ganze Kraft gegen sich selbst benutzen (besser: anwenden); sie lassen es zu, getötet und misshandelt zu werden (besser: sie lassen sich Fällungen und Misshandlungen gefallen) und wenn sie nicht jeden einzelnen Ebenbürtigen finden, werden sie mehreren gleichzeitig entgegengestellt (besser: stellen sie sich mehreren gleichzeitig entgegen).
Zusammenfassung:
Athleten werden als zweiter Vergleich, der auf den "vir fortis" bezogen ist, angenommen (2, 2).
[2, 4] Die Tugend ist ohne Gegner kraftlos: Dann zeigt sie sich, wie groß sie sei und wie (viel) mächtig sie sei, wenn sie durch Ausdauer zeigt, was sie kann. Du magst wissen, dasselbe müssen die guten Männer tun, damit sie nicht vor Hartem und Schwierigem zurückschrecken und sich nicht über das Schicksal beklagen, was auch immer geschieht, sie werden es gutheißen, und zum Besten wenden; nicht was, sondern wie du es erträgst, ist wichtig (besser: darauf kommt es an).
Zusammenfassung:
Ohne Gegner erschlafft die "virtus". Sie ist erst richtig sichtbar, wenn sie ihre Leidensfähigkeit unter Beweis stellt (Z.36 - 37). Bezug wird sowohl auf die Athleten als auch auf den mit ihnen verglichenen "vir bonus/fortis" hergestellt (Z.38 - 40). Jemand, der sich über sein Schicksal beklagt, ist kein "vir bonus" und stellt somit keine Bindung zu Gott her (vgl. 1, 5). Es kommt darauf an, wie man sein Schicksal erträgt (Z.40 - 41).
Kurz: Widrigkeiten als Training für die "virtus" (vgl. 2, 1 - 3).
[2, 5] Siehst du nicht, um wie viel anders die Väter, (um wie viel) anders die Mütter Nachsicht üben (eigl. Konj.)? Jene befehlen, dass die Kinder frühzeitig angetrieben werden, die Beschäftigung auf sich zu nehmen (besser: sich der Arbeit zu unterziehen) und auch an Feier tagen lassen sie nicht zu, unbeschäftigt zu sein und entlocken jenen sowohl Schweiß als auch manchmal Tränen; die Mütter aber wollen sie im Schoß warmhalten und im Schatten festhalten, niemals betrüben, niemals weinen und niemals sich anstrengen.
Zusammenfassung:
Im dritten Vergleich wird die strenge Erziehungsmethode eines Vaters in Kontrast gesetzt zu der verweichlichenden Liebe einer Mutter (2, 5).
[2, 6] Ein widriger Gott besitzt eine väterliche Seele und die guten Männer (besser: Menschen) und liebt jene kräftig (besser: sehr) und "durch Arbeiten", sagt sie (die Seele), "durch Schmerzen und Schäden werden sie gehetzt, damit sie die wahre Kraft erwerben." Gemäßtete Dinge sind schlaff durch die Trägheit und nicht durch die ganze Arbeit, sondern sie erschlaffen durch Bewegung und ihr persönliches (besser: eigenes) Gewicht. Unverletztes Glück erträgt nicht irgendeinen Schlag; aber es war ein beständiger Streit mit seinen Unannehmlichkeiten (besser: Widerwertigkeiten), er härtet sich durch die Beleidigungen ab und weicht nicht irgendeinem (besser: keinem) Übel, sondern er kämpft sogar, wenn er gefallen ist, (noch) von dem Knie (besser: auf Knien).
Zusammenfassung:
Die strenge Erziehungsmethode eines Vaters wird auf die väterliche Gesinnung des Gottes bezogen (Z.48), dessen Liebe sich darin äußert, dass er dem "vir bonus" Mü- hen, Schmerzen und Entbehrungen zumutet, damit er daraus wahre Kraft gewinne (Z.49 - 50). Verweichlichte sind kraftlos (Z.51 - 52). Jemand, der Anstren-gun¬gen gewöhnt ist, kämpft auch noch in aussichtslos scheinender Lage weiter (Z.52 - 55).
Kurz: Der Gott als strenger Vater.
[6, 1] "Weshalb lässt Gott dennoch zu, dass den guten Männern irgendein Übel geschieht (besser: zustößt)?" Aber jener lässt es nicht zu (besser: Aber jener nimmt es nicht hin). Er entfernt alle Übel von jenen, sowohl die Untaten, als auch die Schandtaten, als auch die schlechten Pläne, als auch die gierigen Beschlüsse, als auch das blinde Verlangen, als auch die nach fremdem Besitz trachtende Habsucht; er bewahrt und beschützt sie selbst: Fordert dies etwa auch irgendjemanden von Gott ein, dass er auch das Gepäck (eigl. Pl.) der guten Männer bewahren soll? Sie selbst schicken diese Pflege zu Gott zurück: Sie verachten die äußeren Dinge (Adiaphora).
Zusammenfassung:
Die Anfangsfrage wird erneut aufgegriffen, wobei Gott nicht mehr der Verursacher des "malum" ist, sondern nur noch derjenige, der es duldet (Z.56). Unter der wahren "mala" ist das, was die Stoa "vitia" (die moralischen Übel) nennt, zu verstehen (Z.57 - 59). Gott wendet auch alle moralischen Übel vom "vir bonus" ab und schützt ihn in besonderem Maße (Z.60). Die "viri bo¬ni" selbst unterstützen den Gott dabei, indem sie von sich aus al¬le Adiaphora geringschätzen (Z.62).
Kurz: Der "vir bonus" und das vermeintlich Schlechte (Adiaphora).
[6, 2] Democritus warf den Reichtum von sich, weil er glaubte, dass jener eine Last für den guten Verstand ist (Gen. obj.): Was wunderst du dich also, wenn Gott zulässt, dass dies dem guten Mann (besser: Mensch) geschieht, weil der gute Mann (besser: Mensch) einst will, dass es ihm geschieht? Die guten Männer (hier: Eltern) verlieren die (besser: ihre) Söhne: Warum nicht, wenn sie (diese) einst töten? Sie werden in Verbannung geschickt: Warum nicht, wenn sie einst, bevor sie die Heimat selbst aufsuchen werden, sie verlassen? Sie werden getötet: Warum nicht, wenn sie einst sich selbst zu den Scharen bringen?
Zusammenfassung:
Seneca gibt Beispiele für Menschen, die Schlimmes selbst herbeigewünscht haben und es somit freiwillig auf sich nahmen (Z.64 - 69). Es geht erneut um den Nutzen, den das geduldige und willige Ertragen des Leids durch den "vir bonus" der Allgemeinheit bringt.
Stilmittel/sprachliche Besonderheiten: Kapitel 6
Im Folgenden möchte ich das 6. Kapitel der "de providentia" von Seneca auf Stilmittel bzw. sprachliche Besonderheiten analysieren.
[6, 1] Zu Beginn ist zu erwähnen, dass die bereits in den Kapiteln 1, 1 und 2, 1 auftretende Anfangsfrage (Z.56 "Quare tamen bonis viris patitur aliquid mali deus fierie?") nach dem Leid der guten Menschen erneut aufgegriffen wird, wobei diese nun deutlich gemildert ist. Gott wird nicht mehr als jemand dargestellt, der das "malum" verursacht, sondern der es nur noch duldend hinnimmt (Z.56 "patitur"). Zudem wird das "malum" durch "aliquid" deutlich abgeschwächt, da es nicht das "malum" als Gesamtheit geht, sondern nur um irgendein "malum". Anschließend werden die wahren "mala" durch ein Hendiadyoin erklärt (Z.57ff. "scelera", "flagita", vom Sinn her auch: "cogitationes inprobas", "avida consilia", "libidinem caecam", "alieno imminentem avaritam"), welches inhaltlich jeweils eine Klimax aus zwei Worten ist (Z.57ff. "Untat" und "Schandtat", "schlechte Pläne" und "gierigen Beschlüsse", "blinde Verlangen" und "nach fremdem Besitz trachtende Habsucht"). So gesehen bilden die drei Klimaxe ein Trikolon und aufgrund der ständigen Repetitio (Wiederholung) des Wortes "et" ist, welches auch ein Polysydeton ist, werden diese Worte besonders hervorgehoben. Insgesamt ist dieser Satzabschnitt demnach stilistisch hochanspruchsvoll und erregt sehr viel Aufmerksamkeit beim Leser. Außerdem stehen die Zeilen 58 und 59 im zweifachen Chiasmus ("cogitationes inprobas" | "avida consalia" | "libidinem caecam" | "alieno imminentem avaritam"), wobei man hier auch sagen könnte, dass auf zwei im Chiasmus stehende Teile der Aufzählung parallel (bzw. im Parallelismus) zwei weitere im Chiasmus stehende Teile folgen. Somit wird zusätzlich der bereits genannte Trikolon nochmals unterstützt. Sinngemäß taucht in Zeile 60 erneut ein Hendiadyoin auf ("tuetur as vindicat"), welches ausdrücken soll, dass Gott alle moralischen Übel vom "vir bonus" abwendet und diesen im besonderen Maße schützt. Darauf folgt eine rhetorische Frage (Z.60f. "numquid hoc quoque aliquis a deo exigit, ut bonorum virorum etiam sarcinas servet?"), wobei hier "sarcina" (Gepäck) eine Metapher (bildhafter Ausdruck) für die Adiaphora darstellt, vor dem der "vir bonus" allerdings nicht geschützt wird. Zudem ist hinzuzufügen, dass das Wort "sacrinas" (Z.61) im Plural steht, man es allerdings im Singular übersetzt. Dieses Stilmittel nennt sich Synekdoche. Der Satzbau der Zeile 62 ist wieder als Chiasmus zu deuten, da im ersten Abschnitt des Satzes das Prädikat vor dem Objekt steht und im zweiten Abschnitt umgekehrt ("remittunt hanc curam" | "externa contemnunt"), womit die Unterstützung der "viri boni" für Gott definiert wird (durch die Geringschätzung der Adiaphora). Außerdem liegt in Zeile 62 ein Hyperbaton vor ("hanc deo curam"), das verdeutlicht, wie wichtig es für Gott ist, dass dieselbe Fürsorge, die er dem "vir bonus" gibt, auch zurückerlangt. Zusammenfassend ist noch hinzuzufügen, dass Sencea häufig Pronomina verwendet (Z.56: "aliquid", Z.57: "ille" und "illis", Z.59: "ipsos", Z.60: "aliquis", Z.62: "ipsi" und "hanc"), die in gewisser Weise Ordnung und Struktur in den Paragraphen bringen.
[6, 2] Seneca verdeutlicht die Geringschätzung der Adiaphora durch ein exemplum, welches eine Form des philosophischen Lehrbriefs ist: "Democritus divitias proiecit, onus illas bonae mentis exisistimans (est)" (Z.63f.). Meinen Überlegungen nach, ist in diesem Satz eine Ellipse zu finden, da eine einfache Form wie "est" weggelassen wurde. In folgenden vier rhetorischen Fragen listet Seneca exempla für Menschen, die Schlimmes selbst herbeigewünscht haben und es dementsprechend freiwillig auf sich nehmen (Z.64 - 69 "..., sie id deus bono viro accidere patitur, quod wir bonus aliquando vult sibi accidere? Filios amittunt viri boni: quidni, cum aliquando et occidant? In exilium mittuntur: quidni, cum aliquando ipsi patriam non repetituri relinquant? Occiduntur: quidni, cum aliquando ipsi sibi manus afferant"). Aufgrund dieser genannten Beispiele wird die Aussage aus dem 2. Kapitel Paragraph 1 über den "vir fortis" verdeutlicht. Häufig verwendet Seneca Formen von "vir bonus" (Z.56, 64ff.), also ein Polyptoton, wobei dieser in anderen Kapiteln auch als "vir fortis" (2, 1: Z.23) beschrieben wird. Die zweite, dritte und vierte rhetorische Frage stehen im Parallelismus, wobei die eigentlichen Fragen (nach den Doppelpunkten) eine Anapher sind (Z.66ff. "quidni").
Seneca ist bekannt für seine mit vielen Stilmitteln ausgelegte Sprache, weshalb es nicht bewundernswert ist, wie viele sprachliche Besonderheiten in nur zwei so kurzen Abschnitten versteckt sind.
Inhalt
Im Folgenden sind die Kapitel 1, 1 + 5; 2, 1 - 6; 6, 1 + 2 der "de providentia", verfasst von Seneca, einem römischen Philosophen, von mir übersetzt ins Deutsche und inhaltlich zusammengefasst. Zudem liegt eine eigenhändig verfasste Stilmittelanalyse zum 6. Kapitel vor. (2208 Wörter)
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Es handelt sich hier um einen fremden, nutzergenerierten Inhalt für den keine Haftung übernommen wird.
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