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Brants Narrenschiff, erstes deutsches Werk des Humanismus - Interpretation

Alles zu Sebastian Brant  - Das NarrenschiffBrants Narrenschiff als erstes deutsches Werk des beginnenden Humanismus
Interpretation


Das Narrenschiff von Sebastian Brant (1457-1521, Straßburg) ist neben einer moralisch-didaktischen Lehrdichtung vor allem eine Moralsatire und Zeitkritik, erstmals veröffentlicht 1494, verfasst anlässlich des Fastnachtsnarrentreibens. Seitdem gilt Brant als erster Vertreter des Humanismus.

DEUTUNGSHYPOTHESE

Brants Narrenschiff zeigt eindeutig die Anfänge der humanistischen Geisteshaltung sowie der Epoche der Renaissance in Wort und Bild. Diese Behauptung möchte ich mittels der folgenden Interpretation und anhand aussagekräftiger Textpassagen stützen.

FORMALE ANALYSE

Das Narrenschiff ist in Versen und Reimpaaren verfasst. Es handelt sich um eine Moralsatire in 112 selbstständigen Kapiteln. Brant orientiert sich dabei an der römischen Satire. Der Text beginnt mit einer Vorrede "Alle Lande sind jetzt voll heiliger Schrift. [...] So viel, dass es mich wundert schon, weil niemand bessert sich davon" und endet mit den Sätzen: "Hier endet sich / das Narrenschiff / so zunutze heilsamer Lehre / Ermahnung / und Streben / nach Weißheit / Vernunft / und guter Sitten / auch zur Verachtung / und Strafe der Narrheit / Blindheit / Irrglaube / und Torheit / aller Stände /und Geschlecht der Menschen / mit besonderem Fleiß / Mühe/ und Arbeit / gesammelt / durch Sebastianum Brant / in beiden Rechten Doktor / gedruckt zu Basel zur Fastnacht / die man der Narren Kirtag nennt / im Jahr nach Christi Geburt Tausend vierhundert vier und neunzig. 1.4.9.4. Nicht ohne Anlass."
Die Kapitel wurden teilweise in Ich-Perspektive, teilweise in auktorialer Erzählperspektive geschrieben. In einer späteren Ausgabe wurde das Werk um drei weitere Kapitel ergänzt. Im Kapitel "Verwahrung" enttarnt Brant all diejenigen als Narren, die seinen Text verändern oder Plagiate davon anfertigen. Unter dem Holzschnitt, die zu einem Großteil dem Handwerk Albrecht Dürers zugeordnet werden, steht jeweils ein Dreizeiler, der den Text des jeweiligen Kapitels zusammenfassen soll. Es ist das erste Buch der literarischen Gattung der "Narrenliteratur". Ihre Ausdrucksformen sind die Karikatur und die Übertreibung. Die Sprache, die Brant verwendet, lässt vermuten, dass er mit verschiedenen Soziolekten und Dialekten vertraut war. Er verwendet beispielsweise die Jägersprache, vgl. dazu Kapitel 51 - "Geheimnisse wahren";

"Der ist ein Narr, wer offenbart
der Frau, was er geheim bewahrt,[...]
Und merket, wo er atzt den Gauch."
"Den Gauch atzen" bedeutet so viel wie "den Kuckuck füttern" und ist ironisch zu verstehen.
Oft verwendet Brant auch Neologien aus dem Lateinischen, wie "schlimschlem", das sich aus "similis quaerit similem" entwickelt hat und so viel heißt wie "Ähnlicher sucht Ähnlichen"; vgl. dazu die Vorrede zum Narrenschiff:

"Zu Scherz und Ernst und allem Spiel
Trifft man hier Narren, wie man will,
Ein Weiser sieht, was ihm behagt,
Ein Narr gern von den Brüdern sagt.
Hier hat man Toren, arm und reich,
Schlim schlem, gleich findet gleich."

Besonders auffällig ist die Erwähnung von überdurchschnittlich vielen Figuren der Antike, die in den Kapiteln Erwähnung finden. Brant versucht dadurch, seine Aussagen zu stützen.
z.B. Kapitel 13 (beachten Sie die Zahl!) - "Von Buhlschaft";


"Ich, Venus mit dem strohernen Steiß,
Bin nicht die letzte des Narrenbreis;
Ich locke zu mir der Narren viel
Und mach zum Gauche wen ich will
Meine Kunden niemand nennet all.
Wer je gehört von Circes Stall,
Kalypso, der Sirenen Joch,
Bedenk, welch Macht ich habe noch.
Wer meint, daß klug und schlau er sei,
Den tauch ich tief in Narrenbrei,
Und wer einmal von mir wird wund,
Den macht kein kräftig Kraut gesund."

Allein in diesem Absatz nennt Brant vier antike Figuren.
1. Venus, in der römischen Mythologie die Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit
2. Circe, in der altgriechischen Mythologie eine Zauberin und Verführungskünstlerin
3. Kalypso, in der griechischen Mythologie eine Meernymphe, die sich in Odysseus verliebt und ihn sieben Jahre lang auf ihrer Insel festhält, und
4. eine Sirene, ein weibliches Fabelwesen der griechischen Mythologie, das durch ihren betörenden Gesang Seefahrer anlockt, um sie anschließend zu töten


INTERPRETATION

Der Humanismus beschreibt die Geisteshaltung des Erwachens der menschlichen Vernunft. Der Mensch soll sich nicht mehr als unmündiges Geschöpf erleben, sondern als ein eigenverantwortliches Lebewesen. Dafür ist es unabdingbar, die eigene Vernunft einzusetzen. Die Renaissance wird auch als die Wiedergeburt der Antike bezeichnet. 1453 nehmen die Türken Konstantinopel ein, viele byzantinische Gelehrte fliehen nach Europa und bringen jede Menge antiker Schriften in lateinischer Sprache mit. So wird die Denkweise sowie die Kunst der Antike wieder modern.

Obwohl es bereits im Spätmittelalter eine moralische-lehrhafte Dichtung gab, unterscheidet sich Brants Narrenschiff vor allem dadurch, dass er sich nicht mehr um eine rein geistliche Auslegung der "Lehre des guten Lebens" bemüht. Außerdem schreibt er sein Buch nicht in ernstem Tonfall, sondern spickt es mit überbordender Ironie. Brants Werk wird oftmals nachgedruckt, erweitert und sogar raubkopiert. Es wird in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Den Erfolg verdankt Brant jedoch auch den Bildern, die jedes Kapitel unterstützen. Dadurch spricht das Buch gleichermaßen Gelehrte sowie Analphabeten an. Außerdem suchen die Menschen in dieser schwierigen Zeit eine Orientierungshilfe und finden sie mit diesem Buch.

Brant veröffentlicht seine Moralsatire 1494, in einer Zeit, in der Martin Luther seine Lehren noch nicht angeschlagen hat, die Schrift über die Theorie des heliozentrischen Weltbildes von Kopernikus genau sowenig existiert wie der Beweis dieses Weltbildes von Galileo Galilei. Es regiert noch Maximilian I, das Sinnbild des letzten Ritters, der in Wiener Neustadt im heutigen Niederösterreich, geboren wurde. Brant schreibt also noch im Sinne des spätmittelalterlichen Wertesystems, bemerkbar ist jedoch bereits, dass ein Umbruch im Gange ist. Christoph Kolumbus entdeckte zwei Jahre zuvor Amerika. Der Kompass war bereits erfunden. Die Astronomie war dem gemeinen Volk noch genauso weithin unbekannt wie die Geographie, aber dem Text Brants zufolge gab es bereits Tendenzen zu diesen Wissenschaften.
Michelangelo studiert zu der Zeit in Bologna. Und genau im Jahr der Erstveröffentlichung von Brants Narrenschiff wird Hans Sachs geboren.

Die Allegorie des Narren

Durchgegehendes Symbol ist der Narr im Kostüm des Hofnarren, dessen Attribute die zweigeteilte Narrenkappe sowie Schellen und Eselsohren sind. Brant lädt Narren jedes Standes und Berufes auf sein Narrenschiff und lässt sie gen Narragonien fahren. Dabei steht jeder Narr als Allegorie für ein menschliches Fehlverhalten. Bis dahin wurde der Begriff des Narren für geistig und körperlich Behinderte sowie für gottlose und sündhafte Menschen verwendet. Brant weitet die Symbolik des Narren aus. So will Brant, so sagt er es selbst in seiner Vorrede, allen Narren den Spiegel vorhalten. Auf moralisch didaktische Art und Weise zeichnet er die Typologie verschiedenster Stände und Berufe mit ihren schlechten Charakterzügen und Eigenschaften. Neben Kapiteln, die sich rein mit kirchlichen Lehren beschäftigen, schreibt Brant auch Kapitel, in denen es um die Entwicklung der eigenen Vernunft geht. Brant überlässt es nicht mehr nur der Kirche, zu bestimmen, was Gut oder Schlecht ist, er propagiert ein mündiges und erwachsenes Handeln des Individuums und schenkt jedem Menschen somit eine gewisse persönliche Freiheit, die derjenige selbst durch seine Vernunft steuern soll. Die namentlichen Beispiele in den Kapiteln sind sowohl biblische Figuren als auch Figuren der römischen und griechischen Antike.
Die spätmittelalterlichen Ansichten Brants spiegeln sich besonders ausführlich in Kapiteln wieder, die hauptsächlich aufzeigen sollen, dass all diejenigen, die sich in verschiedenster Weise gegen Gott versündigen, der Hölle nahe sind. Man spürt hier die vorherrschende kirchliche Weltanschauung, in der sich der Mensch an die Gebote und Verbote der Kirche zu halten hat. Brant vermischt die Grundgedanken des Humanismus mit kirchlichen Gedankengut.
Mit Beginn des Humanismus endet die Zeit, in der die Kleriker den Menschen vorschreiben können, was sie zu tun und sogar zu denken haben. Die Geistesbewegung des Humanismus lehnt die Vormachtstellung der Kirche ab und propagiert die Vernunft und Selbstkontrolle des individuellen Menschen. So weit ist man in der Zeit Brants zwar noch nicht, doch sind die ersten Anzeichen dafür bereits erkennbar. So schreibt er in Kapitel 99 "Vom Verfall des Glaubens und des Reiches". Er stellt "die Ketzer, die mit Irrlehren den christliche Glauben zerstören" wollen, an den Pranger. "Zwietracht und Ungehorsamkeit zerstört der Christen Glauben und Gut", sagt er und meint damit auch, dass die Besetzung Konstantinopels durch die Türken niemals gelungen wäre, hätten sich die Christen immer gehorsam an die Regeln der Kirche gehalten.

Dass Brant im Sinne des soeben zu blühen beginnenden Humanismus schreibt, spiegelt sich in den Kapiteln, die er dafür verwendet, um dem Leser zu verdeutlichen, dass sich nur Narren unmündig verhalten und ihre Taten nicht selbst verantworten wollen. Ein weiser Mann handelt erst, nachdem er sich seiner Vernunft bedient hat, wie z.B. in Kapitel 15 - "Von törichtem Planen";

"Bedenk sich wohl, eh er beginnt,
Denn manchem kommt die Reu zu spät"

Oder auch in Kapitel 12 - "Von unbesonnenen Narren";
"Denn wer bedenkt all Ding beizeiten,
Der sattelt wohl, eh er will reiten.
Wer sich bedenkt erst nach der Tat,
Des Überlegung kommt meist zu spat;"

Auch lässt der Autor an Mönchen genausowenig ein gutes Haar wie an anderen Geistlichen. Dazu ein für damalige Zeiten wohl gewagtes Kapitel, 63 - "Von Bettlern";
"Der Bettel hat auch Narren viel,
Man schafft sich Geld durch Bettelspiel
Und will mit Betteln sich ernähren.
Mönchsorden, Pfaffen sich beschweren,
Daß sie, die Reichsten, wären arm.
Ach, Bettel, daß sich Gott erbarm!"

Dies spricht dafür, dass Brant dem Lesern vor Augen führen will, dass die Geistlichkeit nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Viele Neologien Brants sind zudem Worte, die von kirchlichen Ausdrücken abgeleitet wurden.
z.B.:
"Narrentanz" statt Totentanz (Kapitel 62 - "Vom nächtlichen Hofieren")
"Narrenspiegel" statt Bußspiegel (Vorrede zum Narrenschiff)

Humanismus und die Geburt zahlreicher neuer Wissenschaften

Vor der Astronomie hat sich die Astrologie entwickelt, was auch das Kap. 65, "Von Beobachtung des Gestirns" bestätigt. Brant schreibt hier von der heidnischen Kunst der Planetenschau, die "einem Christenmenschen nicht zusteht". "Verheißen", so Brant weiter "steht den Ärzten an". Ein guter Christ verlässt sich also demnach nicht auf die Weissagung der Planeten, die einen Tag bestimmen, an dem beispielsweise das Eheschließen oder die Freundschaft fruchtbarer ausfallen solle. Als Beispiel nennt er Abraham, dem von Gott geweissagt wurde, dass er viele Nachfahren haben werde. Dieser hätte sich schließlich auch nicht auf die Planetenschau verlassen, sondern auf die Weissagung Gottes. Diejenigen, die sich hingegen auf die Planetenschau verlassen, sind gottlose, heidnische Narren. Diese Aussage unterstützt Brant noch mit dem letzten Satz "Als König Saul verlassen war von Gott, rief er des Teufels Schar."

In Kap. 66 bestätigt sich die Annahme, dass es bereits Tendenzen zur Entwicklung der Geographie als Wissenschaft gibt. Brant urteilt hier denjenigen als Narren ab, der "den Zirkel in die Hand nimmt" und damit die Länge und Breite der Erde sowie die Tiefe und Breite des Meeres ausmessen will. Brant erwähnt als Beispiel Archimedes, den bedeutendsten griechischen Mathematiker, Physiker und Ingenieur der Antike, der nach der Legende von einem römischen Soldaten getötet wurde, nachdem er während der Plünderung einer Stadt diesen aufgefordert habe, ihn nicht bei der Erbringung eines mathematischen Beweises zu stören. Seine Worte sollen der Legende nach gewesen sein: "Störe meine Kreise nicht". Diese Legende stellt Brant als Bestätigung dar, dass ihm die Beschäftigung mit der Mathematik letztendlich das Leben gekostet hat. Das zweite Beispiel Brants ist Dikaiarchos, der Philosoph, Kartograf, Geograph, Mathematiker und Schriftsteller, der ein Schüler des Aristoteles war. Nach Brant "befliss sich dieser, die Höhe der Berge auszumessen" und "fand, dass Pilio (Anm. Gebirgszug in Griechenland) höher war als alle Berge, die er maß", dabei aber die "Alpen im Schweizerland vergaß". Brant wollte damit aufzeigen, dass Dikaiarchos ein Narr war, dessen Berechnungen völlig falsch waren. Über dessen Leben ist wenig bekannt. Brant lässt ihn in seinem Werk deshalb in die Schweizer Alpen ziehen, wo er noch immer sitzen soll. "Denn Menschengeist", so Brant, "irrt darin sehr, dass er solches berechnet alle Zeit und weiß mit eignem Maß nicht Bescheid". Er verurteilt die Berechnung der Grade der Erde durch Ptolemäus genauso wie dessen Entdeckung und Berechnung des Äquators und die Einteilung in Meilen durch Strabo, einen griechischen Geographen. Auch Marinos von Tyros, ein griechischer Geograph, ist für Brant ein Narr, denn er wollte die Erde nach dem Meer berechnen und hat sich "darin arg gefehlt". Als weisen Meister hingegen nennt er Plinius, den römischen Gelehrten, Offizier und Verwaltungsbeamten. Dieser hätte gesagt, "es zeuge von Verständnis nicht, wolle man die Größe der Welt verstehen und drüber hinaus vorzeitig gehen und rechnen weit bis hinters Meer." Derjenige also, der sich nicht mit der Berechnung der Erde abgibt, ist weise, währenddessen all diejenigen, die sich damit beschäftigen, für Brant im Narrenschiff mitfahren.

Moralsatire über spätmittelalterliche Stände und Berufe

Vor allem widmet Brant neben dem Thema der Gottlosigkeit auch viele Kapitel den verschiedensten schlechten Eigenarten von Ständen und Berufen. Das Werk kann somit auch als Ständesatire verstanden werden. Er wettert gegen unnütze Räte, gegen schlechte Knechte, gegen die Verschwendungssucht und den Hochmut von Adligen und Reichen, gegen schlechte Köche und Kellner, gegen scheinheilige Polizisten und Sachwalter (auf dem Bild zu dem Kapitel ist neben dem Sachwalter und einem bäuerlichen Narren der erste Vertreter einer Bürgerwehr abgebildet). Außerdem setzt er oft den Bauern die Narrenkappe auf, beispielsweise weil sie sich nicht ihrem Stande gemäß kleiden. Auf dem Bauernstand lässt Brant ohnehin kein gutes Haar. Insgesamt finden Bauern 22malige Erwähnung, zumeist handelt es sich um die Verunglimpfung bäurischer Angewohnheiten. Auch die Handwerker bekommen eine Narrenkappe aufgesetzt, weil sie sich gerne als Meister ausgeben, obwohl sie selbst das Handwerk nie erlernt hätten.

Moralische Lehren über verachtenswerte Charakterzüge

Daneben findet man zahlreiche Typen mit für die damalige Zeit verachtenswerten Charakterzügen. Beispielsweise diejenigen, die sich mit unnützen Büchern beschäftigen, diejenigen, die Besitz anhäufen und nichts an Bedürftige abgeben, die sich ständig nach der neuesten Mode kleiden, die mit dem Alter nicht weiser werden, die ihre Kinder nicht richtig erziehen oder ihnen ein falsches Vorbild sind oder auch diejenigen, die gerne tanzen und nachts an das Fenster schöner Frauen freien gehen sowie diejenigen, die mit vielen Frauen gleichzeitig flirten.

Manche dieser Kapitel entlocken dem modernen Leser nur noch ein Schmunzeln, andere haben in ihrer Gültigkeit, was die gesellschaftliche Moral anbelangt, und ihren Wahrheitsgehalt nicht eingebüßt.

Zusammenfassend hier die Kapitel, angepasst an den heutzutage üblichen Sprachgebrauch:

Für Brant und damit den spätmittelalterlichen Ansichten nach, bist du ein Narr, wenn du

1. dich mit unsinnigen Büchern beschäftigst
2. ein Richter sein willst und nichts vom Recht verstehst
3. zu viel Besitz ansammelst und davon nichts an Bedürftige abgibst
4. dich nach der neuesten Mode kleidest
5. mit dem Alter nicht weiser wirst
6. deinen Kindern keine gute Erziehung zukommen lässt
7. eine Freude daran empfindest, deine Mitmenschen gegeneinander aufzubringen
8. den guten Rat eines Freundes nicht annimmst
9. schlechte Angwohnheiten pflegst
10. das Vertrauen deines Freundes missbrauchst und dich dann an seinem Unglück erfreust
11. die Heilige Schrift verachtest und so tust, als wenn sie nicht existiere
12. nicht nachdenkst, bevor du handelst
13. mit vielen Frauen flirtest.
14. du glaubst, dass all deine Sünden menschlich sind und nicht bestraft werden würden
15. nicht planst, bevor du ein Haus baust
16. das Maß beim Essen und Alkohol trinken nicht halten kannst
17. einen Reichen mehr Respekt entgegenbringst als einem Weisen
18. es zwei oder mehreren Herren gleichzeitig recht machen willst
19. zu viel schwatzt und damit über deine Mitmenschen Schaden bringst
20. etwas findest und nicht seinem wahren Besitzer gibst oder - wenn weder Besitzer noch Erben auffindbar sind - es einem Bedürftigen schenkst
21. jemanden für etwas kritisierst, das du selber nicht besser machen kannst
22. nicht nach Weisheit strebst
23. davon ausgehst, dass du immer nur Glück im Leben hast
24. dich zu viel um Dinge sorgst, die du nicht ändern kannst
25. zu viele Schulden machst
26. dir Dinge wünscht, die, würden sie in Erfüllung gehen, dir mehr Schaden als Nutzen bringen
27. dich als Student mit unnützem Wissen beschäftigst
28. Gott für sein Schaffen kritisierst
29. über Tote urteilst und glaubst, du selbst seist dem Tod noch nicht nahe
30. zu viel Lohn für deine Arbeit verlangst
31. dich nicht heute besserst und es aufschiebst
32. deine Frau bewachst, dass sie ja nur nichts anstellen kann
33. Ehebruch begehst
34. viel Gutes hörst und trotzdem nicht gescheiter wirst
35. zu leicht zornig wirst
36. glaubst, du seist nicht von anderen abhängig und schaffst alles alleine
37. dir nicht bewusst bist, dass du umso tiefer fällst je höher du fliegst
38. dich nicht an die Anweisungen deines Arztes hältst
39. deine Pläne verrätst
40. dich über andere Narren ärgerst
41. alles, was geredet wird, ernst nimmst
42. über andere spottest
43. nur die Erdenfreuden genießen willst ohne daran zu denken, dass auch dich der Tod ereilen wird
44. in der Kirche lärmst
45. dich mutwillig in Gefahr begibst
46. du Weisheit mit Reichtum und Macht verwechselst
47. dir nicht bewusst bist, dass der Weg zu Seligkeit steinig ist
48. dich zum Meister erklärst, obwohl du selbst das Handwerk nicht gelernt hast
49. deinen Kindern ein schlechtes Beispiel bist
50. triebhaft bist
51. Geheimnisse verrätst, vor allem aber wenn du einer Frau Geheimnisse verrätst
52. nur des Geldes wegen heiratest
53. Hass und Neid in dir trägst
54. nicht kritikfähig bist
55. glaubst, du seist ein Arzt, weil du dich ein wenig mit Alternativmedizin beschäftigt hast
56. der Meinung bist, dass Gewalt alle Probleme löst
57. die Bibel falsch interpretierst und glaubst, dass Gott dir Lohn ohne Arbeit verspricht
58. immer nur für andere da bist und auf dich selbst dabei vergisst
59. für viel Arbeit wenig bezahlen willst
60. selbstverliebt bist und dich oft in den Spiegel schaust
61. Freude am Tanzen hast
62. nachts an ein Fenster freien gehst
63. durch Betteln deinen Lebensunterhalt bestreitest, obwohl du jung und gesund genug bist, um arbeiten gehen zu können
64. ein böses Weib bist, das zur Boshaftigkeit neigt, zu viel schwatzt, zornig und neidisch bist oder Ehebruch begehst
65. dich mit Astrologie beschäftigst
66. dir anmaßt, du könntest die Erde, die Meere oder die Länder der Erde ausmessen und berechnen
67. von dir selbst glaubst, du seist kein Narr
68. keinen Spaß verstehst, vor allem bei Kindern
69. dir nicht bewusst bist, dass es aus dem Wald genauso herauskommt, wie du hineingeschrien hast
70. nicht beizeiten für den Winter und schlechte Zeiten vorsorgst
71. jeden Streit auf dem Gericht austrägst
72. dich in Worten und Taten grob benimmst
73. nur aufgrund dessen Geistlicher werden willst, weil es nicht viel Arbeit sei und genug Geld bringe
74. zum Spaß jagen gehst
75. gerne an Preisschießen teilnimmst
76. dich als besser darstellst, als du in Wahrheit bist
77. ein Spieler bist
78. sozial nicht angepasst bist und als Frau jemanden nach deinem Mann ins Wirtshaus schickst
79. ein unehrlicher, scheinheiliger Polizist oder Sachwalter bist
80. ein versoffener Postbote bist, der die Briefe nicht rechtzeitig abliefert
81. ein schlechter Koch oder Kellner bist
82. als Bauer zu viele Schulden machst und dich nicht deinem Stande gemäß kleiden willst
83. nichts außer Geld verehrst und die Armut verachtest
84. nicht bis ans Ende deiner Tage ein guter Mensch bleibst
85. dir nicht bewusst bist, das nichts Weltliches für ewig währt und du dir nichts ins Grab mitnehmen kannst
86. Gottes Wort nicht achtest und widersprichst
87. über Gott lästerst
88. dich über die Plagen und Straften Gottes wunderst, obwohl du dich nicht an seine Gebote gehalten hast
89. dich auf ein schlechtes Tauschgeschäft einlässt
90. Vater und Mutter nicht ehrst
91. dich gerne über die neuesten Gerüchte unterhältst
92. hochmütig bist
93. Lebensmittel und Genussmittel zu hochpreisig verkaufst oder zu viele Lebensmittel aufkaufst, um damit den Preis in die Höhe zu teiben
94. dich auf den Tod eines anderen aufgrund einer Erbschaft freust
95. aufgrund von Habgier auch am Feiertag arbeitest
96. etwas schenkst und es danach bereust
97. faul bist
98. ein ungläubiger Ausländer bist
99. nicht acht gibst und mithilfst, dem Verfall des Glaubens entgegenzuwirken
100. ein Schleimer bist
101. alles glaubst, das man dir heimlich ins Ohr flüstert
102. ein Betrüger bist
103. Ablass, Bibel und Bildung nicht schätzt
104. dich durch Gewalt dazu zwingen lässt, die Wahrheit zu verschweigen
105. verhindern willst, das jemand anderen etwas Gutes widerfährt
106. versäumst, in deinem Leben Gutes zu tun
107. kein weises und tugendreiches Leben führst
108. dir nicht bewusst bist, dass es mehr Narren als Weise auf der Welt gibt
109. drohendes Unheil missachtest
110. dieses Buch kritisierst
111. schlechte Tischmanieren hast
112. dich in der Fastnacht dem modernen Brauch des Karnevals hingibst
113. nicht weißt, dass ich weiß, dass ich selbst ein Narr bin, der glaubt, er sei weise wenn er von anderen Narren spricht
114. keine Ahnung davon hast, was einen weisen Mann ausmacht
115. das Buch raubkopierst oder veränderst

Die Charakterzüge des Weisen

Brant zeichnet das Bild des weisen Mannes folgendermaßen:

er hält sich selbst nicht für weise
erkennt in sich selbst den Narren
begehrt nicht nach Reichtum und Besitz
befolgt weisen Rat
hält sich an die guten Sitten wie Scham, Zucht, Friedfertigkeit, Dankbarkeit, Ernsthaftigkeit, Bedächtigkeit und Zurückhaltung
denkt nach bevor er spricht
trinkt Alkohol in Maßen
spricht nicht hinter den Rücken über andere
ist der Gemeinschaft nützlich
spottet nicht über andere
ist kritikfähig
will von anderen Weisen lernen
ist sich seiner Sterblichkeit immer bewusst
umgibt sich gern mit anderen Weisen
meidet die Narren
arbeitet fleißig und sorgt vor
nimmt sich Sokrates, Diogenes und Apollo zum Vorbild
hört nicht darauf, was der Adel spricht, genauswenig wie auf das Geschrei des Volkes
denkt nach und wägt ab
setzt Nutzen vor Ehre
bedenkt die Sachen bevor er sie ausführt
handelt nach der Vernunft

Das weise Ideal Brants ist der Stoiker, der sein Schicksal akzeptiert und damit gelassen umgehen kann. Ein wichtiger Vertreter war Diogenes von Sinope, ein antiker griechischer Philosoph. Der Legende nach hatte er keinerlei Besitz und lebte in einem Fass. Alexander der Große ging einst zu ihm und wollte ihm einen Wunsch gewähren, woraufhin Diogenes respektlos geantwortet haben soll, er möge ihm doch aus der Sonne gehen. Die Legende des Diogenes findet Erwähnung in Kapitel 24, "Von zu viel Sorgen".

SCHLUSS

Brants Text zeichnet sich durch die Hervorhebung der Vernunft aus und erfüllt somit die Bedingungen an die Literatur des Humanismus. Außerdem erwähnt er viele Figuren aus der Antike, was wiederum für die Epoche der Renaissance spricht.
Viele der Kapitel haben meiner Meinung nach auch heutzutage noch Gültigkeit. Der aufmerksame Leser wird feststellen, dass wir in manchen Dingen dem spätmittelalterlichen Menschen doch noch mehr ähneln, als wir zugeben möchten.

Quellen:
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/e/ge/bres/tena/gebresten-aa.htm
wikipedia
http://gutenberg.spiegel.de/buch/2985/1
http://www.zeno.org/Literatur/M/Brant,+Sebastian/Satire/Das+Narrenschiff
Inhalt
Eine ausführliche Interpretation zu Brants "Das Narrenschiff".
Themen: Brants Werk in Verbindung mit der Literatur des Humanismus und der Renaissance
Formale Analyse
Die Allegorie des Narren
Humanismus und die Geburt zahlreicher neuer Wissenschaften
Moralsatire über spätmittelalterliche Stände und Berufe
Moralische Lehren über verachtenswerte Charakterzüge
Zusammenfassung der 115 Kapitel - angepasst an den heutzutage verwendeten Sprachgebrauch
Der Weise Mann nach Sebastian Brant (3800 Wörter)
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